Читать книгу Glorreiche Western Trio Band 3 Romane 7/2021 - Pete Hackett - Страница 6

Sattelwölfe

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Western von Pete Hackett

Über den Autor

Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G.F.Unger eigen war - eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.

Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: "Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung."

Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.

Ein CassiopeiaPress E-Book

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© 2012 der Digitalausgabe 2012 by AlfredBekker/CassiopeiaPress

www.AlfredBekker.de

Tex Foster war auf dem Weg zum Saloon. Der kleine Ort, in dem er Halt gemacht hatte auf seinem Weg nach Mexiko, hatte den Namen Warren. Die Grenze war nur einen Steinwurf entfernt. Sobald die Nacht vorbei sein würde, wollte er sie überqueren. Im Arizona-Territorium war ihm der Boden ziemlich heiß geworden unter den Füßen. Es sollte ein Abschied für längere Zeit werden.

In Warren gab es kein Gesetz. Niemand würde ihn erkennen. Der Bandit wollte sich noch ein saftiges Steak gönnen und einige Gläser Whisky trinken …

Die Abenddämmerung wob bereits zwischen den Häusern der Stadt. Die Alltagsgeräusche waren verstummt. Von Süden her wehte ein schraler Wind, der den Staub auf der Fahrbahn in kleinen Spiralen vor sich hertrieb.

Tex Foster bewegte sich auf dem Gehsteig. Dieser war manchmal unterbrochen, wenn es eine größere Baulücke zwischen den Gebäuden gab. Dann mahlten seine Sohlen im feinen Sand und riefen ein leises Knirschen wach. Bei jedem seiner Schritte streifte sein Handballen den Knauf des Revolvers, der an seinem rechten Oberschenkel hing.

Foster erreichte den Saloon und stieg die drei Stufen zum Vorbau hinauf. In einem Schaukelstuhl neben der Pendeltür saß ein Mann in einem braunen, zerschlissenen Staubmantel. Seine Stiefel waren verstaubt, ihr Leder war brüchig. Der Bursche hatte sich den schwarzen, flachkronigen Stetson über das Gesicht gelegt und schien zu dösen. Zu seinen Füßen lag ein großer, grauer Wolfshund, den mächtigen Kopf zwischen die Vorderpfoten gebettet, die runden, braunen Augen auf Tex Foster gerichtet.

Foster ging an dem Mann im Schaukelstuhl vorbei, ohne ihn zu beachten und erreichte die Pendeltür. In dem Moment kam Leben in den Burschen mit dem braunen Mantel. Mit der linken Hand schob er den Hut zurück, zugleich erhob er sich und zog mit der Rechten den schweren, langläufigen Coltrevolver. Ein Schritt brachte ihn an Tex Foster heran. Er drückte Foster die Mündung des Revolvers gegen den Hinterkopf. »Endstation, Foster!«, stieß er mit klirrender Stimme hervor.

Tex Foster war total überrumpelt und zu keiner Reaktion fähig. Die beiden Worte klangen in ihm nach. Seine Hände lagen auf den geschwungenen Rändern der Pendeltür. Er war wie erstarrt.

Dieser Zustand nahm drei – vier Sekunden in Anspruch, dann gelang es Foster, seine Lähmung abzuschütteln. In seinem Gesicht begann es zu arbeiten, in seine Augen trat ein lauerndes und zugleich tückisches Schillern. »Wer bist du?«

»Mein Name ist McQuade.« Der Kopfgeldjäger hatte während der Zeit, die Foster benötigte, um seine Erstarrung zu überwinden, den Revolver des Banditen aus dem Holster gezogen. Er schob ihn hinter seinen Hosenbund und trat zwei Schritte zurück. »Dreh dich um, Foster. Und keine Dummheiten! Du würdest es bereuen. Dir ist sicherlich klar, dass zu dem Gesetz auch tot sechshundert Dollar wert bist.«

Der Bandit mahlte mit den Zähnen. Sein fieberndes Hirn suchte nach einem Ausweg. Auf ihn fiel der Schatten des Galgens. Er hatte bei einem Postkutschenüberfall den Begleitmann des Kutschers getötet. Und auf Raubmord stand der Strang.

»Mach schon!«, gebot McQuade ungeduldig und mit stählern klingender Stimme. Gray Wolf hatte sich erhoben und schmiegte sich nun an das linke Bein des Texaners. Dessen Daumen lag auf der Hammerplatte des Revolvers. Sein Zeigefinger krümmte sich um den Abzug. Sein hohlwangiges, stoppelbärtiges Gesicht drückte Entschlossenheit aus, die Augen blickten hart.

Zögerlich, mit marionettenhaften Bewegungen kam Foster der Aufforderung nach. Er hatte die Hände in Schulterhöhe gehoben. McQuade sah einen dunkelhaarigen Mann Anfang dreißig. In seinem kantigen Gesicht hatten Lasterhaftigkeit und ein unstetes Leben jenseits von Recht und Ordnung unübersehbare Spuren hinterlassen. Das hinterhältige Glitzern in den Augen des Banditen blieb McQuade nicht verborgen. Es mahnte ihn zu Wachsamkeit und Vorsicht.

McQuade griff in die Manteltasche und holte ein Paar Handschellen heraus. »Ich werde dich jetzt fesseln, Foster. Du solltest es geschehen lassen. Gray Wolf wird darauf achten, dass du vernünftig bleibst. Falls nicht, machst du Bekanntschaft mit seinem Gebiss.«

Foster versuchte Zeit zu gewinnen. Solange seine Hände nicht gefesselt waren, hatte er eine kleine Chance. »Bist du ein Sheriff oder gar ein Staatenreiter?«, fragte er schnell. Seine Stimme klang belegt. Er räusperte sich.

»Nein. Aber du bist ein niederträchtiger und skrupelloser Bandit. Und ich werde dich dem Gesetz ausliefern. Kerle wie du gehören hinter Schloss und Riegel. Ihr seid eine Gefahr für die Allgemeinheit. Dich bringe ich nach Tucson, Foster. Dort werden sie dir den Prozess machen und dich dann hängen.«

»Du bist also ein verdammter Mannjäger, einer, der für Geld die Seele seiner Großmutter dem Satan verkaufen würde.«

»Du täuscht dich, Foster. Aber über meine Beweggründe werde ich nicht mit dir diskutieren. Streck die Arme vor!«

»Verdammt, McQuade, ich wollte den Kerl nicht erschießen. Aber er griff nach dem Revolver, und ich …«

»Es war sein Job, zu verhindern, dass die Stagecoach überfallen wird«, unterbrach McQuade den Banditen mit klirrender Stimme. »Willst du dich etwa auf Notwehr hinausreden? Das klingt ja geradezu wie Hohn in meinen Ohren. Du hast die Postkutsche überfallen und den Begleitmann erschossen. Das ist Raubmord. Und darauf kennt das Gesetz nur eine Antwort.«

Foster zog den Kopf zwischen die Schultern. Seine Gestalt krümmte sich ein wenig nach vorn. Er wirkte jetzt sprungbereit. Das Flackern in seinen Augen verriet, dass er nicht daran dachte, aufzugeben.

»Gray Wolf!«, brach es scharf über McQuades Lippen. »Gib acht!«

Sofort ließ sich der Wolfshund auf die Hinterläufe nieder, stieß ein drohendes Knurren aus und seine Lefzen hoben sich ein wenig über den gefährlichen Fang.

»Zum Henker mit dir und diesem grauen Mistvieh!«, knirschte Foster. Er gab sich geschlagen, entspannte sich, seine Schultern sanken nach unten, und er streckte McQuade die Hände hin. Der Kopfgeldjäger stieß den Colt ins Holster, dann klickten die Handschellen.

*

Zwei Stunden später kamen McQuade und sein Gefangener in Bisbee an. Es war Nacht. Aus verschiedenen Fenstern fiel Licht. Der penetrante Geruch von Tierausscheidungen wehte von den Corrals, Koppeln und Pferchen am Stadtrand her zwischen die Häuser. Leise Klaviermusik war zu hören. Sie wies McQuade den Weg. Je näher er dem Saloon kam, desto deutlicher wurden die verworrenen Geräusche, die sich mit dem Klimpern des Klaviers vermischten und auf die Main Street trieben. Am Hitchrack standen über ein halbes Dutzend Pferde. Stoisch ließen die Tiere die Köpfe hängen.

McQuade saß ab. »Runter vom Pferd, Foster!«, kommandierte er. Und als der Bandit am Boden stand, leinte der Kopfgeldjäger die beiden Reittiere an. Er zog die Henry Rifle aus dem Scabbard. »Beweg dich, Foster.« Er dirigierte den Banditen in den Schankraum. Knarrend schlugen die Türpendel hinter ihnen aus. Gesichter wandten sich ihnen zu, interessierte, stechende Blicke fixierten sie. Der Pianist unterbrach sein Spiel. Das Stimmendurcheinander wurde leiser und verklang schließlich. Jetzt starrte jeder im Saloon auf McQuade, seinen Gefangenen und den grauen Wolfshund, der nicht von der Seite des Kopfgeldjägers wich.

