Читать книгу Familie Dr. Norden 731 – Arztroman - Patricia Vandenberg - Страница 3

Оглавление

An diesem Dienstagmorgen war alles anders als sonst im Hause Norden. Ganz in Gedanken versunken saß Fee allein am Frühstückstisch.

Danny hatte zuerst das Haus verlassen, viel früher als gewöhnlich. Der Hausherr war genauso schweigsam gewesen wie Fee und hatte sich angeboten, die Zwillinge in die Vorschule zu bringen. Anneka hatte dann ein paar Minuten herumgedruckst, bevor sie zu Fee sagte, sie brauche sich doch wirklich nicht aufzuregen, da Danny bestimmt ein Einser-Abitur bringen würde. Dann war sie sofort zur Schule gegangen.

Fee ging so vieles durch den Sinn. Sie hätte nicht sagen können, warum diese Unruhe in ihr war.

Sie sprang plötzlich auf und lief herum, vermied es aber, in die Küche zu gehen, weil Lenni bestimmt noch aufgeregter war als sie.

Sie ging in den Garten. Es war für die Morgenstunde schon sehr warm. Sie erinnerte sich, daß es an dem Tag, als sie ihr Abitur gemacht hatte, in Strömen regnete. Sie war nicht so selbstbewußt wie Danny. Ihr war immer bange gewesen vor Prüfungen.

Plötzlich stand Felix neben ihr. »Was rennst du denn so herum, Mami?« fragte er neckend.

»Wieso bist du hier?« fragte sie hastig.

»Wir haben heute keine Schule wegen des Abis, das weißt du doch. Ich habe mal länger geschlafen. Mich regt es nicht auf, daß die anderen schwitzen müssen, aber Danny macht das mühelos. In zwei Jahren werde ich Federn

lassen müssen, und da werdet

ihr dankbar sein, wenn ich es wenigstens mit Ach und Krach schaffe.«

»Was soll’s, es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen«, meinte Fee nachsichtig. Etwas ganz anderes beschäftigte sie viel mehr.

»Was weißt du über Dannys neue Flamme, Felix?« fragte sie zögernd.

Der Junge sah sie irritiert an.

»Sicher nicht mehr als du, Mami. Danny macht es diesmal mächtig geheimnisvoll, wie es scheint.«

Fee nickte. »Ich weiß nicht einmal, wie sie heißt und wo er sie kennengelernt hat.«

»Vielleicht will er erst mal abwarten, wie lange es überhaupt geht. Wir kennen ihn doch. Er mag es nicht, wenn anzügliche Bemerkungen gemacht werden. Bisher hat er es nie lange ausgehalten mit seinen Beziehungen.«

»Es könnte etwas Ernstes sein«, sinnierte Fee. »Du wirst sie doch wenigstens schon mal gesehen haben«, klopfte sie auf den Busch.

Felix grinste.

»Bist wohl neugierig?« scherzte er. »Ja, gesehen habe ich sie schon mal, aber sie redet ja nur mit Danny. Bekannt hat er mich noch nicht mit ihr gemacht. Sie haben sich im Tennis-Club kennengelernt. Sie muß älter sein als Danny, denn sie studiert bereits. Sie heißt Bianca Paresi, das habe ich in Erfahrung gebracht, und sie ist sehr attraktiv und ein bißchen exotisch.«

»Eine Farbige?« fragte Fee interessiert.

»Würde dich das stören?«

»Nein, aber ich würde sie schon gern kennenlernen.«

»Sie ist sehr reserviert, unnahbar könnte man sagen, und obgleich sie ein südländisches Aussehen hat, wirkt sie kühl. Jedenfalls ist das mein erster Eindruck.«

»Danny scheint jedenfalls sehr engagiert zu sein«, meinte Fee verhalten. »Hoffentlich wirkt sich das nicht auf seine Leistungen aus.«

»Da brauchst du dir keine Gedanken zu machen, Mami. Er ist viel zu realistisch, um aus dem Gleichgewicht zu geraten. Ich kann mir vorstellen, daß er erst das Abi hinter sich bringen wollte, bevor er sich über sie äußert. Kann ich etwas für dich tun, Mami?«

»Muntere Lenni ein bißchen auf, ich gehe einkaufen.«

»Dann paß aber auf deinen Geldbeutel auf«, neckte er sie, »du bist nicht so recht bei der Sache, wie mir scheint.«

Er drückte ihr einen Kuß auf die Wange und ging in die Küche.

Lenni wunderte sich auch, daß er zu Hause war, aber sie war gar nicht so aufgeregt, wie Fee gemeint hatte.

»Danny läßt sich schon nicht aus der Ruhe bringen«, stellte sie fest. »Schwitzen werden sie alle bei diesen Temperaturen. Wahrscheinlich wird es einen kühlen Sommer geben, weil es jetzt schon so warm ist.« Sie machte sich aber keine Gedanken, daß er verliebt sein könnte. Im Gegensatz zu Fee. Der Name Paresi hatte sich ihr eingeprägt und kam ihr irgendwie bekannt vor. Sie überlegte unentwegt, wo sie ihn gehört oder gelesen haben könnte. Es fiel ihr nicht ein, aber vielleicht bildete sie sich jetzt auch vieles ein, weil Danny so verschwiegen war.

