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I. Afrika: Jagen mit Buschmännern in der Kalahari- Wüste Botswanas

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Jagen mit Buschmännern in der Kalahari- Wüste Botswanas

Hinter einem dornigen Akazienstrauch finden wir ausreichend Deckung. Langsam richte ich mich auf. Unser Guide Riaan hebt sein Leica-Glas an die Augen, und gibt einen leisen Pfiff von sich. Langsam hebe ich die 7mm Rem. Mag. und mache mich zum Schuss auf den Gnubullen bereit, den wir die letzte halbe Stunde über angepirscht haben. Doch was ist das? Ein Blick durch das Zielfernrohr lässt einen majestätischen Elandbullen im Fadenkreuz erscheinen, der sich in den Schatten eines Dornenbusches eingeschoben hat ... Doch der Reihe nach.

Auftakt

Der sibirischen Kaltfront mit Temperaturen von Minus 17 Grad Celsius sowie einem drohenden Streik der Frankfurter Fluglotsen in letzter Minute entflohen, lande ich wohlbehalten auf dem O.R.-Tambo-Flughafen in Johannesburg. Bei sommerlichen 35 Grad Celsius empfängt mich mein Bruder Chris, den ich seit über 3 Monaten nicht gesehen hatte. Eine gemeinsame Jagdreise nach Botswana, das sollte das jagdliche Highlight seiner Weltreise mit Stationen in Brasilien, Argentinien, China und Indien sein.

Mit dem zur WM 2010 neu gebauten Schnellzug „Gautrain“ geht es in den Johannesburger Vorort Sandton, wo wir unser Hotelzimmer im 15. Stock beziehen. Abends treffen wir uns mit dem südafrikanischen Jagdfreund meines Bruders, dem erfahrenen Professional Hunter (PH) Kevin Schwartz, der uns herzlich empfängt. Bei einem saftigen 300g-Filet-Steak und kühlem Windhoek-Bier erzählt er uns spannende Geschichten von der Büffeljagd, sowie von der ausufernden Wilderei auf die letzten Nashörner Südafrikas. Über 400 Nashörner sind allein im letzten Jahr in Südafrika von organisierten Banden gewildert worden. Damit hat die Wilderei auf die Dickhäuter einen traurigen Rekord erreicht. Die südafrikanischen Behörden setzen mittlerweile bei der Bekämpfung der Nashornwilderei auch das Militär ein, bisher leider ziemlich erfolglos.

This is Africa

Am nächsten Morgen reißt uns der Wecker um 5:00 Uhr aus dem Schlaf, wir dürfen ja unseren Anschlussflug mit der Air Botsuana nach Maun nicht verpassen. Laut Flugplan im Internet ist der Flieger pünktlich. Am Flughafen erwartet uns allerdings eine Überraschung. Der Flug ist abgesagt, und das ohne vorherige Ankündigung. Alles Kopfschütteln und Schulterzucken nützt nichts. Wie sagt man doch so schön - „TIA - this is Africa“. Wenigstens werden wir nach kurzem Palaver auf den Nachmittagsflug umgebucht. Mit weiterer Verspätung hebt die kleine British Aerospace BAe 146 dann doch noch ab - es geht in Richtung Maun, quer über die Kalahari-Wüste.

Botswana ist mit annähernd 600.000 km² etwas größer als Frankreich. Die Kalahari-Wüste macht über 80 % des Landes aus, und mit weniger als zwei Millionen Einwohnern ist Botswana daher eines der am dünnsten besiedelten Länder der Erde. Die Kalahari besteht vorwiegend aus Dorn- und Grassavanne, durchzogen von Salzpfannen, in der sich während der Regenzeit im Sommer große Seen bilden. Im Nordwesten des Landes befindet sich das berühmte Okavango- Delta mit seiner einzigartigen Pflanzen- und Tierwelt.

Der Februar ist eigentlich keine typische Reise- bzw. Jagdzeit in Botswana, denn die Temperaturen von über 35 Grad Celsius und die hohe Luftfeuchtigkeit sind nicht jedermanns Sache. Auf der anderen Seite ist die Landschaft jetzt wunderbar grün und saftig. Und körperlich anstrengende Jagd hat uns noch nie geschreckt....

Das Flughafengebäude des „International Airport“ in Maun ist, gelinde gesagt, übersichtlich. Es beherbergt auf ca. 60 qm den Check-in-Schalter, die Pass- und Sicherheitskontrolle, Gepäckabfertigung und Wartehalle. Die Koffer werden per pedes in die Flughafenhalle gebracht. Unser Jagdführer, Riaan, ein junger Botswaner, empfängt uns, und mit einem Land-Cruiser machen wir uns auf den dreistündigen Weg zum Jagdgebiet. Die Straße führt schnurgeradeaus und ist vereinzelt von Schlaglöchern durchsetzt. Immer wieder müssen wir bremsen und ausweichen, weil entweder Einheimische gemächlich auf der Straße schlendern oder aber Wildesel die geteerte Piste als Teil ihres Territoriums sehen. Schier sintflutartige Wassermassen aus Angola haben vor einigen Monaten sämtliche Brücken über den Okavango zum Einsturz gebracht, die nunmehr durch Schotterpisten behelfsmäßig ausgebessert sind.

