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I.

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Don lautem Festtagsjubel dröhnte mächtig Die weite Halle, an der Tafel schollen In munt’rem Wechsel Red’ und Widerrede, Es schäumte kühler Trank in allen Krügen, Und unablässig trug der Mägde Schaar Den Wein auf und die dampfenden Gerichte.

Am fröhlichsten und tollsten ging es her Wo Markgraf Gero sass, des Hauses Wirt, Ein starker, riesenhafter Mann, dem Thatkraft Und schlaue Klugheit aus den Augen sprühten.„Mach’ Dir’s behaglich Alter, auf Burg Rode!“ So rief er, Markgraf Christian von neuem Das Trinkhorn füllend. „Schmeckt der welsche Wein? Nur zu! Weit besser, einen Krug zu viel, Als einen Schluck zu wenig. Sei getrost, Du liessest meine Schwester ja daheim,Die gute Hidda, wüstem Trunk so gram. —

Jedwede Sünde, die das Weib nicht sieht, Ist halbe Sünde, — trinke d’rum wer kann!“ Und Mancher griff mit frischer Lust zum Becher.

Doch neben Markgraf Gero stand Frau Imma,

Und drohte lachend mit dem Kellerschlüssel.

„Frau Imma!“ Klang’s im Nu von allen Seiten,

„Euch galt das nicht, der wack’ren Hausfrau nicht,

Euch loben wir und Euren guten Wein!“

Und schalkhaft blickte Gero zu ihr auf, Und meinte: „Wenn im Lande Frieden herrscht, So schaff’ ich Unruh’ ihr im eig’nen Hause, Und spotte, quäle, schelte Tag für Tag, Doch klug und ruhig lässt sie mich gewähren:

Denn draussen, im unwirtlich rauhen Land Der Ukrer, bitt’ ich immer ihr im Stillen All’ meine bösen, wilden Launen ab“.

— „Doch können nach so vielen, schweren Jahren Des Kampfes, Eure Waffen jetzo ruh’n“.

Sprach Thietmar, der Sohn Christian’s. „Bezwungen

Habt Ihr das Wendenvolk, es wagt fortan Mehr keinen Ueberfall noch Widerstand, Und leistet willig den Tribut dem Kaiser“.

Da neigte Christian vertraulich sich Zu Gero: „Seit die dreissig Wendenfürsten

In Deinem Haus ihr Leben lassen mussten, Ist’s still geworden in den Slavengauen.

Gedenkst Du noch des Tags? Die Gäste sassen So lustig an der Tafel, und sie tranken So heidenmässig viel, — ’s war fast wie heute.“

Jedoch der Markgraf runzelte die Stirne:

„Beschwöre nicht das blut’ge Bild empor! Ich hass’ es! Es verdüstert mir die Laune, Und heute will ich toll sein und vergnügt.

Greif’ zu! Schenk’ ein! Trink’ aus! Fluch unser’m Feinde!

Sei’s Landsmann oder Wende! — Ja, fürwahr, Das Land trägt auch im Herzen selbst den Feind, Abtrünnige erstehen und Verräther

Im Haus des Kaisers. Mit dem eig’nen Sohn Und mit dem Eidam hat er grimme Fehde. Doch die gehäss’gen Ränke Herzog Heinrich’s Fürcht’ ich noch mehr. Es glaub’ ein Anderer An seine Unterwerfung! Trug ist Alles! Weh’ denen, die ihm trauen, seine Art Ist glatt und tückisch, wie die gift’ge Schlange!“

— „Wir wissen es!“ erscholl’s durch alle Reih’n,

„Er ist ein Feind des Kaisers und des Reichs!“

— „Wir sehnen seines Vaters Zeit zurück! Gelt, alter Christian? Der war ein König!“

Rief Gero lebhaft. „Seinem Deutschland schenkte Er ganz sein Herz, und keine finst’re Falte War in dem grossen, edlen Heldenherzen. Er hasste die Verstellung, vor dem Namen Des ersten Heinrich zitterten die Heuchler, Die jetzt wie Unkraut wuchern um den Thron; Sein Wille war wie Eisen, Niemand durft’ Ihm widersprechen, selbst die Pfaffen nicht. Und wenn er in den Kampf uns führte, mächtig Und herrlich anzuschauen, wie ein Kriegsgott, Wenn uns sein Blick, sein Wort wie lodernd Feuer Durchströmten, fühlten wir’s in tiefster Seele: Der grösste Mann führt uns’re deutschen Fahnen, Es gilt zu fechten, als ein Heldenvolk!“

Helljauchzend schwang der Markgraf seinen Steinkrug,Und trank ihn leer bis auf den letzten Tropfen, Und willig folgten ihm die heit’ren Gäste. —Da klangen von der Tafel unter’m Ende Verworr’ne Stimmen, halbersticktes Lachen; Es sass der junge Siegfried dort, ein Sohn Des Gero, und er schien im Streit begriffen Mit seinem Vetter, Bardo, der voll Laune Und Knabenübermuth, ihn schalt und neckte.

