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Eine Vorfrühlings-Erinnerung.

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Mein Stolz war damals eine kleine Tabakspfeife. Kein Junge im Dorfe ausser mir besass eine solche. Ich hatte das Prachtstück von einem „Kühprinzen“ erhandelt, einem jovialen jungen Manne von etwa 16 Jahren, der schon längst aus der Schule war, es aber doch nicht verschmähte, mit uns Schuljungen zu verkehren. Ja, seine Leutseligkeit ging so weit, dass er Schulden bei uns machte. Überhaupt, ein Lebemann war er! An einem einzigen Sonntagnachmittage — so kam mir ein dunkles Gerücht zu Ohren — hatte er beim „Titschen“ 120 Knöpfe verspielt. Und da kam er in Zahlungsschwierigkeiten. Also erschien er bei mir, der ich als Knopfkrösus im Dorfe bekannt war, und bot mir einige seiner Güter zum Verkaufe an. Einen kleinen Taschenkamm lehnte ich rundweg ab, aber für ein Taschentuch mit dem Bilde des alten Moltke setzte ich 25 Knöpfe. Das war zu wenig für ihn, und so bot er mir erst zögernd einen kleinen, runden Spiegel und dann nach fürchterlichem Seelenkampfe sein altes Taschenmesser zum Verkaufe. 60 Knöpfe war alles, was ich geben wollte. Dem armen Schlucker stand der Schweiss auf der Stirne. „60 sein zu wing,“ keuchte er. Da rückte ich endlich mit meinen selbstsüchtigen Absichten heraus. „Fer die Feife gäb’ ich zweehundert,“ sagte ich lauernd. „Du bist ganz verrückt,“ antwortete er und verliess mich. Kaltblütig liess ich ihn laufen.

Am nächsten Abend hatte ich die Pfeife. Der Spielgegner des „Kühprinzen“ hatte gedroht, ihn bei seiner Braut zu kompromittieren, wenn er nicht zahle. 20 Knöpfe musste ich allein für diese Drohung bezahlen, da sie der Gläubiger nur auf die Gefahr einer riesigen Tracht Hiebe hin riskieren konnte.

Ich lebte damals bei meinem Grossvater, der Landwirt war und gleicherzeit Stellmacher. Nie mehr im Leben habe ich seligere Zeit verlebt als bei ihm. Wir hatten zwar fast alle Tage Rauchfleisch auf dem Tische; aber er ass das fette, und ich bekam das magere, und wenn’s eine Arbeit gab, tat er sie selbst und liess mich springen. Ich sei nicht für die Arbeit, sagte er.

Im Hause meines Grossvaters lebte oben in der Giebelstube die alte Blümeln. Zu ihr bin ich oft hinaufgestiegen, und ich dachte immer ans Dornröschen, das zur Spinnerin schleicht. Aber die alte Blümeln spann nie. Im Sommer ging sie rüstig und fleissig zur Arbeit, Tag für Tag, und im Winter war sie, da sie gerade Zeit dazu hatte, immerfort krank. Was ihr fehlte, sagte sie keinem Menschen, mir auch nicht.

Auch an dem Märztage, von dem ich erzählen will, ging ich zur Blümeln. Sie lag im Bette und sah mich jämmerlich an. In der Stube waren vielleicht 30 Grad Hitze, und sie hatte noch zwei Tücher um den Kopf gebunden. Da klagte die Arme über Kopfschmerzen.

Ich machte mich der Blümeln so angenehm als möglich. Ich liess mir etwas von ihrem seligen Manne erzählen, ich beguckte staunend das Bild ihres Sohnes, der beim Militär war, ich legte auf ihren Wunsch noch einmal frische Kohlen aufs Feuer. Dann wurde ich launig. Ich erzählte eine Schnurre vom Alten Fritz, deren Pointe sie aber nicht zu erfassen schien; ich turnte über ihre Stühle, versuchte sechsmal vergebens auf dem Kopfe zu stehen und raubte ihr endlich gar einen Kuss. Da hatte sie mich endlich verstanden.

„Du willst wull Tobak?“ fragte sie.

„Ach ja, bluss a kleenes bissla,“ bat ich.

„Na, do such’ dir!“

Augenblicklich lag ich auf der Diele und kroch auf allen vieren unter Mutter Blümelns Bett. Dort stand, ganz im allerhintersten Winkel, eine riesige Strohschüssel mit trockenem Tee aller Art. Aus dieser Schüssel bezog ich meinen Bedarf an Rauchtabak.

