Читать книгу Familie Dr. Norden Classic 42 – Arztroman - Patricia Vandenberg - Страница 3

Оглавление

Dr. Norden freute sich, wenn Laura Lanzing ihn besuchte, wenn ihr auch selten etwas fehlte, aber wenn sie einen besonderen Traum gehabt hatte, mußte sie ihm diesen sofort erzählen. Das war schon in ihrer Kindheit so gewesen, und sie hatte es beibehalten, weil Dr. Norden der einzige war, der ihr zuhörte und sich nicht lustig über sie machte. Ihm wurden allerdings auch nur die Träume erzählt, die ihr zu schaffen machten, während man sich bei den vielen anderen, die schon ein Buch füllen konnten, fragen mußte, ob es nicht einfach nur Phantasiegeschichten waren. Man konnte sich nicht vorstellen, daß man etwas so deutlich träumen und dann auch noch nach dem Erwachen behalten konnte.

Fee Norden träumte auch sehr intensiv, schreckte manchmal mit einem Schrei empor und schlug auch schon mal um sich, aber wenn sie erwachte, war alles nur schemenhaft vorhanden oder gar schon vergessen. Darüber hatten Daniel und sie sich oft unterhalten, weil auch Fee ihre Zweifel hatte, daß Laura tatsächlich soviel und so bildhaft träumen konnte, daß das Geschehen wie ein Film ablief.

An diesem Tag kam Laura nicht leichtfüßig und fröhlich hereingewirbelt, sondern ganz langsam mit sehr nachdenklicher Miene und sah auch ziemlich blaß aus.

»Ich hatte einen ganz scheußlichen Traum, Onkel Doc«, sagte sie tonlos. Sie hatte ihn als Kind so genannt und es dann scherzhaft weiterhin so gehandhabt.

Dr. Norden hatte nichts dagegen. In seinen Augen war sie immer noch ein verspieltes Kind, wenn sie mittlerweile auch fast zwanzig Jahre jung war.

»Dann erzähl mal, Laura«, forderte er sie mit einem väterlichen Lächeln auf.

Sie sah ihn an, und in ihren Augen war ein Ausdruck, der ihm zu denken gab. Sie schien tatsächlich Angst zu haben.

»Es ist so: Nächste Woche ist Premiere von dem Film, den wir im Herbst abgedreht haben. Meine Rolle ist zwar nicht groß, aber sie hat mir gefallen und ich habe sie gern gespielt. Die Premiere ist erst am Dienstag, und ich habe ganz deutlich geträumt, was da abläuft. Zuerst hat sich der Regisseur mit der Hauptdarstellerin gestritten, weil er mir eine größere Rolle versprochen hat, dann bin ich weggelaufen und jemand ist mir gefolgt und hat mich überfallen. Im letzten Augenblick ist mir Bobby zu Hilfe gekommen und hat mich gerettet. Aber es war so schrecklich, daß ich wirklich Angst habe.«

»Wer ist Bobby?« fragte Dr. Norden.

»Ein Jungschauspieler wie ich, aber er hat schon wichtigere Rollen bekommen. Ich mag ihn eigentlich nicht besonders, aber jetzt bin ich ihm doch dankbar, daß er mir geholfen hat.«

»War er denn zufällig zur Stelle?«

»Ja, rein zufällig. Es ist mir wirklich so, als hätte ich das richtig erlebt. Manchmal habe ich ja Träume erzählt, die nicht so deutlich waren, das gebe ich zu, aber dieser war ganz realistisch.«

»Dann schreib ihn auf, und ich bewahre ihn für dich auf, Laura. Vielleicht können wir dann nach der Premiere beide sagen, daß Träume doch nur Schäume sind.«

»Diesmal wäre ich darüber wirklich froh. Wenn ich das zu Hause erzähle, sagt Maren wieder, daß ich spinne. Sie ist ja so gehässig. Der Traum, daß Papa sie heiratet ist auch in Erfüllung gegangen. Ich habe gewußt, daß sie mich rausekeln wird.« Sie legte ihren hübschen Kopf zurück. »Ich werde nach New York auf die Schauspielschule gehen«, sagte sie kategorisch. »Ich brauche von Papa kein Geld, das habe ich mir selbst verdient, und das stinkt Maren am meisten.«

Jetzt siegte wieder ihr jugendlicher Elan, und ihre Augen blitzten.

»Du bist also fest entschlossen, Laura«, sagte Dr. Norden abwägend. »Sieh es aber realistisch. Illusionen werden schnell entzaubert.«

»Ich weiß, daß ich nur dann ganz nach oben komme, wenn ich die richtige Ausbildung habe. Ich bin kritisch und weiß, daß mir noch viel fehlt. Wenn ich die anderen Möchtegernstars anschaue, dann weiß ich auch, daß sie schnell weg sind vom Fenster. Mir macht das Filmen wirklich Spaß, und ich bin auch froh, daß ich gut verdiene. Ich sehe es jedoch nicht durch eine rosa Brille.«

»Das ist vernünftig. Wann soll es losgehen, Laura?«

»Ende August.«

»Dann werde ich dich ja noch öfter sehen. Aber wie ich schon sagte, überlege es dir gut.«

»Mach ich. Ich habe ja noch ein paar Wochen Drehtermine, außerdem auch Fototermine. Da kann ich auch ganz gut verdienen. Mir ist es wichtig, daß ich unabhängig von Papa bin.«

Daniel Norden wußte, daß dies Paul Lanzing überhaupt nicht paßte. Er meinte, daß es seinem Image schaden würde, denn er war ein reicher und prominenter Mann.

