Читать книгу Dr. Norden Bestseller 342 – Arztroman - Patricia Vandenberg - Страница 3

Оглавление

Dr. Daniel Norden betrachtete die hübsche junge Patientin, die mit gefalteten Händen vor ihm saß, mit forschenden Blicken.

Annelore Heilwig, einundzwanzig Jahre, Fremdsprachenkorrespondentin, unverheiratet. Sie war schwanger.

»Es stimmt also«, sagte sie leise, »ich werde ein Kind haben.«

»Sie freuen sich nicht?« fragte Dr. Norden vorsichtig.

Sie sah ihn an, ihr Blick war traurig und abwesend, ihr Gesicht ausdruckslos. »Ich habe keinen Grund mehr, mich zu freuen, aber wenigstens mein Kind wird mir bleiben.«

Ihr Verhalten und ihre Worte stimmten Dr. Norden sehr nachdenklich. »Wenn Sie Schwierigkeiten haben, Frau Heilwig, gleich welcher Art, sagen Sie es mir bitte. Ich kann zumindest versuchen, Ihnen zu helfen.«

»Danke, Herr Dr. Norden«, sagte Annelore leise.

Dr. Norden bemerkte mit Erleichterung, daß ihr Gesichtsausdruck nicht mehr so – so hoffnungslos war. »Vielleicht haben Sie schon einmal vom Christopherus-Heim gehört. Es ist ein neueingerichtetes Heim für unverheiratete Mütter, die Hilfe brauchen. Das Heim steht unter der Schirmherrschaft meiner Frau und«, Dr. Norden lächelte sein sympathisches Lächeln, »mir. Wir versuchen in den einzelnen Fällen vor allem menschlich zu helfen. Manchmal sind junge Frauen in dieser Situation sehr allein – trotz unserer doch so modernen und aufgeklärten Gesellschaft.«

»Es ist bewundernswert, Herr Doktor, was Sie alles für Ihre Patienten tun. Wer dankt Ihnen denn das?«

Daniel Norden lachte. »Etwas zu tun, um Dank zu erhoffen, ist so eine Sache. Wir versuchen nur zu helfen, wenn es uns möglich ist.«

Jetzt lächelte Annelore. Dr. Norden sah es mit Erleichterung.

»Ja, Herr Doktor, von diesem Christopherus-Heim habe ich schon gehört. Und ich würde gern, wenn es möglich wäre, dort wohnen. Es wäre eine große Hilfe für mich, denn ich muß meine Stellung sofort aufgegeben.«

»Sie wissen aber doch, daß Sie Kündigungsschutz genießen?« fragte er verwundert.

»Ja, das weiß ich, aber aus ganz persönlichen Gründen muß ich kündigen. Ich möchte jetzt aber nicht darüber sprechen.«

»Wir fragen nicht nach Gründen, wenn wir jemanden im Christopherus-Heim aufnehmen.«

»Ich habe genügend Ersparnisse, um über die nächsten Monate hinwegzukommen«, erklärte sie. »Später werde ich ja wohl eine Stellung finden.«

»Aushilfsweise könnte ich Ihnen auch jetzt eine in den Roth-Werken verschaffen«, bot Dr. Norden kurz entschlossen an. Er war überzeugt, daß Fred Roth dagegen keinen Widerspruch erheben würde.

Fred Roth war ein Unternehmer von Format, immer bereit zu helfen. Einst ein dankbarer Patient, mittlerweile ein Freund der Familie Norden.

Annelore Heilwig machte einen sehr sympathischen Eindruck, und Dr. Norden fühlte, daß sie viel verzweifelter war, als sie zugeben wollte.

»Ich wäre natürlich froh, wenn ich noch ein paar Monate arbeiten könnte, aber ich möchte nicht, daß mein früherer Chef erfährt, wo ich eine neue Beschäftigung gefunden habe.« Sie blickte auf. »Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen, Herr Dr. Norden. Es sind ganz persönliche Gründe, die mir Entscheidungen abverlangen, denen ich mich offengestanden noch nicht ganz gewachsen fühle.«

Sie war intelligent, ehrlich und hatte zweifellos Charakter. Ein Verhältnis mit dem verheirateten Chef? Dr. Norden traute es ihr nicht zu, aber Liebe ging manchmal ganz seltsame Wege. Ein Urteil stand ihm nicht zu. Annelore mußte geholfen werden, das stand im Vordergrund. Er war ahnungslos, in welch dramatisches Schicksal er da wieder einmal verstrickt wurde.

Dr. Norden sollte die Vorgeschichte aus Annelores Mund erfahren, als sie zwei Tage später ein Appartement im ChristopherusHeim bezog und die Zusicherung von dem Industriellen Fred Roth hatte, bis zu ihrer Niederkunft in seiner Firma arbeiten zu können.

Es war eine traurige Geschichte, die Dr. Daniel Norden und seine Frau Fee noch lange beschäftigen sollte.

Dabei hatte sie für Annelore so glücklich angefangen.

Glücklich, weil sie sich geliebt glaubte von Fabian Hartenstein, dem jungen Abteilungsleiter in der Sörensen AG, in der sie als Fremdsprachenkorrespondentin beschäftigt war.

*

Fabian Hartenstein genoß den Vorzug, einige Male von seinem Chef eingeladen zu werden, nicht ahnend, daß Annabel Sörensen, die einzige Tochter des Fabrikanten, dazu den Anlaß gab.