*

Dr. Daniel Norden mußte sich auch mehrmals zur Ordnung rufen, weil seine Gedanken immer wieder abirrten. Zum Glück hatte er es nur mit Patienten zu tun, die er sehr gut kannte.

Wendy blickte immer wieder auf die Uhr. Obgleich sie viel zu tun hatte, wollte die Zeit nicht vergehen. Hoffentlich ist es nicht zu warm im Klassenzimmer, dachte sie, denn Danny hatte es lieber, wenn es kühl war bei Klassenarbeiten, und die Abiturprüfungen waren noch schwerer als diese. Wendy kannte alle Norden-Kinder ganz genau und wußte auch, was in ihres Doktors Kopf vor sich ging. Natürlich wußte sie auch, daß Danny der Schwarm vieler Mädchen war, aber er nahm das lässig zur Kenntnis. Von seiner neuen Freundin wußte sie allerdings auch noch nichts.

Endlich war der letzte Patient versorgt. Herr Stanke hatte sich beim Heckenschneiden einen Splitter am Daumen eingezogen, den Dr. Norden entfernen mußte. Wendy hatte ihm dabei assistiert, und für eine Viertelstunde hatten sie beide mal nicht mehr an Danny gedacht, weil es eine schwierige Prozedur gewesen war. Herr Stanke war ein geduldiger Patient und gar nicht wehleidig, denn er zog sich dauernd irgendwelche Verletzungen zu. Seine gar nicht geduldige Frau meinte dazu, daß es ihm niemals schnell genug gehen könne, aber schlauer würde er auch nicht. Sie hielt ihm dann auch gleich noch eine Standpauke, als sie ihn abholte.

»Dann bis drei Uhr, Wendy«, verabschiedete sich Dr. Norden geistesabwesend.

»Sie sagen mir aber, wie es Danny ergangen ist«, bat sie.

»Der würde uns auslachen, wenn wir uns Gedanken machen«, erwiderte er. »Ich kann es noch gar nicht glauben, wie schnell er erwachsen geworden ist.«

»Ich muß mich auch erst an den Gedanken gewöhnen.«

Und wir werden auch älter, dachte sie, als sie ihm nachblickte.

Fee stellte fest, daß ihr Mann müde aussah, aber das sagte sie nicht. »Es ist so ruhig, ist Danny noch nicht zu Hause?« fragte Daniel.

»Wir warten schon ganz ungeduldig. War Frau Fechner nicht bei dir?«

»Was ist mit ihr? Sie hat nicht mal angerufen.«

»Bastian macht auch das Abi, und du weißt doch, wie nervös sie ist. Es erstaunt mich, daß sie nicht in der Praxis war, um sich Trost bei dir zu holen.«

»Schätzchen, denkst du etwa, sie kommt nur deshalb in die Praxis? Die Frau ist depressiv, seit ihr Mann gestorben ist, und Bastian wird einige Schwierigkeiten bei den Prüfungen haben. Wenn da etwas schiefgeht, dreht sie vielleicht durch.«

»Soll ich mich mal um sie kümmern?«

»Wir werden uns doch nicht verrückt machen. Ich habe Hunger, mein Liebes.«

Die Zwillinge blieben brav am Tisch sitzen, als Daniel und Fee eintraten.

»Hallo, Papi«, riefen sie, »Danny ist immer noch nicht

da.«

Felix und Anneka sagten auch: »Hallo, Papi«, und sahen ihn erwartungsvoll an.

»Ich habe auch noch nicht gehört, wie es gelaufen ist«, meinte er, »aber wir können doch unbesorgt sein, denke ich.«

»Vielleicht ist es ihm wichtiger, seine Bianca zuerst zu treffen«, sagte Felix anzüglich.

»Wer ist denn Bianca?« fragte Daniel.

»Dannys neue Freundin.«

Daniel runzelte die Stirn, aber bevor er etwas sagen konnte, hörten sie, daß Danny kam.

»Grüezi miteinand’«, sagt er lässig.

Fee atmete gleich hörbar auf.

»Wie war es denn?« fragte sie hastig.

»Nicht besonders aufregend. Morgen kommt der zweite Teil, dann bin ich froh, die Penne endlich hinter mir zu haben, langsam hat es gelangweilt.«

»Wenn ich das doch auch sagen könnte«, seufzte Felix.

»Danny wird beim Studium noch oft genug stöhnen«, meinte Daniel gleichmütig. »Guten Appetit allerseits.«

»Wie ist es Bastian Fechner ergangen?« fragte Fee aber doch.

»Geschwitzt hat er schon, aber er war gut vorbereitet, meine ich. Er wollte bestimmt vermeiden, daß seine Mutter der Schlag trifft. Sie hat ihn abgeholt. Ich möchte nicht wissen, wie lange sie vor der Schule gewartet hat. Ihm war das mächtig peinlich.«

Für Danny war das schon eine lange Rede, aber dann sagte er nichts mehr und ließ sich das Essen schmecken.

Die Zwillinge verhielten sich sehr ruhig, so daß Daniel fragte, ob sie etwas angestellt hätten.