Das Camp

Unser Jagdcamp liegt inmitten der Kalahari, einige Kilometer nördlich der kleinen Siedlung Ghanzi. Bereits auf der Fahrt zeigt sich deutlich, dass die Kalahari keine Wüste im eigentlichen Sinne ist, sondern eine von zahlreichen Büschen und Bäumen durchsetzte Steppenlandschaft, die jetzt im Februar im herrlichsten Grün leuchtet. Die Kalahari ist zugleich Hauptsiedlungsgebiet der San-Buschmänner. Die San gelten als die ersten Bewohner Afrikas und bilden nach Meinung von Experten sogar die Wurzel des menschlichen Stammbaums. Die San sind ausgezeichnete Fährtenleser, weshalb sie bei Berufsjägern im südlichen Afrika als „Tracker“ sehr begehrt sind. Riaan erwähnt, dass wir das große Glück haben werden, mit ausgezeichneten Fährtenlesern vom Stamme der Naro zu jagen. Die urtümlich anmutende Sprache der Naro beinhaltet allein 7 verschiedene Klicklaute.

Es ist eher ungewöhnlich, dass Nicht-Farbige der Naro-Sprache mächtig sind, denn normalerweise wird diese Sprache nur innerhalb des eigenen Stammes weitergegeben. Doch unser Jagdführer Riaan hat als Kind seine Schulferien regelmäßig in Botsuana auf der Farm seiner Eltern verbracht. Dort lernte er sowohl die Jagdgebräuche als auch die Sprache der auf der Farm angestellten Naro. Mittlerweile spricht er fließend Naro, was für eine reibungslose Kommunikation zwischen Fährtenlesern und Jagdführer sorgt und uns als Jagdgästen zugutekommt.

Mein Bruder und ich beziehen unsere gemauerten, reetgedecken Chalais mit eigenem Bad. Das Camp wurde vor ca. 20 Jahren von dem Jagdveranstalter Clive selbst erbaut und liebevoll ausgestattet. Zum Camp gehört eine Wasserstelle, die sich hervorragend für Tierbeobachtungen eignet und die von einer Flußpferdfamilie bewohnt ist. Das Gebiet, auf dem wir jagen werden, umfasst 120.000 Hektar unberührter Wildnis. Dies entspricht etwa der Hälfte der Fläche des Saarlands.

Der Himmel färbt sich feuerrot und die Hitze des Tages lässt langsam nach. Am Lagerfeuer entspannen wir bei einem kühlen Drink, gemixt von dem Barmann Johnson, der ebenfalls zum Stamme der Naro gehört. Riaan berichtet, dass in letzter Zeit die Fährten einer starken Leopardin in Campnähe gesichtet wurden. Unwillkürlich sehe ich mich um: der Gedanke, dass eine Leopardin nachts durch unser Camp schleichen könnte, behagt mir nicht wirklich...

Trotz der ungewohnten nächtlichen Geräusche der Kalahari-Bewohner falle ich schnell in einen tiefen Schlaf, gelegentlich unterbrochen vom Grunzen der Hippos, die ganz in der Nähe meiner Behausung äsen.

Diana lächelt

Ein Weckteam, bestehend aus zwei Naro-Frauen, weckt uns mit lautem Trara um 5.00 Uhr. Ich genieße den kühlen nächtlichen Luftzug auf der Terrasse meines Chalais. Mit meinem handlichen 8 X 32-Glas beobachte ich beim ersten Licht drei Wasserböcke beim Äsen. Hier gibt es kein Handynetz, Entspannung pur. Handtellergroße Falter umschwirren die Lampe vor meiner Terrasse, Grillen zirpen. Langsam erwacht der Tag. Vor dem Essensgebäude prasselt schon wieder leise das Lagerfeuer.

Gegen 6:00 Uhr heißt es „Aufbruch zur Jagd“. Zunächst wollen wir einen Probeschuss machen. Wir haben auf die Mitnahme eigener Büchsen verzichtet, da die Erfahrung gezeigt hat, dass die Jagdanbieter vor Ort in der Regel über eine hervorragende Ausrüstung verfügen, die an die Bedürfnisse des jeweiligen Jagdgebietes angepasst ist. Meine Wahl fällt auf eine Musgrave im Kaliber .30-06, während mein Bruder eine Sako im Kaliber 7 mm Rem. Mag wählt. Die Probeschüsse sitzen im Schwarzen und wir sind bereit.