Henning Sörensen erfüllte seiner Tochter jeden Wunsch.

Annabel war ein überaus zartes Mädchen, das keinerlei Interesse für Geselligkeit oder gar für einen Mann zeigte, bis sie Fabian Hartenstein kennenlernte. Oft kränkelnd, lebte sie auf, wenn sie mit ihm zusammentraf. Sie hatte ihrem Vater gesagt, daß sie keinen größeren Wunsch hätte, als Fabians Frau zu werden.

Henning Sörensen trug die Last eines Wissens mit sich, das ihn in einen tiefen Zwiespalt stürzte. Eine Last, die er allein tragen mußte. Seine Frau Ellen, die er über alles liebte, durfte davon nichts erfahren. Henning Sörensen wußte, daß seine Tochter an einer unheilbaren Krankheit litt, daß ihr Leben nur von kurzer Dauer sein würde.

Ellen Sörensen liebte ihre einzige Tochter abgöttisch. Sie hatte sich so sehr mehrere Kinder gewünscht. Da ihr aber dieser Wunsch nicht erfüllt worden war, war Annabel ihr ein und alles. Henning Sörensen mußte fürchten, daß seine Frau den Schicksalsschlag, den ein früher Tod Annabels mit sich bringen würde, nicht verwinden könnte.

Und so hoffte er immer noch, daß Annabel gerettet werden könnte, er hoffte es erst recht, als er zufällig einen Artikel las, in dem geschildert wurde, daß eine junge Frau durch die Geburt eines Kindes von der Leukämie geheilt worden war.

Was Henning Sörensen nicht wußte, war, daß Fabian mit Annelore Heilwig verlobt war, denn sie hatten diese Verlobung geheimgehalten.

Es war ein trüber Oktobertag gewesen, als Henning Sörensen Fabian zu sich rief. Annabels zwanzigster Geburtstag stand vor der Tür, vielleicht ihr letzter, wie Sörensen von Professor Dittmar erfahren hatte. Aber daran wollte Sörensen nicht glauben. Er war bereit, alles zu opfern, um Annabel zu retten, und damit auch seine Frau, denn Ellen konnte es nicht verborgen bleiben, daß Annabel immer durchsichtiger wurde, müder und gleichgültiger, daß sie nur auflebte, wenn Fabian Hartenstein bei ihnen war.

Er machte jedoch keine Anstalten, sich mehr als nur höflich mit der Tochter seines Chefs zu unterhalten. Fabian schien nicht zur Kenntnis zu nehmen, daß ihm da eine riesige Chance zugespielt werden sollte.

Henning Sörensen sah sich in der Not seines Herzens gezwungen, offen mit Fabian zu sprechen.

Leicht fiel es ihm nicht, doch wer wollte ihm das verdenken? Er war bleich, übernächtigt, unsicher, als Fabian Hartenstein das Chefzimmer betrat.

Henning Sörensen hatte seine Sekretärin weggeschickt, damit jede Möglichkeit, daß dieses Gespräch oder auch nur Bruchstücke davon belauscht werden könnten, ausgeschaltet war.

»Es ist eine ganz persönliche Angelegenheit, wegen der ich Sie zu mir gebeten habe, Herr Hartenstein«, begann er stockend. »Es handelt sich um meine Tochter. Ich will offen mit Ihnen reden. Von Ihrer Entscheidung hängt alles ab.« Er sprach schnell, sah Fabian dabei nicht an. »Ich muß Sie jedoch um vollste Diskretion bitten. Niemand darf wissen, was ich Ihnen sage.«

Fabian war völlig konsterniert gewesen, immer noch ahnungslos und auch arglos.

»Selbstverständlich können Sie auf meine Diskretion rechnen, Herr Generaldirektor«, sagte er beklommen.

»Meine Tochter liebt Sie«, stieß Henning Sörensen hervor, »und ich möchte Sie bitten, Annabel zu heiraten.«

Fabian Hartenstein war fassungslos. »Sie bitten mich?« stotterte er. »Aber… «

Sörensen fiel ihm gleich ins Wort. »Hören Sie mich bitte erst an, bevor Sie weitersprechen. Annabel ist krank. Ich weiß, daß sie nicht mehr lange leben wird. Ich bin der einzige, der es weiß, die Ärzte ausgenommen.

Annabel darf es nicht erfahren, und auch meine Frau muß geschont werden. Ich habe Ihnen einiges zu bieten, Herr Hartenstein, wenn Sie meine Tochter heiraten werden. Ich mache Sie zu meinem Teilhaber, und der bleiben Sie auch, wenn Annabel nicht mehr lebt. Sie sind jung. Sie haben dann immer noch die Chance, die Frau zu heiraten, mit der Sie wirklich glücklich sein können. Ich werde Ihnen diesbezüglich nichts in den Weg legen. Ich möchte nur, daß Annabel noch eine kurze Spanne glücklich ist. Ich gebe Ihnen alles schriftlich. Wenn Sie sich später von mir und dem Unternehmen trennen wollen, werde ich Sie großzügig honorieren. Ich biete Ihnen zwei Millionen, mit denen Sie dann anfangen können, was Sie wollen.«

Fabian war benommen. Es kam ihm vor, als träume er. »Aber ich bin gebunden«, sagte er stockend.

»Sie sind verheiratet?« fragte Sörensen bestürzt.

»Nein, nicht verheiratet, aber…«

Wieder wurde er unterbrochen.