„Ei schaut!“ rief Bardo lachend, „wie er zürnt, Weil aus Verseh’n ich seinen Bogen brach. Ich hab’ es ihm ja abgebeten, und Versichert, dass mit der gebroch’nen Armbrust, Er heut’ gewiss nicht wen’ger treffen würde, Als gestern mit der ganzen.“

— „Wenn Du so Gewandt als Jäger bist“, sprach Siegfried spöttisch, „Erzähle doch, wie viele Mäuse schon Dein Wurfspiess hingestreckt in Deiner Kammer!“

— „Gar keine!“ gab ihm Bardo rasch zur Antwort.

„Die Mäuse duld’ ich ruhig dort, sie sind Gutmüthig und verträglich, Tugenden, Sehr schätzenswert fürwahr, die Dir noch mangeln.“

— „Mir fehlt auch die Geduld, das kindische Geschwätze eines Knaben anzuhören.“

— „Dem heis’ren Uhu thut es immer weh’, Wenn and’re Vögel hell und lustig pfeifen.“

— „Von solcher junger Kukuksbrut, die nur Durch fremder Eltern Gnade aufgewachsen, Und die zum Danke keck ist, und verwegen Sich überhebt, soll man die Nester säubern!“ —

Da färbte heisse Röthe Bardo’s Wangen, Und seine Lippen bebten, und der Markgraf Mit einem vorwurfsvollen Blick auf Siegfried, Rief heftig: „Schweigt, Ihr Jungen! Stört mir nicht Das Mahl mit Eurem steten Zank und Hader! Die Zunge ist meist tapf’rer, als der Arm; Ich will doch seh’n, ob auch im Feld dem Gegner Ihr Schlag auf Schlag so keck erwidern könnt! “ —

Es spannen sich die Reden fort, bis endlich Die Gäste von der Tafel sich erhoben. Nur noch der Markgraf sass mit einigen Vertrauten Freunden bei den vollen Humpen, Und mit dem frischen und vergnügten Eifer, Der seinem Wesen eigen war, besprach Er lebhaft die Verwaltung seiner Gauen. —

Im Frau’ngemache schnurrte flink das Spinnrad,

Es herrschte dort im Kreis der Mägde Imma, Ihr freundliches Gesicht, von dichtem Blondhaar Umrahmt, im Schmuck des faltenreichen Schleiers, War emsig über ihre volle Kunkel Geneigt, und hurtig glitt durch ihre Finger Der gelbe Faden. Ihr zur Seite sass Des Hauses treue Schaffnerin Gertrude, Die stets Gesprächig-Munt’re, der die Mägde Nachsagten, dass so schnell, wie ihre Zunge Kein Spinnrad gehe; die so gerne, wenn

Sie Hörer fand, vergessene Geschichten Aus fröhlicher und trüber Zeit erzählte.

Auch heute hatte Gertrud viel gesprochen Von ihren Jugendjahren, ihrem Gatten, —Der einst im Kampf, als tapf’rer Streiter fiel, —Von manchen bösen Tagen, die da folgten, Als ihr der Tod zwei schöne Kinder raubte, Und nur das jüngste Töchterlein, Editha, Der Mutter Stolz und Freude, ihr noch blieb. —„Ei, wie die Zeit vergeht! Schon neigt der Tag Sich seinem Ende zu!“ rief Frau Gertrude, Und schob den rothen Teppich weg vom Fenster.

„Die Abendsonne scheint herein, und purpurn Von ihren Strahlen, wie von Opferfeuern, Liegt drüben der Ostaraberg umflossen. Das ruft mir eine Sage in’s Gedächtniss, Die sich die Leute im Gebirg erzählen: Auf jenem Gipfel haben einst die Heiden, Der schönen Göttin heller Morgenfrühe, Der strahlenden Ostara, Opferfeste Gefeiert. Sprüche raunend zog die Schaar Weissbärt’ger Priester mit bekränzten Häuptern, Bei Waffenklang um das geweihte Feuer. Der mächt’ge Eber und das edle Ross Verbluteten am Holzstoss, lodernd schlug Die Flamme himmelwärts und leuchtete In’s Land hinein. Schon wich die Nacht der Dämm’rung. Das Heidenvolk erwartete den Aufgang Der Sonne. Plötzlich brachen blasse Strahlen Hervor, es wuchs die Helle, golden glühten Die Wolken, und der ganze, weite Himmel War Farbe, Glanz und Licht. Das Taggestirn Erhob sich strahlend, einer jungen Gottheit Vergleichbar, und aus tausend Kehlen grüsste Ein brausend mächt’ger Jubelruf den Tag! Doch wo das Opferfeuer ausgebrannt, Stand wunderbar zu schau’n, in stiller Grösse, Die schönste aller Frauen, und ‚Ostara!‘ Erklang’s frohlockend von der Priester Mund, ‚Ostara!‘ jauchzte tiefbewegt das Volk, ‚Ostara!‘ scholl es von den Bergen wieder.

