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Alina und der Großmeister

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Alina war zum ersten Mal allein in einem fremden Land. Als sie in ihrem Reiseführer blätterte, erinnerte sie sich an Worte ihrer Mutter:

‘Ich denke, es ist gut für dich, wenn du einmal allein verreist. So wirst du selbstständig.‘

Sie betrat den Balkon. Wie herrlich war der Ausblick von hier oben! Man konnte weit hinaussehen, über Dächer und auf Kirchtürme. Gebäude im benachbarten Ort Floriana waren gut zu erkennen. Gleich gegenüber stand der Präsidentenpalast und unweit, an einer Hauswand, entdeckte sie eine maltesische Flagge. Alina löste sich von dem Anblick und schritt munter zur Rezeption.

Es war ein – auch für maltesische Verhältnisse – besonders heißer Sommernachmittag. In der Eingangshalle des Hotel Castille in Valletta entspannten sich einige Gäste in bequemen Sesseln. Ronald De Giorgio blickte bald nach rechts, bald nach links. Vor ihm lagen große Pläne, auf denen die Namen der Hotelgäste, An- und Abreisedaten und Zimmernummern vermerkt waren. Als er Herrn Farrugia erblickte, atmete er auf: Endlich löst er mich jetzt ab…

Alina grüßte die beiden und Herr Farrugia nahm lächelnd ihren Schlüssel entgegen. Die Malteser schienen ihr überhaupt ein freundliches Volk zu sein.

„So, gehst du wieder aus? Machst du noch einen Ausflug?”

„Ja, ich werde gleich das Manoel Theatre besichtigen.“ Die Miene von Herrn Farrugia hellte sich auf und er blickte sie vielsagend an: „Ahaaa. Du hast Glück! Heute ist es lange geöffnet. Normalerweise finden Führungen nur um 10.45 und um 11.30 Uhr statt.“ Er hängte ihren Schlüssel an einen Haken und drehte sich auf dem Absatz um: „Einen schönen Tag noch, bis später!” Und schon wieder war er mit anderen Aufgaben beschäftigt, nahten doch Neuankömmlinge mit schweren Koffern.

Sie cremte sich noch einmal ein. Mmh, was für ein schöner Geruch nach Kokusnuss! Alina trug eine weiße Bluse. Ihr pechschwarzes Haar hatte sie zu einem Zopf zusammengebunden. Sie zückte ihre schwarze, in einem Souvenirladen in Valletta gekaufte Sonnenbrille, verstaute ihren Fotoapparat und verließ das Gebäude. Zur Sicherheit steckte sie ein kleines Wörterbuch ein und nahm eine Visitenkarte des Hotels mit: Hotel Castille, Castille Square, c/w St. Paul's Street, Valletta, Malta. Ich werde schon nicht verloren gehen... Wie hat dieser Herr De Giorgio noch gesagt: Malta ist ungefähr 28 km lang und 14 km breit? Für alle Fälle prägte sie sich den Namen der Straße ein. Sie blickte in ihren Reiseführer und suchte den Weg zur Old Theatre Street. Na also, wer sagt es denn? Ich komme doch gut zurecht. Sie schritt gemächlich auf Sandalen die Straße entlang, die sie zu dem Theater führen sollte. Nun, da sie im Freien war, bekam sie wieder zu spüren, wie heiß es war. Ein paar Tauben flatterten auf. Straßenhändler boten Schmuck an. Ein Mädchen spielte Geige. Passanten warfen Münzen in einen Hut, der in ihrer Nähe auf der Straße lag. An einem kleinen Stand pries ein Malteser lautstark Lotteriescheine an. Alina sah sich zufrieden um. Heute Vormittag hatte sie schon an einer Hafenrundfahrt teilgenommen und dabei viele Fotos vom Grand Harbour, dem großen Hafen, gemacht. Von den Erklärungen in Englisch hatte sie nicht allzuviel verstanden. Doch die Fahrt war ein wunderbares Erlebnis. Wie gut war es, dass diese Ausflugsboote für Touristen schön langsam fuhren. So hatte man alle Zeit der Welt, sich in Ruhe umzusehen, den Blick bald über das Wasser, bald über Festungsmauern, Dächer, Balkone oder eines der berühmten Forts wandern zu lassen. Sie schloss für einen Moment die Augen und ließ die Wärme auf sich wirken. Das tat richtig gut! Und nun stand die Besichtigung im berühmten Theater auf dem Programm. Hoffentlich bin ich nicht zu spät dran und kann noch an einer Führung teilnehmen. Sie beschleunigte ihren Schritt.

Im Souvenir Shop des Theaters angekommen, entdeckte sie ein verlockendes Angebot an Gläsern, Silber, Keramiken und CDs. Eine Gruppe wartete schon gespannt auf die angekündigte Fremdenführerin. Es dauerte nicht lange, und eine kurzhaarige Dame mittleren Alters kam herein. Sie begrüßte die wartenden Touristen und stellte sich als ‘Frau Grima‘ vor. Dann ging sie flink voraus und bat in den Innenhof. Alina setzte ihre Sonnenbrille wieder ab und schloss sich der Gruppe an. Teatru Manoel hieß das Theater auf maltesisch. Wie interessant das klingt! Da habe ich heute abend am Telefon wieder einiges zu erzählen.

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