»Nun, ich glaube nicht, daß es eine Frau gibt, die für zwei Millionen nicht ein paar Wochen oder Monate warten würde«, fiel ihm Sörensen ins Wort. »Es ist doch nur eine Ehe auf Zeit, aber Ihre Zustimmung würde mich zu Dank verpflichten. Ich gebe Ihnen ein paar Tage Bedenkzeit. Sollten Sie sich allerdings gegen meinen Vorschlag entscheiden, müßten wir uns trennen.

Ich habe in diesem Fall noch mehr mit mir selbst auszumachen, Herr Hartenstein, aber ich brauche eine Rechtfertigung vor meiner Tochter, wenn Sie nicht mehr zu uns kommen. Ich muß ihr in diesem Fall sagen, daß Sie sich für eine andere Frau entschieden und deshalb auch eine andere Stellung angenommen haben. Ich weiß, daß es schwer ist, mich zu verstehen, aber ich weiß, daß ich mein einziges Kind verlieren werde.«

*

Fabian traf sich am Abend mit Annelore, wie jeden Tag. Sie saßen in ihrer kleinen Wohnung beisammen. Annelore spürte, daß er anders war als sonst. Er hatte keinen Appetit, obgleich sie ihm sein Leibgericht vorsetzte.

»Hast du Ärger gehabt, Fabian?« fragte sie und stellte zurück, worüber sie mit ihm sprechen wollte.

»Keinen Ärger. Der Chef hat mir ein seltsames Angebot gemacht.«

»Was für ein Angebot?«

»Ich soll seine Tochter heiraten. Ich soll über die Gründe nicht sprechen.«

»Es scheint ein interessantes Angebot zu sein«, sagte Annelore.

»Zwei Millionen, wenn ich einwillige. Für eine Scheinehe, Annelore.«

»Wieso für eine Scheinehe?«

»Sie ist nicht gesund. Ich dürfte dir das eigentlich nicht sagen, aber wir müssen doch darüber sprechen.

Es handelt sich um eine Ehe auf Zeit, Annelore. Meine Gefühle für dich werden davon nicht betroffen. Wir wollten doch ohnehin noch warten. Überlege mal, was für ein Leben ich dir bieten könnte.«

Es klang nüchtern, obgleich er es nicht so meinte.

Sie war wie versteinert, weil es ihr nicht in den Sinn gehen wollte, daß ihr Fabian so sprechen, geschweige denn denken könnte.

»Ich überlege«, nickte sie geistesabwesend. »Es ist deine Entscheidung.«

»Sörensen verlangt von mir nichts als Entgegenkommen. Ich habe ihm gesagt, daß ich gebunden bin.«

»Hast du mich erwähnt?«

»Nein, das würde alles doch nur schwieriger machen.«

»Allerdings – Annabel Sörensen ist ein nettes Mädchen. Es ist traurig, wenn ein so reiches Mädchen mit allem Geld nicht gesund werden kann, aber vielleicht durch Liebe, durch die Erfüllung ihrer Wünsche.«

»Ich kann sie doch nicht lieben. Ich liebe dich«, sagte Fabian.

»Du kannst sie nicht lieben, aber du würdest sie heiraten.«

»Andernfalls müßte ich mir eine andere Stellung suchen. Das wurde mir auch gesagt. Es ist nur ein Vertrag, Annelore, bitte, begreife es.«

»Ich begreife es.«

»Du bist einverstanden?«

»Ich bin einverstanden«, erwiderte Annelore, weil sie in diesem Augenblick glaubte, ihn nicht mehr lieben zu können. Obgleich sie wußte, daß sie schwanger war, sagte sie es.

»Du wirst für alles entschädigt werden, Annelore«, versprach Fabian. »Meine Liebe gehört dir, daran wird sich nichts ändern. Du darfst niemals daran zweifeln.«

Sie zweifelte schon in diesen Minuten daran. Er wollte sie entschädigen. Er sagte, daß er sie liebe, aber er wollte eine andere heiraten.

Sollte sie ihm da sagen, daß sie vielleicht ein Kind bekommen würde? Mit Bestimmtheit konnte sie das nicht sagen. Sie war noch bei keinem Arzt gewesen. Und wenn es dann nicht stimmte, würde Fabian vielleicht meinen, daß sie ihn erpressen wollte. Annelore zog es vor, zu schweigen.

*

So hatte sie es Dr. Norden erzählt, mit klangloser Stimme, als spräche sie von einem fremden Menschen.

»Ich war Ihnen diese Erklärung wohl schuldig für die Hilfe, die Sie mir gegeben haben«, lächelte sie schwach. »Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß ich im Christopherus-Heim wohnen darf, und daß Sie mir die Stellung in den Roth-Werken vermittelt haben.«

Ihre Ruhe, mochte sie auch erzwungen sein, war Daniel Norden unheimlich.

»Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen, Annelore?« fragte er. Er nannte die Bewohnerinnen des Christopherus-Heimes beim Vornamen, und zu denen gehörte Annelore nun bereits seit einer Woche.

