Читать книгу Dr. Laurin Classic 47 – Arztroman - Patricia Vandenberg - Страница 3

Оглавление

»Letzter Ferientag«, beklagte sich Konstantin, und seine Zwillingsschwester Kaja fügte sogleich hinzu: »Jetzt, wo’s richtig schön wird, fängt die Schule wieder an.«

»Daß ich nicht lache!« sagte Teresa Kayser, die in ihrem bequemen Schaukelstuhl unter dem Apfelbaum saß.

»Da gibt’s nichts zu lachen, Omi«, sagte Konstantin entrüstet. »Morgen müssen wir wieder in die doofe Schule.«

»Die Schule ist nicht doof«, wurde er von seiner heißgeliebten Omi belehrt, »aber ich lache über etwas anderes.«

»Über Witze?« erkundigte sich Kaja.

»Ja, das ist fast ein Witz«, sagte Teresa. »Laurentina Croon feiert ihren fünfunddreißigsten Geburtstag.«

»Wer ist denn das?« fragte Konstantin.

»Und warum ist das ein Witz?« schloß Kaja sich an.

»Weil sie mindestens fünfundvierzig ist«, erwiderte Teresa kopfschüttelnd.

Antonia hatte sich von ihrer Liege aufgerichtet. »Laurentina Croon? Fünfundvierzig soll sie schon sein, Teresa? Täuschst du dich da nicht?«

»Ich muß es doch wissen, Kindchen. Ich habe ihr schon vor zwanzig Jahren Kleider entworfen, und da war sie schon zum zweiten Mal verheiratet.«

Kaja riß ihre dunklen Augen weit auf.

»Wie oft darf man denn heiraten?« fragte sie interessiert.

Antonia Laurin ahnte schon, daß nun eine Flut von Fragen auf sie und Teresa einstürmen würde, und sie sollte sich nicht getäuscht haben. Ihre Zwillinge wollten es ganz genau wissen, und Kevin, der jüngere, beteiligte sich auch daran.

Nur dem Nesthäkchen Kyra war es noch herzlich gleichgültig, wer Laurentina Croon und wie oft sie verheiratet war.

Laurentina Croon, von der die Rede war und deren Foto unübersehbar auf der Titelseite der Illustrierten prangte, war eine berühmte Filmschauspielerin.

»Du hast noch nicht gesagt, wie oft man heiraten darf, Omi«, erinnerte Kaja eindringlich.

»Das kann jeder, so oft er will«, erwiderte Teresa.

»Aber ihr nicht«, sagte Kaja empört. »Das wollen wir nicht.«

»Bei uns heiratet jeder nur einmal«, erklärte Konstantin energisch. »Und unser Papi würde auch nicht erlauben, daß Mami auf ’ne Titelseite kommt, wo sie jeder begucken kann.«

Antonia gab lieber keinen Kommentar dazu, denn dadurch würde die Diskussion unendlich werden. Sie kannte ihre Kinder. Sie warf Teresa einen belustigten Blick zu. Da siehst du, was du wieder angerichtet hast, sollte der bedeuten.

»Badet lieber noch mal«, sagte Teresa zu den Kindern. »Papi kommt bald nach Hause, dann wird gegessen.«

Konstantin überlegte einen Augenblick, ob das angeschnittene Thema es wert wäre, noch mehr Worte darüber zu verlieren. Er entschied sich fürs Baden, und Kaja und Kevin sprangen ihm nach in den Swimming-pool, daß das Wasser hoch aufspritzte.

Antonia hatte sich neben Teresa gesetzt. »Sie sieht aber noch sehr gut aus«, stellte sie fest, Laurentinas Konterfei betrachtend. »Sie war deine Kundin? Du hast das noch nie erwähnt, Teresa.«

»Ich hab’s vergessen. Ist ja schon lange her. Sie ist dann in die Staaten gegangen, aber jetzt filmt sie wieder in München.«

»Sie ist eine großartige Schauspielerin«, stellte Antonia fest.

»Ein ruheloser Mensch«, sagte Teresa gedankenvoll. »Sie war eine sehr anhängliche und zufriedene Kundin, aber eigentlich hätte sie es doch wahrhaftig nicht nötig, sich zehn Jahre jünger zu machen. Ich finde das albern. Mein Gott, wenn ich so zurückdenke…«

Sie unterbrach sich und ließ ihre Gedanken in die Vergangenheit schweifen. Sie erzählte, und Antonia stellte wieder einmal fest, daß Teresa faszinierend zu erzählen verstand.

*

Dr. Leon Laurin saß indessen am Bett einer Patientin, die er am Morgen des gleichen Tages operiert hatte. Sie war aus der Narkose erwacht und sogleich in ein seelisches Tief geraten.

Auch er besaß die Gabe, ganz überzeugend zu sprechen. Er konnte trösten, und in diesem Fall konnte er das ruhigen Gewissens.

Inge Kolbe war siebenundzwanzig, seit drei Jahren verheiratet, hatte einen netten Mann und führte eine überaus glückliche Ehe. Der Wunsch nach Kindern hatte sie zu ihm geführt. Er hatte den Grund für ihre Kinderlosigkeit sofort festgestellt. Die Operation war gut verlaufen. In diesem Fall brauchte er sich ermutigende Worte wider besseren Wissens nicht abzuringen.

Denn auch das mußte manchmal sein. Es war nicht zu leugnen. Auch Dr. Leon Laurin hatte Fälle kennengelernt, bei denen alles Wissen, alles Können und alle Erfahrung versagten. Und doch hatte er dann ermuntert und getröstet, die letzte Hoffnung auf das Wunder setzend, das medizinischen Erkenntnissen überlegen war.

