Читать книгу Dr. Norden Extra 10 – Arztroman - Patricia Vandenberg - Страница 3
ОглавлениеDr. Jobst Börner hatte es Dr. Daniel Norden zu verdanken, daß er an der Behnisch-Klinik die praktischen Erfahrungen sammeln konnte, die er einmal in einer eigenen Praxis brauchen würde. Er war noch keine dreißig, sah aber noch viel jünger aus, so daß man es gar nicht glauben wollte, daß er bereits ein richtiger Doktor war. Manche Patienten waren sehr skeptisch, aber bei den Patientinnen war er um so beliebter. Er bildete sich nichts darauf ein, sondern war sehr bemüht, allen Schwierigkeiten aus dem Wege zu gehen. So hatte er auch schnell Jenny Behnischs Bedenken zerstreut. Sie konnte feststellen, daß er auch delikaten Situationen gewachsen war und sogar einer Irene Brück, die meinte, daß er nur für sie da sein müsse.
Sie litt an einem Magengeschwür, wollte sich aber nicht operieren lassen, weil sie meinte, sich mit einer Narbe nicht mehr im Bikini zeigen zu können. Sie war eine maßlos eitle Frau und von sich und ihrer Schönheit so überzeugt, daß sie meinte, daß ihr alle Männer zu Füßen liegen müßten, natürlich auch Dr. Börner. Er fand sie jedoch keineswegs schön und hatte auch sonst viel an ihr auszusetzen, weil ihr anzügliches Geschwätz ihn abstieß. Er hatte andere Ideale und war sich darin mit Dieter Behnisch einig, der Irene Brück gar zu gern loswerden wollte.
Obgleich sehr viel in der Klinik zu tun war, hielt es Dieter Behnisch für angebracht, daß Jobst ein freies Wochenende nutzte, um endlich einmal Ruhe zu haben vor dieser aufdringlichen Patientin. Er freute sich, daß er seine Eltern besuchen und mal wieder Skifahren konnte.
Irene hatte es bereits in Erfahrung gebracht. Sie hatte ihre Ohren überall, und sie zeigte sich derart empört, als sei Jobst nur für sie da und hätte ständig zu ihrer Verfügung zu stehen.
Er war fassungslos, als sie die Arme um seinen Hals warf und sich schluchzend an ihn klammerte, als er ihren Blutdruck messen wollte.
»Sie dürfen mich nicht allein lassen«, jammerte sie. »Mir geht es doch so schlecht. Nur Sie können mich spritzen, ohne daß ich Schmerzen habe.«
»Ich bin überzeugt, daß Dr. Behnisch das genausogut kann«, sagte er ruhig. »Sie bringen mich in Verlegenheit mit Ihrem Benehmen, das muß ich doch einmal sagen. Sie sind eine Patientin wie jede andere. Ich bin nicht nur für Sie da.«
»Jetzt sind Sie auch noch böse mit mir«, schmollte sie. »Was kann ich denn noch tun, um Sie davon zu überzeugen, daß Sie mir soviel bedeuten.«
»Ich kann es nur bedauern, wenn Sie von mir erwarten, daß ich etwas für Sie empfinde!« stieß er hervor. »Ich bin Arzt, nichts weiter.«
»Sie sind doch auch ein Mann«, sagte sie mit einem herausfordernden Lächeln. »Und ich kann Ihnen einiges bieten.«
»Ich kann mir das nicht anhören. Es tut mir leid, aber Sie zwingen mich dazu, dem Chef zu sagen, daß ich Sie unter diesen Voraussetzungen nicht mehr betreuen kann.«
»Dann verschwinden Sie doch!« schrie sie ihn unbeherrscht an.
Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Jenny Behnisch stand draußen.
»Sie ist wohl sehr anstrengend«, meinte sie anzüglich.
»Sehr aufdringlich, aber ich denke, jetzt wird sie sich über mich beschweren. Es gefällt ihr nicht, daß ich mein freies Wochenende habe.«
»Sie werden uns auch fehlen, da wir zwei Neuzugänge haben, aber andererseits wird es ganz gut sein, wenn Sie Frau Brück entkommen können.«
»Ich weiß nicht, was sie eigentlich erwartet«, seufzte er.
»Oh, ich weiß das schon«, meinte Jenny lächelnd. »Ich wünsche Ihnen viel Spaß. Wenn Sie zurück sind, kümmern Sie sich vor allem um Frau Rohden. Sie wird am Dienstag operiert.«
Jobst war leicht zusammengezuckt. »Ist sie mit dem Architekten Rohden verheiratet?« fragte er.
»Ja, sie ist seine Frau.«
»Was fehlt ihr?«
»Sie hat ein Nierenleiden«, erwiderte Jenny ausweichend.
Seine Augenbrauen hoben sich leicht. »Wie alt ist sie?«
Jenny war überrascht, daß er sich für Donata Rohdens Alter interessierte, aber manchmal stellte man geistesabwesend solche Fragen.
»Anfang Dreißig, schätze ich«, erwiderte Jenny.