Ich zog die Schüssel ans Licht und stellte sie auf den Tisch. Dann suchte ich aus der Tasche eine Menge grosser und kleiner Düten hervor und traf meine Auswahl. Zuerst versorgte ich mich mit meiner Lieblingssorte. Mutter Blümeln sah mir mit leidender Miene zu.

„Jüngla, niem ni zu viel Fafferminze,“ sagte sie.

„Aber die roocht sich gerade gutt,“ erwiderte ich.

„Ju, aber ich brauch’ se fer a Kupp. Niem lieber Spitzweger; uff der Lunge hab ich’s jitzt nich.“

Also nahm ich Spitzwegerich, obschon ich ihn wegen seiner dicken Rippen für eine untergeordnete Sorte hielt, versah mich genügend mit Thymian und Baldrian und stellte dann in einer grossen Düte noch eine hochfeine „Mischkulanz“ her. Darauf erbot ich mich freundlich, Mutter Blümeln eine Pfeife vorzurauchen, was sie aber im Hinblick auf ihre angegriffene Gesundheit ablehnte. So verabschiedete ich mich mit vielen Dankesworten und versprach auch, beim Hinausgehen die Türe nicht zu weit aufzureissen.

Wer schon in einer kleinen Stellmacherwerkstatt war, wird wissen, was ein „Radestock“ ist, und wer’s nicht weiss, stelle sich nur ein langes rechteckiges Loch in der Diele vor, in das der Stellmacher die Räder stellt, die er bearbeitet. Der Radestock hatte für mich mannigfache Bedeutung. Er war das Gefängnis, in das ich den „Fips“ sperrte, wenn er in Ungnade bei mir fiel; er war die Räuberhöhle, in der ich mit meinem Kumpan Karl von allen grossen Taten sprach; er war das Bergwerk, in das ich oft mit Laterne und Kohlschaufel stieg; er war der Brunnen, in den ich unzähligemal fiel, ohne je auf Frau Holles grüne Wiese zu kommen; er war das Grab, in das ich mich legte, wenn mir weich ums Herz war und ich tot sein und still liegen und träumen wollte. Jetzt sollte er auch mein Rauchkabinett sein.

Der Grossvater sass am Ofen und schlief. Vorsichtig betrachtete ich ihn, im Radestock knieend, dann packte ich auf der Diele meine Tabakvorräte aus. Ich hätte mir gerne ein Pfeffermünze geleistet, aber da ein ganz gewöhnlicher Donnerstag war, begnügte ich mich mit Baldrian.

Mein Kopf verschwand unter der Erde. Nur eine Hand langte aus der Höhlung heraus und rieb ein Zündholz gegen die rauhe Diele. Rot und magisch glänzte die dunkle Höhle des Radestockes auf, dann brannte die Pfeife.

O, war das ein Genuss! Ich blies den weissen Rauch aus der dunklen Höhle hinauf ins Lichte. Der Frühlingssturm stiess an die Fenster, die Uhr tickte, die Katze schnurrte, und ich lag so wonnig in der Tiefe und rauchte.

Von Zeit zu Zeit hob ich den Kopf und sah nach dem Grossvater. Er führte kuriose Bewegungen aus. Manchmal fuhr er mit der rechten Hand nach der linken Seite, als wenn er jemand eine Ohrfeige geben wollte, und manchmal griff er sich nach dem Beine. Ich tat zwei nachdenkliche Züge, und dann wusste ich’s. Säen wollte er gern, und das Reissen hatte er im Beine. Das war, weil’s Frühling wurde.

Wieder lag ich ganz still. Von der Zeit träumte ich, da ich ein grosser Herr sein und eine Tabakspfeife haben würde, zwei Meter lang, gefüllt mit richtigem Tabak. Ein Heer von Gedanken und Wünschen kam, und unter allen stieg immer der eine grosse, inbrünstige wieder auf: wenn es mir gelingen möchte, den Rauch durch die Nase zu blasen.

Es gelang nicht; ich musste nur erschrecklich husten.

Da stand plötzlich der Grossvater am Radestock. Wir sahen uns beide erstaunt an, dann mussten wir lächeln. Beide! Und ganz verständnisinnig!

„Dass dir no schlecht wird,“ sagte er und ging aus der Stube. Jauchzend blickte ich ihm nach. Die Tabakspfeife war sanktioniert.

Mein Jubelgefühl war so stark, dass mir der Radestock zu eng war. Ich lief in den Hof. Der Wind hatte das Tor aufgerissen, und draussen lag das weite Feld. Dort hinaus lief ich. Gleich hinter dem Besitztum des Grossvaters stieg der Feldweg zu einer kleinen Anhöhe empor. Auf der blieb ich stehen.