»Ich suche das Sheriff's Office!«, erklärte McQuade, der zwei Schritte vor der Tür angehalten und den Banditen angewiesen hatte, ebenfalls stehenzubleiben.

»Sheriff Buster ist nicht in der Stadt«, sagte der Keeper. »Viehdiebe haben von der Weide der Potter Ranch wieder einmal ein Rudel Rinder abgetrieben. Sam Buster ist seit zwei Tagen unterwegs. Sein Gehilfe, Charly Hobbs, dürfte schon schlafen. Charly ist ein alter Knochen, den das Rheuma plagt. Seine Hauptaufgabe besteht darin, den Boden des Sheriff's Office zu fegen und den Gefangenen drei Mahlzeiten am Tag zu servieren.«

»Ich brauche eine Zelle für meinen Gefangenen«, gab McQuade zu verstehen. »Kann mir jemand den Weg zum Haus Charly Hobbs' beschreiben?«

»Was hat der Kerl denn ausgefressen?«, fragte einer der Gäste laut.

»Raubmord. Sicher hängt an der Anschlagtafel des Sheriff's Office sein Steckbrief.«

»Ich kann keinen Stern an dir entdecken, Stranger. Bist du ein Menschenjäger?«

McQuade beachtete den Sprecher nicht mehr, sondern wandte sich wieder an den Keeper. »Wo wohnt Charly Hobbs?«

»Wenn Sie der Main Street nach Norden folgen, finden sie das Sheriff's Office an der Ecke der dritten Nebenstraße. Charly schläft, wenn es geht, in einer der Zellen. Sind alle Zellen voll, lässt ihn Sam Buster bei sich zu Hause nächtigen. Charly ist nicht nur sein Faktotum, er ist auch so etwas wie sein väterlicher Freund. Er hat Charly vom Alkohol weg gebracht.«

»Danke. – Kehrtwendung marsch, Foster!«

Sie verließen den Schankraum. Ihre Schritte pochten über den Vorbau. Lautlos strich Gray Wolf neben den beiden Männern her. Draußen banden sie die Pferde los und führten sie die Fahrbahn hinauf. McQuade entdeckte das Sheriff's Office und lenke seine Schritte darauf zu. Lose schlang er den langen Zügel um den Holm. Der Texaner, den ein unerbittliches Schicksal nach Arizona verschlagen hatte, wies Gray Wolf an, auf Foster aufzupassen, dann stieg er auf den Vorbau und schlug wenig später mit der Faust gegen die Officetür. Dumpf hallten die Schläge nach innen.

Es dauerte eine Weile, dann konnte McQuade durch das Fenster neben der Tür Lichtschein sehen. Gleich darauf ging die Tür auf, das Licht blendete den Kopfgeldjäger einen Moment, eine näselnde Stimme erklang: »Brennt es irgendwo in der Stadt, weil Sie fast die Tür eingeschlagen haben, Mister? Oder reitet Sie der Teufel, weil Sie sich wie ein Elefant im Porzellanladen gebärden?«

Charly Hobbs hielt die Laterne etwas in die Höhe. In Socken stand er vor McQuade. Er hatte seine Hose und das Hemd nicht ausgezogen, als er sich zum Schlafen niederlegte. Lediglich die Hosenträger hatte er sich von den Schultern gestreift. Sie hingen seitlich an seinen Beinen nach unten. Der Sheriffsgehilfe war bärtig und fast zahnlos. Seine blassblauen Augen waren wässrig. Die Runzeln und Furchen in seinem Gesicht erinnerten an die Rinde einer alten Flusspappel.

»Tut mir leid, wenn ich Sie aus dem Schlaf gerissen habe, Deputy«, entschuldigte sich McQuade. »Ich habe einen Gefangenen. Sein Name ist Tex Foster. Ich habe ihn in Warren gestellt und will ihn nach Tucson schaffen. Ich möchte Foster bis morgen Früh in einer Ihrer Zellen unterbringen. Ist das zu machen?«

Der Oldtimer blinzelte. »Was hat Foster denn angestellt?«

McQuade griff in die Manteltasche und zog den zusammengelegten Steckbrief heraus, faltete ihn auseinander und reichte ihn Charly Hobbs. Der Alte knurrte: »Ohne meine Brille kann ich nicht entziffern, was da geschrieben steht. Sagen Sie's mir: Was hat er verbrochen?«

»Postkutschenüberfall und Mord. Auf seinen Kopf sind sechshundert Dollar ausgesetzt. Werden Sie ihm für die Nacht – hm, Asyl gewähren?«

»In Ordnung, bringen Sie ihn herein. Wenn er hinter Schloss und Riegel ist, werde ich mir die Brille auf die Nase klemmen und lesen, was auf dem Steckbrief steht.«

»Foster, go on!«, befahl McQuade. Seine Stimme duldete keinen Widerspruch.

*

McQuade wurde wach, weil ein Pferd trompetend wiehert. Er erhob sich und ging zum Fenster, schob es in die Höhe und beugte sich ein wenig nach draußen. Vor dem Sheriff's Office, das dem Hotel schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite lag, konnte McQuade zwei Pferde sehen. Einer der Reiter war schon abgesessen. Er schlang die Leine um den Haltebalken des Hitchrack. Der Kopfgeldjäger hörte eine dunkle Stimme. Was der Mann sprach, konnte er nicht verstehen.

Jetzt ging der Mann, der sein Pferd angebunden hatte, vom Hitchrack weg, umrundete sein Pferd und trat neben das andere Tier. Wieder war die raue Stimme zu vernehmen. Und plötzlich trat der Bursche auf dem Pferd nach dem Mann, der am Boden stand. Mit dem nächsten Atemzug warf er sich aus dem Sattel und stürzte sich auf den Burschen, von dem McQuade annahm, dass es sich um den Sheriff handelte. Die beiden Männer gingen zu Boden. Staub hüllte sie ein. Die Pferde tänzelten unruhig zur Seite.

Die beiden Kämpfenden rollten herum. Eine Verwünschung war zu hören, einer der beiden kam hoch. Im Mond- und Sternenlicht sah McQuade das matte Funkeln an seiner linken Brustseite. Er zog den Revolver. Auch der andere kämpfte sich auf die Beine. An der Art, wie er die Arme hielt, erkannte McQuade, dass seine Hände vor dem Bauch gefesselt waren.

Er kam nur halb in die Höhe. Der Sheriff schlug mit dem Revolver zu. Als hätte ihn die Faust des Teufels getroffen, ging der Bursche zu Boden. Über ihn gebeugt, die Hand mit dem Colt für den nächsten Schlag erhoben, wartete der Sternträger, ob sich sein Gefangener noch einmal aufzurichten versuchte. Aber der Bursche schien genug zu haben. Der Sheriff richtete sich zu seiner vollen Größe auf, und McQuade konnte wieder seine Stimme hören. Schließlich packte er den Kerl am Westenkragen und zerrte ihn auf die Beine, um ihn die Stufen zum Vorbau hinaufzubugsieren.

McQuade machte kehrt, zündete die Laterne an und begann, sich anzukleiden. Zuletzt legte er sich den Revolvergurt um, schlüpfte in seinen Mantel, stülpte sich den Stetson auf die sandfarbenen Haare und verließ das Zimmer. Gray Wolf trabte neben ihm her. Die lange Zunge hing dem Hund seitlich aus dem Maul. Er bewegte sich lautlos wie ein Puma.

Aus dem Fenster des Sheriff's Office fiel Licht. McQuade schritt über die Fahrbahn und klopfte gleich darauf an die Tür des Büros. Sogleich kam die Aufforderung, einzutreten, und der Texaner öffnete die Tür. Im Office befanden sich der Sheriff und Charly Hobbs. Beide starrten McQuade an. Der trat in den Raum, wartete, bis auch Gray Wolf durch die Tür war, dann schloss er sie und hörte Charly sagen: »Das ist McQuade, von dem ich dir eben berichtet habe. Er hat vor über zwei Stunden diesen Tex Foster bei mir abgeliefert.«

McQuade schaute auf den Regulator, der an der Wand hing. Es war fast zwei Uhr.

