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5. Einflussknicks und Kompensationen

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Die parlamentarisch-demokratische Steuerung der Verwaltung erodiert. Das liegt zum einen an der parteipolitischen Überformung des verfassungsrechtlichen Institutionengefüges und dem mit ihr verbundenen Dualismus von Regierung und Opposition, der die Kontrollfunktionen des Parlaments gegenüber der Regierung relativiert und im Wesentlichen auf die Opposition begrenzt;[304] es liegt aber auch an der Diversifizierung der Verwaltungsorganisation durch Dezentralisierung und Privatisierung[305] sowie in gewissem Umfang am Bedeutungszuwachs des Verwaltungsvertrages, der die bürokratische, d.h. hierarchische Steuerung der Verwaltung erschwert.[306] Darüber hinaus ermöglicht die Einbindung der nationalen Verwaltungen in den europäischen Verwaltungsverbund nicht nur Interventionen der Europäischen Kommission und anderer Stellen in konkrete Verwaltungsverfahren, was die Steuerung der Verwaltung durch Regierung und Parlament zusätzlich erschwert; mit dem unionsrechtlich induzierten Ausbau unabhängiger Behörden schafft die Europäische Union auch immer mehr Bereiche, die sich dieser Steuerung von vornherein entziehen. Das läuft verfassungsrechtlichen Vorgaben vielfach zuwider, sei es, dass man darin Einflussknicks sieht, die das demokratische Legitimationsniveau der Verwaltung senken, sei es, dass es an der Verfügungsgewalt der Regierung über die Verwaltung rührt (Art. 20 Abs. 1 Satz 2 CF).

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Das Bedürfnis, die demokratische Rückbindung der Verwaltung sicherzustellen, gilt heute aber in besonderem Maße für die Europäische Union selbst. Konzepte demokratischer Legitimation und Kontrolle, die in den 1950er-Jahren noch selbstverständlich waren,[307] sind beim rasanten Ausbau der unionalen Eigenverwaltung in den letzten Jahren zunehmend in Vergessenheit geraten. Das zeigen die wenig konzise Ausgestaltung der Agenturen ebenso wie das Ringen um die europäische Bankenaufsicht.

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Auch wenn der Verlust an demokratischer Steuerungsmöglichkeit der Verwaltung in der Regel nur zurückhaltend als konkretes rechtliches Problem formuliert wird, so sind die Instrumente zur parlamentarischen Kontrolle von Regierung und Verwaltung in den vergangenen 20 Jahren doch nach und nach ausgebaut worden. Das gilt nicht nur mit Blick auf die Angelegenheiten der europäischen Integration, die in ganz Europa zur Einrichtung von mit besonderen Befugnissen ausgestatten Ausschüssen geführt hat,[308] sondern auch für die Figur der – insoweit multifunktionalen – Ombudsmänner und sonstigen Beauftragten[309] und Einrichtungen.[310] Weitere Kompensationsmöglichkeiten werden in einem verstärkten Ausbau von Transparenz und Partizipation in der Verwaltung gesehen,[311] in Kreationsbefugnissen des Parlaments bei der Besetzung von Verwaltungspositionen,[312] in der Entsendung von Parlamentariern in Gremien unabhängiger Verwaltungsbehörden[313] sowie in zusätzlichen Berichtspflichten der Verwaltung gegenüber dem Parlament.

Einführung§ 73 Grundzüge des Verwaltungsrechts in Europa – Problemaufriss und Synthese › VII. Verwaltungsrecht und Rechtsschutz

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