Читать книгу Anwendbares Recht beim grenzüberschreitenden Warenkauf - Patrick Boll - Страница 11

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C. Allgemeine Bestimmungen des Übereinkommens

Die Art. 7-13 CISG (Teil I, Kapitel II) regeln allgemeine Bestimmungen bezüglich der Anwendung des CISG, welche insbesondere die Auslegung und Lückenfüllung, die Bindung an Gebräuche und Gepflogenheiten sowie die Form betreffen.

I. Auslegung und Lückenfüllung

Art. 7 I CISG normiert für die Auslegung des CISG drei Grundsätze. Mit der Berücksichtigung seines internationalen Charakters sowie der Förderung seiner einheitlichen Anwendung wird, ungeachtet nationaler Vorschriften und Hintergründe, seine autonome und einheitliche Auslegung bestimmt.41 Der dritte Grundsatz besteht in der Wahrung des guten Glaubens im internationalen Handel.42 Keine einheitliche Auffassung besteht in der Frage, wie umfassend dieser Grundsatz zu sehen ist.43 Trotz seiner Verortung in den allgemeinen Bestimmungen und der teilweise entsprechend vertretenen Ansicht, der Grundsatz gelte nur für die Auslegung des CISG,44 betrifft er nach verbreiteter Meinung auch das Verhältnis der Parteien untereinander.45 Vor dem Hintergrund international unterschiedlicher Auffassungen zum Grundsatz von Treu und Glauben und dem Ziel einer einheitlichen Anwendung des CISG, sollte dieser Grundsatz nicht überdehnt werden.46 Nach einer Ansicht sind das Verständnis und die durchschnittlichen Kenntnisse eines mit dem internationalen Handel vertrauten Teilnehmers an demselben maßgeblich.47 Nach verbreiteter Ansicht schließt der Grundsatz zumindest das Verbot des Rechtsmissbrauchs sowie widersprüchlichen Verhaltens ein.48

Im unvereinheitlichten deutschen Recht hat der i.S.d. § 242 BGB als Generalklausel normierte Grundsatz von Treu und Glauben den Stellenwert eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes, der über das Schuldrecht hinaus für das Privatrecht insgesamt und teilweise weitergehend anwendbar ist.49 § 157 BGB verweist hierauf hinsichtlich der Auslegung von Verträgen. Im Ergebnis sollten sich zwischen BGB und CISG diesbezüglich keine wesentlichen Unterschiede ergeben.50

Hinsichtlich der im CISG nicht entschiedenen Fragen bezüglich im CISG geregelter Gegenstände verweist Art. 7 II CISG vorrangig auf die dem CISG zugrunde liegenden allgemeinen Grundsätze, welche sich unter anderem aus Art. 6, 7 I, 11 CISG ergeben.51 Mangels entsprechender Grundsätze verweist Art. 7 II Var. 2 CISG als ultima ratio auf das nach dem IPR anzuwendende nationale Recht.52 Die bewusste Wahl des subsidiär wirkenden Rechts ist daher zu empfehlen.

Neben den in Art. 7 I CISG geregelten allgemeinen Auslegungsgrundsätzen normiert Art. 8 CISG die Auslegung des Parteiwillens. I.S.d. Art. 8 I CISG bestimmt sich die Auslegung entsprechender Erklärungen oder sonstigen Verhaltens einer Partei nach deren Willen, soweit die andere Partei diesen kannte oder darüber nicht in Unkenntnis sein konnte. Kriterium für die Auslegung ist der subjektive Erklärungswille.53 Maßstab für das Kennenmüssen dieses Willens auf Seite des Erklärungsempfängers ist grobe Fahrlässigkeit.54 Hat dieser den wirklichen Willen der äußernden Partei insoweit nicht gekannt, sind deren Erklärungen oder Verhalten i.S.d. Art. 8 II CISG gemäß der Auffassung einer entsprechenden vernünftigen Person unter gleichen Umständen objektiv auszulegen. Maßgeblich ist der Horizont eines verständigen Erklärungsempfängers55 unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte.56 Zur Feststellung des Willens sowie der Auffassung i.S.d. Art. 8 II CISG sind i.S.d. Art. 8 III CISG alle erheblichen Umstände des konkreten Sachverhalts zu berücksichtigen.

Die bei Geltung des BGB i.S.d. § 133 BGB geregelte Auslegung von Willenserklärungen stellt auf die Erforschung des wirklichen Willens ab. Dem entspricht insoweit Art. 8 I Hs. 1 CISG. Auf Basis dieses Grundsatzes hat die Rechtsprechung ergänzende Auslegungsregeln entwickelt. So ist der wirkliche Wille dann für die Auslegung maßgeblich, wenn er von den Beteiligten übereinstimmend verstanden wurde.57 Dies entspricht im Grundsatz der Bedeutung des Art. 8 I CISG.

Ist von einem übereinstimmenden Verständnis hinsichtlich des wirklichen Willens nicht auszugehen, ist in Bezug auf die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen nach gefestigter Rechtsprechung auf den objektiv erklärten Willen, unbeachtlich des unerklärt gebliebenen Willens, in dem Maße abzustellen, in dem er für den Erklärungsempfänger erkennbar war und wie dieser ihn nach Treu und Glauben sowie der Verkehrsanschauung verstehen musste.58 Dies deckt sich im Grundsatz mit Art. 8 II CISG. Die i.S.d. Art. 8 III CISG normierte Berücksichtigung erheblicher Umstände entspricht höchstrichterlicher deutscher Rechtsprechung.59

Ein Inhalts- oder Erklärungsirrtum unterliegt i.S.d. Art. 4 S. 2 lit. a CISG dem gemäß IPR anzuwendenden nationalen Recht.60 Ist das unvereinheitlichte deutsche Recht anzuwenden, ergibt sich ein Anfechtungsanspruch i.S.d. § 119 I BGB.

