Читать книгу Neun ungewöhnliche Krimis Juni 2019 - Pete Hackett - Страница 47

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Owen Burke rief von Goodmans Büro aus seinen Vorgesetzten an und berichtete ihm, was vorgefallen war.

Der AD machte ihm keine Vorwürfe, sondern sagte: „Das sind Nachrichten, die ich nicht so gern höre. Ich werde veranlassen, dass ein Polizeiaufgebot in Brooklyn bereitsteht. Begeben Sie und Agent Harris sich ebenfalls dorthin, Agent Burke. Wir werden uns anhören, was Goodman fordert. Und dann sehen wir weiter.“

„Die Kollegen sollen Goodman auf jeden Fall ungeschoren passieren lassen“, sagte Burke.

„Natürlich“, antwortete der AD. „Die Geisel darf auf keinen Fall gefährdet werden. – Ob Susan Cohan mit ihrem Bruder gemeinsame Sache gemacht hat?“

„Ich weiß es nicht, Sir. Ich will es aber nicht ausschließen.“

Ron stand am Fenster und schaute in den Hof hinunter. Als Burke aufgelegt hatte, sagte er: „Goodman und seine Geisel sind mit einem dunkelgrünen Toyota weggefahren. Wir sollten uns beeilen.“

Sie fuhren von der Leroy Street zur Houston Street und folgten ihr nach Osten. Auf der Bowery wandten sie sich nach Süden und erreichten bald die Williamsburg Bridge. Auf dem Brooklyn-Queens Expressway wandten sie sich in Richtung Brooklyn.

Schließlich erreichten sie das Gebäude, in dem Susan Cohan wohnte.

Der grüne Toyota stand vor der Tür. Goodman und Kath, seine Sekretärin, saßen noch drin.

In der Nähe standen auch einige Einsatzfahrzeuge des Police Department. Das Haus war sozusagen umstellt. Sicher hatten sich auch einige Scharfschützen der Polizei in den umliegenden Gebäuden postiert.

Ron Harris stellte den Dodge etwa hundert Yard von dem Wohnhaus entfernt hinter einem Patrolcar ab. Zwei Polizisten, die ihre Pistolen in den Händen hielten, waren hinter dem Fahrzeug in Deckung gegangen.

Owen Burke wies sich aus und erkundigte sich nach dem Einsatzleiter.

Sein Name war Ackerman, sein Dienstrang Captain. Er hatte sich hinter einem Mannschaftstransportwagen der State Patrol verschanzt. Einige andere Uniformierte waren bei ihm.

Die beiden Agents liefen zu dem Captain hin.

„Was ist los?“, fragte Burke. „Warum sitzen Goodman und die Geisel noch in dem Toyota?“

„In Susan Cohans Wohnung befindet sich Goodmans Komplize. Sein Name ist uns unbekannt. Er droht, Susan Cohan zu erschießen, sollte ein Polizist das Haus betreten. Wir stehen mit dem Mann telefonisch in Kontakt. Er fordert ein vollgetanktes Fluchtfahrzeug und ein startklares Flugzeug auf dem La Guardia Airport.“

„Sein Name ist schätzungsweise Andrew Ramsey“, erklärte Burke. „Dr. Andrew Ramsey, Dozent an der Columbia Universität. Er dürfte der Kopf der Bande sein, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die illegale Prostitution in New York und ein paar weiteren Großstädten auszumerzen. Lässt er Goodman nicht in die Wohnung?“

„Goodman, so scheint es, wartet ab, ob wir auf die Forderung seines Komplizen eingehen. Wahrscheinlich steht auch er mit Ramsey in Verbindung.“

„Ich kann es kaum glauben, dass Goodman es gutheißt, dass Ramsey seine Schwester als Geisel genommen hat“, knurrte Ron. „Ihretwegen hat er ja wohl der illegalen Prostitution den Krieg erklärt.“

„Was hat Susan Cohan für eine Telefonnummer?“, fragte Burke und zückte sein Handy.

