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Leon und Leonie

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Im Sturzflug rast der gigantische dunkelrote Drache durch die Wolken herab auf Leon zu. Leon steht mit seinem flammenden Schwert oben auf dem Gipfel des Königsberges und blickt ihm entschlossen entgegen. Die leuchtend gelben Augen des Drachen werden schmal, sein furchterregendes Maul mit den spitzen Zähnen öffnet sich und schießt einen Feuerball direkt auf Leon zu, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Gebrüll.

„Bis hierher und nicht weiter!“, schreit Leon heraus und schwingt sein flammendes Schwert über dem Kopf auf den Drachen zu. Ein gleißend blauer Blitzstrahl verlässt das Schwert und strömt dem Feuerball entgegen. Als sie aufeinandertreffen, donnert und kracht es und eine riesige Feuerwolke bedeckt den Himmel. Der Drache stürzt durch sie hindurch und schwingt seine gewaltigen Flügel. Das Schwert in den Händen bewegt sich Leon nicht von der Stelle und ist bereit, sein Königreich zu verteidigen. Dann, plötzlich…

„Buh“, brummt es hinter ihm. Leon zuckt am ganzen Körper zusammen und fliegt mit Schwung von seinem Drehstuhl. Seine Schwester hat sich ganz gemein von hinten angeschlichen und ihn aus dem größten Kampf der Weltgeschichte gerissen. ‚So eine blöde Ziege‘, denkt er sich wutentbrannt.

„Geh raus aus meinem Zimmer und schleich dich nicht so an!“, schimpft Leon.

„Was träumst du auch die ganze Zeit? Wer nichts zu verbergen hat, erschreckt auch nicht“, sagt sie nur und streckt dabei die Zunge raus, während sie Richtung Tür geht.

„Raaaaaaaaus!“ ‚Rummms‘ schmeißt Leon die Tür zu.

„Ich komme gleich hoch!“, ruft Mama aus der Küche.

„Das war Leon“, hört er seine Schwester nur von draußen petzen.

„Mannomann, die könnt ich auf den Mond schnipsen“, schimpft er zähneknirschend vor sich hin.

Leon ist 11 Jahre alt, geht in die 5. Klasse und liegt lieber in seinem Bett und träumt vor sich hin, als beim Aufräumen zu helfen oder den Müll rauszubringen. In der Schule ist er nicht der Beste, aber auch nicht der Schlechteste. Er sitzt meist im Unterricht einfach nur da und hofft, dass sein Lehrer ihn übersieht, was fast immer ganz gut klappt, da vor ihm ein viel zu groß geratener Mitschüler sitzt. Blöd nur, wenn dieser dann mal krank ist, dann hat sein Lehrer freies Schussfeld auf Leon und bombardiert ihn mit Fragen über Geometrie oder Grammatik. ‚Weiß der das nicht selber‘, denkt sich Leon dabei meist nur und zuckt als Antwort mit den Schultern. Die einzigen Stunden, die ihm Spaß bereiten, sind eigentlich keine richtigen Stunden. Es sind die Pausen. Nur leider sind um diese drum herum so viele andere doofe Sachen, wie Biologie, Deutsch oder Mathematik. Ach, eigentlich ist alles blöd für Leon, außer den Pausen. Die mag Leon. Hier kann er weiterträumen und in seinen Gedanken gegen Drachen kämpfen, Ozeane als Pirat unsicher machen, auf Riesenameisen reiten, gegen Zwerge Fußball spielen oder als Rennfahrer mit 300 Sachen große Rennen gewinnen.

Leons ältere Schwester heißt Leonie. Was sich seine Eltern dabei gedacht haben, ihnen fast gleiche Namen zu geben, ist Leon bis heute nicht ganz klar. Wenn es hin und wieder Ärger gibt und Mama dann „Leon!!!“ ruft, hofft er meist, dass da noch ein ‚ie‘ hinten dran kommt, aber leider ist es meist nicht so, denn seine Schwester ist immer ganz lieb zu Mama und Papa, hilft im Haushalt, macht ihre Hausaufgaben und ist im Grunde das völlige Gegenteil von Leon.

„Leon!!!“, ruft es von unten. ‚Kommt da jetzt noch ein „ie“?, denkt er vor sich hin, als er das hört. Nein, er ist gemeint. Sein Paps ist gerade nach Hause gekommen und das erste was er macht, wenn er zur Tür hineinkommt, ist, ihn zu rufen. Das kann nichts Gutes bedeuten. Leon steht aus seinem Stuhl auf, in den er sich eben erst wieder mühsam eingekuschelt hat und geht hinunter zur Haustür, wo sein Vater ihn schon ermahnend anschaut und fragt:

„Wo stellen wir unsere Fahrräder hin, wenn wir sie heute nicht mehr brauchen?“

„In die Garage, Papa!“

„Ach, schau an, du weißt es ja. Und wie kann es dann sein, dass ich nach Hause komme und fast über dein Rad stolpere, weil es direkt vor der Haustür liegt?“

„Das ist umgefallen“, versucht Leon sich zu retten.