Manchmal kam ihm doch der Gedanke, daß das für Maren ausschlaggebend gewesen war. Laura hatte es ihm schon deutlich ins Gesicht gesagt.

*

Im Hause Lanzing herrschte eine gespannte Atmosphäre, und das nicht erst neuerdings. An diesem Tag hatte Maren jedoch völlig die Beherrschung verloren, weil auf dem Titelbild einer Illustrierten ein sehr gelungenes Foto von Laura war.

»Schau dir das an«, empfing sie ihren Mann mit schriller Stimme. »Deine Tochter schämt sich nicht, dafür zu posieren.«

Paul Lanzing hatte die Zeitung schon gesehen und ein paar Komplimente über seine schöne Tochter bekommen.

»Sie hat sich nicht entblößt«, sagte er spöttisch. »Du bist wohl neidisch, weil du nie auf einem Titelfoto warst.«

Es kam ihm einfach so über die Lippen, und da er mit seinen Bekannten ein paar Gläschen getrunken hatte, überlegte er auch nicht lange. Er hatte es einfach satt, daß sie ständig auf Laura loshackte.

»So darfst du mir nicht kommen, so nicht!« schrie sie ihn an. »Ich habe deinetwegen auf meine Karriere verzichtet und brauche mir das nicht sagen zu lassen.«

»Deine Karriere war längst im Eimer, mach nicht so ein Theater, Maren. Es bringt dir auch nichts, wenn du dein Gift auf Laura versprühst. Sie geht ihren Weg, auch ohne meine Hilfe. Wenn du mir und ihr einen Gefallen tun willst, damit das Leben in meinem Haus nicht unerträglich wird, dann unterlaß deine Bosheiten. Ich meine es ernst.«

Sie starrte ihn an und biß sich auf die Lippe, aber sie sagte kein Wort mehr und rauschte hinaus.

»Bekomme ich einen Tee, oder muß ich den auch außerhalb trinken?« rief er ihr nach.

Sie kam dann aber tatsächlich nach zehn Minuten mit dem Servierwagen, den sie zu seinem Sessel schob.

»Ich habe gedacht, es würde dir nicht gefallen, daß sich Laura so in der Öffentlichkeit präsentiert«, lenkte sie ein.

»Jetzt gewöhne ich mich daran, daß man mich um meine Tochter beneidet. Es gibt genug Väter, die nur Sorgen mit ihren Kindern haben und von ihnen nur ausgenommen werden. Mir ist es nicht recht, daß sie sich aus dem Haus gedrängt fühlt, das schließlich einmal ihr gehören wird.«

Marens Gesicht verzerrte sich. Das war sehr deutlich, aber sie beherrschte sich jetzt. Sie wollte es nicht auf die Spitze treiben und ihr schönes sorgloses Leben aufs Spiel setzen.

»Verdient sie denn eigentlich genug, um sich schon ganz auf eigene Füße zu stellen?« fragte sie. »Ich habe keine Ahnung, was heute für Gagen gezahlt werden.«

»Jedenfalls will sie kein Geld von mir«, erwiderte er. »Mir ist es auch viel wichtiger, daß sie sich mir nicht ganz entfremdet, da du es nicht verstanden hast, einen freundschaftlichen Kontakt zu ihr herzustellen. Ich erinnere mich noch sehr gut, wie du getönt hast, ihr eine mütterliche Freundin sein zu wollen. Das war ja wohl nichts.«

»Das lag nicht an mir. Sie hat es dir nicht verziehen, daß du wieder geheiratet hast.«

»Daß ich dich geheiratet habe, solltest du sagen. Sie hatte sich eine andere Frau an meiner Seite gewünscht.«

»Etwa diese spießige Rosemarie?« Sie begann zu trällern: »Rosemarie, Rosemarie, sieben Jahre mein Herz nach dir schrie«, und kicherte albern.

Das jedoch sollte sie gleich bereuen. »Halt den Mund, geh mir aus den Augen!« schrie er sie an. »Was zuviel ist, ist zuviel.«

Sie war nun doch erschrocken. »Du verstehst überhaupt keinen Spaß mehr«, schmollte sie. »Du weißt, daß ich es nicht so meine.«

»Ich weiß nur, daß du ein boshaftes, intrigantes Weib bist. Ich habe genug von dir.«

Sie hatte zwar ein dickes Fell, aber sie merkte, daß es ihm ernst war.

Nun kam auch noch Laura. Sie hatte draußen schon vernommen, daß hier etwas im Gange war. Ihr Vater schrie eigentlich nie, er war ein Meister der Beherrschung und ließ sich auch so schnell nicht provozieren. Lauras Augen blitzten triumphierend, als sie eintrat, so herrlich jung, daß Maren schon wieder der Neid ins Gesicht geschrieben stand, aber Laura tangierte das nicht.