Inge Kolbe durfte beruhigt schlafen. Und Dr. Laurin wollte ebenso beruhigt einen Arbeitstag beschließen, um noch ein paar Stunden mit seiner Familie zu genießen.

»So, dann hätten wir’s«, sagte er zu Hanna Bluhme, die im Vorzimmer des Chefarztes der Prof.-Kayser-Klinik systematisch für Ordnung sorgte.

»Es wird auch Zeit, daß Sie heimkommen, Chef«, sagte Hanna. »Heute ist der letzte Ferientag.«

»Vielleicht hat ja Petrus ein Einsehen und läßt es morgen regnen, damit den Zwillingen der Anfang nicht gar zu schwer wird«, sagte er lächelnd.

»Jetzt geht schon das nächste Schuljahr an«, sagte Hanna gedankenvoll. »Ich kann es immer noch nicht glauben, daß sie so schnell heranwachsen.«

Und er selbst hätte die Zeit auch gar zu gern zum Stillstand gebracht. Leon Laurin strich sich durch das dichte dunkle Haar, in das sich schon ab und zu weiße Fäden mischten.

Aber als er dann heimkam und die Kinder an seinen Hals flogen, fühlte er sich himmlisch jung. Und wenn er seine Antonia anschaute, die flott und schlank in ihren hellen Jeans daherkam, war er verliebt wie eh und je.

Er hielt ihren sonnendurchwärmten Körper in seinen Armen und küßte sie zärtlich.

»Gell, Papi, du würdest nicht zweimal heiraten?« fragte Kaja.

»Warum nicht, wenn es dieselbe Frau ist?« erwiderte Leon lachend. »Eure Mami würde ich jedes Jahr wieder heiraten.«

»Haben auch schon lange keine Hochzeit mehr mitgemacht«, sagte Konstantin. »Und eure überhaupt nicht. Heiratet ihr noch mal?«

»Damit wir auch dabei sein können?« fragte Kevin. »Ihr hättet ruhig warten können, bis wir groß sind.«

»Ja, das hätte noch gefehlt«, lachte Leon. »Dann hätte ich eure Mami nie bekommen.«

»Warum nicht?« fragte Kaja naiv.

»Lieber Gott, jetzt geht es wieder los«, seufzte Antonia.

*

Leon Laurin hatte keine Ahnung, wer Laurentina Croon war. Er ging nicht ins Kino, und Namen von Schauspielern behielt er schon gar nicht, es sei denn, er hatte beruflich mit ihnen zu tun.

Antonia hatte an diesem Abend auch anderes zu tun, als über Laurentina Croon mit ihrem Mann zu sprechen, und so geschah es denn, daß er am anderen Morgen den Brief, der auf feinstem Büttenpapier geschrieben war, verständnislos las.

Es waren keine Operationen angesetzt. Leon hatte die Zwillinge in die Schule gefahren, weil es tatsächlich regnete.

Petrus schien seine Stoßseufzer gehört zu haben, und die Zwillinge hatten mal wieder einstimmig erklärt, daß es doch ganz nett wäre, ihre alten Klassenkameraden wiederzutreffen.

»Wo es sowieso regnet, ist es egal, daß wir in die Schule müssen«, war Konstantins Kommentar gewesen.

Bis Leon wieder heimkam, um gemütlich mit seiner Frau zu frühstücken, war die Post gekommen. Mit spitzen Fingern legte ihm Antonia den Brief auf den Teller.

»Eine Damenhandschrift«, sagte sie anzüglich. »Vielleicht wieder mal ein Heiratsantrag. Dann lasse ich mich scheiden.«

»Okay, und dann heiraten wir noch mal, damit unsere Kinder unsere Hochzeit miterleben können.«

Er griff nach ihrer Hand und zog sie an sich. Achtlos riß er den Umschlag auf.

»Wollen doch mal sehen, ob das ein Scheidungsgrund sein kann«, scherzte er.

Und dann schluckte er.

»Lies mal vor, Liebling«, sagte er.

»Lies du«, verlangte Antonia.

»Sehr geehrter Herr Dr. Laurin, Ausrufungszeichen«, begann er. »Ist das wieder üblich? Wir machen immer ein Komma nach der Anrede.«

»Früher war das üblich«, sagte Antonia. »Ist überholt. Dann ist der Brief von einer alten Dame.«

»Laurentina Croon«, sagte Leon, auf die Unterschrift blickend.

»Laurentina Croon?« wiederholte Antonia elektrisiert. »Das ist keine alte Dame. Zeig mal her, Leon!«

»Das könnte dir so passen. Jetzt lese ich vor.

Ich habe Ihre Adresse aus dem Telefonbuch.

Leider konnte ich die von Teresa Leppin nicht finden. Aber ich kann mich erinnern, daß Teresas Neffe Leon hieß. Ich hoffe, daß ich an die richtige Adresse geraten bin, da Teresa mir erzählte, daß ihr Neffe Arzt werden wollte.«

Antonia war so fassungslos, daß sie nichts sagen konnte. Sie las jetzt laut mit:

»Mein Name wird Ihnen sicher bekannt sein. Nach langer Abwesenheit bin ich nach Deutschland zurückgekehrt, und ich würde mich sehr freuen, Teresa wiederzusehen. Sie könnte mir auch einige Roben für meinen neuen Film anfertigen. Ich habe sie in allerbester Erinnerung und kann nur hoffen, daß ich nicht an einen Mann schreibe, der nur zufällig den Namen Leon trägt.«

»Ziemlich naiv, diese Person«, warf Leon ein.