Doch ernst und traurig blickte sie herab, Die Herrliche auf all’ den Freudentaumel, Und wie gebietend hob sie ihre Hand. —Da stürmte muthig eine Christenschaar Den Berg hinan, und ein Gefecht entspann sich, dKurz, doch entscheidend. Vor dem kühnen Angriff Gerieth das Volk der Heiden in Verwirrung, And rief der Göttin Schutz verzweifelnd an. Da klang’s zurück in Tönen sanfter Warnung: ‚Verblendet Volk, ich bin Ostara nicht, Und euer Opfer hat mich nicht beschworen. Gekommen bin ich, eu’re Heidengötter Zu stürzen. Meinem Volk bin ich erschienen, Es zu beseelen für den edlen Kampf

Des Glaubens, und den Sieg ihm zu verkünden, Denn siegen wird die fromme Christenlehre, Und Wurzel fassen soll mit Riesenmacht Ihr heil’ger Glaube in den Menschenherzen. Es naht die Zeit der Demuth und Erkenntniss, Wo eure Götzenopfer flammten, soll Des wahren Gottes hehrer Altar stehen, Und wo Ostara’s Dienst das Volk bethörte, Da sei die Stätte gläubigen Gebetes, Der Sühne und Vergebung, — da erheben Dereinst sich heil’ge Mauern, mir geweiht, Der reinen Himmelskönigin Maria.‘ —So lautet jene alte Prophezeihung.“

Schloss Gertrud, wohlgefällig ihren Rocken Betrachtend, den sie leer gesponnen hatte.

„Nun aber will ich nach Editha ausspäh’n, Der kleine Schelm treibt mit den bunten Faltern Sich auf den Wiesengründen noch umher, Und hat der Heimkehr sicherlich vergessen. “

— „Ei bleibt doch Gertrud, Euer Töchterlein Mag Gero von den Wiesen holen,“ sprach Frau Imma, und ein schöner, junger Knabe, Der Pfeile schnitzend ihr zu Füssen sass, Erhob sich auf der Mutter Wink, und lief In’s Freie. Doch im Burghof kam Editha Ihm schon entgegen. Leicht geröthet war Vom raschen Gang das holde Kinderantlitz, Und lieblich um des Mägdleins Hals und Schultern Fiel goldenes Gelock. Die kleinen Hände Umfassten einen thauigfrischen Strauss Von blauen Glockenblumen, und jung Gero Rief neckend: „Gieb von Deinen schönen Blüthen!“ Und suchte flink Editha zu erhaschen.

Erschreckt wich sie zur Seite, da trat Bardo Ihr in den Weg und hielt sie lachend fest.

„Du willst die blauen Glocken ihm nicht schenken? Du trotz’ges kleines Ding! Das leid’ ich nicht. Er ist ja doch ein guter hübscher Junge. Ei, schüttle nicht den Kopf, sei klug Edith, —Ich lass’ dich nur, wenn ich die Blumen habe!“

Und als die Kleine schüchtern, unverwandt Zu ihm empor sah, hatte er die schönsten Waldblumen aus dem vollen Strauss gezogen, Und schwang sie schelmisch über ihrem Haupte.

Da floh Editha, wie ein scheues Vöglein Und war dem Blick der Knaben rasch entschwunden. —Und Gero fasste Bardo’s Hand und zog ihn Mit vor das Thor, wo sich ein Tannenwald Erstreckte. Schweigend schritten eine Weile Die Beiden durch Gehölz und Büsche weiter.

„O zürne meinem Bruder nicht,“ begann Jung Gero, „hat er Dich auch heut’ verletzt.

Er ist nicht bös’, er ist nur heftig, herrisch, Und duldet nicht den Willen eines Ander’n.

Das ist es, fürcht’ ich, was euch stets entzweit.“ — „Sollst Dich nicht grämen, Gero! Siegfrieds Unbill Macht mir das Herz nicht schwer. Ei sieh’ nur, brauch’ ich Denn einen andern, besser’n Freund, als Dich? Sind wir nicht treu verbündete Genossen?“

Und lächelnd hob jung Gero das Gesicht, Fast mädchenhaft in seiner zarten Schönheit:

„Ja, wie ein Bruder bist Du mir, und lieber Gewinn’ ich Dich mit jedem Tag. Mir wird Es schwer, so bald von Dir zu scheiden, Bardo. Ich wollt’, Du kämest mit zur Klosterschule,

Es ist gar schön dort; um den Brunnen blühen Wohl schon die Linden, und der Klostergarten Steht voller Lilien und bunter Nelken, Und auf den Rasenplätzen tummeln sich Bei Sonnenuntergang die jungen Schüler, Bis sie die Glocke ruft zum Abendsegen.“

Doch Bardo meinte: „Deine Mönche würden Erkennen, dass in ihre stillen Räume Ich nimmer tauge. Eher nistet wohl Der Falk im Hänflingsnest. Ich kann Dir nicht In’s Kloster folgen, Gero; mir gefällt Des Lebens buntes Treiben, das Getümmel Der heissen Feldschlacht, das Geräusch der Welt, Die Pracht des Kaiserhofs, — im Wechseltanze Erscheinen, drängen sich die Bilder vor, Die heit’re Hoffnung trägt mich kühn empor, Mich grüsst die Zukunft hell im Strahlenglanze!“ —

Gernrode

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