»Hallo«, sagte sie lässig, »ich störe wohl. Aber ich bleibe nicht lange, ihr seid mich bald für immer los. Ich schaue mir nachher eine Wohnung an.«

»Ich will aber, daß du bleibst«, sagte Paul Lanzing. »Wir müssen endlich mal wieder miteinander reden, Laura.«

»Das bringt doch nichts, Papa.«

Sie würdigte Maren keines Blickes und wollte das Zimmer schon wieder verlassen, da sagte Paul: »Ich habe Maren gesagt, daß sie gehen soll, aber sie scheint taub zu sein.«

»Dein Vater ist sicher überarbeitet, Laura«, sagte Maren anzüglich. »Ich nehme es ihm nicht übel. Aber ich lasse euch jetzt allein, damit ihr reden könnt.«

Laura blickte ihr mit einem spöttischen Lächeln nach und schenkte sich eine Tasse Tee ein.

»Er ist miserabel, nicht mal das kann sie«, murrte er.

»Du hast sie doch unbedingt heiraten wollen, erwarte nicht, daß ich dich bedaure, Papa.«

»Es geschieht mir recht, meinst du. Ich widerspreche dir ja nicht. Aber man kann es doch ändern. Geh nicht fort, Laura. Ich hätte auf dich hören sollen.« Stöhnend legte er beide Hände vor das Gesicht.

Laura blieb ungerührt.

»Vielleicht verträgst du dich wieder mit ihr, wenn ich aus dem Haus bin. Ich ertrage diese Atmosphäre schon lange nicht mehr. Ich werde nachher den Vertrag für die Wohnung unterschreiben. Sie ist sehr hübsch und auch bezahlbar. Ich brauche keine Nobelherberge. Wenn alles klappt, gehe ich Anfang September nach New York auf die Schauspielschule. Nächste Woche werde ich

hinfliegen und mir alles anschauen.«

»Mir gefällt das nicht. Du bist noch so jung und hast gar keine Ahnung, was dich erwartet.«

Sie sah ihn fast mitleidig an. »Jedenfalls würde ich nicht so blind ins Unglück tappen wie du. Ich lasse mich nicht durch falsches Getue täuschen.«

»Ich möchte ernsthaft mit dir sprechen, Laura.«

»Ich meine es ernst, Papa.«

»Warum willst du auf meine Hilfe verzichten? Das Geld steht dir zu. Du wirst es sowieso mal bekommen. In diesem Zusammenhang möchte ich dir gleich sagen, daß in meinem Testament alles genau bestimmt ist. Du sollst keinesfalls annehmen, daß ich Maren bevorzuge, im Gegenteil. Das Haus wirst auch du allein bekommen.«

Er ahnte nicht, daß Maren lauschte und ihre Wut in Haßgefühle umschlug.

»Mich interessiert das nicht, Papa. Ich wünsche dir ein langes Leben in guter Gesundheit. Wie du mit Maren zurechtkommst, interessiert mich auch nicht.«

»Wann wirst du nach New York fliegen?« lenkte er ab.

»Gleich nach der Premiere von ›Verwischte Spuren‹. Eine größere Rolle für mich im nächsten Film ist auch im Gespräch.«

»Also hättest du hier doch genug zu tun.« Er deutete auf das Journal, das noch auf dem Tisch lag. »Und als Titelschönheit kann man dich auch schon bewundern. Ich bin heute schon mehrmals darauf angesprochen worden.«

»Und warst peinlich berührt«, sagte sie spöttisch.

»Ich habe mich gefreut. Begreifst du mich denn nicht, daß ich dich nicht verlieren will, Laura?«

»Es wird gut sein, wenn eine Distanz zwischen uns vorhanden ist, dann werden wir uns sicher wieder besser verstehen, du und ich. Mit Maren werde ich niemals auskommen, das sage ich dir gleich. Wir sind zu verschieden.«

Er konnte ihr nicht widersprechen. »Du solltest aber nie vergessen, daß du jederzeit zu mir kommen kannst. Wenn du Hilfe brauchst, hol sie dir nicht bei einem Fremden. Wenn ich auch eine Riesendummheit gemacht habe, so habe ich doch ein bißchen mehr Lebenserfahrung als du.«

»Das weiß ich, Papa. Ich bin trotzdem froh, daß ich bereits in der Lage bin, ohne Hilfe auszukommen.«

Sie verabschiedete sich von ihm, holte ein paar Sachen aus ihrem Zimmer und verließ das Haus wieder. Genau dreißig Minuten war sie zu Hause gewesen.

Sie fuhr zum Sternthaler Weg, wo sich ihre neue Wohnung in einem modernen Mehrfamilienhaus befand. Der Verwalter erwartete sie schon.

Es war eine sehr hübsche Wohnung mit einem großen Balkon, den man vom Wohn- wie auch vom Schlafraum betreten konnte. Ein kleineres Zimmer gleich neben der Küche lag an der Ostseite. Die Küche war sehr geräumig und hatte ein großes Fenster.

»Ich unterschreibe«, sagte Laura entschlossen.