»Es ist eine berühmte Filmschauspielerin«, sagte Antonia atemlos.

»Ach nee! Teresas Jahrgang?«

»Du bist unmöglich, Leon. Sie feiert ihren fünfunddreißigsten Geburtstag. Teresa meint zwar, daß es der fünfundvierzigste ist, aber das nimmt ihr keiner ab.«

»Ich schon. Sie macht mich zehn Jahre jünger als ich bin«, grinste er übermütig. »Als ich den Entschluß faßte, Arzt zu werden, meine süße Antonia, war ich nämlich gerade achtzehn und hatte das Abitur gemacht. Und wenn das erst zehn Jahre her sein soll, wäre ich jetzt achtundzwanzig und würde dich noch gar nicht kennen.«

»Sondern in Schwabing herumflanieren und hübsche Mädchen aufreißen«, warf Antonia übermütig ein.

»Und das sagt eine Frau, mit der ich seit fast zehn Jahren verheiratet bin«, tat er gekränkt.

»Also, was ist diese Laurentina Croon für eine?«

»Eine berühmte Filmschauspielerin und ehemalige Kundin von Teresa. Sie hat mir viel über Laurentina Croon erzählt.«

»Und das hast du mir vorenthalten?«

»Wir hatten dafür keine Zeit«, sagte Antonia neckend. »Wir mußten Abschied feiern von den Ferien.«

Der Brief flatterte zu Boden, als er sie stürmisch umarmte. »Du bist die süßeste Frau der Welt«, raunte er ihr ins Ohr.

»Kyra will aber zu Papi«, ertönte da ein energisches Stimmchen.

Und da war Antonia schon von ihrer Jüngsten verdrängt, die angetrippelt kam und sich an ihrem Papi emporrankte.

Antonia bückte sich und hob den Brief von Laurentina Croon auf, um ihn noch einmal zu lesen.

»Du, Leon, wir sind zur Geburtstagsparty eingeladen. Wir in Anführungsstrichen, falls du mittlerweile verlobt oder verheiratet sein solltest. Vorausgesetzt natürlich, daß du Teresas Neffe bist.«

»Ich bin ein geplagter Vater«, seufzte er, da Kyra ihr kakaobeschmiertes Mündchen schmatzend auf seine Wange drückte.

»Ich werde Teresa dieses Schreiben übermitteln«, erklärte sie.

»Aber Paps wird bestimmt nicht damit einverstanden sein, daß sie sich hinsetzt und Roben für eine Matrone entwirft.«

»Hast du eine Ahnung«, sagte Antonia. »Karin, wo sind die neuen Illustrierten?« rief sie daraufhin laut.

Karin kam gleich darauf mit einigen Exemplaren, und Antonia hielt ihrem Mann das Titelblatt vor die Nase.

»Da sagst du nichts mehr«, murmelte Antonia.

»Doch! Ein meisterhaftes Lifting oder ein meisterhafter Retuscheur«, sagte Leon sarkastisch.

*

Dr. Laurin hatte Laurentina Croon schon vergessen, als er die Prof.-Kayser-Klinik betrat, die von seinem Schwiegervater Professor Joachim Kayser gegründet worden war und die er nun seit einigen Jahren leitete. Vor kurzem war angebaut worden.

Die Chirurgische und die Gynäkologische Abteilung waren voneinander getrennt. Im anderen Trakt, auf der Chirurgischen, zu der ein dekorativ ausgestatteter Gang führte, wirkte Dr. Eckart Sternberg als Chefarzt. Mit ihm verband Dr. Laurin eine herzliche Freundschaft, und ebenso war zwischen Leon Laurin und seinem Assistenten Dr. Lars Petersen eine Freundschaft entstanden, ohne daß dadurch das kollegiale Verhältnis zu den anderen Gynäkologen gefährdet worden wäre.

Obgleich Dr. Petersen als letzter zur Prof.-Kayser-Klinik gekommen war, wurde seine starke Persönlichkeit neben Dr. Laurin voll akzeptiert.

Es war die harmonische Atmosphäre, zu der auch die gutgeschulten Schwestern beitrugen, die den Erfolg dieser Klinik bestimmte, die weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt geworden war, nicht zuletzt deshalb, weil Dr. Laurin bemüht war, die neuesten medizinischen Erkenntnisse zu nutzen, um Frauen und Kinder vor gesundheitlichen Gefahren zu schützen.

Seine Beliebtheit war so groß, daß auch Frauen, die einmal in seiner Klinik ein Kind zur Welt gebracht hatten, wieder in diese Klinik kamen, selbst wenn sie inzwischen weiter entfernt wohnten.

So auch Dorothee Langen, deren Mann als Diplomat nach Schweden gegangen war. Obgleich es vier Jahre her war, daß sie ihr Töchterchen Claudia in der Prof.-Kayser-Klinik zur Welt gebracht hatte, erkannte Dr. Laurin sie sofort.

Er hatte ein phänomenales Gedächtnis, wie Hanna wieder einmal feststellte. »Sie haben sich nicht verändert«, stellte er fest.