Dann kann sie es nicht sein, dachte Jobst, aber man konnte ihm diese Gedanken nicht vom Gesicht ablesen. Er hatte gelernt, sein Mienenspiel zu beherrschen.
Zehn Minuten später saß er am Steuer seines Wagens und fuhr in Richtung Österreich. Seine Eltern hatten sich in der Nähe von Kitzbühel niedergelassen, was für ihn natürlich sehr praktisch war, denn so brauchte er für seine Ausflüge nicht viel Geld. Er hatte ein gutes Verhältnis zu seinen Eltern, wenngleich er früh gelernt hatte, auf eigenen Füßen zu stehen.
Sein Vater war Ökologe, ein äußerst toleranter, vielseitig interessierter Mann. Er hatte Jobst frühzeitig das Gefühl gegeben, sich im Leben behaupten zu müssen, doch immer die Tür bei seinen Eltern offen zu finden.
Jobst hatte ein glückliches Naturell. Er schuf sich keine Probleme, aber er ging Schwierigkeiten auch nicht aus dem Weg, sondern stellte sich ihnen. Obwohl seine Eltern wenig Zeit für ihn hatten, fühlte er sich nie vernachlässigt. Er war gern mit ihnen zusammen, aber er kam auch gut allein zurecht.
Auf dieser Fahrt bei strahlend schönem Winterwetter bewegten ihn aber andere Gedanken. Er dachte zurück an den Sommer, an eine herrliche Zeit am Meer, an Janine, an den Zauber einer Liebe, die aber nur diesen Sommer währte, dann war Janine wieder aus seinem Leben verschwunden. Er wollte nicht mehr daran denken. Er weigerte sich, diesen Schmerz zu akzeptieren, der zurückgeblieben war, aber nun hatte der Name Rohden die alte Wunde wieder aufgerissen.
Jacob und Dorothee Börner hielten schon Ausschau nach ihrem Sohn, und er wurde liebevoll empfangen. Übertriebenes Getue liebten die Börners nicht, aber ihre Gefühle kamen aus dem Herzen.
»Ihr seht ja blendend aus«, stellte Jobst erfreut fest.
»Und du scheinst Urlaub nötig zu haben«, meinte seine Mutter, die von ihrem Mann Dorle genannt wurde.
»Das Wochenende genügt schon vorerst«, erwiderte er. Es war schön, sich wieder mal an den bereits gedeckten Tisch setzen und das köstliche Essen von seiner geliebten Mutsch essen zu können. Sie hatte natürlich sein Lieblingsgericht, Rahmschnitzel mit Spätzle und Gemüsebeilagen, zubereitet. Vorher gab es Salatteller mit gerösteten Austernpilzen.
»Lecker, lecker«, sagte er und aß mit großem Appetit.
»Wie ist das Klinikessen?« erkundigte sich sein Vater.
»Recht gut, aber es ist eben nicht Muttis Küche. Zu meckern gibt es nichts, aber es gibt doch immer wieder Patienten, denen man es nicht recht machen kann. Auch daran habe ich mich schon gewöhnt. Sollen sie reden, sie gehen ja wieder. Jenny und Dieter Behnisch nehmen es gelassen.«
»Du verstehst dich mit ihnen?«
»Sehr gut. Sie kehren nicht den Boß heraus.«
»Und Daniel Norden triffst du auch?«
»Er kommt schon manchmal in die Klinik, wenn Patienten von ihm operiert werden. Ich hatte nur noch keine Zeit, seine Einladung anzunehmen. Das wird aber noch nachgeholt, denn seine Kinder möchte ich auch kennenlernen.«
»Seine Ehe scheint ja sehr glücklich zu sein«, meinte Dorle.
»Sie ist perfekt, eine Bilderbuchehe. Fee Norden ist allerdings auch eine bezaubernde Frau. So was trifft man selten.«
»Laß dir nur Zeit, eines Tages findest du sicher auch deine Traumfrau«, meinte Dorle.
»Und wann wirst du eine Praxis eröffnen, Jobst?« fragte sein Vater.
»Wenn ich den richtigen Ort gefunden habe.«
»Du weißt ganz genau, daß wir dich jederzeit gern finanziell unterstützen würden, mein Junge.«
»Das ist nicht nötig. Ich habe das Erbe von den Großeltern, damit muß ich auskommen. Ich lebe ja sparsam.«
»Nicht so wie dein Schulfreund Peter Markus. Der hat sich ja reichlich übernommen. Hast du noch nichts davon gehört?«
»Nein, ich habe keine Zeit, Klatschspalten zu lesen.«
»Es waren doch kürzlich Schlagzeilen«, meinte Dorle. »Er ist mit Kundengeldern durchgebrannt, mit mehreren Millionen, aber als sie ihn verhaftet haben, war nichts mehr da.«
Jobst schüttelte ungläubig den Kopf. »Er war ein netter Junge«, sagte er gedankenvoll. »Wir hatten später keinen Kontakt mehr. Jetzt fällt mir ein, daß in der Klinik darüber geredet wurde, aber ich habe Peter damit nicht in Zusammenhang gebracht. Es ist doch seltsam, wie sich manche Menschen entwickeln.«
»Du kanntest doch seine Frau auch recht gut«, meinte Dorle beiläufig.