»Wir wollen nur wissen, wer Bianca ist«, sagte Dèsiree.

Dannys Kopf ruckte empor. Sein Blick wanderte von einem zum anderen. »Wer hat denn etwas von Bianca gesagt?« fragte er.

»Ich«, gab Felix zu, »aber vielleicht ist sie schon wieder out.«

»Nein, das ist sie nicht, wie kann man nur so neugierig sein! Ihr werdet sie schon noch kennenlernen.«

»Ich bin nicht neugierig«, sagte Daniel, »aber Heimlichkeiten sind bei uns nicht üblich.«

Danny lächelte verlegen. »Ich kenne sie noch nicht lange. Sie hat keine Geschwister, und ihre Eltern sind sehr konservativ.«

»Kennst du sie schon?« fragte Fee, und Daniel hörte sofort den eifersüchtigen Unterton heraus.

»Nein, sie wohnen in Monte Carlo.«

»Ach, du liebe Güte«, entfuhr es Fee.

»Dann sind es wohl Millionäre«, platzte Felix heraus.

Fee warf ihm einen mahnenden Blick zu.

»Das sollte uns nicht tangieren«, murmelte Daniel.

»Was heißt das, Papi?« fragte Jan. »Ich habe das Wort noch nie gehört.«

»Es geht uns nichts an«, erklärte Fee anstelle von Daniel.

»Ist ja auch egal«, meinte Jan, »Danny kennt viele Mädchen.«

»Gibt es kein anderes Thema?« fragte Danny gereizt.

»Dürfen wir in den Garten gehen, Mami?« fragte Desi.

»Aber seid nachher nicht zu laut, Papi möchte sich auf der Terrasse ausruhen«, wurden sie von Fee ermahnt.

»Ich habe noch eine Verabredung«, sagte Danny, »ihr habt doch nichts dagegen?«

»Hast du uns das schon mal gefragt in letzter Zeit?« sagte Fee spöttisch.

Felix und Anneka verzogen sich auch gleich. Daniel sah Fee forschend an. »Warum bist du eigentlich gekränkt? Wir müssen uns daran gewöhnen, daß Danny erwachsen ist und eigene Wege geht. Ich werde ihm keine Vorschriften machen. Ich weiß es von einigen Patienten, was es einbringt, wenn sie mit den Worten ›Solange du die Beine unter meinen Tisch steckst, hast du dich nach uns zu richten!‹ drohen.«

»Das ist doch längst überholt«, widersprach Fee.

»Das meinst du, Fee. Man kann es auch so machen wie Frau Fechner und den Sohn psychisch unter Druck setzen mit Gejammer, daß ihr das Leben gar nichts mehr bedeuten würde, wenn er sie verließe. Bastian ist ein guter Junge, und sie versteht es auch, ihn abhängig von sich zu machen, indem sie ihn fast sträflich verwöhnt. Er wird nie selbständig werden, wenn er sich nicht auf eigene Füße stellt und auf all die Bequemlichkeiten pfeift, die sie ihm bietet. Sie wird niemals eine Freundin anerkennen und findet bestimmt an jeder etwas auszusetzen.«

»Das erinnert doch sehr an Schorsch Leitner und seine Mutter«, sagte Fee nachdenklich.

»Ich habe diese Affenliebe nie verstanden, und ich hoffe, daß du Danny seine Freiheit läßt.«

»Die nimmt er sich schon«, meinte Fee lächelnd, aber das Lächeln war etwas gequält.

»Es ist schon merkwürdig, daß er nie über seine Freundin gesprochen hat. Sonst kannten wir wenigstens die Namen von den jeweiligen Freundinnen.«

»Aber das waren keine Freundinnen, nur kurzlebige Flirts. Sie sind ihm ganz schön auf den Wecker gegangen, wenn sie dauernd hier angerufen haben. Diese Bianca scheint ganz anders zu sein.«

»Vielleicht bildet sie sich ein, Danny umkrempeln zu können, und er will tatsächlich erst sicher sein, ob sie zusammenpassen.«

»Das vermutet Felix auch. Ich glaube, er hat Neigung, ein guter Psychologe zu werden.«

»Geheimnisse nicht gleich wieder etwas in ihn hinein, Schätzchen, er ist eher praktisch veranlagt. Wenn er das Abi überhaupt schafft, grenzt das schon an ein Wunder.«

»Wenn du nicht an ihn glaubst, warum hast du ihn dann gezwungen, das Abitur zu machen?«

»Ich habe ihn doch nicht gezwungen, sondern nur gut zugeredet, weil er es bestimmt einmal sehr bereut hätte, die Schule verlassen zu haben. Er hat das auch eingesehen.«

»Aber doch nur, weil seine Emi so gut in der Schule war. Es ist wirklich schade, daß sie weggezogen sind von München, er bedauert das sehr.«

»Aber der Kontakt besteht doch weiterhin.«

»Er lockert sich, das bleibt nicht aus, wenn sie sich lange nicht sehen. Ich höre da schon öfter mal etwas von einer Mausi, aber so mitteilsam wie früher ist er auch nicht mehr.«