»Aber hier hat sich manches verändert«, sagte Dorothee Langen. »Die Klinik ist noch mal so groß wie damals.«

»Und immer noch zu klein.«

»Dann haben Sie wohl gar kein Bett für mich frei?« fragte Dorothee enttäuscht. »Ich bin eigens von Stockholm gekommen, um mein Kind hier auf die Welt zu bringen. Und dann möchte Ihnen noch jemand guten Tag sagen«, erklärte die junge Frau lächelnd. »Am besten gleich, sonst wird sie ungeduldig.«

Und gleich kam auch ein süßes blondlockiges, kleines Mädchen hereingelaufen.

»Ich bin die Claudia«, sagte sie ohne Scheu. »Kennst du mich noch?«

Das wäre allerdings kaum möglich gewesen, denn als sehr zartes Baby hatte sie die Klinik verlassen, und jetzt war sie eine pfiffige und kräftige kleine Person.

»Du hast dich sehr verändert«, sagte Dr. Laurin.

»Hmmm, bin groß geworden. Haben Omi und Opi auch gesagt. Muß auch sein, wenn wir jetzt ein Brüderchen kriegen. Also, das muß ich dir sagen, Herr Doktor, ein Brüderchen muß es werden. Papi wünscht sich auch einen Sohn.«

Sie hätte sich gern noch länger mit dem netten Doktor unterhalten, wie sie dann Hanna versicherte, der sie in Obhut gegeben wurde.

»Nun, vielleicht werden es zwei Brüderchen«, sagte Dr. Laurin, nachdem er die Untersuchung beendet hatte.

»Habe ich es doch geahnt!« rief Dorothee Langen aus. »Ich bin heilfroh, daß ich hergekommen bin. Es ist auch für meine Eltern schön, die uns doch sehr vermissen.« Ihr Gesicht wurde nachdenklich. »Aber habe ich für eventuelle Zwillinge nicht ein bißchen zu wenig Gewicht? Mir kommt es fast so vor, als wäre ich bei Claudia stärker gewesen.«

Ja, das machte ihm im Augenblick auch gewisse Sorgen, aber davon ließ er sich nichts anmerken.

»Sie werden friedlich alles miteinander teilen«, meinte er. »Außerdem haben wir ja noch ein paar Wochen Zeit. Nur keine Aufregung. Wir haben schon Drillinge und Vierlinge mit Erfolg durchgebracht. Tragen Sie Frau Langen vorsorglich mal für den fünften Oktober ein«, sagte Dr. Laurin zu Hanna, nachdem sich Dorothee und ihr Töchterchen verabschiedet hatten. »Hoffentlich wird es nicht früher.«

»Dann müssen wir eben mal wieder ein zweites Bett in ein Einbettzimmer stellen«, sagte Hanna.

»Ich meine nicht wegen des Bettes, sondern wegen des Nachwuchses«, erklärte Dr. Laurin. »Eine Frühgeburt würde mir da doch Sorgen bereiten.«

Eine Frühgeburt kam dann noch am Spätnachmittag. Ein Siebenmonatskind stellte sich ein, aber es war glücklicherweise ganz schön kräftig. Die junge Mutter hatte sich beim Umzug in eine neue Wohnung übernommen, und nun jammerte sie darüber, daß das Kinderzimmer noch gar nicht eingerichtet wäre.

*

Antonia hatte Teresa den Brief gebracht. »Ja, gibt es denn so was, sie erinnert sich meiner auch noch? Eigentlich ist das nett, findest du nicht?«

Antonia mußte unwillkürlich daran denken, wie Leon sich geäußert hatte, und lächelte. »Das Weitere kannst du dann ja übernehmen, Teresa.«

»Wollt ihr nicht zu der Geburtstagsparty gehen?« fragte Teresa.

»Wäre doch ein bißchen peinlich für sie, wenn Leon mit schon einzelnen grauen Haaren und Ehefrau anmarschiert kommen würde. Ob eigentlich alle glauben, daß es tatsächlich erst ihr fünfunddreißigster ist?«

»Was spielt es für eine Rolle, ob es zehn oder zwanzig Jahre sind? Eigentlich ist man doch so jung, wie man sich fühlt.«

»Und wenn sie dich sieht, wird sie sowieso des Glaubens sein, daß tatsächlich erst zehn Jahre vergangen sind.«

Allerdings sah man Teresa ihr Alter auch nicht an, wenngleich sie die Lebensjahre nicht verleugnete. Kein Wunder, daß Professor Kayser stolz auf seine Frau war. Aber davon wollte er nichts wissen, daß Teresa diesem Filmstar Kleider entwarf. Ihre Schöpfungen sollten allein den weiblichen Familienmitgliedern vorbehalten sein.

Teresa hatte früher, bevor sie die späte Ehe mit dem verwitweten Professor einging, dessen Jugendliebe sie war, eine exklusive Boutique besessen und wahrhaftig einzigartige Kleider entworfen und erfolgreich verkauft.

Sandra Brink, Dr. Leon Laurins Schwester, hatte ihr dabei geholfen.

Antonia dachte heute auch an jenen Tag zurück, als sie dort zum ersten Mal ein Kleid erworben hatte, ein zauberhaftes Abendkleid, das sie sich zur Erinnerung aufgehoben hatte, denn sie hatte es gekauft gehabt, um Leon zu gefallen.

Teresa lächelte nachsichtig. Sie kannte ihren Polterer, und Antonia wußte, daß Teresa für ihren Vater ein Heiligtum war. Sie war sehr glücklich, daß er seinen Lebensabend mit dieser wunderbaren, großmütigen Frau verbringen konnte, die ihre ganze Jugend den Kindern Leon und Sandra geopfert hatte. Sie war den beiden Frühwaisen wahrhaft eine Mutter gewesen, sie war es auch für Antonia, und außerdem war sie die liebevollste und zärtlichste Omi für ihre Enkel.