»Seine Frau? Ich wußte gar nicht, daß er verheiratet ist.«
»War, um es genau zu sagen, mit Vivi Conrad. Man sagt, daß sie an seinem Dilemma schuld ist.«
»Vivi? Liebe Güte, sie war doch so unbedarft. Es scheint, als sei manches an mir vorbeigegangen.«
»Wir haben es auch erst jetzt erfahren«, sagte Dorle. »Franziska hat uns besucht. Sie hat sich eingehend nach dir erkundigt. Sie war ja sehr mit Vivi und Peter befreundet.«
»Und sie besucht euch«, sagte Jobst spöttisch. »Hoffentlich kreuzt sie jetzt nicht auch auf. Ihr werdet Ihr doch nicht gesagt haben, daß ich komme.«
»Natürlich nicht, wir wollen dich für uns haben«, erklärte Dorle.
»Sie scheint ein ziemlich lustiges Leben zu führen«, brummte Jacob Börner. »So sieht sie jedenfalls aus.«
»Sie befindet sich doch anscheinend in der richtigen Gesellschaft«, meinte Jobst anzüglich. »Aber das soll kein Thema für uns sein. Ich bin froh, daß die Kontakte zwischen uns abgerissen sind. Bin nicht interessiert, sie wieder aufzunehmen.«
»Du fühlst dich wohl in der Behnisch-Klinik?«
»Ja, sehr wohl, ihr braucht nicht daran zu zweifeln. Ich kann mir Zeit lassen, nach einer Praxis Ausschau zu halten.«
»Aber da gibt es doch sicher auch Patientinnen«, meinte Dorle vorsichtig.
Jobst lachte jungenhaft. »Du scheinst zu ahnen, daß man Probleme bekommen kann, Mutsch. Bisher hatte ich solche nur mit einer. Die ist jetzt tief beleidigt, daß ich ihr mein freies Wochenende nicht widme«, meinte er amüsiert. »Ich weiß nicht, was sich manche Frauen einbilden.«
»Du bist halt ein hübscher Bursche«, meinte sein Vater neckend. »Aber gerade als Arzt muß man besondere Vorsicht walten lassen.«
»Das weiß ich, Paps, und ich bin ständig auf der Hut.«
Sie machten dann noch einen Abendspaziergang, aber Jobst wollte früh ins Bett, damit er die beiden Tage ausgeschlafen ausnutzen konnte.
*
Dr. Daniel Norden war am Freitagnachmittag noch zur Behnisch-Klinik gefahren, um sich mit Dieter und Jenny Behnisch, mit denen er schon lange befreundet war, wegen Donata Rohden zu besprechen.
Er erkundigte sich vorher nach Irene Brück, die er auch in die Klinik eingewiesen hatte. Jenny sagte ihm, daß sie Theater mache, weil sie wohl um eine Operation nicht herumkommen würde.
»Und außerdem ist sie sauer, weil Jobst ein freies Wochenende hat«, erklärte sie ironisch. »Der arme Junge muß sich kräftig seiner Haut wehren.«
»Was ihm doch wohl nicht schwerfallen wird angesichts der bereits welkenden Schönheit«, spottete Daniel. »Sie kann es nicht lassen. Sie muß einen Tick haben, daß sie sich auf Ärzte konzentriert, dabei hat sie doch sicher noch andere Chancen. Siebert ist jedenfalls sehr an ihr interessiert.«
»Siebert ist Metzger«, brummte Dieter.
»Er ist Fleischfabrikant und schwerreich«, wurde er von Daniel korrigiert. »Man müßte es ihr schmackhaft machen.«
»Tu das, sie wird hocherfreut sein, wenn du sie besuchst«, grinste Dieter.
»Sprechen wir lieber über Frau Rohden«, lenkte Daniel ab. »Mich stimmt ihre Blutsenkung sehr besorgt. Hoffentlich steckt nicht ein Tumor dahinter, wenngleich ich dafür noch keine Anhaltspunkte gefunden habe.«
»Manchmal bleibt einem nichts weiter übrig, als unter die Haut zu schauen«, sagte Dieter. »Sind beide Nieren befallen?«
»Ich bin kein Urologe, ich wage keine endgültige Diagnose, aber ich konnte sie nicht bewegen, noch einen Facharzt aufzusuchen. Es hat aller Überredungskünste bedurft, sie für eure Klinik zu erwärmen. Sie muß schon bittere Erfahrungen mit Ärzten gemacht haben, obwohl sie sich nicht darüber äußert. Sie ist äußerst zurückhaltend, sehr schweigsam, voller Hemmungen, was ich nicht verstehen kann, da ich den Eindruck habe, daß ihre Ehe sehr glücklich ist.«
»Der Schein trügt manchmal«, sagte Jenny.
