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Katarina

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Tausend Gedanken schossen Katarina Neuhaus durch den Kopf, als sie ihren Nissan Micra in der Tiefgarage des Apartmenthauses in der Nähe des Berliner Reichstages abstellte.

Ein moderner Aufzug brachte sie in die achte Etage. Vorsichtig kramte sie in ihrer Guccitasche nach dem Schlüssel und öffnete die Tür zu Olivers Wohnung.

Obwohl er diese seit mehr als einem Jahr nicht betreten hatte, war er Katarina immer noch gegenwärtig. Sie konnte ihn mit jeder Faser ihres Körpers spüren. Sie war kurz davor, die Fassung zu verlieren. Erinnerungen wallten in ihr auf. Sie hätte nicht geglaubt, dass sich ihr Leben so entwickeln würde. Und zum hundertsten Male fragte sich Katarina, was Oliver und sie falsch gemacht hatten.

Behutsam schloss sie die Tür hinter sich. Die Wohnung sah noch so aus, wie an dem Tag, als Oliver seine Reise begonnen hatte. Katarina betrat das Wohnzimmer, ließ ihren Blick umherwandern und sah die mit Chintz bezogenen Lehnsessel, das alte Leinensofa und die Fotogalerie über dem Kamin. Behutsam streiften Katarinas Finger einen Bilderrahmen auf dem Kaminsims, als sie sich abrupt umdrehte und das Zimmer verließ.

Ihr Mund war trocken und sie beschloss, sich ein Glas Wasser einzugießen. Zum wiederholten Male fragte sie sich, was sie hier eigentlich wollte.

Vielleicht hatten Oliver und sie doch noch eine Chance, wenn es ihnen gelang, die Zeit zurückzudrehen.

Sie trank aus und ging in die zweite Etage. Die Maisonettewohnung mit einem atemberaubenden Blick auf das neue Zentrum Berlins hatte Oliver ein kleines Vermögen gekostet. Das obere Geschoss bestand ausschließlich aus Olivers Arbeitszimmer. In der Mitte des Raumes thronte ein riesiger Schreibtisch, der so chaotisch aussah, als hätte Oliver bis eben noch an einem Manuskript gearbeitet. Der Mac war mit Notizzetteln zugeklebt. Es grenzte an ein Wunder, dass er überhaupt etwas auf dem Bildschirm hatte lesen können.

Katarina nahm auf dem großzügigen Ledersessel Platz und ließ ihren Blick durch das Zimmer gleiten. Wenn sie hier saß, fühlte sie sich Oliver ganz nah. Gleichzeitig wurde sie wütend, dass er einfach abgereist war. Nach allem, was sie gemeinsam erlebt hatten, wäre es doch nicht zu viel verlangt gewesen, ein paar Abschiedsworte zu finden. Wieder kämpfte Katarina mit den Tränen. Ihr Blick wanderte durch das mit Bücherregalen vollgestopfte Arbeitszimmer. Sie wusste es nicht genau, schätzte jedoch, dass Oliver einige hundert Romane besaß: Werke von Günter Grass standen dort ebenso wie die Thriller von Tom Clancy und John Grisham. Als begeisterter Leser von J.R.R. Tolkien besaß Oliver alle erhältlichen Ausgaben. Katarina erinnerte sich daran, dass er in ihrer Anfangszeit immer eine abgegriffene Taschenbuchausgabe vom kleinen Hobbit mit sich herumgetragen hatte. Weiterhin entdeckte sie jede Menge Fachbücher, die sich mit verschiedenen Problemen der menschlichen Psyche beschäftigten.

An einem Buch blieb ihr Blick hängen. Auf dem Rücken stand kein Titel. Auch der Einband passte nicht zu den anderen Büchern.

Katarina erhob sich und trat auf das Regal zu. Ihr Puls beschleunigte sich. Sie ahnte, dass dieses Buch etwas ganz besonderes war. Sie atmete durch und nahm das kleine schwarze Buch aus dem Regal.

Überrascht runzelte sie die Stirn.

Vorsichtig drehte sie das Buch um und hätte es beinahe fallen lassen, sosehr erschrak sie vor Olivers Handschrift. Für Florian stand handgeschrieben auf dem Einband.

Florian!

Katarinas Hände zitterten. Sie wagte kaum zu atmen und es fiel ihr schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Sie hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass sie ein Tagebuch finden würde, dass Oliver für Florian geschrieben hatte. Seit seiner Abreise hatte Katarina oft hier gesessen und nie war ihr dieses Buch aufgefallen.

Warum heute?

War dies ein Fingerzeig des Schicksals?

Benommen ging Katarina zu dem Ledersessel zurück. Ihre Gedanken überschlugen sich, ohne einen greifbar werden zu lassen. Schwerfällig ließ sie sich in den Sessel fallen. Ihre Finger zitterten, als sie die erste Seite des Tagebuchs aufschlug. Tränen stiegen in ihre Augen, die sie energisch wegwischte.

Dann begann sie zu lesen.

Ein Platz in meinem Herzen

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