Читать книгу Trevellian und der Tod in Chinatown: Action Krimi - Pete Hackett - Страница 7

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Staten Island. Es war Montagmorgen. Die Zeiger der Uhren standen auf halb sieben. Mortimer D. Hardin verabschiedete sich von seiner außerordentlich hübschen Lebensgefährtin Elizabeth Frawley mit einem flüchtigen Kuss.

„Du rufst mich an, Darling, wenn du im Betrieb bist?“, flötete sie.

„Ich werde dir kaum mehr erzählen können als ich jetzt weiß, Liz“, murmelte er.

„Es reicht mir, wenn ich deine Stimme höre“, lachte sie.

Er versprach ihr etwas genervt, sie anzurufen, dann verließ er den Bungalow, der gediegenen Wohlstand – keinen verschwenderischen Reichtum – vermuten ließ.

Sie stand am Fenster der Küche und winkte ihm zu. Er quälte sich ein Grinsen ab und winkte zurück.

Er freute sich auf den Tag, an dem er das alles abschütteln und hinter sich lassen konnte.

Der BMW, ein Modell der etwas gehobeneren Klasse, stand in der Garage. Während sich Mortimer Hardin der Garage näherte, drückte er die Fernbedienung. Mit einem weichen Surren schwang das Tor hoch.

Die zweite Fernbedienung an seinem Schlüsselbund entsperrte die Zentralverriegelung des BMW mit einem leisen, saugenden Geräusch.

Mortimer Hardin, ein Mann um die vierzig, mit graumelierten Schläfen und einer austrainierten Figur, wollte die Fahrertür öffnen, als er den Zettel sah, der unter den Scheibenwischer geklemmt war. Er stutzte, dachte erst an ein Strafmandat wegen Falschparkens, das er am Vortag einfach übersehen hatte, schließlich nahm er das Blatt Papier und las:

Sie machen das Geschäft mit uns, oder gar nicht. Wir melden uns.

Im Anflug eines jähen Zorns wollte er den Zettel zerknüllen und wegschmeißen, aber dann kam der siedende Schreck, und er bekam einen starren Blick, der sich an einem unbestimmten Punkt an der Garagenwand festzusaugen schien.

In Hardins Zügen arbeitete es. Schließlich murmelte er eine Verwünschung. Er steckte die Nachricht in die Jackentasche, setzte sich in den Wagen, startete und stieß rückwärts aus der Garage. Wenig später verließ er die ruhige Straße in der Nähe des Clove Lakes Park und fädelte sich in den fließenden Verkehr ein. Er fuhr über die Verrazano Narrows Bridge nach Brooklyn.

Der Wortlaut der Nachricht hatte sich in sein Denken gefressen wie ätzende Säure. Er achtete kaum auf den Verkehr, nahm einem anderen Autofahrer die Vorfahrt, und hätte dieser andere nicht den Stempel bis zum Bodenblech durchgetreten, wären beide Autos wahrscheinlich nur noch den Schrottpreis wert gewesen.

Der andere Fahrer hupte wie verrückt und brüllte eine Reihe von Beschimpfungen, die Mortimer Hardin jedoch nicht hörte. Er fuhr weiter, als ginge ihn das alles nichts an.

Seine Firma befand sich in der Henry Street. „Hardins World Design“ – so hatte er seinen Betrieb getauft.

Mortimer Hardin beschäftigte acht Angestellte. Die Büros seiner Firma befanden sich im 3. Stock eines älteren Gebäudes, im Erdgeschoss war ein McDonalds-Imbiss, das Stockwerk dazwischen war leer.

Hardin fuhr in den Hof auf seinen reservierten Parkplatz. Wenig später war er oben. Anny March, seine Sekretärin, fragte ihn mit einem bezaubernden Lächeln um die roten, sinnlichen Lippen, ob er frischen Kaffee möchte. Er winkte nur ab. Hinter ihm schloss sich die Tür seines Büros. Anny hatte den Mund geöffnet, um noch etwas zu sagen, schaute aber nur ausgesprochen befremdet hinter ihm her.

Schließlich raffte sie sich auf und folgte ihm. Er stand mitten im Büro und schien irgendwie unschlüssig zu sein.