»Bitte, fragen Sie nur, Herr Doktor.«

»Kam es zu einer weiteren Aussprache mit Herrn Hartenstein?«

»Nein. Am nächsten Tag meldete ich mich krank und kam zu Ihnen in die Sprechstunde. Sie bestätigten mir, daß ich ein Kind erwarte. Ich bat um Urlaub aus dringenden familiären Gründen und gleichzeitig um meine Entlassung. Sie wurde mir gewährt. Vielleicht ahnte mein Chef, Herr Sörensen, die Zusammenhänge. Mir wurden jedenfalls keine Schwierigkeiten gemacht. An Fabian schrieb ich ein paar Zeilen.«

»Aber nichts von dem Kind?«

»O nein, das ist meine Angelegenheit. Ich habe ihn geliebt. Ich dachte, er würde mich auch lieben. Es war plötzlich so viel zerstört. Sollte ich ihm alles glauben, was er mir gesagt hat? Ich habe lange darüber nachgedacht. Eine Scheinehe? Ich kann mir so etwas nicht vorstellen. Ihm wurde eine Chance geboten, die ihm einmalig erschien.«

»Vielleicht stimmt alles, was er Ihnen sagte.«

Annelore hob den Kopf. »Ich würde mich nicht kaufen lassen, und ich will für mein Warten auch nicht bezahlt werden. Ich habe den Schlußstrich gezogen. Das habe ich Fabian geschrieben.«

Sie wußte nicht, welchen Schlag sie Fabian damit versetzt hatte. Vor allem mit den Worten: Ich glaubte, Dich zu lieben. Es stimmt nicht. Jetzt weiß ich es. Ich glaube Dir kein Wort. Du wolltest Dich auf elegante Art aus der Affäre ziehen. Wahre Deine Chance als Schwiegersohn von Sörensen. Ich wünsche Dir Glück.

Glück? Das sollte Glück sein?

Nur Annabel war glücklich, als ihr Vater ihr sagte, daß Fabian um ihre Hand angehalten hätte. Sie glaubte, was sie glauben wollte. Sie war selig, weil die Hochzeit schon in drei Wochen stattfinden sollte. Sie dachte nicht darüber nach, warum der Termin schon für so bald festgesetzt wurde.

Aber Ellen Sörensen überlegte, und sie fragte ihren Mann beklommen, warum dies alles so schnell abgewickelt werden müsse.

Er war auf diese Frage vorbereitet. »Annabel liebt Hartenstein. Sie verzehrt sich so in Sehnsucht nach ihm, daß sie immer dünner und schmaler wird. Das wollte ich bremsen.«

»Du hast ihn also animiert«, sagte Ellen, eine zarte schöne Frau von knapp vierzig Jahren.

»Was sollte ich tun, Liebste? Von selbst hätte er den Mut nicht gefunden.«

»Aber liebt er sie denn?« fragte Ellen leise.

»Muß man Annabel nicht lieben?« fragte Henning Sörensen.

Ellen nickte. »Ja, man muß sie lieben. Wir lieben sie doch auch so sehr. Ich will sie glücklich sehen, Henning.«

»Ich auch, und dich will ich auch glücklich sehen. Du sollst dir keine Sorgen um unser Kind machen, Ellen. Du wirst sehen, es wird ihr schnell bessergehen, wenn sie mit Fabian verheiratet ist.«

Und alle Bedenken, die Ellen Sörensen insgeheim hegte, schwanden, als Annabel tatsächlich auflebte und nicht mehr diese beängstigenden Ermüdungserscheinungen zeigte, die Ellen so große Sorgen bereitet hatten.

Es wurde eine glanzvolle Hochzeit gefeiert. Annabel sah überirdisch lieblich aus. Man stellte fest, daß Fabian Hartenstein ein sehr gut aussehender junger Mann war. Man wußte bereits, daß Henning Sörensen ihn zu seinem Teilhaber gemacht hatte, und niemand kam auf den Gedanken, daß zwischen diesen beiden Männern ein Pakt geschlossen worden war, der schon ein erstes Opfer gefordert hatte. Annelore war allein mit ihrem ungeborenen Kind.

*

Fee Norden kannte Annelores Geschichte. Gesprochen wurde darüber nicht mehr, bis der Bericht über die Hochzeit in den Zeitungen erschien.

Am späten Abend, als die Kinder bereits schliefen, legte Fee ihrem Mann die Zeitung vor.

»Es stimmt also«, sagte sie, »Annabel Sörensen und Fabian Hartenstein haben geheiratet.«

»Dachtest du, daß Annelore sich das ausgedacht haben könnte?« fragte er.

»Nein, das nicht. Er scheint ein überaus ehrgeiziger junger Mann zu sein«, meinte Fee sarkastisch. »Es wurde keine Zeit vergeudet.«

»Woraus man schließen könnte, daß Annabel Sörensen tatsächlich krank ist.«

»Vielleicht war sie liebeskrank? Die einzige Tochter eines reichen Mannes bekommt meist jeden Wunsch erfüllt. Auf den Bildern sieht sie nicht krank aus.«

»Bilder können täuschen«, sagte Daniel. »Was mir auffällt, ist, daß sie eine gewisse Ähnlichkeit mit Annelore hat. Ich wüßte sehr gern, was sich Fabian Hartenstein bei dieser Geschichte wirklich dachte.«

»Es könnte natürlich sein, daß er sich tatsächlich in Annabel verliebt hat, und daß er sich für die Reichere entschied. Es soll schon öfter dagewesen sein. Aber vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn Annelore ihm gesagt hätte, daß sie ein Kind erwartet.«

»Dann wäre Sörensens Wohlwollen ins Gegenteil umgeschlagen. Wir brauchen uns den Kopf nicht mehr zu zerbrechen. Jetzt ist Hartenstein mit Annabel verheiratet. Mir liegt mehr am Herzen, wie Annelore reagiert, wenn sie das liest. Würdest du dich morgen mal um sie kümmern, Fee?«