Auf dem offenen Pirschwagen, gefahren von dem Naro-Buschmann George, geht es los zur ersten Pirschfahrt. Mit einem langen dünnen Stab, ähnlich einem Taktstock, gibt Riaan unserem Fahrer die Richtung vor, in die der Pirschwagen fahren soll. Auf der deutlich erhöhten Rückbank stehend, kommt er mit dem langen „Taktstock“ leicht bis an die Windschutzscheibe, um den Wagen etwa durch zweimaliges Antippen zum Stehen zu bringen oder George durch Vorgabe der Richtung zum Abbiegen zu bewegen. Riaan, Chris und ich stehen oben auf dem Wagen, hinter uns halten die Buschmänner Besa und Matlewa Ausschau nach Wild. Sie scheinen die Tiere eher zu spüren als zu sehen, jedenfalls ist ihre Beobachtungsgabe phänomenal. Schnell lernen wir auch, uns zu ducken, wenn der Safariwagen einen Baum mit überhängenden Ästen passiert. Nicht mehr als einmal lassen wir uns Gesicht und Hände von dornentragenden Zweigen zerkratzen.

Den Vormittag verbringen wir mit dem Abfährten von Elandwechseln, da ich bereits seit Jahren den sehnlichen Wunsch hege, auf einen dieser lautlosen Riesen zu waidwerken. Ich bin fasziniert von den Fähigkeiten der Naro-Tracker, die schon bald eine Fährte aufgenommen haben und dieser unentwegt folgen. Nach einigen Stunden brechen wir die Pirsch ab, da kein Herankommen möglich ist ...


Am Nachmittag zieht der Himmel sich plötzlich zu und es bilden sich dichte Gewitterwolken, die sich drohend auftürmen. Das saftige Hellgrün des Buschwerks und der leuchtend rote Sand des Wüstenbodens bilden hierzu einen imposanten Gegensatz. Der Fährtenleser Besa macht ein Rudel Gnus aus, auf die mein Bruder waidwerken will. Jetzt gilt es. Leise schieben wir uns durch das Buschwerk vorwärts. Der Wind steht gut, er zieht beständig auf die aufkommende Gewitterfront in unserem Rücken zu. Geduckt und auf jeden trockenen Ast auf dem sandigen Boden der Kalahari-Wüste achtend, pirschen wir leise hinter Besa her. Wir nähern uns dem Rudel auf etwa 80 Meter. Gedeckt hinter einem Akazienstrauch glasen wir das vor uns äsende Rudel ab. Riaan stößt einen leisen Pfiff aus und mein Bruder umgreift die Büchse in freudiger Erwartung eines braven Gnubullen fester...

Ein Blick durch die Zieloptik lässt aber nicht etwa ein Gnu, sondern einen kapitalen, alten Elandbullen im Fadenkreuz erkennen, der sich äsend in den Schatten eines Dornenbuschs eingeschoben hat. Das ist wahrlich ein Prachtkerl, die Decke aufgrund des hohen Alters bereits blaugrau schimmernd, die Stirnlocken dunkelbraun verfärbt und die prächtig gedrehten Hörner schwarz glänzend. „Einen braveren Bullen werdet ihr hier nicht finden“, kommentiert der erfahrene Jäger Riaan. „Bist du bereit?“ fragt er und sieht mich an.

Mein Entschluss steht fest. Wenn einen die Jagdgöttin derart anlächelt, sollte man zugreifen. Bereits seit meiner ersten Jagdreise ins südliche Afrika vor über 10 Jahren bin ich fasziniert von den größten Antilopen Afrikas, die von den Buschmännern als heilige Tiere verehrt werden. Ich bringe die Sako im Kaliber 7mm Rem. Mag über den dreibeinigen Pirschstock vorsichtig in Anschlag ... der Bulle steht spitz zu uns, doch Riaan signalisiert mir zu warten, bis er breit steht. Ich will kein unnötiges Risiko eingehen, dieses herrliche Tier waidwund zu schießen. Aufgrund ihres massiven Körperbaus und mit bis zu einer Tonne Lebendgewicht sind Elandbullen sehr schusshart. Die erste Kugel muss sitzen.

