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Schüsse peitschten dicht neben Jeff Kane in den trockenen, aufgesprungenen Boden. Eine Fontäne aus Sand wurde empor geschleudert. Die Kugeln schlugen in den steinigen, völlig verdorrten Boden ein.

Kane griff zum Revolver.

Blitzschnell.

Er warf sich zur Seite, rollte um die eigene Achse über den Boden und riss mit einer fließenden, katzenhaften Bewegung den Revolver aus dem Holster.

Kaum einen Lidschlag brauchte er dafür.

Kane spannte den Hahn.

Hinter dem ausgetretenen Lagerfeuer hob sich eine hoch aufragende schlanke Gestalt gegen das Sonnenlicht als dunkler Schatten ab.

Blauschwarzes Haar, das von einem Stirnband zusammengehalten wurde, wehte in dem aufkommenden brandheißen Wind, der aus Südosten über die ausgedörrte, von schroffen Felsbrocken und vertrockneten Baumgruppen unterbrochene Hochebene wehte.

Um die Hüfte trug der Indianer einen Revolvergurt, an dem sich auch eine Schlaufe befand, in der ein Tomahawk steckte sowie die Kunstvoll verzierte Lederscheide eines Bowie-Messers.

Kanes Haltung entspannte sich.

Der harte, entschlossene Zug um die Mundwinkel verschwand und machte einem dünnen Lächeln Platz.

„Ach du bist es, Macondo“, atmete er auf.

Der sippenlose Apache hatte sich seit Kanes Aufbruch aus Magdalena an seiner Seite befunden. Gemeinsam hatten sie das nördliche Mexiko durchstreift und waren dabei so gut es ging jedem anderen ausgewichen.

Macondo senkte den Lauf seines Sharps Gewehrs.

„Sorry, ich habe dich nicht kommen hören.“

„Dann muss etwas mit deinen Ohren nicht stimmen, Laredo Kid.“

„Wieso?“

„Weil ich bei meiner Rückkehr zum Lager keineswegs versucht habe, besonders leise zu sein.“

Der Apache untertrieb natürlich. Kane hatte schon mitbekommen, wie vollkommen lautlos sich der Apache zu bewegen vermochte.

Zweifellos musste er in seiner Zeit bei der Army ein guter Scout gewesen sein.

So verschieden die beiden Männer auch sein mochten: Immerhin das hatten sie gemeinsam. Beide hatten sie während des Bürgerkrieges in der Armee der Union gedient, wofür der blaue und seiner Rangabzeichen beraubte Militärmantel, den Kane hinten auf seinem Sattel festzuschnallen pflegte, ein Zeugnis war.

Kane erhob sich und steckte seinen Revolver ein.

Macondo deutete unterdessen dort hin, wo sein Schuss den Boden aufgesprengt hatte.

Ein zusammen geringelter regloser Schlangenkörper lag dort.

„Ich rette dir das Leben und du versuchst mich zum Dank dafür umzubringen, Laredo Kid“, stellte der Apache trocken und mit regungslosem Gesicht fest.

„Soll nicht wieder vorkommen“, versprach Kane grinsend.

Er erhob sich und begann damit, seine Sachen zusammenzupacken und den Lagerplatz aufzuräumen.

„Ich habe Spuren gesehen“, berichtete Macondo. „Viele Pferde, viele Reiter. Die Hufe waren beschlagen und sie ritten in Kolonne.“

„Soldaten?“

„Ja.“

„Franzosen?“

„Würde ich vermuten. Die Mexikanischen Kavalleristen reiten nicht so exakt in der Kolonne.“

In Mexiko herrschte derzeit Krieg.

Kaiser Maximilian regierte in der Hauptstadt unter dem Schutz französischer Interventionstruppen, während sich unter Führung des früheren Präsidenten Benito Juarez eine Rebellenbewegung gebildet hatte, die durch die Vereinigten Staaten unterstützt wurde.

Die Lage war entsprechend unübersichtlich. Teile des Landes waren schlicht in Anarchie versunken und es war schwer abzuschätzen, auf welcher Seite die jeweiligen lokalen Amtsträger standen.