Der Sheriff ergriff das Wort. »Charly hat mir erzählt, dass Sie Foster nach Tucson bringen wollen. Sie werden drei Tage unterwegs sein. Der Weg führt mitten durch die Santa Rita Mountains.«

»Ich bin mit der Wildnis vertraut«, versetzte McQuade lächelnd. »Man hat mir erzählt, dass Sie ein paar Rustler jagen. Gehört der Hombre, den Sie in die Stadt brachten, zu der Bande?«

Der Sheriff nickte. »Sein Name ist Murdock – Bill Murdock. Ich habe den Kerl in den Swisshelm Mountains erwischt. Von Ihnen habe ich schon gehört, McQuade. Ihr Ruf eilt Ihnen voraus und hat einen Klang wie Donnerhall.«

McQuade winkte ab. »Ihr Gehilfe war so freundlich und hat mir für diese Nacht den Banditen abgenommen. Ich habe mit ihm vereinbart, dass ich ihn morgen gegen acht Uhr abhole.«

»Das ist in Ordnung«, knurrte der Ordnungshüter. »Ich werde hier sein. Denn ich werde den Rest der Nacht im Office verbringen. Möglicherweise tauchen in den nächsten Stunden die Kumpane von Murdock auf, um ihn aus dem Gefängnis zu holen. Charly hätte gegen diese Höllenhunde keine Chance.«

McQuade hatte sich ein Bild von dem Sheriff gemacht. Sam Buster war etwa vierzig Jahre alt, über sechs Fuß groß und hager. Er verströmte Ruhe und Besonnenheit, er war gewiss ausgesprochen hart und kompromisslos. McQuade hatte ihn in Aktion gesehen. Dieser Mann fackelte nicht lange. Er verschaffte seinem Willen Geltung – wenn es sein musste, auf die raue Tour. »Ich kann Ihnen Gesellschaft leisten«, erklärte der Kopfgeldjäger.

Der Sheriff zeigte ein grimmiges Grinsen. »Befürchten Sie, dass die Rustler ihren Kumpel Murdock befreien und Tex Foster auch gleich mitnehmen?«

»Nein, das ist nicht der Grund«, murmelte McQuade. »Doch ich vermute, dass es sich bei den Rustlern um eine ganze Bande handelt. Und Sie sind allein.«

»Zähle ich etwa nicht?«, begehrte Charly Hobbs auf. Er warf sich in die Brust. »Sie werden es nicht glauben, McQuade, aber ich kann kämpfen wie ein Löwe.«

»Ich wollte Ihnen natürlich nicht zu nahe treten, Charly«, lenkte McQuade ein.

Sheriff Sam Buster sagte: »Wir kommen allein zurecht, McQuade. Dennoch vielen Dank für das Angebot. Legen Sie sich wieder aufs Ohr. Sie haben drei harte Tage vor sich. Und ein unausgeschlafener Mann ist nur die Hälfte wert.«

»Wie Sie meinen, Sheriff«, murmelte McQuade, machte kehrt und verließ das Office.

*

Nach dem Frühstück holte er sein Pferd aus dem Stall des Hotels und ritt zum Sheriff's Office. Er saß ab, band das Tier an den Holm und klopfte wenig später gegen die Tür. Drin blieb es still. McQuade nagte nachdenklich an seiner Unterlippe. Ihm schwante plötzliches Schreckliches. Die Tür ließ sich öffnen. McQuade trat ein. Der Sheriff saß auf dem Stuhl hinter dem Schreibtisch. Sein Oberkörper war nach vorne gesunken und lag auf der Tischplatte. Die blonden Haare des Gesetzeshüters waren mit Blut verklebt.

McQuades Herzschlag beschleunigte sich, seine Atmung ging etwas schneller. Der Anblick brachte sein Blut in Wallung. Sich zur Ruhe zwingend trat er an den Gesetzeshüter heran, hob seine Hand in die Höhe und fühlte seinen Puls.

Der Sheriff war tot. Jemand hatte ihm den Schädel eingeschlagen. McQuade schluckte würgend. Wieder einmal wurde er mit dem Irrsinn brutalster Gewalt konfrontiert. Ein eisiger Hauch schien ihn zu streifen. Er wandte sich der Tür zum Zellentrakt zu. Sie war nur angelehnt. Der Kopfgeldjäger zog sie auf und trat in den Korridor zwischen den Zellen. Auf einer der Pritschen lag gefesselt und geknebelt Charly Hobbs. Die anderen Zellen waren leer.

McQuade trat neben die Pritsche, auf der der Oldtimer lag, befreite ihn von dem Knebel und von den Fesseln und half ihm, sich aufzusetzen. Charly schwang die dünnen Beine von der Pritsche und hielt sich mit beiden Händen den Kopf. »Sie – sie kamen durch die Hintertür herein. Sie müssen einen Dietrich benutzt haben, denn sie kamen völlig lautlos. Ich schlief in einer der Zellen. Ehe ich mich versah, gingen bei mir die Lichter aus. Als ich erwachte, waren Foster und Murdock fort, und ich war verschnürt wie ein Paket. Was ist mit Sam? Er war im Büro. Er …« Der Oldtimer brach ab und starrte McQuade entsetzt an. »Ich kann es Ihnen von der Nasenspitze ablesen, McQuade. Es ist etwas Schreckliches geschehen. Sagen Sie's mir: Was ist mit Sam?«

»Sie haben ihn erschlagen«, murmelte McQuade. »Wie viele waren es?«

»Ich weiß es nicht. Gütiger Gott! Sie haben Sam ermordet. Diese – diese elenden Killer! Dafür soll sie die Hölle verschlingen.«

Der Alte erhob sich mit einem Ruck, wankte und setzte sich schließlich unbeholfen in Bewegung. Er taumelte zur Tür, hinaus auf den Flur, und durch die offen stehende Zellentrakttür ins Office.

Als McQuade das Office betrat, stand der Oldtimer neben der reglosen Gestalt des Sheriffs. »Sie haben ihn erschlagen wie einen tollwütigen Hund«, keuchte Charly Hobbs. »Was sind das bloß für gewissenlose Schufte. Joana wird daran zerbrechen. Seit langer Zeit bekniet sie Sam, den Stern abzulegen und ein geordnetes, ruhiges Leben zu führen. Aber Sam war mit dem Stück Blech wie verwachsen. Und nun …«

Die Stimme des alten Burschen brach. Er schluchzte trocken. Seine Augen füllten sich mit Tränen.

Eine Kladde, die auf dem Schreibtisch lag, stach McQuade ins Auge. Ein Tintenbleistift lag daneben. Der Kopfgeldjäger nahm das dünne Buch und schlug es auf. Es enthielt die täglichen Berichte des Sheriffs. Die letzte Eintragung lautete: … folgte den Rustlern in die Swisshelm Mountains und konnte Bill Murdock fassen, dessen Pferd lahmte und der zurückgeblieben war. Die Namen seiner Komplizen sind Dave Hanson, Brent Haywood und Ed Parker. Sie verkaufen die gestohlenen Rinder in Douglas an einen Viehhändler.

McQuade prägte sich die Namen ein. Er sagte zu Charly Hobbs: »Kümmern Sie sich um den toten Sheriff, Charly. Ich will keine Zeit verlieren.«

»Was haben Sie vor, McQuade?«

»Ich hole mir die Kerle. Und ich werde nicht eher ruhen, bis der letzte von Ihnen tot oder hinter Schloss und Riegel ist.«

Es klang wie ein Schwur.

McQuade machte kehrt und verließ das Office. Gray Wolf folgte ihm.

*

McQuade fand die Stelle, an der die Banditen die Pferde abgestellt hatten. Die Fährte führte nach Westen. Wahrscheinlich ritten die Kerle nicht nach Mexiko, weil sie die berühmt-berüchtigten Grenzreiter, die Rurales, fürchteten, die oftmals nicht viel besser waren als die Banditen, die das Grenzland unsicher machten.

McQuade sagte sich, dass die Bande etwa fünf bis sechs Stunden Vorsprung hatte. Ihm war auch klar, dass die Outlaws die Pferde nicht schonten, sondern dass sie so schnell wie möglich so viele Meilen wie möglich zwischen sich und Bisbee bringen wollten.

Auch McQuade ließ das Pferd laufen. Aber er verausgabte das Tier nicht. Die Hitze nahm schnell zu. Bald lag das Land unter einem flirrenden Hitzeschleier. Der Kopfgeldjäger zog über eine weitläufige Ebene, die im Norden und Süden von Bergketten begrenzt wurde. Auch im Westen, allerdings in rauchiger Ferne, stießen die Gipfel eines Felsmassivs in ein Meer aus weißen Wolken hinein.

Die Vegetation bestand in kniehohem Kreosot, hier und dort erhob sich ein knorriger Baum, zwischen dem Kreosot waren Inseln aus gleißendem Sand und Geröll zu sehen, auf denen Ocotillos und Comas wuchsen.

Die Spur war deutlich wahrzunehmen. Die Banditen hatten sämtliche Waffen, die sie im Sheriff's Office finden hatten können, mitgenommen. Und sie rechneten wahrscheinlich mit Verfolgung. Daher ließ McQuade die gebotene Vorsicht nicht außer Acht. Jeder seiner Sinne arbeitete mit doppelter Schärfe. Er war angespannt bis in die letzte Faser seines Körpers.