»Aber Rohden ist sehr besorgt um seine Frau.«
»Er ist ein prominenter Architekt, aber sie treten sehr selten gemeinsam in der Öffentlichkeit auf«, sagte Jenny.
»Woher willst du das denn wissen?« fragte Dieter. »Du bist doch nicht für Klatsch.«
»Das ist kein Klatsch. Erst kürzlich habe ich ein Interview mit ihm im Fernsehen gesehen. Ein eigenartiger Mann. Er hat auch betont, daß sein Privatleben tabu sei für die Öffentlichkeit und seine Frau Publicity nicht schätze.«
»Kinder haben sie wohl nicht«, meinte Dieter.
»Nicht, daß ich wüßte«, sagte Daniel. »Wie ich schon sagte, sie ist sehr schweigsam.«
Sie unterhielten sich noch einige Zeit, und Daniel bat darum, hinreichend informiert zu werden, was diese Patientin betraf.
»Ist doch selbstverständlich«, sagte Dieter. »Alles wohlauf in der Familie?«
»Wir können nicht klagen«, erwiderte Daniel. »Wir sollten uns mal wieder treffen.«
»Wenn wir nur mehr Zeit hätten«, seufzte Jenny.
*
Jobst schlief tief und traumlos in dieser Nacht. Diese himmlische Ruhe, die herrliche kalte Luft, die durch das gekippte Fenster in sein Zimmer strömte, trugen zu einer völligen Entspannung bei. Als es langsam hell wurde, war er putzmunter und beschloß gleich, auf seine Langlaufski zu steigen und noch vor dem Frühstück einen Morgenlauf zu unternehmen. Lange schon war er nicht mehr dazu gekommen. Seine sportliche Betätigung beschränkte sich in letzter Zeit auf ab und zu mal eine Stunde Tennis oder auch Schwimmen. Immer war die Arbeit ihm doch wichtiger gewesen.
Im Hause war es still, und er bemühte sich auch, keine Geräusche zu verursachen. Es wurde erst langsam hell, als er auf seinen Ski durch den frischen Schnee glitt, der unberührt den Boden deckte. Pulvrig stäubte er auf, als er mit langen, federnden Gleitschritten einen Weg bahnte. Die Stille war traumhaft, kein Mensch, kein Tier weit und breit. Alles schien zu schlafen. Tiefe Atemzüge hoben seine Brust. Er genoß es, die reine Luft einzuatmen. Aber dann trieb ihn der Hunger heim. Als er das Haus betrat, stieg ihm schon aromatischer Kaffeeduft in die Nase. Der Frühstückstisch war gedeckt, seine Mutter kam ihm lächelnd entgegen.
»Hab’ es mir schon gedacht, daß du den Morgen genießt«, sagte sie weich. »Aber du hättest doch auch mal ausschlafen können, Jobst.«
»Ich habe so gut geschlafen, daß ich gleich munter war, Mutsch. Und jetzt habe ich den richtigen Hunger. Da schmeckt das Frühstück doppelt gut.«
Er schaute sich um. »Es gibt ja sogar frische Brötchen«, staunte er. »War Paps denn schon unterwegs?«
»I wo«, lachte Dorle, »die Brötchen bringt der Heimbuchner-Sepp jeden Morgen. Jacko schläft jetzt gern ein bißchen länger. Es tut ihm gut. Er ist längst nicht mehr so nervös wie früher.«
»Er sieht auch gesunder aus«, stellte Jobst fest. »Es war ein guter Entschluß von euch, hierher zu übersiedeln, weg vom Streß.«
Dorle nickte. »Hier kann er sich seine Zeit einteilen.« Sie konnten sich noch eine halbe Stunde allein unterhalten, erst dann kam Jakob und setzte sich zu ihnen.
»Es wird ja nicht so sein, daß Ihr euch gelangweilt habt ohne mich«, meinte er verschmitzt. »Ich liebe es jetzt halt gemächlich.«
»Und das ist gut so, Paps. Ich habe grad festgestellt, daß du gesunder aussiehst. Es ist ja auch ein himmlisches Fleckchen. Ich habe schon eine Loipe gezogen.«
»Ist ja auch besser, als die Raserei auf der Piste«, meinte Jacob.
»Ich gehöre nicht zu den Rasern, aber es ist auch schön, mal einen langen Hang hinunter zu wedeln.«
Jacob warf seinem Sohn einen schrägen Blick zu. »Aber am Meer hat es dir doch anscheinend auch ganz gut gefallen. Du hast gar nicht viel davon erzählt.«
»Der Bub war ja seither noch gar nicht bei uns«, warf Dorle ein. »Ich bin froh, daß er sich wenigstens ein paar Wochen Urlaub gegönnt hatte, bevor er sich in die Arbeit stürzte.«
»Es war ein schöner Sommer, auch im Norden«, sagte Jobst. »Das Meer hat auch seine Reize.«
»Die Luft ist ja auch sehr gesund«, meinte Jacob, »und es gibt hübsche Mädchen.«
»Du mußt es ja wissen«, wurde er von seiner Frau geneckt.