Äsend und immer wieder verhoffend zieht der Bulle in etwa 100 Metern Entfernung aus der Deckung, wobei das Blatt aber immer von hohen Büschen verdeckt bleibt. Adrenalin schießt mir ins Blut, ich muss meinen Atem beruhigen und meinen Puls unter Kontrolle bringen. Ich erinnere mich an Jagdberichte von Waidmännern, die - geschüttelt vom Jagdfieber - aus überschaubaren Distanzen Elche oder sogar Elefanten verfehlt haben. Dies kann ich nun nachvollziehen. Das Jagdfieber hat mich erbarmungslos gepackt ... Ich warte, bis der Bulle breit steht, atme tief ein und wieder aus, dann verlässt das 11,34 Gramm Rem.-Express-Core-Lokt Geschoss den Lauf. Der Bulle zeichnet deutlich, spreizt die Vorderläufe und dreht ab. Repetieren und erneutes Zielen sind eins, das Blatt ist nach wie vor frei. Dann ist auch schon der zweite Schuss aus dem Lauf. Der Bulle dreht sich, strauchelt und kommt zu Fall, Staub wirbelt. „Good shooting!“ lobt Riaan erleichtert.

Ehrfürchtig treten wir zu dem gefallenen Riesen und ich gebe ihm den letzten Bissen. In Stille und voller Dankbarkeit genießen wir diesen Moment. Dann ist es Zeit, mit einem kühlen Windhoek-Lager auf mein unerwartetes Waidmannsheil anzustoßen. Was für ein Auftakt für unsere Kalahari Jagd in der Wüste Botswanas!

Spannende Orxypirsch

Auf den morgendlichen Pirschfahrten haben wir Gelegenheit, Interessantes über das Leben der Buschmänner zu erfahren. Riaan erklärt uns z.B. den „Buschmann-Kompass“. Hierbei handelt es sich um Nester der Siedlerweber, die meist an der Westseite eines Baumes oder Buschs gebaut sind und den Buschmännern daher auch ohne Kompass stets eine Orientierung ermöglichen.

Unser nächster Pirschgang gilt der grazilen und wehrhaften Oryxantilope, die das Wappen Namibias ziert. Wir sitzen vom Pirschwagen ab und überqueren eine weitläufige Grasfläche, die vereinzelt mit Büschen und Totholz durchsetzt ist. Tief geduckt pirschen wir uns im Schutze eines Dornenbusches auf etwa 120 Meter an eine natürliche Wasserstelle heran, an der die großen Antilopen gerne schöpfen. Tatsächlich - am Rande des Wasserlochs erspähen wir ein Rudel von sieben Oryx-Antilopen, die sich niedergetan haben. Auf allen Vieren pirschend schieben wir uns langsam voran. Aufmerksam und mit scheinbar fragendem Blick beobachtet ein braver Warzenkeiler unsere Annäherung an das Rudel. Als wüsste er, dass es heute nicht ihm gilt.....

Hinter einem dünnen Dornenbusch beziehen wir schließlich Position. Christoph macht sich im Sitzen zum Schuss fertig und hat die Büchse auf den dreibeinigen Pirschstock aufgelegt. Besa beginnt mit dem linken Arm zu winken, und der Bulle sichert zu uns herüber. Jetzt geht alles sehr schnell. Der Bulle kommt auf die Läufe und schon ist die Kugel raus. Sie trifft den Gemsbock spitz von vorn. Er zeichnet deutlich, dreht ab und geht runter. Chris repetiert schnell nach, doch dann ist der Bulle auch schon wieder hoch, wenn auch sichtlich getroffen. Ein Nachschuss auf die flüchtende Antilope geht vorbei. Jetzt flüchtet der Gemsbock in hoher Geschwindigkeit. Ein weiterer Nachschuss auf den fliehenden Bullen geht fehl. Jetzt wird es hektisch. Wir verlassen unsere Deckung und in vollem Galopp stürmen wir hinter der Antilope her, um eine langwierige Nachsuche auf diesen zähen Wüstenbewohner zu vermeiden. Doch schnell zeigt sich, dass bereits der erste Schuss im Leben saß. Nach ungefähr 300 Metern wilder Flucht geht die Oryx endlich nieder. Christoph kann den Fangschuss antragen und Stille kehrt ein. Wir bewundern den braven Bullen, der den letzten Bissen erhält. Den Einheimischen ist dieser Brauch zwar fremd, dennoch verfolgen sie unser Tun mit Interesse und gebührendem Respekt.

Die Nachmittagssonne brennt heiß und durch unsere Pirsch haben wir uns weit vor unserem Fahrzeug - und damit auch weit von den kühlen Getränken - entfernt. Doch zum Glück haben wir unseren Buschmann-Tracker Besa dabei. Eifrig gräbt er nach einer Wurzel und bringt eine Knolle zum Vorschein, die nach einer Mischung aus einer Kartoffel und einem Radieschen aussieht. In der Sprache der Naro wird sie als „Klick-uru“ bezeichnet. Besa schält die Wurzel und gibt sie uns zum Probieren. Die Wurzel enthält einen großen Anteil an Feuchtigkeit und schmeckt angenehm süßlich. Jetzt wissen wir, wie die Buschmänner auch ohne Wasser in der Wüste überleben können. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob auch ich die Wurzel aus der Vielzahl der hier wachsenden Pflanzen an ihren Blättern wiedererkennen würde.