Etwa drei Stunden nach seinem Aufbruch in Bisbee erreichte McQuade einen Ort namens Hereford. Das Nest war ausgesprochen mexikanisch geprägt. Die Häuser, meist aus Adobeziegeln erbaut und mit Adobelehm verputzt, waren um eine Plaza angeordnet. Dahinter waren Schuppen, Scheunen und Ställe errichtet. Außerhalb der Stadt waren die Corrals und Koppeln mit den Nutztieren der Bürger. Auf der Plaza gab es einen Brunnen mit gemauertem Rand, über dem eine Konstruktion mit einer Winde errichtet war, von der an einem Seil ein Ledereimer hing.

Helle Hammerschläge waren zu hören. Das Muhen von Kühen und das Meckern von Ziegen wehte an das Gehör des Kopfgeldjägers. Vor dem Store stand ein Gespann. Ein Mann trug einen Sack aus dem Laden. Am Rand der Plaza spielten drei Kinder von etwa sechs Jahren. Im Schatten eines der Wohnhäuser lag ein schwarzer Hund auf der Seite, alle viere von sich gestreckt, und schlief.

Die Ortschaft vermittelte Ruhe, Frieden und Beschaulichkeit.

McQuade lenkte das Pferd auf die Plaza und hielt beim Brunnen an. Etwas sattelsteif saß er ab. Die Winde quietschte erbärmlich, als er einen Eimer voll Wasser in die Höhe hievte. Er füllte seine Wasserflasche, dann wusch er sich Staub und Schweiß aus dem Gesicht, hievte einen weiteren Eimer Wasser hoch, ließ Gray Wolf trinken, und schließlich stellte er das Behältnis vor das Pferd hin, das sogleich seine Nase in das frische Nass tauchte.

McQuade schaute sich und nahm alle Eindrücke auf, die sich ihm boten. Hinter einigen der verstaubten Fensterscheiben sah er die hellen Kleckse von Gesichtern. Die Menschen beobachteten ihn. Auf der einen oder anderen Fensterbank stand ein Blumenkasten mit roten Geranien, die auffällige Farbtupfer an den meist schmutzig-weißen Fassaden darstellten.

Es gab keinen Saloon sondern eine Bodega. Zu ihr gehörte ein Stall. Einen richtigen Mietstall konnte McQuade nicht entdecken. Der Mann, der den schweren Sack auf die Ladefläche des Fuhrwerks geworfen hatte, stiefelte wieder in den Store. Der schwarze Hund war aufgewacht und trollte heran, strich um Gray Wolf herum und beschnupperte ihn. Der graue Wolfshund wedelte mit dem Schweif. Bei dem Tier, dessen Interesse er geweckt zu haben schien, handelte es sich um eine Hündin.

Als das Pferd seinen Durst gelöscht hatte, nahm McQuade das Tier am Zaumzeug und führte es zum Store. Gray Wolf blieb mit der Hündin zurück. Um ihn brauchte sich der Kopfgeldjäger nicht zu kümmern. Soeben kam der Mann, den er vorhin schon gesehen hatte, wieder heraus, und auch jetzt hing ein prall gefüllter Sack über seiner Schulter. Er war um die fünfzig und es handelte sich bei ihm wahrscheinlich um einen Farmer aus der Gegend. McQuade grüßte, ließ den Mann an sich vorbei und ging in den Laden. Die Türglocke bimmelte scheppernd. Hinter dem Tresen stand ein Mann, der sich eine grüne Schürze umgebunden hatte und auf dessen Nase ein Zwicker saß. Er musterte McQuade abschätzend.

»Guten Tag«, grüßte McQuade und der Storehalter erwiderte den Gruß. »Ich bin hinter fünf Kerlen her«, fuhr der Kopfgeldjäger fort. »Wahrscheinlich hatten sie es ziemlich eilig. Sind sie in Hereford aufgekreuzt?«

»Zwei waren hier«, sagte der Mann mit der grünen Schürze. »Sie kamen auf einem Pferd, kauften Martinez einen Gaul und Sattelzeug ab und verschwanden wieder. Beide waren um die dreißig. Sahen ziemlich heruntergekommen aus, und wahrscheinlich handelte es sich um irgendwelche lichtscheuen Gestalten.«

McQuade holte den Steckbrief von Tex Foster aus der Manteltasche, faltete ihn auseinander und reichte ihn dem Storeowner. »War einer der beiden dieser Mann?«

Der Mann hinter dem Tresen schaute sich das Bild an, pfiff zwischen den Zähnen, nickte und sagte: »Ja. Der war dabei. Nicht gerade ein unbeschriebenes Blatt, wie? Sechshundert Dollar, Raubmord. - Sind Sie ein Staatenreiter?«

»Nein. In welche Richtung sind die beiden weitergeritten?«

»Sie haben die Stadt in westliche Richtung verlassen. Ob sie diese Richtung beibehalten haben, nachdem sie von hier aus nicht mehr zu sehen waren, kann ich Ihnen nicht sagen. – Was sind Sie denn, wenn Sie kein Staatenreiter sind? Den Sheriff von Bisbee kenne ich. Hereford liegt noch in seinem Amtsbezirk.«

»Buster ist tot. Die Komplizen der beiden, die Sie heute Morgen in der Stadt sahen, haben ihn getötet. - Wie heißt die nächste Stadt weiter westlich?«

»Nogales. Bis dorthin sind es gut und gerne achtzig Meilen. Zwischen Hereford und Nogales ist nur Wildnis; erst Wüste, dann Buschland und Wald. Es sind die südlichen Ausläufer der Santa Rita Berge. Wenn Sie den Weg unter die Hufe Ihres Pferdes nehmen, dann sollten Sie sich mit ausreichend Wasser versorgen. Die wenigen Bäche und Wasserlöcher, die es gibt, dürften ausgetrocknet sein.«

»Vielen Dank für den Hinweis«, sagte McQuade und verließ den Laden. Der Mann, der den Wagen auf der Straße belud, kam ihm entgegen. Er schwitzte. Er zeigte McQuade ein freundliches Grinsen. Der Kopfgeldjäger tippte grüßend mit dem Zeigefinger an die Krempe seines Stetsons.

Der Storeinhaber rief dem Kopfgeldjäger hinterher: »Zwischen hier und Nogales können Ihnen auch streunende Apachen oder mexikanische Bravados begegnen, die über die Grenze kommen, um Vieh zu stehlen oder Farmen zu überfallen. Ich rate Ihnen, auf der Postkutschenstraße zu reiten, die über Sierra Vista führt. Es ist zwar in immenser Umweg, aber um einiges sicherer als die Route mitten durch die Ödnis.«

»Ich will keine Zeit verlieren«, erwiderte McQuade.

*

Die Ebene setzte sich fort. Die Hitze war geradezu unerträglich. Die Sonne stand fast senkrecht über McQuade. Ein Heer von kleinen Stechmücken, die vom Schweißgeruch angezogen wurden, quälten Mensch und Tier. Immer wieder gab es Hinweise, dass die Banditen hier geritten waren. McQuade war sich jedoch nicht sicher, ob sie sich getrennt hatten.

Der Kopfgeldjäger war ein Bündel angespannter Aufmerksamkeit. Seine Augen waren unablässig in Bewegung. Aber die Bergketten im Norden, Westen und Süden muteten an wie ausgestorben. Sie verschwammen in der wabernden Luft.

Zumindest der Vorsprung der beiden Kerle, die sich in Hereford ein Pferd beschafft hatten, war geschmolzen. Er betrug allenfalls noch drei Stunden. McQuade war sich sicher, dass er die Banditen in Nogales stellen würde.

Stunde um Stunde ritt der Texaner. Feiner Staub, den der Wind von Süden mit sich brachte, klebte in seinem Gesicht und hatte seine Augen entzündet. Er knirschte zwischen seinen Zähnen und scheuerte unter der Kleidung auf seiner Haut. Hin und wieder stieß er auf ausgetrocknete Bachbette. Er verspürte Durst, doch er musste mit seinem Wasser sparsam umgehen. Auch das Pferd und der Wolfshund würden mit geringen Rationen auskommen müssen.

Am späten Nachmittag nahm hügeliges Terrain den Kopfgeldjäger auf. Er vermied es, über die Anhöhen zu reiten und nahm Umwege um die Hügel herum in Kauf. Und für einen Moment glaubte er an ein Wunder, als er in einer Mulde ein halb eingetrocknetes Wasserloch entdeckte. Es war von einem Gürtel aus rissigen Fladen zusammengebackenen Uferschlammes umgeben, der von Hufen aufgewühlt war.