Der Captain diktierte ihm die Zahlen, er tippte sie und ging auf Verbindung.

„Was ist?“, kam es aus dem Lautsprecher. „Gehen Sie auf meine Forderung ein? Sie wollen doch nicht Susan Cohans Leben aufs Spiel setzen?“

„Hier spricht Burke, FBI New York“, sagte dieser. „Hallo, Dr. Ramsey. Glauben Sie allen Ernstes, damit durchzukommen? Sie wissen doch, dass der Polizeiapparat nicht erpressbar ist. Warum ergeben Sie sich nicht?“

„Woher wissen Sie, dass ich... Hat Goodman, dieser verdammte Narr, meinen Namen genannt?“

„Nein. Es war nicht schwer, es herauszufinden, Dr. Ramsey. Nachdem ihr Ford in Flammen aufgegangen war, stand es für mich fest, dass Sie zu der Bande gehören. Zwischenzeitlich bin ich sogar davon überzeugt, dass Sie der Boss sind. Sie sind seit Jahren mit dem Elend der HIV-Infizierten konfrontiert worden. Das ließ Ihren Frust, aber auch Ihren Hass anwachsen und letztlich eskalieren. Schließlich fanden sich ein paar Betroffene, die Sie vor Ihren Karren spannen konnten. Liege ich richtig mit meiner Annahme, Professor?“

„Ja, Agent Burke, Sie sind ein ziemlich ausgeschlafener Bursche. Ihnen kann man so schnell nichts vormachen, wie?“ Es klang zynisch. „Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass ich im Moment am Drücker bin. Ich warte jetzt noch genau eine Viertelstunde. Und wenn dann der Fluchtwagen nicht vor der Tür steht, erschieße ich Susan.“

„Warum nehmen Sie nicht den Toyota, in dem Goodman und seine Geisel sitzen?“

„Was interessiert mich Goodman. Ich habe mit ihm gesprochen. Er will, dass ich seine Schwester freilasse. Doch ich denke nicht dran.“

„Warum nicht? Goodman hat seine Sekretärin als Geisel. Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Ramsey: Ich stelle mich Ihnen im Austausch gegen Susan Cohan und Goodmans Sekretärin als Geisel zur Verfügung. Nehmen Sie mit Goodman Kontakt auf und besprechen Sie mit ihm meinen Vorschlag.“

„Nein, o nein, Burke. Sie legen mich nicht herein. Susan Cohan ist und bleibt mein Faustpfand. Es sind jetzt noch dreizehn Minuten.“

„Wenn Sie die Geisel erschießen, haben Sie auch verloren, Ramsey. Das ist Ihnen doch hoffentlich klar.“

„Lebendig kriegt ihr mich nicht!“, stieß Ramsey wild hervor. „Und ihr werdet Susan Cohan auf dem Gewissen haben.“

„Sie bekommen das Auto“, versprach Burke.

„Das will ich Ihnen auch geraten haben, Agent“, schnaubte der Gangster, den Owen Burke für hochgradig geistesgestört hielt. Die Idee, die seinen Verbrechen zu Grunde lag, zeugte davon. Aber gerade das machte ihn unberechenbar und gefährlich.

Der Special Agent unterbrach die Verbindung.

In diesem Moment sagte Captain Ackerman: „Einer unserer Scharfschützen hat Goodman im Visier. Soll ich Befehl geben, den finalen Rettungsschuss abzufeuern?“

„Nein“, sagte Burke schnell. „Wenn wir Goodman erschießen, könnte Ramsey die Nerven verlieren.“

Ackerman rief dem Beamten, der das Funkgerät bediente, eine entsprechende Antwort zu. Der Cop hob das Mikrofon vor seinen Mund und sprach etwas.

Burke sagte zu Ackerman: „Lassen Sie einen Streifenwagen vorfahren.“

„Er will auch ein Flugzeug“, stieß Ackerman hervor.