*

Möbel hatte Laura schon früher bestellt, immer dann, wenn sie sich zu Hause wieder geärgert hatte. Wie andere Frauen Kleider kauften in solchen Situationen, oder zum Friseur gingen, so hatte sie dann Möbel ausgesucht. Daher konnte sie auch schon am nächsten Tag damit anfangen, ihre Wohnung einzurichten. Robin Kestner und Valerie Rethie halfen ihr, zwei Jugendfreunde, die sich nie aufdrängten, aber immer zur Stelle waren, wenn sie gebraucht wurden und es Laura nicht neideten, daß sie schon Erfolg hatte, während sie sich ihr Studium sauer verdienen und erarbeiten mußten. Sie hätten gern von einem reichen Vater eine Unterstützung angenommen, aber sie hatten keine reichen Väter.

Als Valerie in einer Verschnaufpause Laura fragte, ob ihr Vater ihr die Wohnung finanziere, winkte Laura ab.

»Ich habe es abgelehnt, ich will ihm nicht verpflichtet sein. Er hat mir diese Person vor die Nase gesetzt, das vergesse ich nicht, wenn er jetzt auch schon Krach mit ihr hat.«

»Ich wäre froh, wenn mir einer unter die Arme greifen würde«, seufzte Valerie.

»Wieviel brauchst du?«

»Ein paar Hunderter würden mir schon helfen, aber die sind bei meinem Vater nicht drin.«

»Fünfhundert kann ich dir geben. Wenn ich nicht für die Schauspielschule so viel brauchen würde, hätte ich mehr übrig«, sagte Laura sofort.

»Das kommt gar nicht in Frage«, widersprach Valerie, »von dir nehme ich kein Geld, es war nur so eine Betrachtung in Bezug auf unsere Väter.«

»Anderen geht es noch schlechter als uns«, meinte Robin. »Wir haben doch wenigstens einen ganz guten Job. Jammere Laura nicht die Ohren voll, Val. Immerhin können wir zu Hause wohnen.«

»Gib zu, daß es uns ganz schön auf den Geist geht. Dir werden von deinen Eltern wenigstens keine Vorschriften gemacht, aber ich stehe völlig unter Kontrolle.«

»Wenn ich nach New York gehe, könnt ihr hier wohnen«, sagte Laura.

»Willst du sie denn behalten?« staunte Valerie.

»Natürlich, sie gehört mir doch.«

»Du hast sie gekauft?« fragten beide fassungslos.

»Da spare ich Steuern. Man muß clever sein, meine Lieben.«

»Erst neunzehn und schon so geschäftstüchtig«, meinte Robin bewundernd.

»Daß du immer irgendwelche Träume hattest, weiß ich ja«, sagte Valerie, »aber daß du sie auch in die Tat umsetzt, ist einfach toll. Aber jetzt machen wir weiter, damit wir fertig werden.«

»Und heute abend lade ich euch zum Essen bei Josi ein«, sagte Laura.

»Ein bißchen arg teuer«, meinte Robin.

»Das seid ihr mir wert«, lachte sie.

So war Laura, großzügig und offenherzig, aber sie konnte auch ebenso stur sein, wenn ihr jemand nicht lag oder auf die plumpe Tour kam, und was Männer anbetraf, war sie überaus kritisch und vorsichtig.

*

Die Wohnung war eingerichtet. Es fehlte noch so manches, aber Laura verstand es zu improvisieren. Dieser Traum hatte sich erfüllt, aber wenn sie darüber nachdachte, war es doch nur ein Wachtraum gewesen und sie hatte ihn durch ihre Tatkraft verwirklicht. Ihr wurde aber auch bewußt, daß sie in ihrem jungen Leben schon eine Menge Geld verdient hatte, aber auch, daß sie damit haushalten mußte. Wenn sie nach New York ging, würde sie nichts verdienen und die Kosten dafür waren hoch. Wollte sie nicht zuviel auf einmal?

Unwillkürlich wanderten ihre Gedanken zu Maren, die auch einmal ganz erfolgreich gewesen war, aber dann sehr rasch vergessen wurde. Immerhin hatte sie verstanden, sich in ein gemachtes Nest zu setzen. Laura wollte gar nicht wissen, wieviel Geld sie ihren Vater schon gekostet hatte. Sie war nicht gehässig, aber Marens Überheblichkeit und ihr ganzes Benehmen empfand sie als Ärgernis.

Sie hatte aber nie zuvor einen Menschen kennengelernt, der es so gut verstand wie sie, sich rigoros durchzusetzen. Es wäre für Laura eine Freude gewesen, Maren jetzt zu sehen, nachdem sie vergeblich versucht hatte, sich wieder bei Paul einzuschmeicheln. Diesmal blieb er hart. Zu sehr nagte es noch an ihm, daß sie Laura vertrieben hatte. So sah er es, und er fühlte sich auch nicht frei von Schuld.