»Aber du wirst Teresa doch wenigstens den Spaß vergönnen, mit ihr zu der Geburtstagsparty zu gehen, Paps«, sagte Antonia sanft.

»Ich soll dahin? Kinder, ihr seid wohl nicht ganz bei Trost«, protestierte Joachim Kayser.

»Laß ihn nur«, raunte Teresa Antonia zu. »Das mache ich schon.«

Sie begleitete Antonia zur Tür. Kevin und Kyra blieben bei ihrem Opi.

»Paps kann sich mit Leon zusammentun«, sagte Antonia belustigt. »Meinen Göttergatten bringe ich auch nicht auf die Party. Dann gehen wir eben allein, Teresa. Ich möchte das doch mal miterleben.«

»Und damit würden unsere beiden Männer schon gar nicht einverstanden sein«, lachte Teresa. »Wir werden es schon hinkriegen. Jetzt werde ich mich erstmal mit Laurentina in Verbindung setzen. Ist doch klar, daß ich mir das wenigstens nicht entgehen lasse.«

Am Nachmittag erfuhr Antonia dann schon umgehend, daß Teresa morgen zu den Fernsehstudios fahren würde, wo Laurentina mit den Filmarbeiten begonnen hatte.

»Joachim kann dann ja Kindermädchen spielen bei euch«, schlug sie vor. »Dann ist er untergebracht.«

Damit war Antonia gern einverstanden. Sie hatte Corinna Sternberg und Dagmar Petersen zu sich eingeladen. Sandra wollte auch kommen, und da sie alle ihre Kinder mitbrachten, war es ganz gut, wenn Professor Kayser als Autoritätsperson fungierte. Allerdings war es mit der Autorität nicht weither, aber er wurde blendend mit den Kindern fertig. Niemand hätte ihm das zugetraut, und er war überaus glücklich dabei.

Leon lachte nur, als Antonia ihm erzählte, daß Teresa zu den Fernsehstudios fahren würde.

»Dabei sein ist alles«, meinte er. »Sie wird die Nase schnell vollkriegen von dem Betrieb.«

»Es ist mal was anderes, und schließlich ist es doch nett, wenn man alte Bekannte wiedertrifft.«

Und so fuhr Teresa dann am nächsten Tag los.

Laurentina hatte am Empfang einen Bescheid hinterlassen, wo sie zu finden sei. Und Teresa hatte sie auch gleich entdeckt. Aber sie blieb erstmal stehen, denn Laurentina stand mit einem jungen, blendend aussehenden Mann zusammen. Sie hatte die Arme um seinen Hals gelegt und blickte innig zu ihm empor.

Teresa berührte diese Szene irgendwie peinlich. Gut und schön, wenn Laurentina schon zehn Jahre ihres Lebens verleugnen wollte, sollte sie es, aber deshalb brauchte sie sich doch nicht wie ein verliebter Teenager aufzuführen.

Am liebsten wäre sie umgekehrt, aber da fiel Laurentinas Blick schon auf sie, und sogleich löste sie sich von dem jungen Mann, eilte auf Teresa zu und begrüßte sie überschwenglich.

»Meine Liebe, Sie haben sich überhaupt nicht verändert! Es ist wunderbar, daß wir uns wiedersehen, einfach himmlisch. Conny, komm doch mal her. Du mußt meine lieber Teresa Leppin kennenlernen.«

»Kayser«, berichtigte Teresa. »Jetzt heiße ich Kayser.«

»Oh, Sie haben geheiratet?« fragte Laurentina irritiert. »Das ist eine Überraschung. Ich dachte, so emanzipierte Frauen wie Sie heiraten nie.«

»So emanzipiert bin ich gar nicht«, sagte Teresa. Dann wurde ihr der junge Mann als Constantin Thurner vorgestellt.

»Verzeihung, ich habe Probe«, sagte er dann.

»Wir sehen uns nachher, Conny«, sagte Laurentina. »Vergiß nicht, daß wir mit Bennet essen.«

Mit Bennet, dachte Teresa, Clemens Bennet etwa? Aber Laurentina redete schon weiter. Redselig war sie auch damals schon gewesen, aber jetzt wirkte sie nahezu euphorisch. Alles war ein bißchen zu gewollt. Nur ihre Freude über das Wiedersehen schien wirklich echt zu sein.

Ihre Hektik machte Teresa nervös, und sie verzieh ihrem Mann im Nachhinein seine recht drastischen Kommentare zu diesem Treffen.

»Nun erzählen Sie erstmal von sich«, sagte Laurentina, als sie sich an einem Tisch niedergelassen hatten.

Teresa erzählte, und sie merkte dabei, daß Laurentina nicht daran erinnert werden wollte, wie viele Jahre vergangen waren.

Sie überhörte auch geflissentlich, daß Teresa sich sehr wohl als Omi fühlte. Daß sie einen so bekannten Professor geheiratet hatte, nahm sie jedoch wohlwollend zur Kenntnis.

»Dann darf ich ja gar nicht darauf hoffen, daß Sie ein paar Entwürfe für mich machen. Sie haben es immer so meisterhaft verstanden. Meine Figur hat sich auch kaum verändert. Würden Sie mir wenigstens mein Hochzeitskleid entwerfen?«

Ach, du liebe Güte! dachte Teresa. Noch eine Ehe! Sie war ein bißchen fassungslos.