Daniel horchte auf. »Handelt es sich um Mausi Eggert?«

»Kann schon sein, kennst du sie?«

»Sie wohnen seit einem halben Jahr hier, weil Mausi seit früher Kindheit Asthma hatte und das Klima im Ruhrpott für sie sehr schädlich war.«

Nun wurde Fees Miene besorgt. »Wird es hier besser?«

»Ich denke, daß ich eine gute Therapie gefunden habe. In den Ferien soll sie ein paar Wochen auf der Insel verbringen. Ihre Eltern tun wirklich alles für das Kind. Sie ist ein liebes Mädchen, und ich kann verstehen, daß Felix gut mit ihr auskommt. Er hat nun mal einen Beschützerinstinkt. Er ist anders als Danny.«

»Du wirst doch nicht sagen wollen, daß Danny oberflächlich ist?« sagte Fee leicht gereizt.

»Das ist er ganz bestimmt nicht. Er wird ein guter Arzt werden, davon bin ich überzeugt, aber mit Kranken wird er sich erst befassen, wenn er in seinen Beruf einsteigt. Privat wird er uns einmal eine kluge und selbstbewußte Frau präsentieren, die auch äußere Vorzüge zu bieten hat.«

Fee sagte lieber nichts mehr, weil Daniel damit wohl recht hatte. Aber eine innere Stimme sagte ihr, daß Danny vielleicht doch mal die Liebe seines Lebens finden würde, die ihn sein Ego vergessen ließ. Er war nun mal unter einem besonderen Stern geboren, der ihm alles bescherte, Intelligenz, eine sehr große Anziehungskraft und eine Attraktivität, die auch sein Vater besaß. Fee hatte nicht vergessen, wie die Frauen hinter Daniel her waren, und wie eifersüchtig sie manchmal gewesen war, weil einige nicht locker ließen und sich immer wieder in Erinnerung brachten. Bei Danny würde es nicht anders sein, wenn er sich mal für eine Frau entschieden hatte. Sie wußte es. Sie war seine Mutter. Eine gute Mutter wünschte für ihre Kinder nur das Allerbeste, und sie war eine gute Mutter.

War sie das wirklich? Plötzlich kamen ihr Zweifel, weil sie ihre Welt vollkommen sehen wollte. Wenn nun ihre Kinder ihre eigenen Vorstellungen verwirklichen wollten, wäre ihr das wirklich recht? Hatte sie es nicht schon gekränkt, daß Danny ihr nichts von Bianca erzählt hatte? Sie wollte doch so gern wissen, wie sie war, woher sie kam, wer ihre Eltern waren. Gab es da vielleicht etwas, worüber Danny nicht sprechen wollte? Fragen über Fragen waren da plötzlich, und sie suchte nach Antworten. Würde Danny das nicht spießig finden?

»Was beschäftigt dich denn so sehr, Feelein?« fragte Daniel. Sie hatte gemeint, er sei eingeschlafen, aber anscheinend hatte er sie beobachtet.

»Findest du es falsch, und hältst du mich für spießig, weil ich gern wissen möchte, wie Biancas Eltern sind?«

»Unsinn. Ich würde es auch gern wissen, aber vorerst ist doch nur wichtig, wie sehr Danny sie mag und ob sie zu ihm paßt. Es wird doch wohl so sein, daß ihre Eltern sich auch Gedanken über unseren Sohn machen. Man möchte schließlich wissen, welch Geistes Kind das Mädchen ist, in das Danny anscheinend verliebt ist. Er wird sie jetzt wohl treffen und möglicherweise mit ihr auch über uns reden und über ihre Eltern.«

»Mich beruhigt, daß du auch so denkst, mein Schatz«, sagte Fee aufatmend.

*

Bianca hatte im Tennisclub auf Danny gewartet. Er kam bestens gelaunt, aber sie begrüßte ihn mit einem gequälten Lächeln.

»Verzeih bitte, daß ich zu spät komme, Bibi«, sagte er hastig. »Bitte, sei nicht böse.«

»Ich bin nicht böse, ich habe nur wenig Zeit. Meine Eltern kommen nämlich heute. Ich muß sie vom Flughafen abholen und zum Hotel bringen, das erwarten sie.«

»Das geht selbstverständlich vor«, meinte er.

»So selbstverständlich finde ich das nicht. Ich sollte etwas mehr von ihnen erzählen. Es ist wohl an der Zeit.«

»Du könntest uns doch bekannt machen. Ich wollte dich auch bitten, mit zu uns zu kommen. Meine Eltern möchten dich gern kennenlernen.«

»Ist es dir wichtig?«

»Selbstverständlich. Bei uns geht es ganz locker zu. Ich habe sehr liebe und verständnisvolle Eltern, und meine Geschwister sind neugierig auf dich.«

»Ich habe keine Geschwister und kann mir gar nicht vorstellen, wie das Leben in einer Großfamilie ist. Wollten deine Eltern so viele Kinder?«

Er merkte an ihrem Tonfall, daß ihr das nicht geheuer und sie wohl auch ablehnend war. Plötzlich begann er sich Gedanken zu machen.

»Wie stellst du dir eine Familie vor? Willst du keine Kinder haben?« fragte er stockend.