Maren wußte jedenfalls, was die Glocke geschlagen hatte und fühlte sich entsprechend. Als Paul dann jedoch das Haus verlassen hatte, wußte sie schon, wie sie sich auf andere Gedanken bringen konnte. Sie tätigte einen Anruf und beschäftigte sich danach eine Stunde mit ihrem Outfit, um sich dann in ihr Auto zu setzen und nach Garmisch zu fahren. Dort wurde sie im Casino von Jo Jordan erwartet, wenn auch nicht gerade überschwenglich begrüßt.

»Wieso der überraschende Besuch?« fragte er spöttisch.

»Ich habe das Gefühl, daß ich einen guten Tag habe. Außerdem habe ich etwas mit dir zu besprechen. Ich brauche dich, Jo.«

Er warf ihr einen schrägen Blick zu und lächelte zynisch.

»Was führst du im Schilde? Hat dich dein Alter durchschaut?«

»Sei nicht so gemein, wenn bei uns etwas nicht stimmt, ist seine Tochter schuld. Sie ist ein ganz raffiniertes Biest.«

»Was du nicht sagst, hat sie sich so viel bei dir abgeschaut in den paar Jahren?«

Sie kniff die Augen zusammen. »Vielleicht hätte ich doch nicht kommen sollen, aber für dich wäre allerhand drin, wenn du mal zuhören würdest.«

Er zündete sich eine Zigarette an und lehnte sich zurück. »Wieviel?« fragte er.

»Etwa fünfzigtausend.«

»Das ist nicht gerade viel. Ich denke in anderen Dimensionen.«

»Ich will ja nur, daß du mir jemand vermittelst, der zuverlässig ist.«

»Dann laß mal hören«, sagte er grinsend.

Sie beugte sich dicht zu ihm, und mit gedämpfter Stimme raunte sie ihm zu, was sie geplant hatte.

»Und was versprichst du dir davon?« fragte er, als sie schwieg.

Sie schnippte mit den Fingern. »Rate mal, du wirst schon noch darauf kommen. Und jetzt will ich mein Glück versuchen.«

Sie gewann tatsächlich und konnte mit ungefähr zwölftausend Mark Gewinn nach Hause fahren.

*

Paul Lanzing war zu Lauras Wohnung gefahren. Es hatte ihn hingetrieben. Er wollte ihr noch einmal sagen, daß sie seine Hilfe jederzeit in Anspruch nehmen könne.

Zufällig war Laura noch anwesend, als er kam und war doch überrascht über sein Erscheinen.

»Du hast die Adresse aber schnell herausgefunden«, meinte sie lässig.

»Das war nicht schwer. Du weißt doch, daß ich meine Verbindungen habe. Aber mir wäre es recht gewesen, wenn du vorher mit mir darüber gesprochen hättest.«

»Ich wollte dir beweisen, daß ich allein zurechtkomme, Papa. Du dachtest immer noch, daß ich nicht erwachsen sei, aber jetzt wirst du wohl überzeugt sein.«

»Was deine Geschäftstüchtigkeit betrifft, scheinst du etwas von mir mitbekommen zu haben.«

»Das habe ich nie bestritten. Bitte, nimm Platz, eine Tasse Kaffee kannst du bei mir auch bekommen, aber ich habe nicht viel Zeit, denn ich habe noch eine sehr wichtige Verabredung.«

»Ich wollte dir sagen, daß ich eine sehr ernste Auseinandersetzung mit Maren hatte.«

»Es interessiert mich nicht, Papa. Es ist ganz allein deine Angelegenheit.«

»Ich habe einen Fehler gemacht, den ich längst eingesehen habe. Willst du mich dafür ewig bestrafen, Laura?«

»Du bestrafst dich nur selbst«, meinte sie, und er sah sie staunend an. Sie erschien ihm so überlegen, daß er sich jetzt noch jämmerlicher fühlte.

»Ich habe den Entschluß gefaßt, mich von Maren zu trennen. Sie weiß, daß es mir ernst ist.«

»Dann möchte ich nicht wissen, was sie jetzt ausheckt, um sich zu rächen. Nimm dich in acht, Papa.«

»Woher nimmst du nur soviel Weisheit?« fragte er beklommen.

»Das ist keine Weisheit, das ist die Erfahrung in meinem Beruf. Nirgendwo sonst gibt es so viel Intrigen, Konkurrenzneid und falsches Getue.«

»Und wie paßt du da hinein?«

»Ich habe den Vorteil, daß ich alles so nehme, wie es kommt. Ich habe bisher keinen großen Ehrgeiz und hatte das Glück, daß mir alles zugefallen ist. Ich brauchte um keine Rolle zu kämpfen. Ich will auch nicht geliebt und bewundert werden, außerdem bin ich dafür zu unbedeutend. Wenn ich von einem Regisseur oder einem anderen Darsteller dumm angeredet werde, zucke ich die Schultern. Es geht mir nicht unter die Haut, weil ich eigentlich keine großen Erwartungen habe und auch nicht unter Erwartungsdruck stehe.«

»Und wie kommt es, daß du so viel Erfolg hast?«

»Ich betrachte das auch nicht als Erfolg. Ich bin wahrscheinlich für bestimmte Rollen richtig, und die verantwortlichen Leute merken schon, daß ich kein Dummchen bin. Ich überlege nicht, warum ich wenig Schwierigkeiten habe. Außerdem bin ich immer pünktlich, und deshalb muß ich jetzt gehen, Papa.«

Er hatte sich schon erhoben. »Wann sehen wir uns wieder, Laura?«

»Kommst du zur Premiere?«

»Wenn ich noch eine Karte bekomme?«

»Ich bringe sie dir morgen ins Büro, aber nur eine Karte.«

»Ich will auch allein kommen.«

Sie ließ es sich gefallen, daß er sie in den Arm nahm und auf die Wangen küßte.