»Sie arbeitet ganztags, und Fred ist sehr zufrieden mit ihr«, meinte Fee. »Aber er wird sich freuen, wenn ich der Fabrik mal wieder einen Besuch abstatte.«

»Tu das. Hoffentlich ist sie jetzt nicht unfähig, ihrer Arbeit nachzugehen. Eine Kurzschlußhandlung wird sie doch nicht begehen?«

»Dann hätte sie es schon getan. Nein, sie ist nicht der Typ. Sie geht ihren Weg auch allein.«

*

Dazu war Annelore entschlossen. Sie legte die Zeitung beiseite, kaum, daß sie von der Hochzeit gelesen hatte. Eine großartige Hochzeit! Gleich nach dem Festmahl hatte das junge Paar die Hochzeitsreise angetreten.

»Viel Spaß, Fabian«, sagte sie bitter. Dann entschloß sie sich, noch einen Spaziergang zu machen.

Eine andere junge Frau hatte die gleiche Absicht. Sie hieß Monika Brügge, war zwei Jahre älter als Annelore und hatte ein sechs Monate altes Töchterchen.

»Darf ich mich anschließen, Annelore?« fragte sie scheu.

Annelore war es nicht nach Gesellschaft zumute, aber sie brachte es nicht fertig, dies zu sagen. Monika war eine reizende junge Frau, hilfsbereit und überaus beliebt. Sie wurde Monky genannt, und ihre süße kleine Tochter Andrea wurde von den Bewohnerinnen des Heimes geliebt und verhätschelt. Monky war Verkäuferin in einer Boutique.

Förmlichkeit kannte man im Christopherus-Heim nicht. Man nannte sich beim Vornamen und duzte sich, um eine familiäre Atmosphäre zu schaffen. Man war ja eine Familie mit den gleichen Sorgen.

Nicht allen ging es finanziell so gut wie Annelore und Monika.

Monika hatte ein heiteres Naturell. Sie war bildhübsch, hatte große dunkelbraune Augen, die fast schwarz wirkten, und von Natur aus einen Lockenkopf, wie er jetzt in Mode gekommen war. Sie war Annelore gegenüber deshalb so scheu, weil sich »die Neue« noch an niemanden angeschlossen hatte.

»Eine muß ja mal den Anfang machen«, sagte Monika, als sie ein Stück gegangen waren. »Du sollst dich doch bei uns wohl fühlen, Annelore.«

»Ich fühle mich wohl.«

»Aber wenn du immer für dich bleibst, denken die anderen, daß du dich als etwas Besseres fühlst. Du siehst ja auch so aus.«

»Du liebe Güte, und wie siehst du aus? Wie ein verhinderter Filmstar.«

Monika lachte auf. »Was ich ja auch bin. Na, sagen wir mal Filmsternchen. Schau, ich glaubte, daß ich die Sterne vom Himmel holen könnte, daß Rainer mir den Himmel auf Erden bereiten würde. Aber alles, was blieb, waren

zerstörte Illusionen und das Kind.«

»Du liebst es doch, Andrea ist so süß«, sagte Annelore.

»Natürlich liebe ich mein Baby, und wie. Und ich komme schon über die Runden. Weißt du, wenn man den Schock mal überwunden hat, bekommt man wieder Boden unter den Füßen, und wenn das Kind dann erst mal da ist, wirft man den verbleibenden Gefühlsballast ab, weil das Baby ja so viel Liebe braucht. Das wird dir genauso gehen, Annelore. Du bist mir doch nicht böse, daß ich das sage? Ich wollte es dir halt aus Erfahrung sagen.«

»Nein, ich danke dir. Es ist schön, daß du das Kind liebst, Monky. Ich werde mein Kind auch lieben.«

Monky schob ihre kleine, zarte Hand unter Annelores Arm. »Und du bist nicht allein, Annelore. Wir halten zusammen. Kleider kannst du auch von mir bekommen, und wenn du mal ein besonders hübsches haben willst, bekommst du es in der Boutique zum Einkaufspreis. Meine Chefin ist nämlich gut bekannt mit Fee Norden. Ja, die Nordens, das ist eine Familie, ein Ehepaar wie im Film. Einfach hinreißend. Und die fünf Kinder sind eine Schau. Da stimmt alles, aber, man muß schon verdammtes Glück haben, wenn einem so etwas auch widerfährt. Manche Männer gehören in die Müllgrube.«

»Denkst du so vom Vater deines Kindes, Monky?«

»Ach was, er ist mir jetzt völlig gleichgültig. Er hat mich fasziniert und ausgeschmiert. Es war meine Schuld. Ein Kind zu haben ist so viel Glück, Annelore. Du kannst es dir sicher noch nicht vorstellen. Aber als man mir Andrea in die Arme legte, begann für mich ein neues Leben.

Ich habe sie nach meinem Jugendfreund genannt. Andreas war ein feiner Junge. Er hätte mich geheiratet, aber er mußte ja erst studieren, und ich hatte keine Geduld. Man macht seine Fehler und lernt daraus. Ich denke gern an ihn.«

Ein Stück Leben, ein Schicksal! Annelore begriff, daß Monika es gut meinte, daß sie ihr einen Weg weisen wollte. Aber sie kannte den Weg bereits, den sie gehen würde.