Sie sah ihn nicht an. »Ich mache mir darüber noch keine Gedanken. Jetzt ist mir erst einmal meine berufliche Karriere wichtig, genauso, wie dir deine.«

»Meine Mutter ist auch Ärztin, aber jetzt ist ihr die Familie wichtiger«, sagte er trotzig, denn keinesfalls wollte er die Kinderzahl kritisiert wissen, auch nicht von Bianca.

»Haben deine Eltern geheiratet, bevor sie mit dem Studium fertig waren?« fragte sie.

»Nein, aber sie kannten sich schon lange, weil unsere Großväter Freunde waren. Der Vater von Paps war allerdings schon tot, als wir geboren wurden. Mamis Vater ist auch Arzt und leitet das Sanatorium Insel der Hoffnung.«

Er hoffte, daß sie nun auch über ihre Eltern reden würde, aber sie sagte jetzt hastig, daß es Zeit für sie wäre, zum Flughafen zu fahren.

»Ich werde dich mit meinen Eltern bekannt machen, dann kannst du dir selbst ein Urteil über sie bilden. Aber nenn mich dann bitte nicht Bibi, sie mögen keine Kosenamen. Und laß dich nicht einschüchtern, sie wirken manchmal arrogant.«

Ihm klang das schon wie eine Warnung, und er hatte das Gefühl, daß Bianca ein Kennenlernen lieber vermeiden wollte.

Danny war es bisher egal gewesen, wer und was Biancas Eltern waren. Er war von ihr fasziniert. Er bewunderte sie, wie er bisher nur Fee bewundert hatte. Sie hatte alles, was ihm gefiel, war schön, klug und selbstbewußt und keine Klette, die sich auf Schritt und Tritt an ihn hängte, wie zuvor Sandra und Janine. Manchmal dachte er schon, daß Bianca ihn auch nur als netten Bekannten betrachtete, heute hatte sie es ausgesprochen, daß ihre Karriere ihr wichtiger war.

Sollte er beleidigt sein? Hatte sie nicht recht, daß ihm seine Karriere auch wichtiger war? Aber er wollte sie auch nicht verlieren. Er sah in ihr nicht nur eine vorübergehende Bekanntschaft, denn als Flirt konnte man das erst recht nicht betrachten, was sie seiner Meinung nach verband. Er blickte noch lange in die Richtung, in der sie mit ihrem teuren Wagen davongefahren war. Dieses Auto und die hübsche moderne Zweizimmerwohnung, die sie gemietet hatte, ließ ihn vermuten, daß ihre Eltern vermögend waren.

Über Geld hatten sie nie gesprochen, sie neigte keineswegs zur Angeberei. Sie bestand nur darauf, immer für sich selbst zu bezahlen, wenn sie ausgingen zum Essen oder ins Kino. Sie machte auch kein Geheimnis daraus, daß sie unabhängig sein wollte. Danny wollte nur nicht glauben, daß er nur eine Episode in ihrem Leben war. Ein Abenteuer gewiß nicht, denn dafür hatte sie nichts übrig. Alles, was sie tat, war wohlüberlegt. Anfangs hatte er sich gewundert, daß sie Volkswirtschaft und Informatik studierte und so gut über das Bankwesen, Aktien und Kapitalanlagen Bescheid wußte, doch jetzt wurde ihm klar, daß sie auch sehr realistisch ihre Zukunft plante.

Was sie in so wenigen Worten über ihre Eltern gesagt hatte, war ihm der Beweis, daß deren Erziehung ihre Einstellung zum Beruf und ihrem Leben geprägt hatte.

Eine Mädchenstimme holte ihn in die Gegenwart zurück. »Wie ist es, Danny, spielen wir mal eine Partie?«

Es war ein hübsches Gesicht mit strahlenden Blauaugen und einem kecken Näschen, in das er blickte.

»Du bist aber gut aufgelegt, Tonia«, sagte er leicht verwundert, denn Antonia Schirmer war eine Mitschülerin, die auch das Abitur machte. Sie gehörte eher zu denen, die nur durch Fleiß weiterkamen.

»Mir ist es auch gut ergangen, wenn ich auch nicht so schnell fertig war wie du. Jetzt bin ich zuversichtlich. Warum sitzt du hier allein?«

»Ich hatte eine Verabredung, aber jetzt muß ich wieder nach Hause.« Er war schon aufgestanden, und sie drehte sich enttäuscht um. »Dann noch viel Spaß«, sagte sie und eilte davon. Er hatte es jetzt auch eilig, wieder nach Hause zu kommen, wußte er doch, daß Lenni extra seinen Lieblingskuchen gebacken hatte. Eigentlich hatte er gehofft, Bianca überreden zu können, ihn zu begleiten, aber das hatte sich nun zerschlagen. Er fürchtete, daß sie seiner Bitte nur ungern folgen würde. Schreckte sie die Großfamilie ab, oder waren es ihre Eltern, die ihr abraten würden? Immerhin sagte ihm sein gesunder Optimismus, daß es ihm doch egal sein könnte, was ihre Eltern wollten, solange es keine Differenzen zwischen ihm und Bianca gab.