Die Felder lagen schwarz und braun; grau waren die Raine und matt das Grün der Saaten. Farblose Lachen standen in den Niederungen, hie und da war eine abgerissene, verlorene Schneelinie, und die schwarzen Krähen segelten durch die Luft. Es war ein ganz farbiges Bild. Auch die lichten Wolken, die mit der Sonne rangen, waren schön, und auf den Wiesen schüttelten die Weiden ihre langhaarigen Köpfe. Ich stand ganz still, und durch den jungen, gesunden Leib strömte es frühlingskräftig und wonnig.

Jetzt dazu noch eine Pfeife rauchen können, dann wäre das Mass des Glückes übervoll. So etwas fiel mir ein. Ach, es gelang nicht, wie ich mich auch bog und krümmte und die kleine Jacke ausbreitete: der Frühlingssturm löschte mir das Licht aus.

So tanzte ich den Berg hinunter. An der Esche passierte noch etwas. Dort wühlte ein Spatz mit seinem harten Schnabel im Moose. Ich vermutete gleich, ein Käferlein werde in dem grünen Bettchen liegen und gar wonnig vom Frühling träumen. Das wollte der Spatz fressen.

Lump! Wenn mich nun der Grossvater auch gefressen hätte, als ich vorhin so glücklich in der Tiefe lag!

Ich hob einen Stein auf und warf. Ich traf den Räuber nicht, doch ich verscheuchte ihn. Aber ach, der Stein lag schwer auf dem Moose.

Nun hatte ich vielleicht das Käferlein selber getötet.

Auf der Dorfstrasse erst endeten meine Gewissensqualen. Dort stand der Kühprinz und titschte, — titschte mit seinem alten Gegner. Er war so aufgeregt und so ins Spiel verbissen, dass er mich gar nicht sah. Sein Herr hatte ihn offenbar mit einem Auftrag ins Dorf geschickt, und er war noch nicht zurückgekehrt. Nein, er titschte, der leichtsinnige Mensch. Ich gedachte ihn zu ärgern.

Hinter einer Mauer stopfte ich meine Pfeife mit meiner besten Sorte — mit Pfeffermünze. Ich zündete das edle Kraut an und trat mit einem kurzen Grusse zu den Spielenden. Sie dankten kaum. Aber ich stand behaglich und protzig da und liess das köstliche Arom meines Tabaks dem Kühprinzen beständig unter die Nase streichen. Er schnüffelte, schnüffelte, ich glaube, die Augen gingen ihm über, aber er sagte nichts.

Er hatte übrigens grenzenloses Pech, der Kühprinz. Fast bei jedem Wurfe verlor er. Anfangs hielt sich das Spiel in mässigen Grenzen; — zwei Knöpfe auf einen Wurf, das kann ein mutiger Spieler schon wagen. Aber dann artete es aus. Der Kühprinz, der ungeheuer im Verluste war und immer mit meinen Knöpfen bezahlte, bot fünf, endlich sogar zehn Knöpfe auf einen Wurf. Mit Ingrimm sah ich die schönen Knöpfe, von denen ich doch jeden einzelnen kannte und liebte, in die Tasche des Gegners wandern. Ich warnte, — es war umsonst. Der Unglückliche war völlig verblendet. Endlich hatte er bloss noch zwanzig Knöpfe und setzte alles auf einen Wurf. Der Wurf fiel, und — alles war verloren. Mit erbleichtem Gesichte und zitternden Händen, so stand der Kühprinz da. Er war ruiniert! Mechanisch griff er in die Tasche und warf seinem Gegner die letzte Habe vor die Füsse. Mir aber ging zum erstenmal im Leben die Pfeife aus.

Ich weiss nicht, warum ich ihn begleitete. Es war wohl tiefes Mitleid. Ich wollte ihn trösten, mit ihm reden, — er gab keine Antwort. Erst als ich ihm riet, er solle sich nie mehr mit dem Heinrich einlassen, tat er einen leisen Fluch.

Der Frühlingswind sang in den Ästen, melancholisch und schaurig, der volle Bach rauschte und dröhnte, und unser Hund lief den Rand entlang und bellte das Wasser an. Mir wurde weich ums Herz.

Alles, was ich an kleiner Münze bei mir trug, es waren sieben Bleiknöpfe, bot ich dem Kühprinzen an. Er könnte ja klein und vorsichtig wieder anfangen, sagte ich gutmütig.