Hinzu kam, dass manche, die sich plötzlich als Rebellen ausgaben, in Wahrheit Banditen waren, die ihren Schutzgeldern jetzt einfach nur einen anderen Namen gegeben hatten und sie als Revolutionssteuer bezeichneten.

„Ich schlage vor, den Franzosen gehen wir besser aus dem Weg“, meinte Kane. „Die verdächtigen doch wahrscheinlich jeden Nordamerikaner als Unterstützer der Rebellen!“

„Die Rebellen sind aber auch mit Vorsicht zu genießen“, erwiderte Macondo. „Einige dieser Banden, die sich jetzt Juaristas bestehen doch nur aus Männern, die das Chaos genutzt haben, um aus den Gefängnissen zu entfliehen.“

„Sicher – es klingt viel besser, wenn man von sich sagen kann, dass man ein Revolutionär ist anstatt ein Bandit“, stimmte Kane zu.

Sie sattelten die Pferde. Kane steckte eine seiner beiden Winchester-Gewehre in den Scabbard genannten Sattelschuh aus Leder. Das zweite Gewehr schnallte er zusammen mit der Decke und dem Militärmantel hinten auf den Sattel.

Einen halben Tag ritten sie, bis sie eine Wasserstelle erreichten, wo sie die Flaschen auffüllen und die Tiere tränken konnten.

Der Hufschlag eines Pferdes ließ die beiden Männer auffahren.

Ein Reiter kam über eine Hügelkette und preschte im Galopp auf die Wasserstelle zu. Er zog eine Staubwolke hinter sich her.

Dann zügelte er sein Pferd.

Er war vollkommen unpassend für das heiße Klima gekleidet. Wie ein Stutzer!, dachte Kane.

Er trug einen dreiteiligen dunklen Anzug. Um den Hals hatte er eine sorgfältig gebundene Schleife.

Auf dem Kopf saß ein melonenförmiger Bowler-Hut, der vielleicht in die schattigen Straßen von New York, Boston oder irgendeiner anderen Großstadt an der Ostküste passte.

Aber nicht hier her.

Nicht in diesen Glutofen.

Jemand der so daherkam, nannte man im Westen häufig einen Dude – ein anders Wort für Trottel.

Zögernd näherte sich der Anzugträger. Sein Gesicht war krebsrot verbrannt.

Der Mann war bewaffnet. Aus dem Scabbard am Sattel ragte ein Gewehrkolben.

Außerdem beulte sich seine Jacke unter der Achsel.

Kane vermutete, dass er dort einen Revolver im Schulterholster trug. Als der Wind die Jacke etwas zur Seite wehte, bestätigte sich dieser Verdacht.

Er legte zwei Finger an die Krempe seines Bowler-Huts und grüßte.

„Tag, Gentlemen.“

„Sie haben Ihr Tier ziemlich scharf geritten. Noch ein paar Stunden länger in dem Galopp und Sie haben es zu Schanden geritten.“

„Leider bin ich sehr in Eile.“

„Wohin wollen Sie denn?“

„Nach Nogales zur Grenze.“

Er stieg ab und führte seinen Gaul zum Wasser. Das Tier war so erschöpft, dass es nicht einmal angesichts des Wassers unruhig wurde, obwohl es vollkommen ausgedörrt sein musste.

Der Anzugträger musterte zuerst Kane eingehend und wandte dann den Blick in Macondos Richtung. Eine Falte erschien zwischen seinen Augen, als er den Indianer einer eingehenden Begutachtung unterzog.

„Mein Name ist Smith“, sagte er. „Und wer Sind Sie?“

„Nenne Sie mich Laredo Kid“, sagte Kane. Smith – ein Name, so gewöhnlich, dass Kane ihn kaum für echt halten konnte. Aber im Grunde genommen interessiertes ihn auch nicht, ob sein Gegenüber unter falschem Namen reiste. Wie ein typischer Bandit sah er nicht aus. Und er wirkte auch nicht wie einer der ewig gestrigen Südstaaten-Guerillas, die das Chaos im Grenzland für ihre Zwecke nutzten. Männer, die davon träumten, den Bürgerkrieg doch noch weiterführen zu können, auch wenn es die Konföderierten Staaten von Amerika längst nicht mehr gab.