Es war wohl auch an der Zeit, daß er mit seinen Eltern über Bianca sprach, wenn er sich auch nicht hundertprozentig sicher sein konnte, ob sie zusammenbleiben würden.

Als er sie zum ersten Mal gesehen hatte, dachte er, die oder keine, und als er sie zum zweiten Mal traf, war er überzeugt, daß sie auch sehr viel für ihn empfand. Mit der Zeit spürte er aber, wie genau sie sich im Privatleben Grenzen gesetzt hatte, während sie andererseits darauf bedacht war, im Studium schnell voranzukommen. Ihr Ehrgeiz kannte keine Grenzen, aber auch das imponierte ihm.

Nun war er wieder zu Hause und fühlte, wie wichtig ihm die Geborgenheit in der Familie war. Er gehörte nicht zu denen, die sich beklagten, wenn sie geärgert oder ungerecht behandelt wurden. Es genügte ihm, heimkommen zu können und mit seinen Eltern zu reden. Schnell war seine Welt wieder in Ordnung. Er fand sich selbst beneidenswert, weil ihm das Lernen so leichtfiel, und wenn er dafür als Musterknabe oder Streber bezeichnet wurde, prallte es an ihm ab.

Felix hatte es da viel schwerer. Er hatte schon ein paar Mal die Schule schmeißen wollen, bis er sich mit Emely anfreundete, und als die mit ihrer Mutter in den Schwarzwald zog, war er soweit, daß er sich auch weiterhin behaupten wollte.

Felix kam Danny im Garten entgegen. »Da bist du ja wieder«, freute er sich. »Erzählst du mir mal, wie es so angelaufen ist in der Penne?«

»Nachher, ich möchte erst mit Mami sprechen.«

»Papi wurde zu Frau Fechner gerufen, sie hat einen Nervenzusammenbruch.«

»Sie macht sich selber verrückt und Bastian dazu. So schlecht ist er doch gar nicht. Du kannst froh sein, daß wir vernünftige Eltern haben, die sich keine Wunderkinder wünschen.«

Felix hätte zu gern nach Bianca gefragt, aber ließ es doch lieber, als die Zwillinge angesprungen kamen.

»Bist ja wieder da«, sagte Desi strahlend. »Mami wird sich freuen.«

»Papi ist aber nicht mehr da«, warf Jan ein.

»Das weiß ich schon. Wo ist Mami?«

»Auf der Terrasse. Sie liest Zeitung, aber sie freut sich, wenn du kommst«, meinte Desi.

Danny strich ihr über das lockige Haar. Sie wird immer hübscher, dachte er. Eines Tages wird sie auch den Männern den Kopf verdrehen. Aber dann kam ihm der Gedanke, daß Bianca zwar viele Blicke auf sich zog, aber im allgemeinen auch sehr kühl und abweisend wirkte.

»Hallo, Danny, nett, daß du kommst«, hieß Fee ihren Sohn willkommen. Er küßte sie auf die Schläfe und setzte sich zu ihr.

»Bianca mußte ihre Eltern vom Flugplatz abholen«, erklärte er. »Ich wollte sie eigentlich mitbringen. Sie ist sehr zurückhaltend.«

»Es wird sich schon mal eine Gelegenheit ergeben, sie kennenzulernen«, sagte Fee gleichmütig. »Falls sie länger in München bleibt.«

»Du meinst wohl eher, falls wir länger befreundet bleiben. Ich hoffe es, Mami, aber sie klammert nicht so wie andere Mädchen. Sie ist zwei Jahre älter als ich und studiert bereits im vierten Semester.«

»Dann scheint sie ja recht gescheit zu sein. Was studiert sie denn?«

»Volkswirtschaft und Informatik. Aber sie ist auch sonst sehr vielseitig interessiert.«

Fee war froh, daß er überhaupt von ihr erzählte, daß sie keine neugierigen Fragen stellen mußte.

»Die Hauptsache ist, daß du dich gut mit ihr verstehst«, meinte sie.

»Sie ist auch sehr attraktiv, aber keine zickige Modepuppe. Man kann ernsthafte Gespräche mit ihr führen. Ihre Eltern wohnen zur Zeit in Monte Carlo. Bianca hat noch nicht viel von ihnen gesprochen.«

Fee spürte, daß ihn etwas sehr beschäftigte. Ihr mütterlicher Instinkt meldete sich.

»Trefft ihr euch oft?« fragte sie nun doch.

»Nicht täglich, sie erledigt für ihren Vater auch einige Korrespondenz. Er ist an verschiedenen Gesellschaften beteiligt. Biancas Mutter ist Deutsche. Bianca spricht vier Sprachen fließend.«

»Du bewunderst sie«, stellte Fee fest.