„Leon!!!“ Sein Vater schaut ihn mit diesem Blick an, der so viel sagt wie „lüg mich jetzt ja nicht an, sonst gibt’s Hausarrest“.

„Ja, schon gut. Ich habe vergessen, es wegzuräumen.“

„Dann hopp, räum es in die Garage und wenn du schon dort bist, kannst du sie gleich sauber fegen!“

Den Kopf nach unten geneigt schlürft Leon raus aus der Tür, schnappt sich sein Fahrrad und schiebt es vor sich hin schimpfend in die Garage.

„Ich habe so was noch nie gemacht“, hört er Leonie durch das offene Fenster sagen, während sie von Papa eine dicke Umarmung bekommt.

„Oh Mann, so eine Schleimerin. Blöde Kuh!“, murmelt Leon in seinen nicht vorhandenen Bart hinein.

Das Fahrrad, was eigentlich gar nichts für seinen Ärger kann, wird mit Elan in die Ecke geschmissen, was Leon schon leidtut, als er es loslässt.

„Tut mir leid, Fahrrad, du kannst ja nichts dafür“, flüstert er, während er es wieder ordentlich hinstellt und nochmal schaut, dass nichts kaputt gegangen ist. Leon schnappt sich den Besen und fängt an zu fegen. Während er mehr Dreck aufwirbelt als ihn ordentlich aufzukehren, ärgert er sich so sehr über seine Schwester und kehrt dabei so wild, dass er bald in einer riesigen Staubwolke steht. Man sieht die Hand vor Augen nicht und Leon weiß gar nicht so recht, wo vorne und hinten ist.

„Hallo“, ruft es auf einmal durch die Staubwolke. Leon stößt vor Schreck einen piepsenden Schrei hervor.

„Das klang jetzt wie ein kleines Mädchen“, lacht es durch den dichten Nebel. Leon dreht sich Richtung Garagenausgang und während sich der Staub langsam legt, entdeckt er an den Umrissen hinter der Wolke, dass da entweder ein sprechender Bär steht oder sein Freund Ben. Jetzt erkennt er ihn, es ist Ben, der beste Freund von Leon, etwas zu groß für sein Alter und etwas zu dick, was wohl daran liegt, dass er andauernd etwas zu futtern in seinem Rucksack hat.

„Was machst‘n du da?“, fragt er Leon etwas verwundert.

„Ich muss Strafarbeit machen und die Garage fegen, siehst du doch.“

„Jetzt lass deinen Ärger aber nicht an mir aus, Leon.“

„Ja, entschuldige. Aber immer krieg ich Ärger. Meine doofe Schwester ist ja so ein Engel. Wenn Mama wüsste, dass die nachts stundenlang am Handy hängt und mit ihrem heimlichen Freund quatscht.“

„Na, dann verpetz sie doch!“

„Ne, ne. Das heb ich mir auf. Irgendwann ist das bestimmt nochmal nützlich für mich, verstehst du? Warum bist du eigentlich hier?“, fragt Leon seinen Freund.

„Ich wollte dich nur dran erinnern, den Zettel für den Schulausflug unterschreiben zu lassen, du bist doch manchmal so vergesslich“, kichert Ben.

„Das vergesse ich schon nicht, endlich passiert mal was Interessantes in der Schule. Also bis morgen. Ich geh jetzt rein zum Essen“, erwidert Leon, gibt Ben noch einen Handschlag und geht zurück ins Haus. Ben schlendert nach Hause und Leon hört ihn in der Ferne leise ein Liedchen pfeifen.

Tatsächlich hatte Leon den Zettel vergessen. Gut, dass sein Freund nochmal da war, aber das muss man ja nicht gleich an die große Glocke hängen. Den Schulausflug aber hatte er schon seit Tagen im Kopf. Die ganze Klasse fährt in einen der größten und schönsten Wälder, die es in der Nähe gibt und erkundet dann das grüne Klassenzimmer, wie es sein Lehrer gern nennt. Endlich mal raus aus der doofen Schule, keine Mathematik und auch kein Deutsch.

Beim Abendessen lässt sich Leon den Zettel unterschreiben und während er in seinem Eintopf löffelt, als ob er darin nach einem versunkenen Schatz sucht, ist alles andere wie immer. Leonie wird von Mama und Papa angehimmelt und ab und zu wird Leon ermahnt, dass er doch gerade sitzen soll und sich mal mehr so benehmen soll wie seine Schwester.

„Ja, mach ich“, nuschelt Leon vor sich hin und ist in Gedanken schon mitten im dunkelsten und dichtesten Wald auf der Suche nach Abenteuern.

Leon und der magische Kristall

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