Finster schlug er meine Gabe ab. Er werde nie mehr spielen, sagte er. Da tat mir’s leid, dass er so ganz mit dem Leben abschliessen wollte. Und gerade jetzt, wo der Frühling kam.

Die Gasse, in der wir gingen, war schmal. Rechts und links lagen Gärten mit hohen, verwachsenen Zäunen. Die Ruten bogen sich im Winde, es war schon finster in der Gasse, und der Bach gurgelte so laut.

Da fürchtete ich mich plötzlich.

„Ich muss heem,“ sagte ich und blieb stehen.

Er sah mich an — tückisch, mit bösen, gelben Augen. Er wollte etwas sagen, aber er brachte es nicht gleich heraus, weil es ein schweres, sündiges Wort war.

„Ich muss heem,“ wiederholte ich. „Schloof gesund!“

Da krächzte er mich unvermittelt mit heiserer Stimme an: „Gib die Feife har!“

„Die Feife? Ich hütt’ mich! Die is meine!“

„Gib die Feife har!“

„Ich hab’ se gekooft! Fer zweehundert —“

„Gibste de Feife har!“

Das gurgelte er. Und er fasste mich am Halse. Er war einen Kopf grösser und wohl doppelt so stark wie ich. Er presste mir die Kehle zusammen. Ganz finster wurde es um mich, und ich fühlte nur den Arm des Räubers. Es lag so ein lähmender Schreck in meinen Gliedern, dass ich mich kaum wehrte. Ich glaube, ich dachte auch nichts, wie er mich so würgte. Nur der gute Grossvater fiel mir auf eine Sekunde ein mit heissem Heimweh.

Das Blut blieb mir im Kopfe stehen, und es war, als ob mir die Stirn auseinanderplatzen sollte. Vielleicht war ich nahe daran, die Besinnung zu verlieren.

Da liess der starke Bursche meinen Hals los und griff nach meiner Brusttasche. Und da — ich weiss nicht, wie es kam, da holte ich tief Atem und hatte auf einmal Kräfte. Mit einem gewandten Ruck riss ich mich los. Fest presste ich die linke Hand auf die geliebte Tabakspfeife, die rechte aber, zur Faust geballt, hieb ich dem Räuber gerade auf die Nase.

Ach, es war ein schlechter Hieb. Kein Tröpflein Blut quoll dem Kühprinzen über die Lippen; nur die Augen tränten ihm. Seine Wut aber steigerte sich. Wie ein wildes Tier sprang er abermals gegen mich an. Da gedachte ich, in dieser hohen Not, ihm einen Tritt gegen den Bauch zu versetzen. Ich trat, verlor das Gleichgewicht und fiel auf den Rücken. Der Magen des Kühprinzen hatte für meinen Stiefelabsatz zu hoch gelegen.

Jetzt wäre ich verloren gewesen, wenn nicht ein Wunder passiert wäre. Es passierte eines: nämlich der Kühprinz lag auch. Er war über mich gestolpert. Blitzschnell erkannte ich die Situation, blitzschnell fuhr ich in die Höhe, blitzschnell ritt ich dem liegenden Kühprinzen auf dem Rücken. Er brüllte, er schlug mit den Beinen, er versuchte sich zu wälzen, er wollte sich auf die Hände stützen — alles umsonst; fest sass ich auf dem Rücken, nicht nur mit meiner ganzen furchtbaren Halb-Zentnerlast, sondern auch mit der Kraft einer Schraube, die nach physikalischen Gesetzen nicht locker lassen kann.

Jawohl, der Kühprinz war festgeschraubt!

Ein seliges Siegergefühl überkam mich, auf einen Moment wurde meine Phantasie rege, und der Frühlingswind, der durch die Ruten fuhr, grüsste einen Helden, der im dunklen Walde einen Riesen gefällt. Das ganz nahe Wasser aber sang mir ein brausendes Triumphlied.

Vor der Höhe dieses Gefühls erblich auch die niedere Regung, die mich als Lustanwandlung überkam, dem Kühprinzen zur Strafe für seinen Anfall hundert oder zweihundert Ohrfeigen zu geben und eine Million Püffe gegen den unfrisierten, dicken Schädel. Nein, ich tat ihm gar nichts, ich fragte nur, fragte mit der ganzen vornehmen Ruhe des Überlegenen:

„Wem’s is de Feife?“

„Meine is se,“ knirschte er.

Da bekam er doch eine Ohrfeige.

