Читать книгу Dir verziehen - Paula Bergström - Страница 6
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ОглавлениеBlair Franklin, der 7. Duke of Rathbone, traute seinen Sinnen noch immer nicht, als er sich das Gesicht der Hutverkäuferin in Erinnerung rief. Er saß im Kaminzimmer mit einem Glas Port in der Hand, an dem er bedächtig nippte. Doch sie war es wirklich, daran gab es keinen Zweifel. Sein Körper hatte sofort auf sie reagiert, obwohl sie sich überhaupt nicht berührt hatten. Als wären sie zwei chemische Substanzen, die man in einen Glaskolben gibt, hatte es eine Reaktion gegeben, die dem Urknall nahekam. Genau wie vor drei Jahren, oder waren es bereits vier? Er konnte es nicht mit Sicherheit sagen, jedoch erinnerte er sich sehr klar an ihre grünen Augen, die ihn immer so intensiv angeblickt hatten, und das rabenschwarze Haar, das wie poliert glänzte. An ihren sinnlichen Erdbeermund und die feinen Züge. Was in Gottes Namen tat sie als Verkäuferin in einem Hutladen? Sie war die Tochter eines Earls und hatte es nicht nötig, einer Arbeit nachzugehen.
Gwendolyn Beckfinch war die Frau, die er vor einigen Jahren auf ihrem Debütantinnenball kennengelernt und in die er sich augenblicklich verliebt hatte. Leider war es zu einem eklatanten Zwischenfall gekommen und bevor er darauf hatte reagieren können, war sie wieder aus seinem Leben verschwunden. Doch so wie es aussah, hatte er sie wiedergefunden. Diesmal würde sie nicht so einfach verschwinden, dafür würde er schon Sorge tragen.
Ein leises Klopfen an der Tür ließ ihn aufhorchen.
»Entschuldigen Sie, Euer Gnaden. Der Viscount of Beaufort wünscht, Sie zu sprechen.« Henry, der Hausdiener, blickte ihn entschuldigend an. Blair hatte darum gebeten, nicht gestört zu werden.
»Ich weiß, es ist spät, mein lieber Rathbone«, hörte Blair von der Tür her und sah seinen Freund Keaton Macmillan den Raum betreten.
»Danke, Henry, es ist gut.«
Der Diener verließ mit einem Nicken den Raum und schloss die Tür hinter sich.
»Darf ich dir ein Glas Port einschenken?«, fragte Blair und erhob sich aus dem Sessel.
»Gern. Ich bin eigentlich vorbeigekommen, um mit dir in den Klub zu gehen, doch finde ich dich in keiner amüsanten Laune vor. Was ist geschehen?«
Blair reichte seinem Freund ein Glas und setzte sich ihm gegenüber.
Keaton Macmillan, der Viscount of Beaufort, sah seinen Freund, den er bereits seit Kindertagen kannte, aufmerksam an. »Etwas stimmt mit dir nicht und ich will wissen, was los ist.«
»Ich habe sie heute wiedergesehen.« Das war das Einzige, was Blair für den Augenblick von sich geben konnte.
»Wen? Lady Ivory? Das ist doch nicht ungewöhnlich. Immerhin machst du ihr den Hof, weil du sie heiraten möchtest«, erwiderte Keaton und trank lächelnd einen Schluck.
»Ich rede nicht von Lady Ivory. Ich habe sie gefunden – Gwendolyn. Lady Gwendolyn Beckfinch.« Blair sah seinen Freund eindringlich an und nahm wahr, wie sein Blick sich merklich verdunkelte.
»Lady Beckfinch? Sie ist in London?« Keaton stellte überrascht das Glas auf dem kleinen Tisch neben dem Sessel ab.
»Sie ist nicht nur in London«, presste Blair zwischen den Zähnen hervor. »Sie arbeitet im Laden von Madame Coburn«, ließ er die Bombe platzen.