*

Henning Sörensen war Fabian dankbar, daß er so behutsam und fürsorglich mit der kleinen Annabel umgegangen war. Er hatte alles genau durchdacht. Nach dem Essen die Fahrt zum Haus nach Reichenhall. Das Klima dort bekam Annabel besonders gut.

Zu Ellen hatte er gesagt, daß es nur eine Zwischenstation sein sollte. Nach dem anstrengenden Tag sollten sie nicht zu weit fahren. Sonst sollte die Hochzeitsreise ins Blaue gehen.

»Wir machen ihnen keine Vorschriften mehr, Ellen«, hatte Henning gesagt. »Annabel ist jetzt verheiratet, und nun wird Fabian bestimmen. Aber er wird alles tun, was sie wünscht. Er hat es mir versprochen.«

»Welchen Preis hat er verlangt, daß er alle deine und Annabels Wünsche erfüllt?« fragte Ellen.

Bestürzt sah Henning seine Frau an. »Magst du ihn nicht?« fragte er.

»Doch, ich mag ihn. Seltsamerweise mag ich ihn, obgleich er Annabel nicht so liebt, wie ich es mir wünschte. Du hast ihn gekauft, Henning, weil Annabel ihn liebt, gib es zu.«

»Und wenn es so ist?«

»Auch dann bin ich dankbar. Ich will, daß sie glücklich ist. Vielleicht wird sie gesund, wenn sie glücklich ist. Sie ist doch nicht gesund, das wissen wir beide.«

»Sie wird gesund, Ellen«, sagte er, als er spürte, wie sie sich erregte. »Sie leidet an Entwicklungsstörungen. Wir haben sie verwöhnt, verpäppelt, sie konnte sich nicht entfalten.«

»Habe ich Schuld?« fragte Ellen leise.

»Nein, mein Liebes. Du gewiß nicht. Mach dir keine Gedanken. Unser Kind ist glücklich.«

Annabel war glücklich, aber sie war müde. Und in dieser Müdigkeit war sie so demütig, daß sich tiefes Mitleid in Fabian regte.

In dem wunderschönen Haus war alles für sie bereit.

Er brauchte Annabel jetzt nur zu sagen, daß er es hier so schön fände, daß sie eigentlich hierbleiben könnten. Er sagte es.

»Du bist so lieb, Fabian«, flüsterte Annabel. »Ich bin gern hier. Alles ist mir vertraut, und es wäre schön, wenn du dieses Haus auch so lieben würdest wie ich.«

»Ich liebe es jetzt schon«, erwiderte er.

*

Ein älteres, sehr rüstiges Ehepaar, versorgte das Anwesen der Sörensens. Annabel war in vertrauter Umgebung und brauchte nur Wünsche zu äußern, wie sie es auch daheim gewohnt war. Jetzt wollte sie nur schlafen.

»Es war doch ein bißchen anstrengend«, hatte sie gesagt.

Fabian betrachtete sie, als sie schlief. Wie ein Kind sah sie aus, wie ein krankes Kind. Und ein Kind war sie ja noch. Es verursachte ihm Schmerzen, daß Annabel ihn liebte und er sie täuschte.

Doch als er sie jetzt so lange und unbeobachtet betrachten konnte, kam ihm auch der Gedanke, daß diese Täuschung Glück in ihr kurzes Leben brachte. Ihm kam es in den Sinn, wie entsetzlich Henning Sörensen leiden mußte bei dem Gedanken, daß dieses Leben bald verlöschen würde.

Es konnte kein Zweifel bestehen, daß Annabel an einer Krankheit litt, die sie aufzehrte, die leise und schleichend von diesem zarten Mädchenkörper Besitz ergriffen hatte.

Wie sollte es nur weitergehen? Wie sollte er es durchhalten, ihr Leben zu teilen, ihr Leiden mit anzusehen? Erst jetzt wurde es ihm so richtig bewußt, daß sein Mitleid übergroß war und an seinen Nerven zerrte.

Annelore hatte es nicht verstanden, daß nicht die materiellen Vorteile ihn zu seiner Entscheidung bewegt hatten, sondern auch das Gefühl, den Wunsch einer Todgeweihten zu erfüllen. Oder hatte er das nicht deutlich genug gesagt?

Er hatte viel erwartet von Annelore, zuviel wohl. Aber warum versuchte er, sich vor sich selbst zu rechtfertigen? War es nicht doch eine große Verlockung gewesen, ein reicher Mann zu werden und Henning Sörensens Teilhaber? Früher hätte er ja nicht einmal davon zu träumen gewagt, eine solche Position auch nur annähernd zu erreichen. Aber der Ehrgeiz hatte schon immer in ihm gesteckt.

Nun trug Annabel seinen Namen. Mit welcher Hingabe hatte sie ihr »Ja« gesagt! Wie sehnsüchtig erwartete sie, daß er sie in die Arme nahm und küßte.

Ja, sie war liebenswert, doch die Schuldgefühle erdrückten ihn, und auch der Schmerz, sie da so liegen zu sehen wie eine welkende Blume.

*

Das Gespräch mit Monky hatte Annelore gutgetan. Sie betrachtete die junge Frau als ihre Freundin. Monky hatte keine Fragen gestellt nach dem Mann, der in Annelores Leben gewesen war. So lebhaft, teilnahmsvoll und herzlich sie war, zeigte sie keinerlei Neugierde, war nicht die Spur aufdringlich. Sie meisterte ihr Leben. Annelore war bereit, auch das ihre zu meistern.