»Sie haben meinen Zukünftigen eben kennengelernt«, zwitscherte Laurentina. »Er ist einfach zauberhaft. Ein paar Jahre jünger als ich, nun, aber das spielt ja keine Rolle.«

Er muß fast zwanzig Jahre jünger sein, dachte Teresa und fand keine Worte.

»Diesmal ist es die ganz große Liebe und endgültig«, fuhr Laurentina fort. »In drei Ehen habe ich genügend Erfahrungen gesammelt. Nichts gegen meine Ehemänner, sie waren wirklich nett, aber… Na ja, was soll man darüber reden. Man ist eben zuviel unterwegs, man sieht sich zu selten.«

Und so ging es noch eine Weile fort.

Teresa kam mehr und mehr auf den Gedanken, daß Laurentinas Interessen sich nur noch auf ihr Äußeres richteten und daß sie damit vollauf beschäftigt war, sich krampfhaft an eine schon entschwundene Jugend zu klammern.

Laurentina erinnerte Teresa dann auch noch einmal eindringlich an ihre Geburtstagsparty, die übermorgen steigen sollte.

»Ich muß doch Ihren Mann kennenlernen«, sagte sie. Von Leon sprach sie nicht mehr, nachdem sie erfahren hatte, daß er verheiratet und Vater von vier Kindern war. Das würde sie wohl doch allzusehr an ihr wahres Alter erinnern, das sie bei der Verabschiedung nicht leugnen konnte.

Sie sah plötzlich eingefallen und krank aus, und Teresa dachte darüber noch lange nach. Selbst wenn sie ihr einen Entwurf für ein Kleid hätte machen wollen, es wäre ihr nichts eingefallen. Früher, ja, früher war das einfach gewesen.

Eine Schnapsidee, sich an einen um so vieles jüngeren Mann zu hängen, dachte sie, und dabei hatte sie doch damals einen so sympathischen Mann. Sie erinnerte sich noch gut an ihn.

Er hatte Laurentina öfter begleitet, und er hatte einen ungewöhnlich guten Geschmack in bezug auf die Garderobe seiner Frau bewiesen. So etwas vergaß Teresa nicht so rasch.

Und hatte man dann nicht davon geredet, daß sie auch ein Kind hatten?

Joachim hat recht, dachte sie, man soll flüchtige Bekanntschaften nicht aufwärmen. Man wird nur enttäuscht.

*

Auch bei Antonias Damengesellschaft kam das Gespräch auf Laurentina Croon. Dagmar Petersen hatte davon angefangen, als die Kinder Nikki und Ronald sagten, daß der Daddy abends ausgehen würde.

Der Daddy war einmal Dagmars Vater, Clemens Bennet, der bekannte Musikproduzent, der andere Daddy war Dr. Petersen, mit dem Dagmar seit ein paar Monaten verheiratet war. Sie hatte Nicole in die Ehe gebracht und er den kleinen Ronald. Jetzt waren die Kinder schon ganz wie echte Geschwister, und die Ehe war überaus glücklich.

»Daddy geht mit der Croon und ihrem neuen ständigen Begleiter aus«, erzählte Dagmar. »Die Croon managt ihn. Sie will ihn zu einem Star machen.«

Und dann wurde halt eine Zeit über Laurentina geredet. Dafür sorgte dann in erster Linie Sandra, die Teresas alte Geschichten herauskramte.

Professor Kayser hatte sich mit den Kindern in den Garten verzogen, als Konstantin ihm berichtete, daß die Damen über die Titelseitendiva sprachen.

»Als ob so was wichtig ist«, sagte Konstantin.

»Daddy-Opi sagt, daß man da nicht drum rumkommt«, sagte Nikki.

Ihnen war das gemeinsame Spiel jetzt wichtiger, und wie immer, wenn sie zusammen waren, ging es hoch her.

Drinnen war das Gespräch inzwischen bei der Geburtstagsparty angelangt, zu der Dagmar auch geladen war.

»Aber Lars hat gleich abgewinkt«, sagte sie lachend.

»Leon auch«, schloß Antonia sich an. »Na, mal sehen, was unsere Teresa erzählt, wenn sie zurückkommt.«

Teresa war schneller als erwartet da. Sie setzte sich behaglich in ihren Sessel und trank erstmal ein paar Tassen Kaffee, bevor sie die Neuigkeiten verkündete.

»Wenn ich mich so unter euch umschaue, muß ich sagen, daß Laurentina nur froh sein kann, wenn keiner von euch auf ihrer Party erscheint. Ihr lauft ihr allesamt den Rang ab.«

»Danke«, sagte Antonia, »und du, wirst du auch daheim bleiben?«

»Natürlich«, sagte Joachim Kayser. »Merkt ihr denn nicht, wie froh sie ist, wieder dazusein?«

Die schöne Corinna Sternberg hatte sich an diesem Gespräch wenig beteiligt. Sie war überhaupt sehr ruhig und führte lieber interessantere Gespräche. Aber jetzt mischte sie sich doch ein.

»Ich kenne den ersten Mann von Laurentina Croon. Ich war mal als Chemikerin in seiner Fabrik beschäftigt. Es war meine erste Stellung. Wolfgang Römer ist ein sehr netter Mann, und Katharina war ein entzückendes Kind. Es ist erschütternd, wenn eine Mutter ihr Kind einfach aus dem Gedächtnis streicht.«

»Hat er wieder geheiratet?« fragte Sandra neugierig.

»Das weiß ich nicht. Damals lebte er jedenfalls mit seiner Mutter zusammen. Chancen hätte er bestimmt gehabt.«

»Und wie muß einem Kind zumute sein, das seine Mutter nur im Film sehen kann oder im Fernsehen?« sagte Dagmar.