»Madame Coburn? Die Hutmacherin?«
Blair nickte düster.
»Sie arbeitet?« Keaton machte große Augen.
»So wie es aussieht, ja. Sie war seit diesem unglückseligen Abend verschwunden, und ich kann es nicht fassen, dass ich sie hier wiedergefunden habe.«
»Sie hatte doch Bath verlassen, um einen Skandal von ihrer Familie abzuwenden, nachdem du dich geweigert hast, sie zu heiraten.«
Blair wähnte einen Vorwurf hinter diesen Worten und wusste, dass Keaton recht hatte. Er hatte sich unehrenhaft verhalten, und durch seine Schuld hatte Gwendolyn ihre Familie verlassen müssen. Es gab nichts, wodurch das wiedergutzumachen war.
»Diese Frau hat verdammt viel Mut bewiesen, mehr als man von mir sagen kann. Es ist beschämend. Niemals hätte ich sie in London vermutet. Ich war der Meinung, dass der Earl of Hatfield sie zu Verwandten aufs Land geschickt hat, doch ich habe mich geirrt.«
Keaton nickte. »Ich habe gehört, dass Lady Gwendolyn das Haus in Bath verlassen hat, ohne eine Nachricht für die Familie zu hinterlassen. Man hatte gemunkelt, sie wäre mit einem Soldaten durchgebrannt …«
»Was sich im Nachhinein wohl als Irrtum herausgestellt hat«, bemerkte Blair und trank einen Schluck Port.
Keaton schlug die Beine übereinander und sah seinen Freund fragend an. »Was hast du jetzt vor? Warum warst du überhaupt bei Madame Coburn?«
»Ich habe Lady Ivory begleitet, weil sie sich einen neuen Sonnenhut kaufen wollte. Am Ende hat sie sich nicht entscheiden können und wir haben den Laden verlassen, ohne etwas zu kaufen.«
»Und Lady Gwendolyn?«
»Als sie mich gesehen hat, ist sie geradezu geflohen. Madame Coburn hat uns weiterbedient. Ich überlege gerade, ob es eine gute Idee wäre, mit Gwendolyn zu sprechen. Wird sie mir überhaupt Gehör schenken? Ich weiß es nicht.« Blair fuhr sich nachdenklich mit dem Zeigefinger über die Oberlippe.
»Was willst du ihr sagen?«
»Ich denke, ich sollte mich bei ihr entschuldigen. Das ist schon längst überfällig.«
»Und ihr gleichzeitig verkünden, dass du bald Lady Ivory zu deiner Frau machen willst?« Keaton lächelte vielsagend.
»Will ich das?«, fragte Blair und zog die Stirn kraus.
»Ich dachte, der Baron of Dorset wird auf dem Ball, den er am Wochenende gibt, deine Verlobung mit seiner Tochter bekannt geben.«
»Ja, so ist es abgesprochen. Doch je länger ich über diese Sache nachdenke, umso unsicherer werde ich, ob sie die Richtige ist.«
»Ob sie die Richtige ist? Oder liegt deine Unsicherheit darin begründet, dass Gwendolyn Beckfinch wiederaufgetaucht ist?«
Böse blickte Blair seinen Freund an. »Sie hat nichts damit zu tun.« Er erhob sich aus seinem Sessel. »Ich muss dich enttäuschen, aber ich bin heute nicht aufgelegt, dich in den Klub zu begleiten. Ich werde früh zu Bett gehen.«
»Nun gut, ich will dich nicht davon abhalten.« Keaton erhob sich ebenfalls und strich seinen Gehrock glatt. Mit einem Nicken verabschiedete er sich, wobei Blair das feine Lächeln auf den Lippen seines Freundes nicht entging. Nur knapp konnte er es sich verkneifen, Keaton erneut zu versichern, dass Gwendolyn Beckfinch seine Entscheidung auf keine Weise beeinflussen würde.