Die Stellung in den Roth-Werken war ganz nach ihrem Geschmack. Ihr Chef, Dr. Koll, war ein freundlicher Mann mittleren Alters und ein zufriedener Familienvater.

Schnell fand sich Annelore in die Arbeit hinein. Sie hatte ein hübsches Büro, in dem sie kaum gestört wurde.

Als Fee Norden am nächsten Vormittag erschien, war sie überrascht. Annelore war aufgesprungen.

Fee lächelte liebenswürdig.

»Bitte, behalten Sie Platz«, sagte sie. »Ich wollte mich nur mal erkundigen, wie es Ihnen hier gefällt. Mein Mann möchte es natürlich auch wissen.«

»Es gefällt mir sehr gut, hier und auch im Christopherus-Heim«, erwiderte Annelore.

»Das freut uns. Wenn Sie irgendwelche Sorgen haben, kommen Sie zu uns. Wenn mein Mann auch wenig Zeit hat, ich bin immer für Sie zu sprechen. Haben Sie schon Anschluß gefunden?«

»Ja, mit Monika Brügge verstehe ich mich sehr gut.«

»Unsere Monky, ja, sie ist ein Sonnenschein«, lächelte Fee. »Und die kleine Andrea ist ein besonders herziges Kind.«

»Ich wünsche mir auch ein Mädchen«, nickte sie leise.

Sieben Monate lagen vor ihr. Lange Monate. Fee wußte sehr gut, welche Tiefpunkte es da im Leben einer jungen Frau geben konnte, nicht nur im Leben einer alleinstehenden werdenden Mutter. Sie kannte Frauen, die sehr glücklich verheiratet waren und während der Schwangerschaft doch schlimmste Depressionen durchgemacht hatten. Sie hoffte, daß Annelore davon verschont bleiben würde.

»Fred Roth ist ein alter Freund von uns. Er ist ein Patient meines Mannes, der ihm einmal sehr geholfen hat. – Und dafür sehr dankbar ist«, schloß sie.

»Auch er ist jederzeit für Sie zu sprechen, wenn Sie ein Anliegen haben, aber auch Herr Koll ist ein freundlicher Mensch.«

Fee reichte Annelore die Hand. »Wir werden uns öfter sehen. Und wie schon gesagt, wenn Sie ein Anliegen haben, können Sie gern auch zu mir kommen, Annelore.«

»Vielen Dank, Frau Dr. Norden. Mir ist schon so sehr geholfen worden«, fügte sie nach einem kurzen Zögern hinzu.

Die beiden Frauen verabschiedeten sich herzlich. Fee war froh, daß sie sich um Annelore nicht zu sorgen brauchten.

Sie blickte auf die Uhr. Eigentlich konnte sie mal in die Boutique schauen und mit Monky sprechen. Dann erfuhr sie vielleicht auch, was Monky über Annelore dachte.

Hübsche Sachen gab es in der Boutique. Schon die Schaufenster waren verführerisch dekoriert. Fee zog sich gern hübsch an. Mit ihrer Figur und ihrem Aussehen konnte sie es sich leisten, junge Mode zu tragen. Damit erfreute sie ihren Mann und begeisterte die Kinder. Ihre Söhne Danny und Felix waren stolz, wenn sie um ihre Mutter beneidet wurden. Den kleineren, Anneka, Désirée und Jan, genügte es, wenn ihre Mami lieb zu ihnen war.

Monky strahlte, als Fee die Boutique betrat. Sie sah an diesem

Tag in einem reizenden nostalgischen Kleid besonders entzückend aus.

»Wie geht’s, Monky?« fragte Fee.

»Prächtig. Der Laden läuft, die Kasse klingelt.«

»Ihr habt aber auch süße Sachen!« sagte Fee lobend.

»Wenn Sie schon an Weihnachten denken wollen, für Anneka hätten wir was ganz Hübsches«, sagte Monky. »Aber es ist ein bißchen teuer. Und für Sie hätten wir ein Kleid, das direkt für Sie gemacht ist.«

Monky war nicht nur reizend, sie war auch geschäftstüchtig, aber darüber freute sich Fee auch.

Die Jacke nach Norwegerart, die Monky für Anneka gedacht hatte, war so bildschön, daß Fee nach dem Preis gar nicht fragte. Sie war nicht verschwenderisch, aber wenn es um etwas besonders Hübsches für ihre Kinder ging, machte sie den Geldbeutel schon auf.

Für Danny, ihren ältesten Sohn, und für Felix, den zweiten, erstand sie strahlendblaue Pullover. Von dem Kleid, das Monky ihr dann zeigte, war sie ganz entzückt. Diesen Grünton liebte Daniel an ihr besonders. Der warme Blondton ihres Haares kam dadurch noch mehr zur Geltung.

»Gekauft«, entschied Fee, als sie es anprobiert hatte. »Sie verstehen Ihr Geschäft, Monky.«

»Und Sie sehen bezaubernd aus«, schmeichelte Monky. »Sie wissen, was Ihnen steht.«

»Eigentlich wollte ich nur guten Tag sagen und Sie bitten, sich ein bißchen um Annelore zu kümmern.«

»Das mache ich schon. Sie liegt ganz auf meiner Linie. Mit den anderen verstehe ich mich auch gut, aber Annelore ist so intelligent. Mit ihr kann man sich phantastisch unterhalten.«

»Das ist schön, Monky.«

»Für mich ist es auch wunderbar. Man mag die Zeit ja nicht einfach so vertrödeln. Aber was Annelore betrifft, glaube ich, daß sie den Mann immer noch liebt. Sie ist darüber noch nicht hinweg. Aber sie wird es schaffen.«

»Sie helfen ihr dabei«, sagte Fee.

