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WAS DU SCHON IMMER ÜBER SEX WISSEN WOLLTEST …

In diesem Buch beantworte ich die häufigsten Fragen, die mir in meiner Sendung „Paula kommt“ oder über Social Media gestellt werden. Manche davon sind grundsätzlich, wie zum Beispiel wie guter Sex geht, andere sind solche, über die meine Oma gesagt hätte: „Kurios, kurios. Dass ich das noch erleben darf.“ Ich freue mich, wenn du Vergnügen bei der Lektüre hast. Fast noch ein bisschen mehr freue ich mich, wenn ich die eine oder andere deiner Fragen beantworten kann. Eine der allerhäufigsten Fragen, die mir gestellt werden, ist:

Wie bist du eigentlich Sex-Expertin geworden?

Sehr gute Frage. Ich habe einmal gelesen, dass ein Experte jemand ist, der auf einem bestimmten Gebiet alle erdenklichen Fehler gemacht hat. Das erscheint mir logisch. Und so viele Fehler, wie ich gemacht habe – Mann, ich bin eine Superexpertin! Nehmen wir zum Beispiel mein erstes Mal. Erbärmlich. Allein schon das Timing. Ich hatte mir fest vorgenommen, in diesem Jahr nicht wie die Heilige Maria als Jungfrau Heiligabend zu verbringen. Während sich also alle Welt über den Fall der Berliner Mauer unterhielt, dachte ich daran, wie ich meinen Freund dazu bringen konnte, mir die Kirsche zu pflücken. Es war der 23. Dezember 1989. Ich war 15 Jahre alt und sah aus wie eine Idiotin, weil ich wirklich überhaupt keinen Geschmack hatte. Insofern war ich ein ganz normaler Teenager. Mein langes, vollkommen gerades Haar hatte ich mit schwarzem Henna gefärbt, um verwegen zu wirken. Statt Verwegenheit bekam ich allerdings nur einen üblen Blaustich auf dem Haupt, der sich mit meiner blässlichen Gesichtsfarbe biss. Zusätzlich hatte ich mir eine unerklärliche Tolle an der Stirn gebaut, die so sehr mit Haarlack festbetoniert war, dass ich damit sogar schlafen konnte. Das war aber nicht das Schlimmste. Um die Festlichkeit des Augenblicks zu unterstreichen (und weil schließlich Weihnachten war), hatte ich meinen grünen Pulli mit den Goldfäden angezogen, der nicht mal ironisch gemeint irgendwie gut ausgesehen hätte. Zumal ich keine Ahnung hatte, was Ironie bedeutete. Du wirst nun sagen: „Pah, die Optik spielt doch keine Rolle, wenn man verliebt ist!“ Tja, mag schon sein. Ich hatte aber keine Ahnung, ob er in mich verliebt war. Das lag vielleicht daran, dass ich ihn nie gefragt hatte, weil Reden damals nicht zu meinen Stärken gehörte. Zu allem Überfluss hatte ich auch vermieden, ihn überhaupt über meinen Entjungferungsplan in Kenntnis zu setzen. Dabei ist Kommunikation, das weiß ich heute, ein wichtiger Bestandteil einer auf gegenseitigem Vertrauen basierenden Beziehung.

Im Nachhinein betrachtet, hatten wir auch nicht viel gemeinsam. Er besaß einen Führerschein und blaue Augen, sonst erinnere ich mich an kein entscheidendes Merkmal. Aber Liebe ist nicht rational, sondern gefräßig, und sie nimmt sich, was sie will. In den sechs Wochen, die wir zusammen waren, sprachen wir nicht viel. Wenn ich nicht damit beschäftigt war, ihn anzuglotzen, knutschten wir, und wenn wir nicht knutschten, standen wir cool in der Gegend rum, weil es sonst nicht viel zu tun gab. Ich wusste nur, dass ich nie wieder mit einem anderen Mann zusammen sein würde, denn er war der eine für mich. Da wir nicht viel miteinander sprachen und ich Entscheidungen eh gern alleine traf, hatte ich eben auch meine Entjungferung einsam geplant und idiotensicher durchgetaktet. Er würde um 17 Uhr ankommen, dann würden wir etwas von der Limo trinken, die ich extra besorgt hatte, und leichte Konversation machen, bei der ich wie zufällig einstreuen würde, dass es heute Sex geben würde. In etwa so: „Möchtest du ein Glas Limo vor dem Duweißtschon?“ „Klar, warum nicht?“ Schluck, schluck. Gekicher. Raschel, raschel.