„Kannste die zweihundert Knöppe wiedergeben?“ fragte ich hochdeutsch, um ihm meine Überlegenheit begreiflicher zu machen. Nein, das konnte er nicht. Aber dennoch wollte er die Pfeife. Umsonst wollte er sie! Und er wollte auf, augenblicklich auf, wollte mir’s „anstreichen“. Auf diese glänzenden Präliminarien ging ich nicht ein, und so kam es wieder zu einem furchtbaren Ringen, während dessen der Kühprinz eine gotteslästerliche Liste von Flüchen und Schimpfnamen über mich ausschüttete.

Und da geschah etwas Unerhörtes. Auf der nahen Brücke erschien Berta, des Kühprinzen „Braut“. Sie kreischte laut auf, als sie uns so ringen sah; der Kühprinz brüllte wie ein Stier und machte wahnsinnige Anstrengungen, frei zu werden; ich aber hielt fest, und da er mich rasend in die Beine zwickte, gab ich ihm wieder zwei schallende Ohrfeigen.

Darob überkam die Jungfrau auf der Brücke ein Grausen, und mit dem erschütternden Rufe: „Der Keller ermurkst a Lamprecht! Der Keller ermurkst a Lamprecht!“ stürzte sie fort.

Mochte sie fortstürzen, mochte sie durchs ganze Dorf schreien, sie war lediglich ein Herold meines Ruhmes.

Doch was war das? Der Kühprinz lag ganz still und atmete nur schwer.

„Looss mich uf!“ keuchte er.

„Wem’s is de Feife?“ fragte ich.

„Deine!“ sagte er.

„Hab’ ich dir se richtig obgekooft?“ fragte ich wieder.

„Fer zweehundert,“ gab er zu.

„Lässte mich jitzt ruhig heemgiehn ?“ begehrte ich noch zu wissen.

„Ich tu’ dir nischt!“ gelobte er.

„Na, do stieh uf!“

Drei Sekunden später standen wir, und einen Moment später — hatte er mich abermals gepackt. Ein massloser, wütender Hass gegen den Wortbrüchigen überkam mich. Ich hieb, stampfte, biss, spie — jedes Mittel war mir recht. Dazwischen rief ich: „Fips! Fips! Fips!“ Der Hund erschien. „Niem a, Fips, niem a!“

O das blödsinnige Tier! Es erfasst nicht, dass sein junger Herr ringt auf Leben und Tod, es steht da und bellt kindisch, wie es vorhin das Wasser angebellt hat. Es meint, all diese grossen Vorfrühlingsereignisse seien lediglich zu seinem Vergnügen da.

Inzwischen wird mein Atem schneller, kürzer, keuchender; der Schweiss perlt von meiner Stirn, ein heisses Zittern fliegt über den masslos angestrengten Körper.

Da! — „Grussvater!“ — — —

Ein Klatschen — und mich umfängt ein eisiger Schauer.

Was ist?!

Jesus! Ich liege im Wasser!

Da der Kühprinz — —

„Ich hab’ dich ni neigeschmissa,“ schreit er.

„Hilfe — Hilfe!“

„Das — das — Was — mei — mei — ich — ich —“

„Grussvater! — — — — Gruss — — — —“

Was ist nur? Ich wache auf. Der Mond scheint draussen. Wir haben keinen Vorhang. Den Mond und weisse Wolken sehe ich. Auch den Apfelbaum. Und der Wind geht.

Die Augen fallen mir zu. Die Blümeln ist wohl da. Ich höre sie sprechen.

„Um dan Junga wär’s schade!“

„Nu do!“ sagt der Grossvater.

Ich mache die Augen wieder auf. Ich sehe ihn. Er hat heute rote Wangen, der alte Mann. Und die Blümeln ist wirklich da. Jetzt sehen sie, dass ich wache. Wie sie sich freuen! Wie sie auf mich einreden! Was ist denn eigentlich?

„Gelt, du wärst wieder munter, Paul?“ fragt die Blümeln.

Ich gucke mich um. Auf dem Tische steht der Blümelns Teeschüssel, und daneben liegt meine kleine Tabakspfeife. Auch die sieben Bleiknöpfe sind da und das andere Zeug, das ich in der Tasche hatte. Was eigentlich bloss sein mag? Ich kann gar nicht denken.

„Würste wieder gesund war’n, Paul?“ wiederholt die Blümeln angstvoll.

Ich weiss es ja auch nicht. Aber da sehe ich wieder die Teeschüssel und die Tabakspfeife, und da sage ich: „Ja, Blümeln, ich war’ schun wieder gesund war’n!“

Draussen singt der Frühlingswind, die Augen fallen mir wieder zu, und ein leiser, aromatischer Duft von Pfeffermünze zieht durch meinen Traum.

In deiner Kammer

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