Sie verließen zusammen das Haus, jeder ging zum eigenen Wagen. Paul blieb an seinem noch stehen und winkte Laura zu.

Sie hatte plötzlich ein wehmütiges Gefühl, weil er so verloren wirkte. Sie begriff, daß er für seinen Fehler sehr teuer bezahlte, auch mit seiner Selbstachtung.

*

Bei der Verständigungsprobe traf Laura Bobby Dreek. Plötzlich war ihr der Traum wieder ganz gegenwärtig. Bobby war ein sehr attraktiver junger Mann, ein Mädchenschwarm. Wo immer er sich in der Öffentlichkeit zeigte, wurde er umlagert. Es gefiel ihm, man sah es ihm an.

Laura konnte sich auch nicht beklagen über ihre Fans, aber sie mied die Öffentlichkeit und das Gedränge und auch, mit Bobby gesehen zu werden, obgleich er es darauf anlegte.

Auch an diesem Tag. »Gehen wir noch irgendwohin, Laura?« fragte er. »Nur auf einen Drink, damit wir mal ein bißchen privat reden können.«

»Ich habe keine Zeit, bin gerade erst umgezogen.« Sie hätte das lieber nicht als Ausrede benutzen sollen, denn er fragte sofort, warum sie nicht mehr zu Hause wohne.

»Hat dich die flotte Maren vergrault?« fragte er.

Lauras Augenbrauen hoben sich. »Wie kommst du darauf?« fragte sie neugierig, denn über Maren sprach sonst eigentlich niemand mit ihr.

»Du wirst es nicht glauben, aber sie war auch mal das Gspusi von meinem alten Herrn. Das sollte uns eigentlich verbinden. Mein Daddy war allerdings nicht so blöd, sie zu heiraten. Ich hätte das auch verhindert.«

»Ich habe das auch versucht, aber nun muß mein Vater es allein ausbaden. Meinetwegen kannst du es wissen, daß ich ihretwegen ausgezogen bin, aber das bedeutet nicht, daß ich alle Brücken zu meinem Vater abgebrochen habe.«

»Wir sind ja verständnisvolle Kinder«, meinte er verschmitzt, und in diesem Augenblick war er ihr richtig sympathisch. Aber sie dachte auch wieder an den Traum, und der brauchte sich ihrer Meinung nach nicht zu erfüllen.

»Feiern wir morgen nach der Premiere endlich mal gemeinsam?« fragte er.

»Wenn es was zum Feiern gibt. Und wenn es ein Flop wird?«

»Unsinn, wir spielen doch mit«, lachte er.

»Sei kein Frosch, Laura, komm mit zu Sammy.«

Er kann ja richtig nett sein, dachte sie. Sie wollte auch gern erfahren, wann sein Vater etwas mit Maren gehabt hatte, die sich ihre Liebhaber anscheinend immer unter den Unternehmern ausgesucht hatte.

Bobby sagte ihr auch bereitwillig, daß diese Affäre schon Jahre zurückläge.

»Da war sie noch knackiger«, meinte er. »Jetzt müßte sie doch schon auf die Vierzig zugehen.«

»Das laß sie ja nicht hören. Fünfunddreißig ist sie.«

»Wenn’s gewiß ist.« Er schob seine Hand unter ihren Arm. »Irgendwie hast du mir schon leid getan, als ich hörte, wen dein Vater da geheiratet hat.«

»Vergessen wir’s«, sagte Laura, »auf einen Drink also.«

Dabei blieb sie auch, da nützte alles Zureden von Bobby nichts.

»Aber morgen wird gefeiert«, sagte er noch einmal.

*

Laura hatte in dieser Nacht wieder wilde Träume und brauchte am Morgen viel Zeit, um die richtige Einstellung zu finden. Aber sie ließ sich niemals hängen. Positiv denken, war ihre Devise. Sie wollte auch möglichst früh ihrem Vater die Karte ins Büro bringen.

Den Nordens hatte sie schon zwei Karten geschickt, und Fee erinnerte ihren Mann an diesem Morgen an die Premiere.

Er dachte sofort an Lauras Traum und fragte Fee, ob sie auch daran gedacht hätte.

»Wir wollen hoffen, daß das nicht eintrifft«, meinte sie. »Du kommst doch mit?«

Eigentlich hatte er keine Neigung, ins Kino zu gehen. Das Sitzen fiel ihm schwer, die vielen Leute störten ihn, aber Laura wollte er doch einmal im Film sehen.

Es war etwas anderes, wenn man so ein Mädchen von Kindheit an kannte und sogar an ihren Träumen Anteil genommen hatte.