Anschließend würden wir knutschen und, tja, ab da musste ich mich in seine Hände geben, denn ich hatte keine Ahnung, wie man Leute entjungfert. Ein weiteres Problem war die Musik. Von meinem Kumpel Sten wusste ich, dass Musik beim Sex elementar wichtig war, „sonst kommt man nicht in Stimmung“. Das machte absolut Sinn für mich, denn nichts war peinlicher als die Geräuschkulisse, die beim Knutschen und Petting entstand. Und ja, wir nannten es wirklich „Petting“ – oder kichernd „fummeln“.

Unser Musikgeschmack deckte sich nicht zu 100 Prozent. Er mochte Slime und die Butthole Surfers, ich war etwas poplastiger mit Tendenz zu romantischer Musik. In meinem Versuch, die größtmögliche Schnittmenge zu erreichen, hatte ich mich für Simply Red und das Album „A New Flame“ entschieden. Im Nachhinein hätte ich vielleicht doch etwas andres aussuchen sollen, New Model Army zum Beispiel oder wenigstens Anne Clark. Wobei „If You Don’t Know Me By Now“ thematisch gut passte, denn wir machten sofort danach Schluss. Leider besaß ich die mieseste Stereoanlage der Welt von einer Firma namens „elite“, ein Name, der die mangelhafte Qualität des Produkts unnötig zynisch unterstrich. Diese Kompaktanlage aus Vollplastik hatte zwar zwei Tapedecks und einen grausig knarzenden Plattenspieler, aber keine dieser modernen Funktionen, bei denen das Tape dann einfach auf der anderen Seite weiterläuft. Ich war also eine Jungfrau mit Zeitdruck. Wie es aussah, hatte ich zwei Möglichkeiten. Entweder wir würden sofort zur Sache kommen. Das würde mir ein Zeitfenster von ungefähr 18 bis 20 Minuten von Hallo bis Geschlechtsverkehr geben, was mir angesichts der Bedeutsamkeit des Vorhabens doch etwas knapp vorkam. Oder aber wir würden herummachen, bis die Kassette zu Ende wäre, und dann müsste ich den langen, vermutlich nackten Gang vom Bett zur Anlage und zurück machen, was vollkommen ausgeschlossen schien. In meiner Not entschied ich mich dann für eine echt behämmerte Zwischenlösung, bei der ich bestimmt drei- oder viermal bei dem jeweils vorletzten Lied aufstand, etwas von „schönes Lied, mach ich noch mal“ murmelte, den Weihnachtspullover herunterzog und ewig am Tapedeck stand, das in Zeitlupe das Band zurückspulte. Und jedes Mal, wenn ich zum Bett zurückkehrte, wurde ich knallrot. Ich schlug mir also die Hände vors Gesicht und tat so, als hätte ich einen ominösen Spontanausschlag bekommen, der auch erklärte, warum ich rötlich war, sobald die Hände wieder wegmussten, damit ich nicht vollkommen übergeschnappt wirkte. Im Nachhinein ist es wirklich erstaunlich, dass es überhaupt geklappt hat. Wenn du mal jemanden brauchst, der aus einem romantischen Stelldichein binnen kürzester Zeit eine total verkrampfte Atmosphäre zaubert – frag mich, ich weiß, wie es geht.

Als es dann endlich so weit war („Bist du sicher?“ – „Ja, absolut.“ Zwei Sätze, yeah!), piekste es kurz, er bewegte sich ein paarmal hin und her, und dann war es auch schon vorbei. Er schlief sofort ein, während ich noch kichernd vor Aufregung auf der Matratze saß und mich wunderte, dass um so ein kurzes Dings so viel Trara gemacht wurde.

Ich weiß nicht, wie es dir ergangen ist oder noch ergeht, aber für mich war der Weg zu vernünftigem Sex voller frustrierender, aber auch erinnerungswürdiger Erlebnisse. Zumindest die ersten Jahre. Ich finde das insofern ärgerlich, als dass man die meisten Fertigkeiten, die man zum Leben braucht, in kürzester Zeit lernt. Nimm Atmen zum Beispiel, das haben die meisten sofort drauf. Oder Stuhlgang. Sogar laufen lernen dauert nicht mehr als ein paar Monate. Aber willst du Sex so richtig lernen, dann herzlich willkommen im Bootcamp! Dass man die Geschlechtsteile ineinanderstecken kann, hatte ich schnell raus. Aber die ganzen Gespräche drum herum, das ganze Herzrasen und die ganzen Gefühle, die man dadurch bekommt, das erzählt einem kein Schwein. Vielleicht bin ich deshalb Sex-Expertin geworden. Ich konnte nämlich nichts von alledem. In Sachen Sex war ich wirklich eine absolute Niete.

Paula kommt

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