McQuade glitt bei der Wasserstelle aus dem Sattel. Das Pferd stampfte sofort zum Wasser und soff durstig. Auch Gray Wolf begann seinen Durst zu löschen. McQuade ging auf die Hacken nieder und begutachtete die Hufspuren, und er kam zu dem Ergebnis, dass sie ziemlich frisch waren. Außerdem fand er noch etwas, nämlich ein Hufeisen. Es wies keinerlei Rostspuren auf und das sagte McQuade, dass es nicht lange hier liegen konnte. Mit einem Pferd, das nur drei Eisen an den Hufen hatte, würde sein Reiter nicht besonders schnell vorankommen.

Der Kopfgeldjäger trank ausgiebig, füllte seine Canteen auf und ritt weiter. Das Terrain wurde immer unwegsamer. Die Sonne stand weit im Westen. Plötzlich blieb Gray Wolf stehen und hob den Kopf, schnüffelte in den Wind und winselte plötzlich leise. Dann lief das Tier davon und verschwand zwischen den Hügeln.

McQuade hielt an, saß ab und drehte sich eine Zigarette. Als sie brannte, ging er hin und her, um sich die steifen Beine zu vertreten. Das Pferd hatte zu weiden begonnen. Schließlich kam Gray Wolf zurück. Er bellte zweimal und machte wieder kehrt. McQuade warf die Kippe auf den Boden, trat sie aus und kletterte in den Sattel. Er folgte dem Wolfshund. Nach etwa zehn Minuten sah er am Fuß eines Hügels ein Pferd. Es war ein Brauner mit einem schwarzen Schweif und schwarzer Mähne. Von dem Reiter war nichts zu sehen. Aber es gab eine Menge Buschwerk hinter dem sich der Bursche verborgen haben konnte.

McQuade zog das Pferd um die rechte Hand, trieb es an und ritt zwischen die Hügel im Westen, umrundete ein ganzes Stück den Platz, an dem er das Pferd stehen sah, saß ab, nahm das Gewehr und lief den Abhang hinauf. Auf dem Kamm der Anhöhe deckten ihn die Büsche. Auf der Nordseite des Hügels pirschte er nach unten, jeden Schutz ausnutzend, der sich ihm bot. Gray Wolf glitt neben ihm her. Der Hund hechelte.

Das braune Pferd war weg. Aber die Fährte, die das Tier hinterlassen hatte, war deutlich und führte weiter nach Süden. Sie verschwand in einer Hügellücke.

Der Kopfgeldjäger zögerte nicht und folgte der Spur. Er durchquerte die Hügellücke, das Gelände senkte sich ein wenig ab, und als McQuade den oberen Rand des Abhanges erreichte, sah er das Pferd und den Mann, der es führte. Das Tier lahmte. Es war nicht zu übersehen. Die Distanz zwischen dem Texaner und dem Burschen betrug allenfalls fünfundsiebzig Yards. McQuade nahm das Gewehr an die Hüfte, lud durch und jagte eine Kugel über den Kopf des Burschen hinweg. Der Knall wurde von den Echos vervielfältigt und verhallte raunend.

Der Burschen auf dem Abhang riss es regelrecht herum. Seine Hand zuckte zum Gewehr, das im Scabbard steckte, doch als eine zweite Kugel über ihn hinwegpfiff, erstarrte er. Er kniff die Augen zusammen und sein flackernder Blick verkrallte sich an dem großen Mann in dem langen, braunen Staubmantel, der jetzt – das Gewehr im Anschlag -, den Abhang herunter schritt. Neben ihm trottete der graue Wolfshund.

Drei Schritte vor dem Burschen hielt McQuade an. Gray Wolf ließ sich auf die Hinterläufe nieder und ließ den Mann nicht aus den Augen. »Wer bist du?«, fragte McQuade. »Murdock, oder Hanson, oder Haywood oder Parker.«

Im Gesicht des Gefragten arbeitete es krampfhaft. Seine Mundwinkel zuckten. Er vermittelte die angespannte, sprungbereite Haltung eines Mannes, der sich im nächsten herumwerfen und die Flucht ergreifen wollte. »Mein Name ist Callaghan«, antwortete er heiser. Seine Rechte näherte sich langsam, kaum merklich, dem abstehenden Revolverkolben. Das tückische Lauern in seinen Augen blieb McQuade nicht verborgen.

»Na schön, Callaghan«, sagte der Kopfgeldjäger und ein geringschätziges Lächeln umspielte seine Lippen. »Dein Pferd hat bei dem Wasserloch ein Hufeisen verloren. Wohin wolltest du mit dem lahmenden Gaul?«

»Über die Grenze. Dort gibt es einige Dörfer, und sicher lebt dort auch ein Schmied, der das Pferd beschlagen kann.«

»Und wo wolltest du dich wieder mit deinen Freunden treffen? In Nogales?«

»Ich war allein auf dem Trail«, knurrte der Bursche, der langsam seine Sicherheit zurück gewann. Seine Rechte berührte den Griff des 45ers. Er leckte sich über die Lippen.

»Okay, Callaghan. Du scheinst der falsche Mann zu sein. Setz also deinen Weg fort.«

McQuade wandte sich nach dem letzten Wort ab. Mit dem nächsten Atemzug aber wirbelte er wieder herum, er ging auf das linke Knie nieder. Der Andere hatte den Revolver herausgerissen. Nun schwang er ihn hoch, gleichzeitig spannte er den Hahn. Ehe die Mündung ins Ziel stach drückte der Texaner ab. Die Kugel riss den Burschen halb herum. Er krümmte zwar den Finger, und der Schuss löste sich mit einem Donnerknall. Aber das Stück Blei richtete keinen Schaden an. Es fuhr in den Boden.

Das Gesicht des Getroffenen hatte sich verzerrt. Das Hemd färbte sich über seiner linken Schulter rot vom Blut, das aus der Wunde pulsierte. Die Hand des Mannes mit dem Revolver sank nach unten, öffnete sich, und die Waffe klatschte auf den Boden.

McQuade, der schon wieder repetiert hatte, drückte sich hoch.

»Noch einmal!«, rief der Kopfgeldjäger. »Welcher von den Rustlern bist du?«

»Ed Parker«, knirschte der Bandit und presste die Rechte auf die Wunde. Blut sickerte zwischen seinen Fingern hindurch. In seinen Augen tobte der Schmerz. Er atmete stoßweise.

»Wer von euch hat dem Sheriff den Schädel eingeschlagen?«

Parker zögerte mit der Antwort.

»Na!«

Der Bandit stieß scharf die Luft durch die Nase aus. »Es war Hanson.« Seine Stimme klang schmerzverzerrt. »Verdammt, wir wollten den Sternschlepper nicht umbringen. Es war ein Unglücksfall. Wir …«

»Er ist tot. Und es war Mord – kaltblütiger, hinterhältiger Mord aus niedrigen Beweggründen. Hanson wird dafür hängen. Du und Haywood – ihr werdet in Yuma Steine klopfen, bis ihr schwarz werdet. Was ist das Ziel deine Kumpane. Nogales?«

»Ja.«

»Reitet Foster mit ihnen?«

»Zumindest bis Nogales. - Ich weiß, wer du bist. Foster hat uns von dir erzählt. Du hast mir die Schulter zerschossen. Ich blute wie ein Schwein. Du musst mich verbinden.«

»Du hast sicher Verbandszeug in der Satteltasche, Bandit«, knurrte McQuade. »Ich schätze, du bist in der Lage, dich selbst zu versorgen.«

Mit zitternden Händen öffnete der Verwundete eine der Satteltaschen. McQuade schritt zu ihm hin, zog das Gewehr aus dem Sattelschuh und schlug den Kolben der Waffe ab. Dann holte er sich den Colt des Banditen und steckte ihn in seinen Hosenbund. »Gib auf ihn acht, Partner«, gebot der Kopfgeldjäger, dann marschierte er los, um sein Pferd zu holen.

*

McQuade saß hinter Ed Parker auf dem Pferd. Das Tier Parkers führte der Bandit an der langen Leine. Die Sonne war untergegangen. Der Himmel im Westen schien zu glühen. Rötlicher Schein lag auf dem Land und verlieh ihm einen besonderen Zauber. Die Vegetation war – je weiter sie nach Westen gekommen waren -, immer üppiger geworden. Jetzt zeigten sich ringsum bewaldete Hügel. Waldzungen schoben sich bis weit in die Senken und Täler hinein.

McQuade musste die Banditen nicht fürchten. Er war davon überzeugt, dass sie versuchten, auf dem schnellsten Weg Nogales zu erreichen. Aber die Gefahr, die von den Apachen ausging, war allgegenwärtig. Der Tod konnte hinter jedem Hügel lauern. Darum sicherte der Kopfgeldjäger ständig um sich.