»Ja, das auch«, erwiderte er ausweichend. »Ich respektiere sie, aber manchmal weiß ich nicht, was ich empfinde. Mein Studium ist mir sehr wichtig, und ich bin froh, daß ich in München einen Platz bekomme, wenn meine Noten entsprechend sind.«

»Daran zweifle ich nicht, Danny. Hoffentlich schneidet Bastian auch einigermaßen ab. Seine Mutter regt sich wirklich furchtbar auf.«

»Sie ist hysterisch, das macht ihm genug zu schaffen. Alles wäre okay, wenn er ein Einser-Abitur machen würde. Er tut mir leid, weil er sich wirklich bemüht. Tonia nimmt es leichter. Sie wäre gut für seine Psyche, sie mag ihn, aber seine Mutter macht das auch kaputt. Gibt es eigentlich viele solcher Mütter?«

»Es gibt genügend Mütter, die ihre Söhne an sich ketten wollen, bei Schorsch war es auch so. Aber es gibt auch genügend Väter, die ihre Töchter nicht loslassen wollen.«

»Aber warum? Ich verstehe das nicht.«

»Ich denke, daß Egoismus und auch Eifersucht dabei eine Rolle spielen. Allerdings gibt es auch Eltern, die froh sind, wenn ihre Kinder erwachsen sind und ihre eigenen Wege gehen, aber auch solche, die dann erwarten, daß sie im Alter von ihren Kindern versorgt und unterstützt werden. Die Menschen sind sehr verschieden, Danny.«

Er dachte nach. »Würdest du es billigen, wenn ich eine eigene Wohnung haben möchte?«

Das war die Frage, die sie in letzter Zeit selbst am meisten bewegt hatte. Es schmerzte sie, daran zu denken, aber sie zeigte es nicht. Sie wußte ja, daß der Tag kommen würde.

»Willst du jetzt schon eine Wohnung suchen?« fragte sie, sich zur Ruhe zwingend.

»Nicht sofort. Ich will auch nicht so bald heiraten, aber vielleicht möchte ich ja doch mal mit Bianca zusammenziehen. Habt ihr eigentlich schon zusammengelebt, bevor ihr endlich geheiratet habt?«

»Nein, ich war auf der Insel der Hoffnung und half Paps. Daniel hatte seine Praxis und wurde von Lenchen versorgt. Wir kannten uns ewig, aber es hat lange gedauert, bis es Liebe wurde.«

»Komisch, ich dachte, daß es bei euch Liebe auf den ersten Blick gewesen sei.«

Fee lachte leise. »Er kannte mich doch schon als kleines Mädchen und sah mich lange als solches. Aber irgendwann hat es dann gefunkt, obgleich einige Frauen hinter ihm her waren.«

»Und wie war es bei dir mit Männern?«

»Es hielt sich in Grenzen, Paps war auch wachsam. Ich glaube, insgeheim hoffte er längst, daß aus Daniel und mir ein Paar werden würde.«

»Wir können darüber sehr froh sein«, sagte Danny. »Ihr seid wundervolle Eltern.«

»Ich habe damals nicht gedacht, daß er ein so guter Vater werden würde.«

»Aber ein guter Arzt war er gleich.«

»Das kann man wohl sagen.«

*

Sogar Margit Fechner schätzte den Arzt Dr. Norden. Aber sie hätte auch gern solch einen Mann gehabt. Ihre Ehe war nicht so ­harmonisch gewesen, wie sie jetzt nach außenhin tat. Man mußte ja das Gesicht wahren und durfte Toten nichts Schlechtes nachsagen. Bastian wußte, welche Spannungen bestanden hatten. Es gefiel ihm nicht, daß seine Mutter jetzt alle Welt um sich selbst belog, weil es ihr auch nicht gefiel, eine alleinstehende Frau zu sein, denn Einladungen blieben aus.

Es gefiel ihr erst recht nicht, daß Bastian manchmal mit einem Mädchen zusammen war. Sie fand diese modernen Mädchen ganz schrecklich, ihr hätte es wirklich keine einzige recht machen können.

Aber jetzt jammerte sie Dr. Norden erst einmal vor, wie sehr sie sich um Bastian sorgte.

Ihm konnte sie keinen Nervenzusammenbruch vorgaukeln, er hatte sie gleich durchschaut und sehr energisch erklärt, sie solle sich nicht in so negative Vorstellungen hineinsteigern.

»Was hat er denn für eine Zukunft, wenn er das Abitur nicht besteht?« schluchzte sie.

»Warten Sie doch erst mal ab, wie er abschneidet.«

»Nur diese Mädchen wären schuld daran, daß er nicht intensiver gelernt hat«, erregte sie sich. »Was soll ich denn nur machen? Er hört nicht mehr auf mich.«

»Ich meine, daß Bastian sehr bemüht ist, Ihnen alles recht zu machen, Frau Fechner«, sagte Dr. Norden mahnend, »aber man

muß den jungen Leuten auch Freiheiten lassen. Ich habe nicht

vergessen, daß ich auch mal jung war, und meine Frau denkt ebenso.«

Margit Fechner setzte ihre Schmollmiene auf. »Niemand versteht mich«, klagte sie, »dabei will ich doch nur, daß Bastian eine gute berufliche Zukunft hat. Sie brauchen sich um Danny wirklich keine Sorgen zu machen. Er bringt ganz bestimmt ein Einser-Abitur heim.«

»Ihm ist das Lernen leichtgefallen, bei Felix geht es auch ein bißchen schwerer, aber ich bin überzeugt, daß Bastian seinen Weg machen wird.«

Allein schon deshalb, um bald unabhängig zu werden, dachte er für sich.