„Ich denke nicht, dass Ramsey bis zum Airport kommt“, versetzte der Special Agent.

„Was haben Sie vor?“

„Zunächst einmal müssen wir versuchen, Goodman zu überwältigen. Es muss so ablaufen, dass Ramsey nichts davon mitkriegt. Es wäre vielleicht gut, Ron, wenn du den Streifenwagen vor die Haustür fahren würdest.“

„Goodman kennt mich“, gab Ron Harris zu bedenken. „Er wird sofort Verdacht schöpfen.“

„Du wirst den Wagen hinter den Toyota fahren und ihn verlassen, bleibst jedoch neben dem Fahrzeug stehen. Ich werde zwischen den vorderen Rückenlehnen und dem Rücksitz verborgen sein. Während Goodman sein Augenmerk ausschließlich auf dich richten wird, krieche ich aus dem Einsatzfahrzeug und robbe zur Fahrerseite des Toyotas. So befinde ich mich im toten Winkel zu Goodman, der auf dem Beifahrersitz sitzt. Und dann muss alles blitzartig ablaufen. Während ich die Sekretärin aus dem Auto zerre, rennst du zur Beifahrertür und überwältigst Goodman.“

„Das kann verdammt ins Auge gehen“, murmelte Ron.

„Vor allem müssen wir verhindern, dass ein Schuss fällt“, sagte Burke achselzuckend. „Ramsey darf nicht mitkriegen, was sich vor dem Haus abspielt. Er muss der Überzeugung sein, dass wir ihm freien Abzug gewähren.“

„Ihr Einsatz gegen Goodman wird ihm nicht verborgen bleiben“, gab Ackerman zu bedenken.

„Er müsste sich aus dem Fenster beugen, um sehen zu können, was sich vor der Haustür abspielt“, antwortete Burke. „Und das wird er sich nicht wagen, da er weiß, dass rundum in den Gebäuden Scharfschützen versteckt sind.“

Ackerman schaute skeptisch.

Dann aber gab er Befehl, einen Streifenwagen zu bringen.

Burke rief noch einmal Ramsey an. „Sie bekommen ein Einsatzfahrzeug. Auf die Schnelle ein ziviles Auto herbeizuschaffen ist unmöglich. Wird Ihr Komplize Goodman die Ruhe bewahren, wenn das Einsatzfahrzeug auf ihn zukommt?“

„Ich sagte Goodman Bescheid“, kam es von Ramsey.

Das Patrolcar kam und hielt an einer Stelle, an der es den Gangstern nicht möglich war, Owen Burke zu beobachten. Er kroch in den Fußraum zwischen Vorder- und Rücksitzen. Ron Harris klemmte sich hinter das Steuer, fuhr vor die Tür des Gebäudes, in dem Susan Cohan wohnte und parkte das Fahrzeug unmittelbar hinter dem Wagen, in dem Goodman und dessen Geisel saßen.

Ron Harris stieg aus, ließ aber die Tür offen. Im Schutz der aufstehenden Fahrertür öffnete Burke die linke hintere Tür und kroch auf den Gehsteig. Ron ging vorne um das Einsatzfahrzeug herum. Er hatte die Hände in Schulterhöhe angehoben. Wenn Burkes Rechnung nicht aufging, dann hing sowohl Rons Leben an einem seidenen Faden wie auch das Leben der Geisel in dem Toyota.

Owen Burke hielt die SIG in der rechten Faust. Noch schien Goodman ihn nicht entdeckt zu haben. Auf allen Vieren bewegte er sich dicht an der linken Seite des Toyotas nach vorne. Und dann riss er die Fahrertür auf, seine Linke schoss hoch und erwischte die Sekretärin am Arm. Ein scharfer Ruck und die Frau kippte ihm entgegen. Ihr entrang sich ein erschreckter Aufschrei. Burke kam halb hoch und richtete die SIG auf den Gangster auf dem Beifahrersitz, der noch keine Zeit gefunden hatte, zu reagieren. Doch jetzt schlug er seine Waffe auf den Agent an.

