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ОглавлениеDie Nutte von Paula Cranford
Ich war jemand, den man wohl einen Spätzünder nennt. Im Allgemeinen und überhaupt, auch beim Sex. Meinen zwanzigsten Geburtstag feierte ich, ohne jemals mit einer Frau geschlafen zu haben. Mit zwanzig Jahren war ich also noch eine männliche Jungfrau. Das Schlimmste aber: Ich war der einzige in meinem Bekannten- und Freundeskreis, der sich in diesem Alter noch so betiteln musste. Es war mir unglaublich peinlich. Ich traute mich nicht, meine Jungfräulichkeit zuzugeben. Deshalb tat ich vor den anderen, als hätte ich schon längst mit Frauen geschlafen. Auch vor den Mädchen, die mich interessierten, und vor meinen Kumpels trat ich souverän sexgewandt auf. Gerade meine Kumpels hätten aus dem Wissen wahrscheinlich die unangenehmsten Dinge gedreht und mich nicht mehr in Ruhe gelassen, bis dieser unangenehme Zustand beendet gewesen wäre.
Also erzählte ich ihnen unaufgefordert, wen ich im Urlaub flachgelegt hatte und auch wie. Das war schwer nachprüfbar. Ich entwickelte im Laufe der Zeit eine recht gute, und vor allem glaubwürdige, erotische Erzählkunst. Die einzelnen Bausteine zu meinem fantasievollen Lügengebilde setzte ich aus meinen langjährigen visuellen Erfahrungen zusammen. Ich hatte so viele Pornos gesehen, dass ich als Profi auf der pornographischen Betrachtungsebene zu bezeichnen war. Ich sonnte mich unter den anerkennenden, wohlwollenden Blicken und Bemerkungen meiner Kumpels und geriet, einmal warmgesponnen, regelrecht in Rage beim Erzählen. Am Ende glaubte ich es manchmal fast selbst, dieses Lügengeflecht, das ich bravourös bastelte und strickte. Dass meine Wahrheit irgendwo zwischen stetiger Selbstbefriedigung und pornographischer Filmbetrachtung lag, machte mich in stillen Momenten sehr traurig.
Ich wusste gut, warum ich dem jungfräulichen Zustand noch nicht entkommen war. Es lag an mangelndem Selbstbewusstsein und meiner Schüchternheit. Ich traute mich einfach nicht, ein Mädchen anzusprechen, wusste nicht, wie ich es richtig anfangen und danach mit ihr tun sollte. Wenn ich jemanden kennenlernte, der mir gefiel, mit dem ich mindestens schlafen wollte, stand ich bloß da und wurde unsicher. Das kam nun wirklich nicht gut bei Frauen an.
Meine Freunde waren sehr viel cooler als ich. Die hatten es raus, wie man eine abschleppte. Die wussten, wie man Frauen schöne Augen machte und welche scharfen Worte man ihnen zuflüstern musste – gerade genug, um sie anzulocken und nicht als Perversling dazustehen.
***
Mein zwanzigster Geburtstag wurde ein Alkohol beseelter gemütlicher Abend unter Freunden. Ich warf zur Feier des Tages eine sehr delikate, angebliche Beischlafszene in die Runde. Und das, obwohl ich den ganzen Tag über recht deprimiert darüber sinniert hatte, ob ich wohl in diesem Lebensjahr endlich mal eine Frau vögeln würde. Ich wusste, so konnte es nicht weiter gehen, denn ich wurde müde, diese Geschichten zu erfinden. Außerdem hatte ich Angst, meine Freunde hätten irgendwann keine Lust mehr, meinen angeblichen Weiberheldentaten zu lauschen.
Umso erstaunter war ich, als mir Neal, einer meiner besten Kumpel, an meinem Geburtstag heimlich einen Zettel zusteckte.
»Was ist das?«, fragte ich.
Neal lächelte nett. »Das ist die Nummer von Veronica. Einer guten Bekannten.«
Ich verstand nicht. »Ja und ...?«
Neil klopfte mir fast väterlich auf die Schulter. »Ruf sie an. Sie weiß Bescheid.« Er sah meinen weiterhin unverständlichen Blick. »Frag nichts. Ruf sie einfach an. Glaub mir, du wirst es nicht bereuen.« Und dann ergänzte er: »Bei ihr bekommst du, was dir zum Mannesglück noch fehlt.«
Mit offenem Mund starrte ich ihn an.
»Alles gut, mein Freund. Ach, es ist übrigens schon alles bezahlt. Tu einfach nur, was du möchtest ...«
Mir wurde klar, dass Neil wusste, ich gab immer nur mit all meinen Weibergeschichten an. Er, und vermutlich die anderen auch, kannten die Wahrheit ...
Mein Gesicht verfärbte sich dunkelrot. Aber zumindest hatten sie mich nicht bloß gestellt, hatten mich nicht ausgelacht. Und jetzt bekam ich sogar eine Telefonnummer von einer Frau in die Hand gedrückt, die wahrscheinlich an der Beendigung meines jungfräulichen Zustandes aktiv beteiligt sein würde, die wahrscheinlich auch professionell genug war, um schweigend diesen Zustand zu meinem Vergnügen zu beenden.
Meine Freunde hatten also zu meinem Geburtstag zusammengelegt und mir einen Besuch bei einer Professionellen spendiert. So betracht, war das eigentlich sehr nett von ihnen ...