Der purpurne Horizont begann sich zu verfärben. Das Rot verwandelte sich in schwefliges Gelb, und von Norden her schob sich die Dämmerung mit bleigrauer Farbe heran. Auch im Osten woben schon die Schatten des beginnenden Abends zwischen den Hügeln.

McQuade lenkte das Pferd durch einen Hügeleinschnitt. Etwa hundertfünfzig Yards trennten ihn noch vom Ende dieser tiefen, V-förmigen Kerbe. Der rötliche Schein, der auf dem Land lagerte, hatte sich aufgelöst. Die Luft flirrte nicht mehr und die Konturen der Hügel waren klar und scharf.

Der Kopfgeldjäger fiel dem Pferd abrupt in die Zügel.

Denn in die Hügellücke quollen Reiter. Es waren sechs. Und es waren keine Apachen, sondern Kerle mit riesigen Sombreros auf den Köpfen. Sie waren dunkel gekleidet. Jetzt sahen sie den seltsamen Zug, der sich ihnen zwischen den Hügeln näherte, und auch sie rissen die Pferde in den Stand.

»Das sind mexikanische Grenzbanditen!«, entfuhr es Ed Parker geradezu entsetzt. »Die haben uns gerade noch gefehlt.«

McQuade war klar, dass sie von den Kerlen nichts Gutes zu erwarten hatten. Sein Kopf zuckte herum, sein Blick wanderte den Abhang zu seiner Rechten hinauf. Bis zur Kuppe gab es nur mannshohe Büsche, die ungenügenden Schutz boten.

Linkerhand begann auf halber Höhe des Hügels Wald. Zwischen den Stämmen wucherte dichtes Unterholz. Die Entfernung betrug fünfzig Yards. McQuade entschloss sich von einem Augenblick zum anderen. Er zerrte das Pferd halb um die linke Hand und trieb es hart an. Der Abhang war steil, und das Pferd hatte Mühe, ihn zu erklimmen. Das Banditenpferd blieb zurück. Parker hatte die Leine einfach fahren lassen.

Die Mexikaner trieben ihre Pferde wieder an. Sie jagten die Tiere schräg den Abhang hinauf und versuchten McQuade den Weg in den Wald abzuschneiden. Unerbittlich setzte der Kopfgeldjäger die Sporen ein. Er konnte keine Rücksicht nehmen. Von der Kraft und Zähigkeit des Pferdes hing das Überleben ab.

Yard für Yard kämpfte sich das Tier nach oben. Die Hinterbeine mussten sich mit aller Kraft gegen das Zurückgleiten stemmen. Die doppelte Last auf dem Pferderücken machte sich bemerkbar. Die Bravados näherten sich unaufhaltsam. Bald waren auch schon die dumpfen Hufschläge zu hören. Sie brandeten heran wie eine Botschaft von Unheil und Tod.

McQuade gab den Versuch auf, das Pferd in gerader Linie den Abhang hinaufzunötigen. Er lenke es ein wenig nach links und das Tier hatte weniger Mühe, in schräger Linie die Steigung zu überwinden. Dafür hatte es aber auch einen weiteren Weg bis zum schützenden Wald zurückzulegen.

Gray Wolf war schon zwanzig Schritte voraus. Das kräftige Tier schnellte regelrecht den Abhang empor.

Für McQuade und Ed Parker war es ein Wettlauf mit dem Tod. Tiefgeduckt saßen die Mexikaner auf ihren Pferden. Noch schossen sie nicht. Ihre Colts steckten in den Futteralen und die Gewehre in den Sattelschuhen. Ein Schuss hätte nichts anderes als Bleivergeudung bedeutet.

McQuades Pferd wurde langsamer. Das Tier war am Ende. Schaum tropfte von seinen Nüstern. Die letzten Energien schienen verbraucht zu sein. Das Hufgetrappel, mit dem sich die Verfolger näherten, hatte sich verstärkt. Ed Parker schrie irgendetwas. McQuade verstand nur Bruchstücke von dem, was der Bandit voller Panik hinausbrüllte.

Der Kopfgeldjäger führte mit der linken Hand die Zügel. Mit der flachen Rechten schlug er immer wieder auf die Kruppe des Pferdes. »Lauf!«

Das Tier schien sich zu einer letzten Kraftprobe aufzuraffen. Als spürte es, dass es an ihm lag, McQuades und Ed Parkers Leben zu retten. Und es war, als steigerte diese letzte, verzweifelt anmutende Anstrengung sein Tempo.

Und dann brachen sie durch das Unterholz. Zweige schlugen in ihre Gesichter und gegen ihre Schultern. Es knackte und raschelte. McQuade wurde der Hut vom Kopf gerissen. Er hing an der Kinnschnur auf seinem Rücken. Weicher Waldboden schluckte die Hufschläge des Pferdes. Schließlich waren sie durch und Hochwald nahm sie auf. Am Boden wuchs dichtes, kniehohes Beerengestrüpp. Unter dem Blätterdach, das die Baumkronen bildeten, war es schon ziemlich düster. McQuade zerrte das Pferd in den Stand und sprang ab. Ohne lange zu fackeln riss er den Banditen vom Pferderücken. Parker landete auf dem weichen Teppich aus Moos und abgestorbenen Blättern. Der Kopfgeldjäger griff nach seinem Gewehr und repetierte es. Sein Mund war eine dünne, harte Linie, die grimmige Entschlossenheit verriet.

Gray Wolf war verschwunden.

Das Hufgetrappel der Verfolgerpferde rollte heran und sickerte zwischen die Bäume. McQuade zog den Revolver Ed Parkers aus dem Hosenbund und warf ihn neben dem Banditen auf den Boden. »Solltest du auch nur den Versuch machen, die Waffe auf mich zu richten«, warnte er, »erschieße ich dich. Klar?«

Der Bandit, der ziemlich unsanft auf dem Waldboden gelandet war, kam mit zusammengebissenen Zähnen auf die Knie hoch und schnappte sich den Sechsschüsser. Der Blick, mit dem er McQuade bedachte, war voller Heimtücke und Hass. Er zwang seine verkrampften Kinnbacken auseinander und presste zwischen den Zähnen hervor: »Es ist wichtiger, uns diese Hurensöhne vom Hals zu halten. Denn wenn wir ihnen in die Hände fallen, ist es mit uns aus.«

McQuade versetzte seinem Pferd mit der flachen Hand einen klatschenden Schlag auf die Kruppe. Das erschreckte Tier rannte weiter in den Wald hinein. Der Kopfgeldjäger lief in die Deckung eines Baumes. Ed Parker folgte seinem Beispiel. Den stechenden Schmerz, der von seiner Schulterwunde bis unter seine Schädeldecke pulsierte, ignorierte er.

Und dann kamen die Banditen. Sie erwarteten wohl nicht, dass sich die beiden Männer, die sie verfolgten, ihnen zum Kampf stellen würden. Unerbittlich trieben sie die Pferde durch das dicht ineinander verflochtene Unterholz. Das Prusten der Tiere, das Knacken trockener Äste, die unter den stampfenden Hufen zerbrachen, sowie das Rascheln der Blätter an den zurückschnellenden Zweigen begleiteten den Anmarsch der Bravados.

McQuade eröffnete das Feuer. Ein Pferd brach zusammen. Der Reiter konnte nicht mehr abspringen und sein linkes Bein wurde unter dem schweren Pferdekörper begraben. Er brüllte irgendetwas auf Spanisch. Sein Geschrei ging unter im zweiten Schuss des Kopfgeldjägers. Und nun begann Parkers Revolver zu wummern. Geschrei kam auf. Ein Pferd wieherte schrill. Trampelnde Schritte erklangen. Und jetzt erwiderten die Banditen, soweit sie dazu noch in der Lage waren, das Feuer. Sie waren von den Pferden gesprungen, lagen am Boden oder waren in die Deckung dicker Stämme gehetzt.

McQuade und Parker schossen nicht mehr. Der Kopfgeldjäger schaute zu dem Banditen hinüber. Der schien den Blick zu spüren, denn er drehte den Kopf. Der Texaner bedeutete ihm, sich tiefer in den Wald zurückzuziehen. Denn McQuade war klar, dass die Mexikaner versuchen würden, sie in die Zange zu nehmen.

Sie nutzten den Schutz der Bäume aus.

Auch das Feuer der Bravados hatte nachgelassen. Sie schienen McQuades Absicht durchschaut zu haben und folgten dem Kopfgeldjäger und Ed Parker, ebenfalls von Baum zu Baum huschend. Plötzlich erklang ein grässlicher Aufschrei, der im nächsten Moment erstarb. Ein Gewehr peitschte. Und dann war Gray Wolfs zorniges Bellen zu vernehmen.