Anny war 24 und verteufelt hübsch. Schwarzhaarig, blauäugig, gewachsen wie ein Starmodell. Sie war mehr als hübsch. Anny war eine schöne Frau. Und sie war ehrgeizig. Ihr Leben als Sekretärin vor einem Computer zu vergeuden war nicht ihr Ziel. Sie wollte höher hinaus – viel höher.

„Was ist los, Mortimer?“

Er trat vor sie hin. „Es gibt ein Problem, Anny.“ Mortimer legte der Frau beide Hände auf die Schultern. „Aber ich denke, ich werde das Kind schon schaukeln.“

Sie fixierte ihn zweifelnd. „Hängt es mit dem Programm zusammen?“

„Ja. Irgend jemand scheint Wind davon bekommen zu haben. Anny, ich muss jetzt einige Dinge auf die Reihe kriegen. Wir reden später. Okay?“

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und hauchte ihm einen Kuss auf den Mund. „Ich habe dich vermisst heute Nacht. Wann willst du Liz endlich reinen Wein einschenken und ...“

„Nur die Ruhe, Anny. Wenn ich diese Nummer durchgezogen habe, dann mache ich reinen Tisch. Und dann brauchst du hier auch nicht mehr die kleine Angestellte zu spielen, denn dann wirst du meine First Lady sein. Doch jetzt lass mich bitte allein. Ich muss mit Stelario sprechen.“

Nach einem zweiten Kuss verließ Anny das Büro.

Hardin griff sich sofort das Telefon. Er rief Elizabeth an, ungeduldig wechselte er mit ihr einige belanglose Sätze, dann sagte er: „Tut mir leid, Darling, ich muss aufhören. Hatte ganz vergessen, dass ich gleich einen Termin mit einem guten Kunden vereinbart habe. Er ist schon vorgefahren. Ich ruf dich wieder an. Okay?“

Sie schmollte, dann erklärte sie, dass sie ihn trotzdem liebe, obwohl er sich nie Zeit für sie nehme, dass er sie immer mehr vernachlässige, dann legte sie auf.

Nicht mehr lange, Darling, schoss es Mortimer Hardin durch den Kopf. Dann wirst du nicht nur von mir vernachlässigt, dann wirst du von mir in die Wüste geschickt.

Diese morgendlichen Rückrufe, kaum dass er das Haus verlassen hatte, nervten. Dieses Gequatsche von Liebe und ständiger Vernachlässigung und – und – und ...

Es war schlicht und einfach lästig.

Er hatte nichts mehr für sie übrig. Es war langweilig geworden mit ihr.

Mortimer Hardin atmete tief durch. Er legte den Hörer kurz auf, um die Leitung zu unterbrechen, dann nahm er ihn erneut und tippte mit fahrigen Fingern eine Nummer.

„Ja!“ Mehr war nicht zu hören am anderen Ende der Leitung.

„Ich muss sofort Luigi sprechen.“

„Wer ist – ich?“

Hardin wollte schon aufbrausen, das Adrenalin stand ihm bis zur Unterlippe, er zwang sich aber zur Ruhe. Mit gepresster Stimme nannte er seinen Namen. Dann hatte er Luigi Stelario an der Strippe.

„Was ist los?“, fragte der Italoamerikaner.

„Irgend jemand muss etwas von unserem Deal mitgekriegt haben. Hinter meinem Scheibenwischer fand ich eine Nachricht ...“ Hardin zitierte, was auf dem Blatt Papier stand. Dann endete er: „Weiß der Teufel, wer uns ins Handwerk pfuschen will. Jedenfalls scheint es eine undichte Stelle zu geben.“

Stelario schwieg kurze Zeit. Dann meinte er: „Diese undichte Stelle kann nur in deinem Umfeld sein. Wer von deinen Leuten weiß von der Sache?“

Hardin musste nicht lange nachdenken. „Herb Morgan und Dave Vanderbildt.“

„Knöpfe dir die beiden mal vor. Und wenn einer von denen geplaudert hat, dann ...“ Stelario, der Boss eines Syndikats in der Lower East Side, sprach nicht zu Ende, was dann sein würde. Aber die unausgesprochene Drohung beinhaltete mehr als alle Worte.