II. Handelsbräuche und Gepflogenheiten

Art. 9 I Var. 1 CISG bestimmt die Bindung der Parteien an ihre individuell vereinbarten Gebräuche. Abzustellen ist hierbei auf den ausdrücklichen oder stillschweigenden Willen der Parteien zur Geltung eines Gebrauchs,61 worin sich die Nähe zu Art. 8 CISG widerspiegelt.62 Dem Prinzip der Privatautonomie i.S.d. Art. 6 CISG folgend, haben entsprechende Gebräuche Vorrang vor den Vorschriften des CISG.63 Darüber hinaus statuiert Art. 9 II CISG unter dem Vorbehalt einer anderslautenden Vereinbarung die Vermutung, dass vertrags- und branchenspezifisch weithin bekannte und regelmäßig beachtete Gebräuche unabhängig vom konkreten Parteiwillen stillschweigend in den Vertrag einbezogen werden. Eingeschränkt wird dies insoweit, dass die Parteien die jeweiligen Gebräuche kannten oder kennen mussten. Abzustellen ist hierbei auf einen direkten Bezug der jeweiligen Partei zum Verbreitungsgebiet des betreffenden Brauchs.64

Bei Geltung des unvereinheitlichten deutschen Rechts normiert § 346 HGB obligatorisch die Rücksichtnahme auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche. Auf ein Kennenmüssen kommt es nicht an.65 Ähnlich Art. 9 II CISG setzt das Bestehen eines Handelsbrauchs auch hier die tatsächliche Übung im entsprechenden Verkehrskreis voraus, welcher branchenbezogen oder örtlich begrenzt sein kann.66 Rechtsverbindlichkeit erlangen Handelsbräuche allerdings nur bei vertraglicher Vereinbarung.67 Indessen kann die Geltung eines Handelsbrauchs auch ausgeschlossen oder abweichend vereinbart werden.68

Art. 9 I Var. 2 CISG bestimmt die Bindung der Parteien an die zwischen ihnen entstandenen Gepflogenheiten. Die Norm spiegelt den Grundsatz von Treu und Glauben wider69 und findet eine Entsprechung im unvereinheitlichten deutschen Recht. So ergibt sich für die Parteien im Geltungsbereich des HGB aus dem Bestehen einer Geschäftsverbindung eine Sonderverbindung, aus der ebenso Gepflogenheiten und entsprechende Treuepflichten i.S.d. § 242 BGB resultieren.70

§ 346 HGB bezieht sich ausdrücklich auf Kaufleute, während die Kaufmannseigenschaft i.S.d. Art. 9 CISG i.V.m. Art. 1 III CISG nicht voraus gesetzt wird.

III. Form

Für das CISG gilt der i.S.d. Art. 11 CISG normierte Grundsatz der Formfreiheit.71 Explizit bezieht sich dieser i.S.d. Art. 11 S. 1 CISG auf den Abschluss und den Nachweis des Kaufvertrags und schließt damit alle entsprechenden Erklärungen wie Angebot, Annahme, Rücknahme und Widerruf ein. Art. 11 S. 2 CISG ergänzt diesen Grundsatz bezüglich der prozessrechtlichen Zulässigkeit jeglicher Beweismittel.72 Obgleich sich die Vorschrift ausdrücklich auf den Kaufvertrag bezieht, gilt dieser Grundsatz der Formfreiheit i.S.d. Art. 7 II CISG für alle Erklärungen der Parteien, welche dem CISG unterfallen.73 Bei Geltung des unvereinheitlichten deutschen Rechts gilt für den Abschluss des Kaufvertrags ebenso der Grundsatz der Formfreiheit.74 Die Beweisaufnahme bezüglich eines fraglichen Abschlusses bestimmt sich i.S.d. § 284 ZPO. Ohne Einverständnis der Parteien i.S.d. § 284 S. 2 ZPO kommen als Beweismittel Augenschein i.S.d. §§ 371 ff. ZPO, Zeugen i.S.d. §§ 373 ff. ZPO, Sachverständige i.S.d. §§ 402 ff. ZPO, Urkunden i.S.d. §§ 415 ff. ZPO und Parteivernehmung i.S.d. §§ 445 ff. ZPO in Betracht.75

Bezüglich der Form bestehen insoweit keine vorliegend relevanten Unterschiede.

Allerdings bestimmt der nicht dispositive Art. 12 CISG, dass entgegen Art. 11 CISG eine andere als die schriftliche Form nicht gestattet ist, wenn sich die Niederlassung i.S.d. Art. 10 CISG einer Partei in einem Vertragsstaat befindet, welcher den Vorbehalt i.S.d. Art. 96 CISG erklärt hat. Vorliegend beachtlich haben aktuell weder China noch Deutschland einen entsprechenden Vorbehalt erklärt.76

Anwendbares Recht beim grenzüberschreitenden Warenkauf

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