McQuade feuerte auf einen der huschenden Schemen. Der Bursche brach zusammen. Auch Parkers Revolver dröhnte wieder. Der Wald schien die Detonationen festzuhalten. Sie verschmolzen mit dem Krachen der Schüsse, mit denen die Bravados das Feuer ihrer Gegner erwiderten.

»Zieh du sie auf dich, Parker!«, rief McQuade halblaut. Als Parker zu ihm herschaute, bedeutete er ihm mit Handzeichen, dass er die Mexikaner umgehen wollte, um in ihren Rücken zu gelangen. Parker zeigte mit einer Geste seiner Linken an, dass er verstanden hatte. Und während McQuade mit einzelnen Schüssen die Banditen auf Distanz hielt, lud Parker seinen Colt nach. Als er fertig war, gab er McQuade ein Zeichen.

Parker wirbelte herum und rannte in Zickzacklinie hangaufwärts. Sofort nahmen ihn die Bravados unter Feuer. Er zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. McQuade ging zu Boden und kroch wie eine riesige Eidechse nach links davon. Die Beerensträucher boten ihm notdürftigen Schutz vor den Blicken der Mexikaner. Er setzte mit dieser Aktion alles auf eine Karte. Denn wenn ihn einer der Bravados erspähte, reichte ein gezielter Schuss, um ihn für alle Zeiten auszuschalten.

Er blieb liegen, als trockenes Knacken zu hören war. Ein leises Klirren folgte. Und dann sah McQuade einen der Banditen hinter einem dicken Stamm hervorpirschen. Das leise Klirren stammte von seinen großen, gezackten Radsporen. Der Bursche hatte den Blick starr nach oben gerichtet. Er ging geduckt, das Gewehr hielt er an der Seite im Anschlag, den Kolben hatte er sich unter die Achsel geklemmt.

Etwa zwanzig Schritte weiter rechts schlich ein zweiter der Bravados. Und bald darauf sah McQuade den dritten. Der Bursche huschte in den Schutz eines Baumes, spähte an dem Stamm vorbei nach oben, schließlich glitt er vorsichtig weiter, um nach ungefähr zehn Schritten wieder hinter einem Baum in Deckung zu gehen.

McQuade kam zu dem Schluss, dass nur noch diese drei Kerle in der Lage waren, ihnen zu folgen. Ihn erfüllte eine grimmige Genugtuung. Sie hatten ihn nicht bemerkt. Als sie an ihm vorbei waren, erhob er sich. Halblaut rief er: »Amigo!«

Der Mexikaner, der keine fünfzehn Yards von ihm entfernt war, wirbelte erschreckt herum. Er sah den Kopfgeldjäger und wollte abdrücken, aber da traf es ihn schon. Die hohe Gestalt in dem langen, braunen Staubmantel war der letzte Eindruck in seinem Leben. Er bäumte sich auf, kippte über seine Absätze nach hinten und schlug lang auf den Boden.

Der Bandit halblinks vor McQuade hatte sich mit dem Brechen des Schusses herumgeworfen. McQuades Geschoss mähte ihn regelrecht von den Beinen. Der Kopfgeldjäger sprang zur Seite. Da knallte es auch schon bei dem dritten Banditen. Sein Sprung rettete dem Kopfgeldjäger das Leben. Ein zweiter Satz brachte ihn in den Schutz eines Baumes. Der Bravado feuerte erneut. Seine Kugel riss eine Furche in die Rinde. Und plötzlich löste sich schattenhaft die Gestalt Gray Wolfs aus der Düsternis des Waldes. Der Bandit zielte. Gray Wolf kam lautlos wie ein Puma. Er stieß sich ab und prallte gegen den Rücken des Bravados. Dessen Finger krümmte sich, aber die Kugel pfiff schräg zum Himmel. Der Bandit taumelte einige Schritte nach vorn, strauchelte und stürzte. Der Wolfhund flog regelrecht auf ihn zu. Ein ersterbender Aufschrei war zu vernehmen.

Es war vorbei.

McQuade richtete den Blick nach oben. Von Parker keine Spur. Die Gefahr, die von den Bravados ausging, war gebannt. Jetzt musste McQuade eine hinterhältige Kugel aus dem Revolver Parkers fürchten. Der Kopfgeldjäger gab sich keinen Illusionen hin. Parker war klar, dass er für viele Jahre lebendig in den Steinbrüchen von Yuma begraben sein würde, wenn es McQuade gelang, ihn einem Sheriff oder Marshal auszuliefern. Darum würde er alles daransetzen, sich den Kopfgeldjäger vom Hals zu schaffen.

Gray Wolf strich heran und wedelte mit dem Schweif. Vorsichtig stieg McQuade weiter den Hang hinauf. »Parker!« Seine Stimme sickerte zwischen die Bäume und versank in der Stille. Er erhielt keine Antwort. Der Kopfgeldjäger machte sich auf die Suche nach seinem Pferd. Aber auch das Tier blieb verschwunden, als hätte es die Erde verschluckt.

McQuade wurde klar, dass sich Parker das Tier unter den Nagel gerissen und die Flucht ergriffen hatte.

Der Texaner machte kehrt. Bald stieß er auf eines der Banditenpferde. Er schwang sich in den Sattel und trieb das Tier mit einem Schenkeldruck an. Es gehorchte. McQuade ritt den Abhang hinunter. Der Wald endete. Er erreichte die Sohle der Hügellücke und folgte ihr nach Westen. Wahrscheinlich würde er Ed Parker in Nogales wiedersehen.

*

Am Abend des übernächsten Tages erreichte McQuade die Ortschaft an der Grenze. Es handelte sich um eine verhältnismäßig große Stadt, die zwischen Hügeln und Felsketten eingebettet auf einer weitläufigen Ebene lag. Die Staatsgrenze teilte die Stadt. Um auf die mexikanische Seite zu gelangen, musste man einen Grenzposten passieren. Doch dieser war nur tagsüber besetzt.

McQuade kannte sich aus in dem Ort. Er suchte O'Briens Mietstall auf. Der Stallmann war ein über sechzigjähriger, bärtiger Bursche, der ständig einen Priem im Mund hatte. Er saß am Stalleingang im Licht einer Laterne auf einem Dengelbock und bearbeitete die Schneide einer Sense mit einem Hammer. Das Stalltor stand offen. Auch im Stall blakte eine Laterne, die an einem der Stützbalken hing. Ihr Schein reichte nur aus, um ein kleines Stück des Mittelganges zu erhellen.

Als der Kopfgeldjäger sein Pferd in den Hof führte, hielt der Stallbursche in seiner Arbeit inne, legte Hammer und Sense weg und erhob sich. Er hatte das Licht im Rücken und seine Gestalt warf einen langen Schatten, der mit der Dunkelheit am Rand des Lichtkreises verschmolz.

»Guten Abend«, grüßte der Texaner.

Der Stallmann spuckte einen Strahl Kautabaksaft zur Seite aus. »Ah, McQuade. Lange nicht gesehen. Du bist also noch immer nicht zur Ruhe gekommen. Wie lange willst du dieses Leben denn noch führen? Auf die Dauer hält das doch kein Mensch aus.«

»Über das Aufhören habe ich noch nicht nachgedacht, Toby«, versetzte der Kopfgeldjäger.

»Auf wessen Fährte reitest du denn dieses Mal?«

»Es sind vier Kerle. Ein fünfter dürfte heute hinzugekommen sein. Wir trennten uns – wenn man so sagen will -, zwei Tagesritte von hier. Vielleicht ist er auch noch gar nicht aufgetaucht. Dann dürfte er aber innerhalb der nächsten Stunde aufkreuzen. - Einer heißt Tex Foster. Ein Raubmörder. Bei den anderen handelt es sich um Viehdiebe und um einen Sheriffmörder. Er hat Sam Buster in Bisbee den Schädel eingeschlagen, als die Halunken einen ihrer Kumpane aus dem Gefängnis holten.«

»Fünf gewiss ausgekochte und hart gesottene Banditen, denen nichts heilig zu sein scheint. Übernimmst du dich nicht ein wenig, McQuade?«

»Ich weiß mit wem ich es zu tun habe, und ich werde Ort und Zeitpunkt bestimmen. Außerdem habe ich Gray Wolf. Er ist so gut wie drei Männer. Also sind die Vorteile auf meiner Seite. Hast du die vier Kerle gesehen? Sie dürften vor einigen Stunden in Nogales eingetroffen sein.«

»In der Stadt gibt es zwei Hotels, und jedes besitzt einen eigenen Stall«, erwiderte der Stallmann. »Bei mir haben sie ihre Pferde jedenfalls nicht untergestellt. Auch von dem fünften Kerl habe ich nichts gesehen. Tut mir leid, McQuade.«

Toby holte eine Stange Kautabak aus der Hosentasche und biss ein Stück davon ab.

