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PROLOG
London, Oktober 2004

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Es war ein langer Tag gewesen. Ein bemerkenswerter außerdem, auf eine dunkle, beunruhigende Weise. Und für die beiden Polizisten, die diese Ermittlungen leiteten, war er noch lange nicht vorüber.

»Glaubst du das?«, fragte Tony Webb.

Nigel Bullen, müde, aber wohl wissend, dass das Bett noch ein paar Stunden warten musste, zuckte unverbindlich die Achseln.

»Die Sache ist irre. Ich meine, ernsthaft krank.«

Sie standen einander im Korridor gegenüber, jeder mit einem Plastikbecher lauwarmem Kaffee in der Hand. Tom rauchte. Nigel, der kürzlich aufgehört hatte und unter grauenhaften Entzugserscheinungen litt, versuchte den Tabakgeruch zu ignorieren. »Was ist mit dir?«, fragte er. »Glaubst du es?«

Tom blies Rauch in die Luft. »Das Urteil behalte ich mir noch vor. Vorläufig jedenfalls.«

»Ich wette, die Medien werden es nicht tun. Da haben schon wieder zwei Presseheinis angerufen und wollten Informationen rauskitzeln. Die werden aus dieser Sauerei einen verdammten Zirkus machen.«

»Kann man ihnen nicht verdenken, oder? Es ist eine große Story, und sie müssen ihren Job machen.«

»Das müssen wir auch.« Nigel deutete auf die Tür am Ende des Korridors. »Lass uns wieder reingehen. Ich vernehme, und du schaltest dich ein, wenn es nötig ist.«

Tony drückte seine Zigarette aus. »Okay.«

Sie betraten den Vernehmungsraum. Er war spartanisch: weiße Wände, eine grelle Deckenlampe und ein Tisch mit einem Tonbandgerät. Nigel hatte es hier immer deprimierend gefunden. »Wie eine Zelle in der Klapsmühle, bloß ohne Gummiwände«, hatte er einmal zu einem Kollegen gesagt. Als er jetzt an die düstere Geschichte dachte, die sich hier offenbarte, fand er den Vergleich beängstigend angemessen.

Die Verdachtsperson und ein Anwalt saßen am Tisch. Sie hatten miteinander geflüstert, aber jetzt verstummten sie. Vielleicht ein Zeichen der Schuld – aber Nigel war lange genug in diesem Beruf, um zu wissen, dass schon die bloße Anwesenheit eines Polizisten selbst bei ganz und gar unschuldigen Menschen das Gefühl erwecken konnte, sie hätten etwas zu verbergen. Das gehörte zu den Widrigkeiten dieses Berufs.

Aber es war sein Beruf. Und er würde ihn ausüben.

Fünf Minuten später war die Vernehmung wieder im Gange. »So war es nicht«, wiederholte die Verdachtsperson zum zweiten Mal. »Ich schwöre, so war es nicht.«

»Nicht? Aber für mich sieht es so aus, und so wird es auch für eine Jury aussehen. Das begreifen Sie doch, oder?«

Schweigen. Die Verdachtsperson starrte zu Boden. Sie sah blass aus, verängstigt und plötzlich viel jünger. Eher wie ein Kind als wie ein erwachsener Mensch. So war es oft bei Tatverdächtigen, wenn ihnen die Ungeheuerlichkeit dessen klar wurde, womit sie es zu tun hatten. Einen Augenblick lang empfand Nigel Mitgefühl. Dann dachte er an die Einzelheiten des Falls, und das Gefühl verschwand so schnell, wie es gekommen war.

»Fangen wir von vorn an. Lassen Sie uns ganz zum Anfang zurückkehren. Und denken Sie daran, ich will alles wissen ...«

Aber alles würde er niemals wissen. Auch nicht, wie es wirklich begonnen hatte. Ein Verbrechen ist wie ein Teppich aus Emotionen. Tausend verschiedene Gefühle, von tausend verschiedenen Händen an tausend verschiedenen Tagen miteinander verwoben.

Und der Ursprung dieses Verbrechens lag viele Jahre zurück, und die Leute, die an den ersten Akten beteiligt gewesen waren, hatten nicht ahnen können, was für ein Monstrum daraus erwachsen würde.

Die Gottesanbeterin

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