»Danny hat seine Freizeit auch mit Mädchen verbracht«, fuhr er fort, als Frau Fechner schweigend vor sich hinstarrte. »Er ist kein Streber und auch kein Musterknabe. Freuen Sie sich doch, daß Sie einen sehr anständigen Sohn haben. Andere Eltern müssen sich mit oft sehr schlimmen Dingen auseinandersetzen.«

»Sie meinen sicher Drogen und Alkohol. Es wäre mein Ende, wenn Bastian damit zu tun hätte.«

»Dann machen Sie sich und auch ihm das Herz nicht schwer mit negativen Gedanken.«

»Aber er sagte doch selbst, daß er kein gutes Gefühl hätte.«

»Wir werden ja sehen, was für Zeugnisse sie heimbringen. Am wichtigsten ist doch, daß sie gesund sind.«

»Ich verstehe nur nicht, daß manche Eltern hochbegabte Kinder haben, obgleich sie selbst nur ganz einfache Leute sind, und andere es mit Mühe und Not schaffen.«

»Da spielen halt die Gene mit.«

»Das verstehe ich nicht.«

»Dann beschäftigen Sie sich damit, oder lassen es sich von Bastian erklären. Ich muß jetzt weiter, Frau Fechner. Regen Sie sich nicht über ungelegte Eier auf.«

Bastian begleitete ihn bis zur Gartentür. »Sag mal ehrlich, wie sieht es denn bei dir wirklich aus, Basti?« fragte Dr. Norden.

»So gut wie bei Danny bestimmt nicht, aber ich tippe auf 2,5.«

»Und darüber regt sich deine Mutter so auf?«

»Ich sage es ja nicht so deutlich. Wenn dann eine Zahl hinter dem Komma abweicht, regt sie sich auf, weil ich mich besser eingeschätzt habe. Ihr kann man es nicht recht machen.«

»Und was hast du vor?«

»Am liebsten würde ich einen Job in einem Verlag annehmen, aber sie will ja, daß ich studiere. Man ist nichts in ihren Augen, wenn man nicht Akademiker ist. Dabei hat es mein Vater auch ohne Studium weit gebracht.« Ein schwerer Seufzer folgte.

»Du kannst immer zu mir kommen, wenn du einen Rat brauchst«, sagte Daniel väterlich.

»Sie ahnen nicht, wie sehr ich Danny um seine Eltern beneide, viele tun das übrigens.«

»Ich nehme an, daß dein Vater den Ton angab, solange er lebte.«

»Aber mit ihm konnte man vernünftig reden. Ich weiß nicht, wie es weitergehen wird, wenn ich mein Elternhaus verlasse. Mir traut ja niemand zu, daß ich mich durchsetzen kann.«

»Doch, ich traue es dir zu, Bastian.« Daniel Norden hielt seine Hand fest umschlossen.

»Danke, vielen Dank, Dr. Norden.« Ein Leuchten war in Bastians hellen Augen.

Daniel atmete auf. Um Bastian braucht es ihm nicht bange zu sein. Das konnte er auch Fee sagen, die sich Gedanken gemacht hatte.

»Wenn Frau Fechner mal keinen mehr ständig um sich hat, dem sie etwas vorjammern kann, wird sie sich darauf besinnen, daß sie doch eigentlich noch schöne Jahre vor sich haben könnte, wenn sie sich nur um sich selbst zu kümmern braucht. Ich kenne diese Art Frauen. Sie entdecken den zweiten Frühling.«

»Hoffentlich«, sagte Fee mit einem tiefen Seufzer. Dann widmete sie sich lieber ihren Kindern, da die Zwillinge eine Streitphase hatten und mal wieder herausfinden wollten, wer Sieger blieb. Sie mischte sich nicht ein, sie beobachtete die beiden, die ihre Auseinandersetzungen mit Worten führten, und wenn Kraftausdrücke fielen, klapperte Fee mit der Strafkasse. Dann herrschte bald Ruhe.

»Worum ging es eigentlich?« fragte Fee.

»Jan hat gesagt, daß er genauso schlau wird wie Danny«, erklärte Desi empört. »Dabei weiß er nicht mal, was tolerant ist.«

»Weißt du es?« fragte Fee.

»Na klar, wenn man nachgibt.«

Wie pfiffig sie schon waren, Fee konnte es fast nicht glauben. Es ging so schnell. Die Tage, Wochen und Monate eilten nur so dahin, und bald waren sie schon wieder ein Jahr älter. Dann kamen sie in die Schule und würden den Lehrerinnen und Lehrern bestimmt mehr zu schaffen machen als Anneka. Sie waren mehr wie ihre großen Brüder und manchmal auch ziemlich vorlaut, aber wer hätte schon Desis Charme widerstehen können. Sie mußte nur ihre großen dunklen Augen rollen, und schon hatte sie gewonnen. Fee ließ sich davon allerdings nicht mehr bestechen. Sie verstand es auch, sich Respekt zu verschaffen, ohne allzu streng zu sein.

Familie Dr. Norden 731 – Arztroman

Подняться наверх