Fee hätte es sich auf keinen Fall nehmen lassen, aber mit ihrem Mann machte es ihr natürlich mehr Spaß. Die Kinder fanden es toll, daß ihre Eltern zu einer Premiere gingen.

Laura wurde in der Firma mit so viel Respekt begrüßt, daß sie lachen mußte.

Ihre Heiterkeit schwand, als sie ihren Vater sah, der blaß und übernächtigt an seinem Schreibtisch saß. Sein Blick belebte sich, als sie eintrat.

»Du hast mich nicht vergessen«, sagte er heiser.

»Fehlt dir etwas, Papa?« erkundigte sie sich besorgt.

»Ich möchte einmal wieder ruhig schlafen«, erwiderte er.

»Morgen spreche ich mit meinem Anwalt. Du hast ja so recht, Laura, ich muß vorsichtig sein. Ich glaube auch, daß sie etwas ausheckt.«

»Besinn dich auf deine alte Stärke, Papa. Wir sehen uns heute abend. Du kommst mit zur Premierenfeier, da kommst du auf andere Gedanken.«

»Ich will dir nicht die Stimmung verderben, Kleines.«

»Mach dir keine Gedanken um mich.«

Sie machte sich allerdings Gedanken um ihn und nahm sich vor, mit Dr. Norden über ihn zu sprechen. Vielleicht drückten ihn nicht nur Sorgen, er sah richtig krank aus.

Sie überlegte nicht lange und fuhr nach Holzkirchen zu Rosemarie Wilhelm, die dort ein Antiquitätengeschäft besaß.

Rosemarie war gerade dabei, einige Sachen aus dem Schaufenster zu nehmen. Überrascht und ungläubig sah sie Laura an.

»Was machst du denn hier?« fragte sie atemlos.

»Ich will dich besuchen, oder ist es dir nicht recht?«

»Natürlich ist es mir recht, aber ist nicht heute die Premiere von deinem Film?«

»Es ist nicht mein Film, Romi, ich spiele eine ganz kleine Rolle.«

»Aber in jeder Fernsehzeitung ist dein Foto.«

»Daß du dafür Zeit hast!«

»Für dich habe ich immer Zeit, Laura.«

»Warum hattest du für Papa keine? Was ist damals zwischen euch vorgefallen, daß er sich mit dieser Person eingelassen hat?«

Ein Schatten fiel über Rosemaries ausdrucksvolles Gesicht. »Ich entnehme dieser Bemerkung, daß du nicht mit ihr versöhnt bist.«

»Wie konntest du nur annehmen, daß ich je mit ihr einverstanden sein würde? Jetzt ist Papa psychisch am Ende, und ich habe mich aufgerafft, auch mal mit dir zu reden. Ich nehme es dir verdammt übel, daß du dich nie um mich gekümmert hast, du bist schließlich meine Patin.«

Rosemarie war blaß geworden. »Ich wollte mir nicht nachsagen lassen, daß ich die Idylle störe«, erwiderte sie bebend. »Was ist mit Paul, worüber machst du dir Sorgen?«

»Ich bin ziemlich rigoros mit ihm umgesprungen und bin ausgezogen. Dadurch ist er aus sich herausgegangen und hat zugegeben, daß diese Ehe, die nur eine Farce war, am Ende ist. Aber warum hast du ihn nicht geheiratet, Romi? Ich weiß, daß er dich heiraten wollte.«

»Das verstehst du nicht, und eigentlich verstehe ich mich selber nicht mehr. Damals lebte meine Mutter noch. Du weißt nicht, wie schwierig sie war. Sie war immer gleich krank oder hysterisch, wenn ein Mann im Spiel war und sie sich abgeschoben fühlte. Ich konnte Paul das nicht zumuten, und außerdem tauge ich nicht zur Unternehmersgattin.«

»So ein Unsinn, du bist eine Lady und Maren das Gegenteil. Du hättest ihn vor diesem Fehltritt bewahren können. Er war bestimmt nur deprimiert über deine Abweisung und hat sich in eine Affäre eingelassen, die sie dann ausgenutzt hat.«

»Es war alles ein bißchen komplizierter, Laura. Leonie, deine Mutter, war meine beste Freundin. Als sie leider so früh starb, wollte ich doch niemals den Gedanken erwecken, daß ich mich an ihren Mann herangemacht hätte. Ich habe mich immer gut mit Paul verstanden, aber von Liebe war nicht die Rede. Ich hatte eine gewaltige Enttäuschung hinter mir. Nicht nur, daß mich Manfred Grosser praktisch vor dem Altar stehen ließ, es stellte sich auch noch heraus, daß er seine Bank als Filialleiter betrogen hatte. Es war eine Blamage ohnegleichen für mich, und das hätte man doch wieder ans Licht gezerrt, wenn es zwischen Paul und mir zu einer festen Beziehung gekommen wäre.«

»Meine Güte, was du alles denkst! So wichtig sind doch solche Sachen gar nicht. Schau, nicht mal Marens Lotterleben vor der Heirat wurde publiziert. Ich möchte nicht wissen, wie viele Affären sie hatte. Erst gestern habe ich erfahren, daß sie auch eine mit dem Vater eines Kollegen hatte. Du hast doch ein ganz anderes Format.«