Dieser Reiter wirkte eher wie ein Geschäftsmann, den irgendein ungnädiges Schicksal von der New Yorker Stock Exchange oder den Hafenkontoren von San Francisco in diese Wüste verschlagen hatte.

„Ich komme aus Hermosillo“, sagte Smith. „Geschäfte, Sie verstehen?“

„Sie sind uns keine Rechenschaft schuldig“, sagte Kane. „So wie wir umgekehrt Ihnen auch nicht.“

„Natürlich. Es ist nur so...“

Er brach ab.

Kane hob die Augenbrauen.

„Ja?“

„Es sind unruhige Zeiten. Sie sind Amerikaner.“

„Das ist richtig.“

„Und Landsleute sollten zusammenhalten, finde ich. Also schlage ich vor... Sie wollen doch auch Richtung Norden.“

„Ehrlich gesagt...“

„Sie sollten sehen, dass Sie zurück über die Grenze kommen“, sagte Smith eindringlich. Er löste die Schlaufe um seinen Hals und außerdem den Hemdkragen. Der Schweiß perlte ihm nur so von der Stirn, aber das war angesichts der Tatsache, dass zu seinem Anzug auch eine Weste gehörte, die er zugeknöpft ließ, überhaupt kein Wunder. „Im Süden müssen Sie damit rechnen, überall auf Franzosen zu treffen und die sehen in Ihnen einen möglichen Unterstützer der Juaristas. Zimperlich sind die nicht in Ihrer Vorgehensweise, kann ich Ihnen sagen. Die haben ihre besonderen Methoden, jemanden auszuquetschen. Und je unbeliebter Kaiser Maximilian bei der Bevölkerung wird, desto größer ist der Druck, den die Interventionstruppen ausüben müssen.“

Kane wandte sich an Macondo. „Sollen wir ihn mit uns reiten lassen?“, fragte er.

Smith runzelte die Stirn.

Er schien im ersten Moment etwas irritiert zu sein.

„Sie fragen einen Roten danach, ob ein Landsmann Sie begleiten darf?“ Smith schüttelte den Kopf. „Ich muss schon sagen, das ist sehr merkwürdig.“

Die Verachtung, die er dem Apachen entgegenbrachte war nicht zu übersehen.

Macondo ließ das unberührt.

„Drei Gewehre sind besser als zwei“, sagte der Apache. „Und die Spuren der Kolonne waren ganz in der Nähe...“

Kane nickte leicht. Aber er hatte Zweifel.

Also fragte er: „Was waren das für Geschäfte, die Sie in Hermosillo erledigt haben?“

„Sir, ich weiß nicht, ob das hier wirklich der geeignete Ort für eine Plauderei über solche Dinge ist“, meinte er. „Ich verkaufe alles, was sich zu Geld machen lässt. Rinder, Land...“

„Auch Waffen?“, hakte Kane nach. Das war der Punkt, auf den er hinauswollte.

Smith verengte die Augen.

Kane fuhrt fort: „Ich habe keine Lust, mich Ihrer Geschäfte mit den Juaristas wegen zur Zielscheibe der Franzosen zu machen!“

„Nein“, sagte Smith. „Das einzige, was ich hoffe ist, dass dieser Krieg möglichst schnell wieder vorbei ist und die Regierung in Mexico City nicht auf die Idee kommt, Peso-Noten nach belieben zu drucken, um die Versorgung der Interventionstruppen bezahlen zu können!“

Kane lächelte dünn.

„Okay“, stimmte er zu. „Dann reiten wir zusammen.“

„Gut.“

„Unter einer Bedingung.“

„Welcher?“

„Sie werden nicht das Tempo bestimmen. Ich möchte von meinem Gaul noch etwas länger etwas haben, wenn Sie verstehen, was ich damit sagen will!“

Wildwest Großband September 2018: Sammelband 8 Western

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