»Schließlich hab’ ich dich ja auf Amrum kennengelernt, oder hast du das vergessen, mein Schatz?«
»Wie könnte ich das. Und wie ist Amrum jetzt, Jobst?«
»Schön«, erwiderte er gedankenverloren. Er meinte ein lachendes Mädchengesicht vor sich zu sehen.
Dorle und Jacob tauschten einen bedeutsamen Blick. Sie konnten im Gesicht ihres Sohnes lesen und machten sich nun Gedanken, wohin sein Blick sich verirrt hatte. Aber sie dachten nicht daran, ihm neugierige Fragen zu stellen.
Sie hatten nur den einen Wunsch, daß Jobst die richtige Frau finden würde, eine, die ihn verstand und mit der auch sie sich verstehen würden. Sie wollten nur, daß er glücklich wurde.
*
Donata Rohden wurde von ihrem Mann in die Behnisch-Klinik gebracht. Sie wirkte sehr erschöpft, er bemühte sich umsonst, ruhig zu wirken. Ihr Zimmer war bereit. Dr. Jenny Behnisch kümmerte sich um sie, aber Donata reagierte kaum, versuchte nur ein Lächeln, das aber gleich wieder verschwand.
»Du brauchst nicht zu bleiben, Vico«, hauchte sie nur. »Ich bin müde.«
Er sah Jenny an, und in seinen Augen lag ein verzweifelter Ausdruck.
Jenny bedeutete ihm, draußen zu warten. Er küßte Donata auf die Stirn und dann ihre Hände. »Ich hoffe sehr, daß es dir bald bessergehen wird, Darling«, sagte er leise.
»Mach dir nicht so viel Sorgen«, erwiderte sie stockend.
Jenny folgte ihm nach fünf Minuten, während Schwester Hanna der Patientin beim Entkleiden half.
»Ich verstehe nicht, daß Donata so schwach ist«, sagte Vico Rohden erregt. »Ihr Zustand hat sich in den letzten Tagen auffallend verschlechtert.«
»Deshalb hielt es der Kollege Norden auch für angebracht, sie in klinischer Behandlung zu wissen. Es ist nicht so einfach, eine genaue Diagnose zu stellen. Können Sie mir sagen, ob Ihre Frau schon einmal eine Hepatitis hatte?«
Vico Rohden sah sie irritiert an. »Sie meinen, weil ihre Haut so gelblich wirkt? Meine Frau ist gebürtige Brasilianerin. Sie hat normalerweise einen bräunlichen Teint. Jetzt ist sie blaß. Sie sehen doch auch, daß sie krank ist.« Er sprach schnell und leise, und seine Stimme war heiser.
»Ja, man kann es sehen, daß sie krank ist, aber für uns wäre es auch wichtig, etwas über frühere Krankheiten zu erfahren.«
»Wir sind seit drei Jahren verheiratet, und meine Frau war nie krank in dieser Zeit, bis vor sechs Wochen. Sie hat ihre Angehörigen in Rio besucht und kam fiebrig zurück.«
»Dr. Norden hat uns von der Anamnese informiert. Es handelte sich um eine Pyelitis.«
»Um eine Nierenbeckenentzündung, ich kenne mich mit den Fachausdrücken nicht aus«, sagte er.
»Was können sie mir über frühere Erkrankungen sagen?« Jenny sah ihn erwartungsvoll an. Doch er zuckte die Schultern.
»Nichts, wir haben über Krankheiten nie gesprochen. Meine Frau hat sehr solide gelebt, ist sehr ernährungsbewußt und keineswegs wehleidig. Sie lebt auch gern hier, nicht daß Sie denken, daß sie von Heimweh geplagt wird.«
»Kinder haben sie nicht?«
»Nein, vielleicht bereitet ihr das insgeheim Kummer. Sie hatte eine Fehlgeburt vor zwei Jahren. Ich denke, daß man auch ohne Kinder eine glückliche Ehe führen kann.«
Vielleicht denkt sie anders, ging es Jenny durch den Sinn, denn Vico Rohden war beruflich sehr engagiert und sicher auch häufig abwesend. Manche Krankheit war psychisch bedingt. Daniel Norden hatte so etwas auch angedeutet.
»Wir werden Ihre Frau gründlichst durchchecken und sicher auch zu einer genauen Diagnose kommen. Wenn sie operiert werden muß, brauchen wir jedoch ihre Einwilligung.«
»Meine?« fragte er rauh.
»Die Ihrer Frau.«
»Ich denke, sie wird einverstanden sein.«
Stimmt etwas nicht in dieser Ehe, ging es Jenny durch den Sinn. Sie wurde nicht ganz klug aus diesem Mann, der seine Frau aber anscheinend doch liebte.
»Tun Sie alles für Donata«, sagte er leise. »Sie ist doch noch so jung.«
Donata Rohden war zweiunddreißig Jahre, das erfuhr Jenny aus den Personalien. Und wenn sie seit drei Jahren mit Vico Rohden verheiratet war, war sie kein Teenager mehr gewesen, sondern bereits neunundzwanzig und wohl schon eine reife Frau. Um sich ein richtiges Bild von einer Patientin machen zu können, brauchte man auch etwas von ihrer Vergangenheit, von früheren Krankheiten, von möglichen Erbanlagen. Viel schien Vico Rohden davon nicht zu wissen, oder er wollte es nicht sagen.