Rosemarie blickte auf ihre verschlungenen Hände. »Wenn ich geahnt hätte, daß meine Mutter so bald sterben würde, vielleicht wäre dann alles anders gekommen. Aber so habe ich mich lieber ganz zurückgezogen.«

»Hoffentlich hast du über deine Unterlassungssünden nachgedacht, damit wir wieder vernünftig miteinander verkehren können.«

»Kind, wie stellst du dir das denn vor? Meinst du etwa, daß Paul diese Frau so schnell wieder los wird? Sie wird alle Register ziehen, um noch ordentlich auf ihre Kosten zu kommen. Und wenn ich jetzt in Erscheinung treten würde, gäbe es erst recht einen Eklat, weil sie mich als Scheidungsgrund hinstellen würde. Es tut mir leid, wenn du annimmst, daß ich Paul den Grund gab, sich anderweitig zu engagieren, aber es kommt im Leben immer so, wie es kommen soll. Fehler machen wir alle. Hoffentlich bleiben dir Fehlentscheidungen erspart. Du scheinst ganz schön clever geworden zu sein.«

»Ich gehe mit offenen Augen und Ohren durch die Welt, Romi. Ich bin durch Papas Fehltritt sehr mißtrauisch geworden. Das hat auch sein Gutes, aber ich will nicht zusehen, wie er zugrunde geht. Jedenfalls weiß ich, daß er nicht so energisch nach einer Lösung suchen würde, wenn ich mir nicht eine eigene Wohnung gesucht hätte, ohne ihn zu fragen und um Geld zu bitten. Ich habe sie von meinem selbstverdienten Geld gekauft. Und im Herbst will ich nach New York gehen.«

»Das auch noch«, sagte Rosemarie, »wozu kaufst du dir dann in München eine Wohnung?«

»Eine gute Geldanlage, und ich spare Steuern.«

Rosemarie riß die Augen auf. »Wenn ich mit neunzehn Jahren doch auch schon so clever gewesen wäre! Aber ich habe ganz gern auf Kosten meines Vaters studiert, und wozu habe ich es gebracht? Zu diesem Geschäft, in dem Reiseandenken besser gehen als Antiquitäten, die mein Vater schon herbeigeschafft hat.«

»Was soll denn das nun wieder? Du bist tüchtig und unabhängig, und wenn man danach geht, brauchst du keinen Mann, der für deinen Lebensunterhalt aufkommt. Maren ist faul und geldgierig. Papa braucht einen Menschen, der ihn versteht, den er respektiert. Wir wollen jetzt gar nicht von Liebe reden, Romi, die muß sich erst in vielen Dingen beweisen. Wie oft wird dieses Wort entwertet. Ich kriege jedes Mal einen dicken Hals, wenn unsere Stars und Sternchen mit irgend jemand telefonieren und zum Schluß immer sagen: ›Ich liebe dich!‹ Und beim nächsten sagen sie es auch. Es ist alles so verlogen.«

»Das klingt aber gar nicht begeistert, und man sollte meinen, daß dieser Beruf immer ein Wunschtraum für dich war.«

»Träume habe ich genug, Romi, aber wenn ich in diesem Beruf wirklich etwas werden will, muß ich mich von vielen Illusionen lösen. Als Tänzerin werde ich gleich an die Wand gespielt. Es ist wohl in jedem Beruf so, daß man seine Grenzen erkennen muß. Jetzt muß ich aber fahren, es wird eine lange Nacht. Hier hast du meine neue Adresse und Telefonnummer. Ich hoffe, daß ich bald von dir höre.«

»Sagst du mir Bescheid, wenn sich bei Paul etwas tut?«

»Ich werde ihm sagen, daß er dich mal besuchen soll.«

*

Dr. Norden bekam an diesem Nachmittag in seiner Praxis den Besuch von Paul Lanzing. So sehr er auch überrascht war, Pauls Aussehen verriet ihm, daß er ärztliche Hilfe brauchte.

Paul versuchte das zu verharmlosen. »Ausgerechnet heute geht es mir nicht gut, aber ich kann Laura nicht enttäuschen. Ich muß zu ihrer Premiere gehen. Bitte geben Sie mir etwas, damit ich den Abend einigermaßen überstehe.«

»Ich kann Ihnen doch nicht einfach irgend etwas geben, Herr Lanzing. Sie müssen mir schon gestatten, daß ich Sie wenigstens untersuche.«

»Ich bin nicht krank, nur überarbeitet, und ich schlafe so schlecht in letzter Zeit.«

»Sonst keine Beschwerden? Sagen Sie lieber die Wahrheit, ich bringe es doch heraus.«

»Ich habe keinen Appetit, aber um ehrlich zu sein, auch viel Ärger.«

»Dann reden wir doch mal darüber. Ist es, weil Laura ihre eigenen Pläne hat?«

»Ich verstehe sie ja, daß sie sich eine eigene Wohnung gesucht hat, es geht einfach nicht mit ihr und Maren unter einem Dach. Sie hat vollkommen recht, ich habe mit dieser Heirat einen Riesenfehler begangen.«

Familie Dr. Norden Classic 42 – Arztroman

Подняться наверх