Mortimer Hardin wusste, dass hinter dem dann ein Todesurteil stand.

Stelario fuhr fort: „Wer immer dir den Fetzen Papier zugespielt hat, Mortimer, er wird sich die Finger verbrennen. Wir machen das Geschäft – du und ich. Wir treffen uns, wie ausgemacht, genau heute in sechs Tagen. Du bringst die Ware mit, und ich zahle dich aus. Und wenn alles so läuft, wie ich mir das vorstelle, dann wird sich unsere Geschäftsbeziehung vertiefen und ganz gewiss noch eine Weile andauern. Alles klar?“

„Ich – ich weiß nicht ...“

„Du willst doch jetzt nicht abspringen?“, kam es drohend durch die Leitung. „Ich könnte es mir nicht leisten ...“

„Nein, Luigi. Gewiss nicht.“ Mortimer sprach es hastig und voll gemischter Gefühle. Er hatte unvermittelt das Empfinden, in einer Sackgasse zu stecken, aus der es kein Entrinnen gab.

„Dann ist‘s ja gut. Also in sechs Tagen.“

Stelario legte auf. Hardin hielt noch eine Weile den Hörer in der Hand. Er kniff die Lippen zusammen und versuchte eine gerade Linie in sein Denken zu bringen. Stelario hatte nicht den geringsten Zweifel aufkommen lassen, dass er den Ton angab und dass er einen Rückzieher nicht duldete. Stelario zum Feind zu haben war gleichbedeutend mit tot zu sein.

In Mortimer Hardins Eingeweiden begann es zu rumoren.

Als er ebenfalls auflegte, wurde die Tür geöffnet. Im nächsten Moment schob Anny March ihren Kopf durch den Spalt. „Was ich vorhin vergaß, Mort: Herb Morgan ist heute nicht zur Arbeit erschienen. Er hat auch nicht angerufen und sich entschuldigt.“

Mortimer Hardin zuckte zusammen, als hätte ihn jemand mit einem glühenden Eisen berührt.

„Er – er ... Morgan ist nicht zur Arbeit erschienen?“, stammelte er nahezu fassungslos, und er spürte, wie sich Puls und Herzschlag beschleunigten. Er schluckte mühsam. „Hast du bei ihm angerufen, Anny?“

„Ja. Er hebt nicht ab.“

Mortimer Hardins Blick schien sich nach innen zu kehren. „Ist schon gut, Anny. Vanderbildt soll zu mir kommen. Sofort.“

Annys Kopf verschwand, die Tür wurde zugezogen. Derart aufgelöst hatte Anny March ihren Chef und Geliebten noch nie gesehen.

Nach der Hiobsbotschaft ahnte er Fürchterliches. Er hatte Mühe, die Fassung zu bewahren. Er fühlte sich unvermittelt wie ein Seiltänzer bei einem gefährlichen Drahtseilakt ohne Netz und doppelten Boden.

Vanderbildt erschien. Ohne den Gruß des Mannes zu erwidern stieß Mortimer Hardin erregt hervor: „Hast du zu irgend jemand von der Sache gesprochen, Dave?“

Dave Vanderbildt, ein großer, schlaksiger Bursche von etwa 35 Jahren, schüttelte den Kopf. „Hältst du mich für doof?“, fragte er respektlos.

Hardin schluckte es. Sie waren nur nach außen hin Chef und Angestellter. Im Innenverhältnis waren sie Komplizen.

„Was ist mit Herb?“ Hardin spuckte die vier Worte regelrecht hinaus.

„Keine Ahnung.“ Vanderbildts Stirn legte sich in Falten. „Was soll mit ihm sein? Was ist los, verdammt? Du bist aufgeregter als eine Jungfrau vor dem ersten Mal. Mach den Mund auf und lass dir nicht die Würmer einzeln aus der Nase ziehen.“

Mortimer Hardin klärte seinen Komplizen mit dürren Worten auf. Vanderbildt nagte an der Unterlippe. „Schätze, da hat Herb Scheiß gebaut“, murmelte er dann. „Ich war ja gleich nicht dafür, dass wir diesen Windhund ...“