Da riss auch schon Ron die Tür auf der Beifahrerseite auf.

Die Hand Goodmans mit der Waffe zuckte zu ihm herum.

„Fallen lassen!“, peitschte Burkes Stimme.

Ron Harris aber schlug schon zu, Goodman bekam den Lauf der SIG gegen die Stirn und sackte auf dem Sitz zusammen. Mit einem Griff entwand Ron ihm die Pistole. Burke vermutete, dass mit dieser Waffe Wesley Cohan erschossen worden war.

Handschellen klickten. Ron ließ Goodman auf dem Beifahrersitz, drückte die Tür zu und kam um den Toyota herum. Owen Burke half schon Kath, der Sekretärin, auf die Beine. Die Frau schluchzte, in ihrem Gesicht zuckten die Muskeln, ihre Augen waren gerötet vom Weinen.

Burke bedeutete seinem Kollegen, Kath zu Captain Ackerman zu bringen, und Ron führte die Frau davon. Er blieb auf der Seite, auf der sich das Gebäude befand, in dem sich Andrew Ramsey verschanzt hatte. So konnte Ramsey sie von der Wohnung aus nicht sehen, es sei denn, er hätte sich weit aus dem Fenster gebeugt.

Burke ging auf der dem Haus abgewandten Seite des Einsatzfahrzeuges in Deckung und gab Ackerman ein Zeichen. Der Captain verschwand hinter dem Mannschaftstransportwagen aus seinem Blickfeld und Burke vermutete, dass er jetzt mit Andrew Ramsey telefonierte. Ron Harris überquerte mit Kath etwa hundert Yard entfernt die Straße.

Wenig später tauchte Ackerman wieder auf und bedeutete Burke, dass es gleich so weit sei.

Ron war mit Kath hinter dem Fahrzeug, bei dem Ackerman postiert war, verschwunden. Dass es ihnen gelungen war, die Sekretärin aus der Gewalt des Gangsters zu befreien, verschaffte Burke eine immense innere Befriedigung. Wenn es ihnen jetzt auch noch gelang, Susan Cohan zu befreien, dann würde ihnen wieder einmal ein voller Erfolg in der Verbrechensbekämpfung beschieden sein.

Einige Minuten verstrichen. Dann erschien Andrew Ramsey mit seiner Geisel in der Haustür. Er hatte den linken Arm von hinten um Susan Cohans Hals geschlungen und hielt der Frau die Mündung seiner Waffe gegen die Schläfe. Langsam bewegten sich der Gangster und die Geisel auf das Einsatzfahrzeug zu. Ramsey gebot Susan, die Tür zu öffnen. Dann musste sie einsteigen und vom Beifahrersitz auf den Fahrersitz rutschen. Dicht hinter ihr stieg Andrew Ramsey ein.

Burke, der neben der Fahrertür lauerte, riss sie jetzt auf. Als er nach Susans Cohans Arm greifen wollte, um sie aus dem Wagen zu zerren, reagierte Ramsey schon. Sein Gesicht verzerrte sich, seine Hand mit der Pistole zuckte etwas herum und die Mündung starrte den Special Agent an.

Owen Burke drückte mehr instinktiv als von einem bewussten Willen geleitet ab. Er gehorchte einem der ältesten Prinzipien der Menschheit: Der Selbsterhaltung. Seine Kugel warf den Professor gegen die Tür und Ramseys Faust mit der Pistole sank nach unten. Der entsetzte Blick des Verbrechers war auf Burke gerichtet, doch plötzlich fiel sein Kopf nach vorn und sein Kinn sank auf die Brust. Die Hand, die die Pistole hielt, öffnete sich. Die Leere des Todes hielt Einzug in seinem Gesicht.

Burke atmete auf.

Die Gefahr war gebannt.

Ron Harris kam mit langen Sätzen die Straße herauf.

Neun ungewöhnliche Krimis Juni 2019

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