Wir lassen den Jagdtag mit kühlen Getränken ausklingen, wie immer prasselt das Lagerfeuer. Wir trinken Christophs Oryx tot. Fliegen surren und Grillen zirpen. Schakale heulen in der Nähe des Camps und leise klirren die Eiswürfel in den Gläsern.

Zum Dinner gibt es Elandsuppe, gefolgt von Elandsteaks. Da der Bulle, den ich am Vortag erlegen konnte, doch schon ein älteres Semester war, werden unsere Kaumuskeln entsprechend beansprucht.

Nach dem Essen sitzen wir noch gemütlich am Lagerfeuer zusammen. Riaan erzählt von den außergewöhnlichen Fähigkeiten der Fährtensucher, die nicht nur jegliche Tierfährte, sondern auch die Fährte von Menschen spursicher verfolgen können. Er erzählt, wie diese Fähigkeit bereits zweien seiner Jagdgäste das Leben rettete. Nach erfolgreicher Jagd gönnten sich zwei italienische Jagdgäste einen freien Tag im Camp und hatten bereits angekündigt, einen kleinen Pirschgang zur Wildbeobachtung in die nähere Umgebung unternehmen zu wollen. Es kam, wie es kommen musste. Der Abend graute und die Jagdgäste waren nicht zurück von ihrem Ausflug. Ohne Handynetz gab es auch keine Möglichkeit, Kontakt mit den beiden aufzunehmen. Jetzt waren alle in Alarmbereitschaft. Sofort wurden alle verfügbaren Naro-Stammesangehörigen, die des Färtenlesens kundig waren, zusammengetrommelt. Über mehrere Stunden verfolgten sie die Fährte der beiden Italiener im Lichte von Taschenlampen auf dem staubigen Wüstenboden und ließen sich dabei trotz Dunkelheit nicht von der Spur abbringen. Schließlich wurden die beiden gefunden. Sie hatten sich völlig verlaufen und schließlich unter einem Baum ein Nachtlager bereitet, um in Ungewissheit über ihr weiteres Schicksal dem kommenden Morgen entgegen zu harren.

Auf Kalahari-Springbock

Bereits eine Viertelstunde nach Verlassen des Camps entdecken wir ein stark lahmendes Springbockweibchen. Ein klarer Hegeabschuss. Es hat sich in eine Dickung eingeschoben. Doch für das 7 mm Rem. Mag. Geschoss sind die vor dem Wildkörper befindlichen Zweige des Dornenbuschs kein Hindernis, und das Tier verendet im Knall. Riaan bestätigt die bereits vermutete Fraktur des rechten Vorderlaufs. Es handelt sich um ein wirklich altes Stück, Riaan schätzt es auf 12 Jahre. Das Weibchen hätte wohl auch ohne die Verletzung die nächste Saison nicht überlebt. Für mich ist dies ein ganz besonderes Erlebnis, denn dies ist der erste Springbock, den ich erlegen durfte. So freue ich mich natürlich ganz besonders über diese Gelegenheit.

Nur eine halbe Stunde später entdecken die scharfen Augen von Besa einen starken Springbock in einem kleinen Rudel. Die Springbock-Population in dieser Gegend ist durch starke Eingriffe von Räubern in den letzten Jahren stetig gesunken. Dem Rechnung tragend, will ich nur einen reifen Bock erlegen, der bereits ausreichend Gelegenheit hatte, seine Gene weiterzugeben. Leise pirschen wir uns im Gänsemarsch auf dem sandigen Kalahariboden näher an das Rudel heran. Zielsicher führt uns Besa bei gutem Wind in einem großen Halbkreis näher an das Rudel heran. Jetzt heißt es auf jeden trockenen Ast, auf jeden Zweig zu achten. Denn bereits das kleinste Geräusch kann den Jagderfolg vereiteln. Die letzten Meter bewegen wir uns auf allen Vieren pirschend vorwärts. Zwar hat der Sandboden den nächtlichen Regen quasi verschluckt, doch das Wüstengras und niedrige Büsche sind zum Teil noch ziemlich nass, so dass unsere Hemden, Hosen und Jagdstiefel bald vor Nässe triefen. Endlich - wir sind heran. Das Glas bestätigt einen braven Bock, der auf etwas mehr als 100 Meter zu uns zurück sichert. Riaan stellt den dreibeinigen Pirschstock auf, und ich bereite mich mental auf den Schuss vor. Jetzt steht der Bock breit, doch ist das Rudel nervös und hat wohl doch etwas von unserer Anwesenheit mitbekommen. Der Bock dreht sich und steht spitz zu uns. Ich ziele auf den Stich und lasse fliegen. Erleichterung - der Schuss sitzt. Ein braver Springbock ist zur Strecke gekommen, und das ganz unverhofft. Schon lange wollte ich auf dieses wunderbare Wild waidwerken und nun hatte ich das Glück, gleich zweimal an einem Morgen auf das Wappentier der Republik Südafrika zu pirschen.