»Das Kind ist jetzt auch schon erwachsen«, bemerkte Teresa. »Nun aber wirklich Schluß.«

Noch wußten sie nicht, daß alle Diskussionen über die Geburtstagsparty schon am nächsten Tag überflüssig geworden waren.

*

Für Dr. Laurin begann dieser Tag mit drei Operationen. Die Visite wurde indessen von Dr. Rasmus gemacht, da Dr. Petersen assistierte.

Die Ärzte waren noch im Operationssaal, als eine Erstgebärende gebracht wurde, die der Meinung war, daß nun alles ruckzuck gehen müsse.

Auch das kannte man. Es war schwer, sich in Geduld zu fassen, wenn nun endlich das Ende der beschwerlichen neun Monate nahte.

Leon hatte schnell eine Tasse Kaffee getrunken, die Hanna schon für ihn bereitgestellt hatte, dann ging es weiter zur Entbindungsstation.

Zum Essen kamen sie heute nicht, denn mittags kam eine Sturzgeburt. Die werdende Mutter war in der S-Bahn von den Wehen überrascht worden. Eine geistesgegenwärtige Mitfahrerin hatte sie in die Prof.-Kayser-Klinik bringen lassen. Auch solchen Situationen mußte man gewachsen sein, sogar, wenn kein einziges Bett mehr frei war.

Es ging wenigstens ohne Komplikationen ab. Mutter und Kind waren wohlauf. Der Vater konnte verständigt werden und schimpfte in seiner Aufregung erstmal darüber, daß seine Frau noch in der Weltgeschichte herumfahren mußte.

Schwester Marie hatte indessen dafür gesorgt, daß in das größte Zimmer noch ein viertes Bett hineingestellt wurde. Ausnahmsweise mußte das eben auch mal sein.

Und kaum hatte sich diese Aufregung gelegt, kam eine neue, die Dr. Laurin dann allerdings aus der Fassung brachte.

Laurentina Croon war bei den Dreharbeiten zusammengebrochen. Sie hatte verlangt, in die Prof.-Kayser-Klinik gebracht zu werden.

»Herrgott, wo soll ich sie denn hinlegen?« fragte Dr. Laurin. »Ich kann doch nicht in fünf Minuten anbauen.«

»Vielleicht drüben auf der Chirurgischen«, schlug Hanna Bluhme besänftigend vor. »Da ist ein Einbettzimmer heute frei geworden. Ein Kind wird sie ja wohl nicht kriegen.«

Dr. Eckart Sternberg wurde verständigt, und kaum war das Bett hergerichtet, traf auch schon der Sanitätswagen ein. Dr. Laurin hatte keine Zeit, sich um die berühmte Patientin zu kümmern, denn nun ging die zweite Geburt an diesem Tag los.

Ein Kind kann sie nicht kriegen, also ist sie bei Eckart in guten Händen, dachte er.

*

Laurentina Croon war bei Bewußtsein, wenn auch sehr matt.

Dr. Sternberg hätte nicht gewußt, wer Laurentina Croon war, wenn seine Frau Corinna gestern abend nicht über sie gesprochen hätte.

Ade, Geburtstagsparty, dachte er, als er das erschöpfte, eingefallene Gesicht betrachtete.

Dr. Sternberg maß Puls und Blutdruck, und beides stimmte ihn bedenklich. Niemand war da, der ihm sagen konnte, wie es zu diesem Zusammenbruch gekommen war. Er mußte sie erst gründlich untersuchen.

Im Atelier wurde trotz dieses Zwischenfalls weitergedreht. Nur eine kurze Pause war eingelegt worden. Constantin Thurner konzentrierte sich auf seine Rolle. Er hätte Laurentina in die Klinik begleitet, aber der Regisseur hatte abgewinkt.

»Wir machen weiter. Jeder Tag kostet Geld. Laurentina hat mich schon genug Nerven gekostet.«

Jetzt, nachdem die letzte Klappe für diesen Tag gefallen war, ging die Diskussion los. Der Regisseur tat sich keinen Zwang an.

»So geht es doch nicht«, sagte er zu Constantin. »Wir müssen die Rolle anderweitig besetzen. Sie wirkt ja wie ihre eigene Großmutter. Mit dem albernen Getue ist es nicht getan. Vielleicht ist es ihr selbst bewußt geworden, wie lächerlich sie wirkt. Ach so – nichts für ungut, ihr seid ja wohl liiert.« Ein anzügliches Lächeln begleitete seine Worte.

Constantin wäre am liebsten im Erdboden versunken.

Warum stellte er sich nicht schützend vor sie? Warum brachte er es nicht fertig, sich zu ihr zu bekennen? Er war doch fasziniert von ihr gewesen. Er hatte sie ja bewundert, förmlich angebetet!

Die Kehle war ihm trocken. »Es ging Laurentina schon ein paar Tage nicht gut«, sagte er heiser und stockend. »Sie hat sich zuviel zugemutet. Das Klima ist ihr nicht bekommen.«

Der Regisseur sah ihn nachsichtig an. »Mein lieber Conny, sie ist in dem Klima aufgewachsen. Ja, sie hat sich zuviel zugemutet. Und zehn Jahre kann man die Uhr einfach nicht zurückdrehen.«

Constantin starrte ihn an.

»Sie ist eine große Schauspielerin«, brachte er endlich mühsam über die Lippen.