»Ich werde mir Mühe geben.«

Monky begleitete Fee zur Tür, dann aber blieb sie plötzlich wie versteinert stehen und wurde blaß. »Könnten Sie bitte noch ein paar Minuten bleiben?« flüsterte sie flehend.

Fee verhielt den Schritt. Ein großer breitschultriger Mann kam von einem flotten Flitzer auf sie zu.

»Das ist Rainer«, raunte Monky. »Er kann’s nicht lassen.«

Und da war er schon, musterte Fee mit sichtlichem Wohlgefallen und sagte lässig: »Hallo, Mo, wollte mal sehen, wie es dir geht.«

Monika legte den Kopf in den Nacken. »Gut geht es mir, solange ich dich nicht sehe«, erwiderte sie eisig.

»Aber, aber, was soll die Kundschaft denken, wenn man so unhöflich ist!«

»Das ist keine Kundschaft, daß ist Frau Dr. Norden«, sagte Monika.

Rainer grinste breit. »Ach, die Wohltäterin. Nett, Sie kennenzulernen. Da kann ich doch gleich mal klarstellen, daß ich bereit bin, für den Unterhalt meiner beiden Weibsen aufzukommen.«

»Das ist meine Sache«, stieß Monika zornig hervor. »Verschwinde.«

Rainer grinste noch breiter. »Ist eine Kratzbürste und bleibt auch eine.«

Dann musterte er Fee von oben bis unten. »Genau das Richtige für meinen neuen Film. Wie wäre es, Gnädigste? Können wir uns darüber unterhalten?«

»Wir könnten uns unterhalten, aber nicht darüber«, erwiderte Fee schlagfertig. »Wir sollten

darüber reden, welchen Ton man anschlägt, wenn man mit einer Frau spricht, die Achtung verdient.«

»Sie meinen Mo? Habe ich schlecht über sie geredet? Das kann mir keiner nachsagen. Ich habe ihr doch alle Türen offengelassen.«

»Nur eine nicht«, stieß Monika hervor, »und deshalb bleibt meine Tür zu.«

»Mach doch keine Zicken, Mo. Du kannst auch eine tolle Rolle haben. Du brauchst nicht im Laden zu stehen.«

»In dem stehe ich aber gern.«

»Sie haben es gehört«, sagte Fee.

Er kniff die Augen zusammen. »Wollten Sie nicht gerade gehen?«

»Wir wollten gehen«, konterte Fee. »Es ist Mittagspause. Ich habe Monky zum Essen eingeladen.«

Er schnippte mit den Fingern. »Na dann! Guten Appetit kann ich da nur wünschen.« Dann ging er zu seinem Wagen und fuhr davon.

»Und so was hat mir mal imponiert«, seufzte Monika. »Danke, daß Sie mir geholfen haben.«

»Tut es weh, Monky?« fragte Fee sanft.

»Nur die Tatsache, daß ich so blöd sein konnte, aber wenn ich an Andrea denke, ist alles wieder okay. Ich werde aufpassen, daß meine Tochter nicht die gleichen Fehler macht wie ich. Meinen Sie, daß ich das schaffe?«

»Sie schaffen es, Monky. Sie werden bestimmt die beste Freundin Ihrer Tochter.«

»Es wirft mancherlei Probleme auf«, gab Monky zu bedenken. »Vielleicht wirft sie mir mal vor, daß sie keinen Vater hat.«

»Warum so weit denken? Vielleicht hat sie längst einen Vater, wenn sie mal richtig zu denken beginnt. Sie sind noch so jung, und es gibt sehr nette Männer.«

»Darüber mag ich jetzt noch nicht nachdenken, aber es kann ja sein, daß es so kommt. Sie haben ja immer recht, Frau Doktor.«

»Das wollen wir nicht sagen, aber ich wünsche es Ihnen und Ihrer Tochter, und ich wünsche es auch Annelore, daß sie für bittere Erfahrungen entschädigt wird. Es ist gut, wenn man einen richtigen Gefährten an der Seite hat.«

»Liebe gehört ja zum Leben«, sagte Monky nachdenklich.

»Ich weiß, daß Sie Liebe geben können, Monky, warum sollten Sie also auch keine empfangen?«

Ein Leuchten erhellte Monkys reizvolles Gesicht. »Eins weiß ich jetzt ganz gewiß, wenn ich diese bittere Erfahrung nicht gemacht hätte, würde ich Sie nicht kennengelernt haben, und das wäre sehr schade gewesen, Frau Doktor. Aber ich hätte auch unter die Räder kommen können, wenn ich nicht im Christopherus-Heim hätte wohnen können. Meine Kleine wäre jetzt nicht auf der Welt, wenn Dr. Norden nicht so lieb mit mir geredet hätte. Rainer wollte das Kind ja absolut nicht. Du lieber Gott, ich darf gar nicht daran denken. Und so wird es Annelore auch mal gehen. Ich möchte Ihnen so gern etwas schenken, aber Sie müssen es auch annehmen!«

Dr. Norden Bestseller 342 – Arztroman

Подняться наверх