Hin und wieder können wir Gabelracken (engl.: Lilac Breasted Roller) beobachten. Diese äußerst farbenfrohen Gesellen (Brust violett, Kopf grün mit rotem Gesicht, Bauch und Unterseite der Flügel in einem leuchtenden Hellblau) sind die Nationalvögel Botswanas. Riaan erklärt uns, dass ein Aberglaube hinsichtlich dieser Vögel weit verbreitet ist. Überfährt eine Frau einen dieser Vögel mit dem Auto, werde sie kurze Zeit später schwanger. Riaan meint, dass aus diesem Grund besonders darauf geachtet werde, keinen dieser Vögel zu überfahren. Ich äußere die Vermutung, dass vielleicht manche Frauen extra das Gaspedal drücken, wenn sich einer dieser gefiederten Burschen nähert ... was der frisch verheiratete Riaan mit einem Schmunzeln quittiert.

Um die Mittagszeit steht die Sonne fast im Zenit und wir ziehen uns in den Schatten einer großen Akazie zurück, die am Rand einer mit Wasser gefüllten Salzpfanne liegt. Christoph und ich nehmen auf zwei Feldstühlen unsere Position ein. Hohes Schilfgras versperrt einen Teil der Sicht, so dass Riaan und Besa sich etwas abseits positionieren. Sie können jetzt den verbleibenden Teil der Felsenwanne abglasen. Dieser Ort wird laut Riian häufig von Warzenkeilern frequentiert und auch wir hoffen, heute hier Beute zu machen. Während des über fünfstündigen Ansitzes sehen wir unzählige Warzenschweine, aber es handelt sich entweder um führende Bachen mit Frischlingen oder um Überläuferkeiler. Nicht ein Kapitaler ist dabei. Es ist zum Aus-der-Haut-Fahren ...

Nachmittags brechen wir hier die Zelte ab und beschließen einige andere Wasserstellen anzupirschen. Das überkniehohe Gras erschwert die Sicht auf etwaige passende Keiler erheblich. Allerdings lässt es sich auf dem sandigen Boden der Kalahari fast lautlos pirschen. Als wir eine Wasserstelle anpirschen, geht vor uns ein Keiler flüchtig ab und dreht in ca. 20 Meter Entfernung nach links ab, wobei er seine Flanke freigibt. Christoph hat die Sako bereits angebackt, entsichert und zieht mit dem fliehenden Keiler mit. Er lässt fliegen - der Keiler hat Schuss! Schnell repetiert und dem Wild hinterher, im Laufschritt durch Büsche und Sträucher. Christoph möchte verhindern, dass der Keiler in einen Erdbau einschlieft, aus dem wir ihn nicht mehr rausbekommen. Doch so weit kommt es nicht. Ein Nachschuss bannt den flüchtigen Bassen auf den Fleck. Waidmannsheil zu Christophs erstem Warzenkeiler! Insgesamt hatte Besa heute 71 Warzenschweine gesichtet, aber dies war der einzige starke Keiler.

Wundfährte im Gewittersturm

Zunächst ist guter Rat teuer. Wir haben noch fast zwei volle Jagdtage, aber alle unsere geplanten Abschüsse sind bereits erledigt- und unser Geldbeutel ist entsprechend leer. Eigentlich war ja auch die Jagd auf Gnus fest eingeplant gewesen, aber da unser Budget bereits ausgeschöpft ist, müssen wir das wohl verschieben. Oder doch nicht? Riaan zieht sich in sein Chalet zurück, um unsere Optionen in Ruhe mit dem Outfitter zu sprechen. Chris und ich warten am Feuer, angespannt, wie es jetzt wohl weitergehen wird. Riaan kommt mit äußerst guten Nachrichten zurück. Unser Abenteuer ist noch lange nicht vorbei. Wir dürfen uns an einer Reduktionsjagd auf Gnus und Elands beteiligen. Auch ein Gnu-Trophäenbulle ist freigegeben. Für Anfang nächster Woche wird eine größere Reisegruppe für das „Foto-Camp“ erwartet, und auch diese Gruppe will verpflegt sein! Da lassen wir uns nicht lange bitten, wir wollen doch nicht, dass die Gäste hungern!