Jenny betrachtete Donata als sie schlief und stellte fest, daß sie ein edles Gesicht hatte, ein klassisches Profil, und ihre Hände waren feingliedrig. Von Vico Rohden wußte Jenny auch nicht viel. Von einer früheren Ehe war nichts bekannt, auch nicht von Affären.
*
Vico Rohden wurde bereits erwartet, als er sein Haus betrat, ein wunderschönes, geschmackvoll eingerichtetes Haus, die beste Visitenkarte für einen sehr gefragten Architekten.
»Da bist du ja, Janine«, begrüßte er die schlanke, junge Frau. »Lieb von dir, daß du gekommen bist.«
Janine, fünfundzwanzig Jahre jung und seine Stiefschwester, sah ihn forschend an.
»Was ist mit Donata?« fragte sie.
»Ich habe sie eben in die Behnisch-Klinik gebracht. Dr. Norden hielt es für besser. Donata ist sehr schwach.«
»Könnte sie nicht einen Virus mitgebracht haben? Es schwirren so viele herum, die man nicht in den Griff bekommt. Du weißt doch, was mit Jens passiert ist.«
Er sah sie entsetzt an. »Donata darf nicht sterben!« stieß er hervor.
»Sorry, Vico, so hätte ich das nicht sagen sollen. Ich wollte dich nicht erschrecken. Donata ist bei guten Ärzten, für Jens war es zu spät. Er wollte ja nicht wahrhaben, daß er wirklich krank war. Wer hätte auch gedacht, daß ein so kräftiger junger Mann so schnell sterben könnte.« Ihr Blick schweifte in die Ferne.
»Ihr wolltet heiraten«, sagte Vico tonlos.
»Dazu wäre es nicht gekommen, auch nicht, wenn er gesund geblieben wäre.«
»Warum nicht? Ihr habt euch doch immer gut verstanden.«
»Zu einer Ehe gehört mehr, das hatte ich erkannt. Liebe ist eben nicht nur ein Wort.«
»Wem sagst du das. Du weißt, wie sehr ich Donata liebe. Es hat lange gedauert, bis ich die Frau fand, mit der ich mir ein gemeinsames Leben vorstellen konnte. Donata ist diese Frau, und ich kann mir ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen. Du kennst sie zu wenig, um mich verstehen zu können.«
»Aber ich kenne dich, Vico. Du bist mein großer Bruder, zu dem ich immer aufgeblickt habe. Du bedeutest mir sehr viel, das möchte ich dir einmal sagen. Ich weiß, daß du nicht begeistert warst, als ich auf die Welt kam, wohl auch nicht, als Papa meine Mutter geheiratet hat.«
»Ich habe sie sehr verehrt, Janine. Du bist ihr sehr ähnlich geworden.«
Er betrachtete sie gedankenvoll. Er stellte fest, daß sie besonders in den letzten Monaten zu einer Frau gereift war, zu einer schönen Frau. Lange hatte er nur das Kind, das immer fröhliche Mädchen in ihr gesehen. Sie war intelligent und creativ, aber sie hatte kein festes Berufsziel im Auge gehabt. Zu einem Studium hatte sie sich nicht entschließen können. Er hatte es ihr nicht übelgenommen. Sie würde doch bald mal heiraten, hatte er gemeint, als er Jens kennenlernte. Mit dem war Janine seit ihrem neunzehnten Lebensjahr befreundet gewesen. Ein anderer Mann war nie aufgekreuzt, auch nach dem plötzlichen Tod von Jens nicht, der den tödlichen Virus in Asien aufgefangen hatte, wo er ein paar Wochen beruflich zu tun hatte.
Schicksal? Konnte man es so nennen? Warum mußte Donata erkranken, als sie zur Beerdigung ihrer Großmutter nach Brasilien gereist war? Die alte Dame hatte ihr ein großes Vermögen vermacht, aber sonst lebte ja auch niemand mehr von der Familie. Alle waren ziemlich früh gestorben, nur die Nona war achtzig Jahre alt geworden. Woran Donatas Eltern und Geschwister gestorben waren, wußte Vico nicht. Donata hatte nicht darüber gesprochen, und er hatte nicht danach gefragt. Er hatte sie in New York kennengelernt. Sie war Moderatorin beim Fernsehen gewesen und hatte ihn in dieser Eigenschaft interviewt. Er war sofort fasziniert von ihr gewesen. Das war die Frau, von der er insgeheim geträumt hatte, aber nicht glauben wollte, daß es sie überhaupt geben konnte. Es war für ihn das größte Glück, daß sie seine Gefühle erwiderte, daß sie nur noch für ihn da sein wollte und tatsächlich auch keinerlei Neigung mehr zeigte, gesellschaftlich eine Rolle spielen zu wollen. Es war, als hätte sie endlich gefunden, wonach auch sie sich gesehnt hatte.