»Auch das war einmal«, sagte der Regisseur. Er machte eine kleine Pause. »Ich werde jedenfalls die Römer holen. Sie hat zwar noch wenig Erfahrung, ist aber ein unglaubliches Talent.«

»Wollen Sie nicht erst abwarten, was der Arzt sagt?« fragte Constantin bittend. »Man kann Laurentina doch nicht so vor den Kopf stoßen.«

»Ich trage die Verantwortung, und ich habe auch schon ein bißchen mehr Erfahrung als Sie. Ich sage, daß Laurentina fertig ist.«

Fertig, dachte Constantin. Das wird ihr den Todesstoß versetzen.

*

»Nun, Daddy, hast du dich gestern gut amüsiert?« fragte Dagmar Petersen ihren Vater, der die Fünfzig bereits überschritten hatte, dem man aber gut und gerne wenigstens zehn Jahre geschenkt hätte, so blendend sah er aus.

»Amüsiert ist gut«, sagte er spöttisch. »Es war der reinste Schnulzenfilm. So was von Blödsinn.«

»Ich dachte, ihr wolltet nur essen gehen?« fragte Dagmar arglos.

»Waren wir ja auch, aber mir ist der Appetit dabei vergangen. Bitte, erinnere mich nicht mehr daran, Kleines.«

»Es interessiert mich aber«, sagte Dagmar. »Die Croon ist eine alte Bekannte von Teresa.«

»Das ›alte‹ kannst du unterstreichen. Leider macht sie sich in dem Bemühen, jung zu wirken, zur komischen Alten. Ich hatte mir den Abend anders vorgestellt.«

»Teresa muß einen ähnlichen Eindruck gewonnen haben. Sie hat nicht viel geredet. Sie ist eben diskret.«

»Und ich bin das nicht«, brummelte er. »Du hast es wieder mal durch die Blume gesagt, mein Schatz.«

»Ich bin dein Schatz«, zwitscherte Nikki, die sich auf Zehenspitzen herangeschlichen hatte.

»Du bist auch mein Schatz. Und Ronald auch. Wo steckt er denn?«

»Er ist mal hingefallen. Er blutet ziemlich doll«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Was macht man da, Daddy?«

»Vor allem nicht so geheimnisvoll tun. Wo ist er?«

»Im Bad. Mami ist immer so furchtbar erschrocken, wenn einer mal blutet«, sagte Nikki. »Und Ronald will nicht, daß Mami sich erschreckt.«

»O mein Gott, was ist denn passiert?« flüsterte Dagmar mit blassen Lippen.

»Du bleibst bei Mami, Nikki«, befahl Clemens Bennet. »Ich kümmere mich um Ronald.«

»Bitte nicht aufregen, Mami. Ich mußte Ronald versprechen, daß ich dir nichts sage«, flehte Nikki.

Aber diesmal überwand Dagmar ihre Angst und stürmte ihrem Vater nach.

Ronald war aufs Gesicht gefallen. Er blutete schrecklich aus der Nase, aber tapfer hatte er das Blut selbst stillen wollen, doch dem war einfach nicht Einhalt zu gebieten.

»Hol den Wagen, Daddy«, sagte sie. »Wir fahren in die Klinik.«

»Nein«, widersprach Ronald. »Du sollst nicht so Angst haben, Mamichen, und Daddy braucht es auch nicht zu wissen. Wird schon wieder gut.«

»Darauf verlasse ich mich nicht«, sagte Dagmar.

»Mach den Jungen nicht nervös und dich auch nicht«, sagte Clemens Bennet. »Ich rufe Antonia an. Sie ist doch auch Ärztin und weiß Bescheid.«

*

»Was is’ ’n los?« fragte Kevin seine Mami, als sie an ihm vorbeistürzte.

»Ich fahre schnell zu Bennets. Ronald ist hingefallen.«

Ihren Arztkoffer hatte sie noch immer bereitstehen, brauchte sie ihn doch oft genug für ihre eigenen Trabanten.

»Nimm uns mit, Mami«, bat Kaja.

»Das fehlt noch. Ich bin bald wieder da. Trubel können wir da nicht brauchen.«

Verschreckt blieben die Kinder zurück.

»Dann ist es schlimm«, sagte Kaja. »Der arme Ronald.«

»Omi kommt«, rief Kevin.

Teresa wurde von den Kindern umringt und erzählte, daß Antonia sie angerufen und gebeten hatte, schnell herzukommen.

»Na, heute ist wohl wieder mal der Teufel los«, sagte sie.

Teresa hatte eben von Leon erfahren, daß Laurentina Croon in die Klinik eingeliefert worden sei, und auf dem Wege dorthin wollte sie es eigentlich Antonia erzählen. Aber nun waren die Kinder gar nicht damit einverstanden, daß sie schon wieder gehen wollte.

»Dann kommt ihr eben mit«, erklärte sie kurz entschlossen. »Aber daß ihr mir keinen Blödsinn macht.«

»Wir machen nie Blödsinn«, versicherte Kaja.

»Nur manchmal«, schränkte Kevin ein.

Kyra wurde in den Sportwagen gesetzt, und dann zog Teresa mit den vier kleinen Laurins los. Sie wußte genau, daß sie sich in der Klinik freuen würden, wenn die Kinder kamen, aber sie hatte nicht bedacht, daß dort Hochbetrieb herrschen könnte. Und Leon hatte schon gar nicht damit gerechnet, daß Teresa höchstpersönlich erscheinen würde.

Dr. Laurin Classic 47 – Arztroman

Подняться наверх