Als wir am Nachmittag das Camp verlassen, ist mir angesichts der zunehmenden Bewölkung nicht wohl zumute. Es hat sich eine üble Gewitterfront zusammengebraut, die den Himmel verdunkelt und in Form einer tiefschwarzen Wand drohend näher zieht. Der Wind frischt merklich auf. In der Ferne durchzucken grelle Blitze das Dunkel der Wolkenmasse, und Donner rollt heran. Auf dem Dach des Pirschwagens fühle ich mich wie auf dem sprichwörtlichen Präsentierteller, zumal der uns umgebende Bewuchs niedriger als der Wagen ist. Der Wagen ist ein wahrer Magnet für Blitze. Der Land-Cruiser quält sich durch die vom peitschenden Regen aufgeweichte Sandpiste. Ein Rudel Gnus hat sich in den Schutz einer Gruppe Akazien zurückgezogen. Doch Besas Adleraugen entgehen sie nicht. Nach kurzer Pirsch beschießt Christoph einen jungen Gnubullen auf ca. 100 Meter spitz vor vorne, das Tier geht mit einem Kammerschuß zu Boden. Die Tracker machen sich an die Versorgung des Bullen. Wir pirschen sofort weiter, denn Besa hat nicht weit entfernt einen verhoffenden, alten Streifengnu-Bullen ausgemacht. Noch verhofft der Bulle, und Christoph lässt fliegen. Doch der Schuss sitzt etwas zu tief und trifft den rechten Vorderlauf ... das Tier geht flüchtig ab. Nach wie vor regnet es wie aus Kübeln und es blitzt. Doch wenigstens befinden wir uns nicht mehr auf dem Dach des Land-Cruiser ... Mein einziger Wunsch ist gerade, heil aus diesem Unwetter wieder herauszukommen. Und doch erfordert die Waidgerechtigkeit eine umgehende Nachsuche. Jetzt ist die Stunde der Buschmann- Fährtenleser gekommen.

Zunächst gilt es, die Fährte des verwundeten Tieres unter der Vielzahl der Hufabdrücke auszumachen, wobei der starke Regen auf dem sandigen Untergrund alle Anstrengungen zunichte zu machen droht. Doch unbeirrbar nehmen Besa und sein älterer Stammesgefährte und Lehrmeister Matlewa die Fährte auf. Hierbei achten sie weniger auf die kaum wahrnehmbare Schweißspur als vielmehr auf die verstärkte Spreizung der Schalen des linken Vorderlaufs. Denn aufgrund der Verwundung schont der Bulle seinen rechten Vorderlauf und belastet den linken Lauf stärker. Riaan weist mich an, mich ebenfalls zu bewaffnen. So tausche ich meine Spiegelreflexkamera gegen die alte Musgrave im Kaliber .30-06 und folge ebenfalls der Wundfährte. Zum Glück lässt der Regen bald nach, doch unsere Hemden, Hosen und Jagdstiefel triefen vor Nässe. Mittlerweile ist über eine Stunde vergangen und mit pochendem Puls und keuchendem Atem verfolgen wir weiter die Fährte. Hinter einer Dickung wird der Bulle plötzlich hoch und geht sofort wieder flüchtig ab. Christoph und ich schießen je zwei Mal nach, doch alle vier Schüsse verfehlen das Tier, es ist wie verhext ...

Weiter geht die Nachsuche. Einige Male müssen wir auf unseren eigenen Fährten zurück, um kurz darauf die Wundfährte in korrigierter Richtung wieder aufzunehmen. Mittlerweile dunkelt es schon, doch immer wieder holen wir den Bullen ein. Da ist er ... Christoph schießt, trifft aber nicht. Der Bulle flüchtet erneut. Ich gehe in Anschlag, zögere noch eine Sekunde - jetzt habe ich ihn frei und lasse fliegen. Mit einem „Texas Heart Shot“, einem schnellen Schuss auf die Wirbelsäule des fliehenden Bullen, geht dieser zu Boden. Das 11,34 Gramm schwere Geschoß hat die Wirbelsäule durchschlagen, der Bulle ist im Knall verendet. Uns allen fällt ein Stein vom Herzen, diese Nachsuche hatte es wirklich in sich. Dank der außerordentlichen Fähigkeiten unserer Spurenleser ist das verwundete Tier doch noch zur Strecke gekommen. Wieder einmal zeigt sich die Zähigkeit dieser Antilopenart: Obwohl der erste Schuss den Oberschenkelknochen des Vorderlaufs völlig zerstört hatte, floh das Gnu noch über eine Distanz von mehr als 3 Kilometer ...