Ein langes Schweigen hatte zwischen Vico und Janine geherrscht. Jeder hing seinen Gedanken nach, dann kam Vico ein Gedanke.
»Meinst du, daß es für Donata eine seelische Belastung ist, daß sie die Fehlgeburt hatte?« fragte er Janine.
Sie sah ihn erstaunt an. »Habt Ihr nicht darüber gesprochen?«
»Nein, ich wollte warten, bis sie selbst davon anfängt.«
»Vielleicht erwartet sie aber, daß du das tust, Vico. Sie ist doch noch nicht zu alt, um wieder schwanger zu werden.«
»Für mich wäre das nicht so wichtig. Ich brauche nicht unbedingt Kinder um mich.«
Janine schüttelte leicht den Kopf. »Hast du ihr das gesagt?«
»Sicher habe ich bemerkt, daß es nicht wichtig für mich ist. Es sollte sie trösten.«
»Aber du könntest das Gegenteil erreicht haben.«
»Wieso?«
»Donata könnte denken, daß du gar keine Kinder haben willst und sie leidet deshalb.«
»Ihr Zustand ist doch nicht psychisch bedingt.«
»Aber die Psyche spielt bei jeder Krankheit eine große Rolle. Ich befasse mich seit einiger Zeit sehr intensiv mit Psychotherapie.«
»Ernsthaft?« fragte er überrascht.
»Ja, ganz ernsthaft. Du wirst es nicht glauben und vielleicht darüber spotten, aber ich habe vor einiger Zeit entdeckt, daß ich magnetische Kräfte habe.«
Vico starrte sie konsterniert an. »Wie soll ich das verstehen? Wie äußert es sich, und wie hast du es festgestellt? Ich spotte darüber keineswegs…«
Jetzt war es an ihr, überrascht zu sein. Vico war ihr immer als Realist erschienen, für den nur zählte, was mit dem Verstand zu erklären war. Es hatte sie allerdings auch schon überrascht, daß seine Gefühle für Donata so tief waren, daß er nicht nur von ihrer äußerlichen Schönheit beeindruckt war.
»Ich habe es festgestellt, als ich an einem Verkehrsunfall beteiligt war«, erklärte sie.
»Davon weiß ich auch nichts, warst du verletzt?«
»Nein, ich hatte auch keine Schuld. Es war auf der Garmischer Strecke. Der eigentliche Unfall spielte sich auf der Gegenfahrbahn ab. Ich hatte gebremst, als es da krachte, aber es fuhr dann ein anderer Wagen auf meinen auf. Mir ist nichts passiert. Ich sah in einem der Autos ein Kind, das jämmerlich schrie, während die anderen Insassen anscheinend bewußtlos waren. Ich reagierte eigentlich ganz mechanisch, weil ich dachte, daß die Fahrzeuge in Brand geraten könnten, was aber glücklicherweise nicht geschah. Ich konnte das Kind aus dem Wrack herausholen.
Es war nicht schwer verletzt, aber es stand unter Schock. Es schrie nach seiner Mutter, und ich konnte nichts anderes tun, als es zu streicheln. Die Kleine beruhigte sich verblüffend schnell. Aber als ich aufhörte mit dem Streicheln, sagte sie, ich solle weitermachen, weil das so schön ist. Es tue ihr gar nichts mehr weh. Ich habe erst später darüber nachgedacht, als auch ihre bewußtlose Mutter aus dem Auto geborgen wurde. Die Kleine bat, daß ich ihre Mami auch so streicheln solle, damit sie aufwache und keine Schmerzen mehr hätte. Ich war selbst wie in Trance. Um mich herum dieses Chaos und es ging an mir vorbei. Man hielt mich wohl für eine Ärztin und überließ es mir, auch bei der Mutter der Kleinen Erste Hilfe zu leisten, was ich ja glücklicherweise gelernt hatte. Aber ich war fassungslos, als die junge Frau kurz die Augen aufschlug und sagte: Sie sind ein Engel.«
»Du warst ja auch ein rettender Engel, Janine«, stellte Vico bewundernd fest.
»Ach was, eigentlich wußte ich gar nicht, was ich tat. Ich kümmerte mich nicht um meinen Wagen, und du weißt, wie stolz ich auf ihn war. Ich fuhr mit Mutter und Kind im Krankenwagen in die Klinik. Man hielt mich für eine Angehörige. Der Arzt stellte bei der Kleinen schwerste Prellungen fest und konnte sich nicht erklären, daß das Kind kaum Schmerzen zu haben schien. Die hat Janni weggestreichelt, sagte die kleine Melanie. Ich hatte ihr gesagt, wie ich heiße, aber sie sagte Janni. Der Arzt hat mich ganz merkwürdig angeschaut und später mit mir gesprochen. Er hat mich darauf gebracht, daß ich magnetische Kräfte haben könnte. Er war kein engstirniger Schulmediziner, sondern schon ein älterer, erfahrener Arzt. Dr. Gordon heißt er. Ich stehe mit ihm in Verbindung, und er meint, daß ich meine Kräfte nutzen soll. Vielleicht wirken sie auch bei Donata, wenn sie keine innere Abwehr dagegen hat.«
»Guter Gott, du bist ein erstaunliches Mädchen, Janine«, rief Vico aus.