Hardin unterbrach Vanderbildt. „Er ist ein Experte auf dem Gebiet des Computer-Design. Darum brauchten wir ihn.“

Vanderbildt kam nicht mehr zu einer Erwiderung. Denn Anny March riss die Tür auf. Sie war leichenblass. Schreck weitete ihre dunklen Augen, ihre Lippen bebten. „Mr. Hardin, hier – mein Gott, es ist zu schrecklich ...“

Wenn Dritte anwesend waren, war er Mr. Hardin, und sie war Miss Anny oder einfach nur Anny. Kein Mensch in der Firma hatte eine Ahnung, dass sie ein Verhältnis hatten, nicht einmal Vanderbildt, im Verein mit dem und Herb Morgan er, Mortimer Hardin, den „großen Deal“, wie er sich auszudrücken pflegte, durchziehen wollte.

Sie hielt die New York Times in der Hand, ein Zittern durchlief ihre Gestalt.

„Was ist schrecklich, verdammt, reden Sie schon“, schnappte Hardin, war aber schon bei Anny und riss ihr die Zeitung aus der Hand. Er überflog die Seite, konnte aber auf Anhieb nicht entdecken, was Anny so sehr entsetzte, dass ihr die Stimmbänder versagten.

Anny fing sich. Tränen standen in ihren Augen. Sie tippte mit dem Zeigefinger auf eine kleine Meldung, die nur allzu leicht zu übersehen war. „Hier, Mor ...“ Sie verschluckte den Rest des Namens, als sie sich rechtzeitig besann, dass sie eine Rolle spielte. „Hier, Sir, ich – ich kann es noch gar nicht fassen. Der arme Herb ...“

Vanderbildt schaute misstrauisch von ihr zu Hardin, auf seiner Stirn hatten sich über der Nasenwurzel zwei steile Falten gebildet.

Hardin spürte, wie ihm die Knie weich wurden. Eine Bruchteile von Sekunden andauernde Blutleere im Gehirn ließ ihn auf der Stelle taumeln. Sein Gesicht entfärbte sich und bekam die Farbe des Papiers, auf dem schwarz auf weiß stand, dass Herb Morgan erwürgt und sein Leichnam in den Hudson River geworfen worden war.

Er musste sich setzen. Vanderbildt nahm ihm die Zeitung aus der Hand. Dave Vanderbildts Wangen begannen zu vibrieren. Ein Schatten lief über sein Gesicht. Schließlich gab er mit belegter Stimme zu verstehen: „Es ist gut, Anny. Lassen Sie uns allein.“ Er fingerte in seiner Jackentasche herum, holte eine Packung Marlboro heraus und zündete sich einen Glimmstängel an. Dann wartete er, bis Anny draußen war, die sich nur zögerlich zurückgezogen hatte, und schließlich quoll es aus ihm heraus: „Hast du jetzt noch einen Zweifel, Mort? Herb wollte uns hereinlegen und hat sich an irgendeinen Mafia-Clan gewandt, um das Geschäft alleine zu machen. Allerdings machte er die Rechnung ohne den Wirt, wie es aussieht.“

Mortimer Hardin schüttelte den Kopf. Zu mehr war er im Augenblick nicht fähig.

Vanderbildt trat vor ihn hin, beugte sich tief zu ihm hinunter. „Eine Frage am Rande, Mort“, dehnte er. „Anny wollte dich vorhin mit deinem Vornamen anreden. Ist da etwas?“

Ihre Blicke kreuzten sich. „Unsinn“, murmelte Mortimer Hardin. „Die Gute ist total verstört, völlig konfus. Ist ja auch kein Wunder, oder? Auch ich bin ziemlich verwirrt. Da kann schon mal ...“

„Wir können uns keinen Schwachpunkt leisten, Mortimer“, floss es schwer über Vanderbildts Lippen. „Und das weißt du auch.“

„Immerhin hatte ich ja die Idee“, brauste Hardin auf. „Ich war es auch, der die Verbindung zu Stelario geknüpft hat. Du und Herb – ihr seid die Asse am Computer. Planung und Organisation aber obliegen mir. Glaubst du im Ernst, dass ich einen Fehler mache?“

Trevellian und der Tod in Chinatown: Action Krimi

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