Zurück im Camp serviert Johnson Oryx-Kebabspieße unter dem afrikanischen Sternenhimmel, gefolgt von Springbocksuppe und dicken Steaks, die Riaan fachmännisch auf dem Grill zubereitet. Clive berichtet, dass die Geschäfte wegen zunehmender Repressalien gegen die Jagdindustrie seitens des Präsidenten Ian Khama nicht mehr gut laufen. In Botswana werden immer mehr Konzessionen für die Jagd geschlossen und die vormaligen Jagdblöcke an Tourismusunternehmen vergeben. Möglicherweise ist dies für uns eine der letzten Gelegenheiten, in diesem wunderbaren Land zu jagen.

Buschfeuer

Noch einmal reißt mich der Naro-Weckdienst um fünf aus tiefem Schlaf. Kurzes duschen, dann rein in die namibianischen Robbenlederstiefel, die sich bisher gut bewährt haben. Darüber trage ich Gamaschen, die das Eindringen von Nässe und Schmutz verhindern. Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50 ist hier ein Muss. Da insbesondere auf der Frühpirsch auf dem Dach des Jagdwagens kühle Temperaturen herrschen, bin ich froh über meine gefütterte Jacke und ein grünes „Shemag“-Halstuch, das später am Tag, um den Kopf geschlungen, als Sonnenschutz dient.

Wieder bewegt sich eine mehrere Kilometer hohe, tiefschwarze Wolkenwand auf uns zu, aus der vereinzelt grelle Blitze zucken. Der Geruch von Rauch liegt in der Luft. Durch die heftigen Blitzeinschläge hat sich ein Buschfeuer entzündet, das nun in nicht allzu weiter Entfernung wütet und schnell außer Kontrolle gerät. Per Funk wird Clive benachrichtigt, der sofort ein Team losschickt, um die genauen Ausmaße des Buschfeuers in Augenschein zu nehmen und, wenn nötig, geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Währenddessen setzen wir unsere Suche nach einem geeigneten Gnu-Bullen fort. Kurz vor 11 Uhr, die Sonne brennt bereits heiß, entdeckt Besa linker Hand im dichten Busch einen alten Gnubullen. Der scheint zu passen. Die letzten Meter legen wir auf allen vieren zurück. Der Bulle steht in einer kleineren Lichtung zwischen zwei Dornenbüschen. Leider habe ich kein freies Blickfeld, sondern muss hinter einem Dornenbusch Deckung suchen, da der Bulle bereits in unsere Richtung äugt. Riaan raunt, ich solle mich auf dem Bauch pirschend alleine vorwärts bewegen und den Bullen, wenn möglich, aus der liegenden Position beschießen. Gesagt, getan.


Ich lasse mich auf den Bauch nieder, krieche langsam vorwärts und wage kaum aufzusehen. Der Bulle steht mir spitz zugewandt. Langsam nehme ich die Büchse hoch. Das Fadenkreuz fasst die Kammer des Bullen. Ich atme noch einmal tief durch und erhöhe langsam den Druck auf den Abzug. Der Schuss bricht. Das 11,34 Gramm Geschoss durchschlägt die Kammer. Dennoch springt der Bulle in einem großen Satz nach rechts ab, dreht sich wild um 180 Grad und flieht in weitem Bogen hinaus aus unserem Sichtfeld und hinein in den dichten Busch. Wir springen auf und eilen hinterher...Die Fluchtdistanz beträgt trotz Kammerschuss noch 300 Meter! - Dann sehen wir ihn liegen.

Es handelt sich um einen ca. zwölfjährigen Bullen. Die Hörner sind bereits etwas zurückgesetzt und verfügen über eine deutliche Maserung. Die dunkle Decke glänzt in der Mittagssonne, und ich bin überglücklich über diesen Jagderfolg. Anfangs hatte mein Bruder Christoph mich eher überreden müssen, auf ein Gnu zu waidwerken, da ich seine Faszination für diese archaisch anmutenden Antilopen nicht teilen konnte. Seitdem ich jedoch auf dieser Reise Gelegenheit hatte, diese Tiere in ihrer natürlichen Umgebung kennen zu lernen, bin auch ich fasziniert von ihrer Zähigkeit, ihrem unbändigen Überlebenswillen und ihrer urtümlichen Kraft.

Meine Flasche gut gekühlten Windhoek-Bieres ist noch nicht halb geleert, als bereits die ersten Geier über uns kreisen, in der Hoffnung, etwas von Festmahl abzubekommen.

Den Abend lassen wir gemeinsam mit Clive, seiner Frau Linda und seinem Vater sowie Riaan am Lagerfeuer ausklingen. An die Abreise morgen möchten wir noch gar nicht denken. Noch sind wir hier und genießen mit allen Sinnen die Gerüche, die Geräusche und die nicht in Worte zu fassende Faszination einer Jagdsafari im Herzen der Kalahari-Wüste Botswanas.

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Jagdabenteuer auf drei Kontinenten

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