»Ich bin inzwischen eine Frau, großer Bruder. Ich habe begriffen, daß mir etwas in die Wiege gelegt wurde, was ich nutzen sollte, womit ich helfen kann. Vielleicht war ich deshalb bisher so ziellos, weil mir das erst bewußt gemacht werden mußte.«
Vico betrachtete sie jetzt staunend.
»Und früher hast du nichts davon gemerkt?«
»Ich habe Bemerkungen wie ›du elektrisierst mich‹, oder ›du bist elektrisch geladen‹ keine besondere Bedeutung beigemessen, da sie von Jens kamen und er immer zu Späßen aufgelegt war.«
»Und sonst hat niemand reagiert?«
Ihr Blick irrte ab. Ihre Gedanken verloren sich.
»Es ist wohl so, daß nicht jeder es spürt«, sagte sie leise. »Du wohl auch nicht.«
»Mich hast du ja noch nicht gestreichelt«, versuchte er zu scherzen, aber sein Gesicht blieb ernst.
»Es kann ja sein, daß man erst reagiert, wenn man Schmerzen hat«, sagte sie nachdenklich. »Ich weiß auch noch nicht, was ich damit anfangen werde. Ich weiß nur, daß ich es manchmal loswerden muß, sonst schadet es mir.«
»Wenn es auch bei Kopfschmerzen hilft, kannst du es gern an mir ausprobieren, Janine. Ich habe das Gefühl, daß mein Kopf zerspringt.«
»Lehn dich zurück«, sagte sie und trat hinter ihn.
Sie legte ihre Hände um seine Stirn und die Daumen unter die Augenhöhlen.
»Tut das weh?« fragte sie.
Er sagte nichts, sie vernahm nur einen Seufzer. Dann merkte sie, daß er eingeschlafen war. Sie betrachtete sein Gesicht. Es war jetzt ganz entspannt. Nach einer Viertelstunde schlug er die Augen auf. Verwirrt blickte er Janine an.
»Bin ich eingeschlafen?« wunderte er sich.
»Wie fühlst du dich?« fragte sie.
»Sehr gut, du kannst anscheinend Wunder vollbringen.«
»So wollen wir es nicht nennen, aber irgendwie muß es doch seine Wirkung haben.«
»Ganz sicher, wenngleich das auch sicher nicht ganz einfach für dich ist. Es ist eine ganz besondere Gabe.«
»Die von Medizinern belacht wird. Zumindest von den meisten.«
»Ich glaube nicht, daß Dr. Norden und die Behnischs dazu gehören. Du solltest dich mal mit Dr. Norden unterhalten, er und sein Schwiegervater behandeln doch auch mit alternativen Methoden. Ich bin jedenfalls schon ein Fan von dir, und wenn du Donata helfen kannst, wird dir mein Dank ewig sicher sein. Was kann ich für dich tun, Janine?«
»Ich will nichts dafür haben. Das wäre wohl noch schöner.«
»Aber sicher könntest du diese Kräfte doch gezielt einsetzen und würdest bestimmt viel Dank ernten.«
»Ich glaube nicht, daß das jemals richtig anerkannt wird. Das ist doch so wie mit dem sechsten Sinn und den haben einige Menschen mit Sicherheit. Aber ich überlege schon, ob ich nicht einen Heilberuf ergreifen soll. Ich möchte nicht gern als Scharlatan bezeichnet werden, denn es muß ja nicht immer wirken und dann wird man gleich verteufelt.«
»Du hast dich also mit den Problemen schon befaßt.«
»Ja, das habe ich. Es war beglückend, daß ich der kleinen Melanie und ihrer Mutter helfen konnte. Ich stehe noch mit ihnen in Verbindung. Es geht ihnen gut, und sie sind felsenfest davon überzeugt, daß sie dies mir verdanken.«
»Was wohl auch zum größten Teil stimmen wird nach meinen eben gemachten Erfahrungen.«
Janine ergriff seine Hand. »Es erstaunt mich sehr, daß du so positiv dazu stehst«, sagte sie leise.
»Das ist doch gar nicht anders möglich. Ich spüre, wie jetzt wieder ein warmer Strom durch meinen Körper fließt, und wahrscheinlich war das früher auch schon der Fall, ohne daß ich eine Erklärung dafür hatte. Ich habe deine Nähe immer als sehr wohltuend empfunden, Janine.«
»Es ist beglückend«, sagte sie leise. »Natürlich ist es mir ein Rätsel, wie ich dazu komme. Ob es dafür überhaupt eine Erklärung gibt?«
»Sprich doch mal mit Dr. Norden darüber. Er befaßt sich doch mit allen möglichen Heilmethoden, und sein Vater muß auf diesem Gebiet ein Vorkämpfer gewesen sein.«