»Es muss dir nicht leid tun«, knurrte McQuade und zog das Gewehr aus dem Scabbard. »Ich weiß nicht, wie lange ich bleibe, Toby. Gib dem Pferd viel Hafer zu fressen. Es hat eine Sonderration verdient. – Komm, Partner.«

McQuade stapfte über den Hof. Gray Wolf lief neben ihm her. Auf der Straße wandte sich der Kopfgeldjäger nach rechts. Er schritt am Fahrbahnrand entlang in Richtung eines der Hotels, in dem er schon einige Male genächtigt hatte.

Zwischen den Häusern war die Dunkelheit ziemlich fortgeschritten. Aus einigen Fenstern fiel schon Licht. McQuade verspürte ein nagendes Hungergefühl. Gray Wolf hatte sich in der Wildnis noch eine Abendmahlzeit in Form eines Präriehundes besorgt. Der Kopfgeldjäger sollte sich ein Zimmer mieten und dann sofort in einen Saloon gehen, um etwas zwischen die Zähne zu bekommen.

Er kam nicht weit. Aus einer Passage zwischen zwei Gebäuden trat eine Gestalt. Sie trug den Hut weit in der Stirn und die beginnende Dunkelheit hüllte den Rest seines Gesichts ein, so dass McQuade nicht erkennen konnte, um wen es sich handelte. Doch die Alarmglocken läuteten in ihm Sturm, ansatzlos aktivierte er jeden seiner Sinne, der Hauch der tödlichen Gefahr berührte ihn geradezu körperlich.

Der Mann blieb stehen und wandte sich ihm zu. Er hielt mit beiden Händen ein Gewehr schräg vor der Brust. »Ed Parker war vor dir in Nogales, McQuade. Und Brent hat am östlichen Stadtrand darauf gewartet, dass du auftauchst. Wenn du Nogales wieder verlässt, dann auf der Karre des Undertakers, wenn er deinen Kadaver auf den Boothill schafft.«

McQuade hatte angehalten. Gray Wolf ließ sich auf die Hinterbeine nieder. Das Gewehr hielt der Kopfgeldjäger in der linken Hand. Seine Rechte berührte den Knauf des Sechsschüssers. »Wo sind denn deine neuen Freunde, Foster? Du hast sie doch sicher so verteilt, dass ihr mich zwischen euch habt.«

McQuades Stimme klang ruhig. Er verspürte keine Furcht. Aber er war angespannt. Unauffällig ließ er seinen Blick über die Ränder der Fassaden halblinks und halbrechts vor sich gleiten. Auch in die Dunkelheit in den Passagen zwischen den Häusern versuchte sein Blick einzudringen.

»Ja, wir haben dich in der Zange. Während du im Mietstall warst, haben wir uns postiert. - Ed hat uns von den mexikanischen Bravados erzählt. Ich habe dich nie unterschätzt, McQuade. Seit ich dich vor ein paar Tagen kennen gelernt habe, weiß ich, dass du ein verdammter Bluthund bist. Darum gehen wir bei dir kein Risiko ein.«

Rechterhand von McQuade war ein Vorbau. Die vier Rustler ließen sich nicht sehen. Doch der Kopfgeldjäger war sich sicher, dass sie ihn über Kimme und Korn ihrer Gewehre beobachteten. Er verspürte ein seltsames Kribbeln zwischen den Schulterblättern. Es war Unbehaglichkeit, vielleicht auch Beklemmung. Fieberhaft suchte er nach einem Ausweg. Jeden Moment konnte der vier- oder fünffache Tod aus den Mündungen der Gewehre der Banditen brechen.

Tex Foster war sich seiner Sache ausgesprochen sicher. Er aalte sich regelrecht im Gefühl seiner Überlegenheit und Stärke. Höhnisch rief er: »Heute sind die Rollen vertauscht, Menschenjäger. Wie fühlst du dich? Kennst du ein Gebet? Dann sprich es schnell.«

McQuade hatte nichts zu verlieren. Wie der zustoßende Kopf einer Klapperschlange zuckte seine Rechte zum Revolver. »Fort mit dir, Partner!«, zischte er und ließ sich fallen, kaum dass der letzte Buchstabe über seine Lippen war. Gewehre peitschten. Die Geschosse bohren sich in die Hauswand. McQuade hatte den Revolver in der Faust und feuerte auf Tex Foster, dann rollte er blitzschnell unter den Vorbau. Er kam auf den Bauch zu liegen und robbte zur Treppe, die vom Gehsteig aus auf den Vorbau führte.

Gray Wolf hatte mit langen, kraftvollen Sätzen die Fahrbahn überquert und war in einer Gasse verschwunden.

McQuade warf sich unter dem Vorbau hervor, wälzte sich zweimal herum und schnellte auf die Beine. Wie von Furien gehetzt rannte er zum Ende des Gebäudes. Die Gewehre der Banditen knallten. Siedendheiß fuhr es über McQuades Rücken. Schließlich wirbelte er um die Ecke des Hauses und lief an der Längswand entlang, bis sie endete. Ein hüfthoher Zaun schloss sich an. Der Kopfgeldjäger stieß den Revolver ins Holster, flankte darüber hinweg und landete in einem Beet mit Rüben.

Die Gewehre der Banditen schwiegen jetzt. Unheilvolle Stille senkte sich in die Stadt. Sie mutete lastend und trügerisch an. Es war wie die Stille des Todes.

McQuade rannte durch den Garten. Wieder musste er einen Zaun überspringen, dann befand er sich am Stadtrand, und er wandte sich bei den Corrals nach links. Plötzlich war Gray Wolf da. Er kam schattenhaft und leise aus der Dunkelheit und drängte sich an das Bein des Kopfgeldjägers. McQuade hatte angehalten und strich mit der flachen Hand über den Rücken des Tieres. »Komm, Partner«, murmelte er dann und pirschte weiter. Bei einer Scheune wandte er sich wieder stadteinwärts. Und plötzlich sah er einen der Kerle.

Der Bursche stand geduckt an einer Hausecke und beobachtete die Main Street. McQuade konnte den Mann nur schemenhaft wahrnehmen. Leise schob er sich näher an den Banditen heran. Zehn Schritte hinter ihm blieb er stehen und nahm das Gewehr an die Hüfte. »He, Hombre!«

Der Bandit warf sich herum, nahm McQuade wahr und riss das Gewehr an die Hüfte. Grell stach es ihm von dem Kopfgeldjäger entgegen. Der Knall stieß durch die Gasse. Die Wucht des Treffers trieb den Burschen nach hinten. Er stolperte rückwärts gehend zwei – drei Schritte in die Hauptstraße, das Gewehr entfiel seinen Händen, plötzlich sank er haltlos zu Boden.

Sekundenlang war es still. Dann brüllte einer: »Verdammt, das ist Brent. Der Bastard hat Brent erschossen. Die Pest an seinen Hals!«

McQuade lief in der Gasse zurück, flankte wieder über einen Zaun, riss ein paar Latten ab, so dass auch Gray Wolf auf das Grundstück gelangen konnte, und stand in einem Hof. Die rückwärtige Wand eines Hauses war zu sehen, ein niedriger Schuppen war angebaut. McQuade lief hin. Vor dem Schuppen stand ein Fuhrwerk mit hohen Bordwänden. »Warte hier, Partner«, sagte McQuade zu dem Wolfshund, stieg auf den Wagen, von dort auf das Dach des Schuppens und kletterte schließlich auf das Hausdach. Die Fassade überragte es um anderthalb Yards. McQuade spähte darüber hinweg und hüllte sich in Geduld.

Zähflüssig verstrich die Zeit. In der Stadt herrschte drückende Stille. In den Häusern schlugen die Herzen der Menschen wahrscheinlich höher. Die Angst hielt sie unbarmherzig im Klammergriff. Der Tod pirschte auf leisen Sohlen durch den Ort.

Plötzlich nahm McQuade auf der anderen Straßenseite in der Finsternis eine huschende Bewegung wahr. Sein Blick bohrte sich regelrecht in den Durchlass zwischen zwei Gebäuden. Die Finsternis dort war dort dicht und mit den Augen kaum zu durchdringen. Ein Schemen löste sich aus der Dunkelheit. Er näherte sich der Main Street und nahm Formen an. Schließlich erreichte er den Fahrbahnrand und die Silhouette eines Mannes war deutlich zu erkennen.

McQuade hob das Gewehr an die Schulter. Eine Kugel befand sich in der Kammer. Er zielte, sein Zeigefinger krümmte sich. Als der Abzug den Druckpunkt erreichte, staute der Kopfgeldjäger den Atem. Und dann zog er durch. Der Bursche machte das Kreuz hohl, dann kippte er seitlich um, krümmte sich am Boden zusammen und blieb reglos liegen.

Der Knall verhallte.

McQuade rannte über das Dach, sprang auf den Schuppen und von dort auf den Boden. Gefolgt von Gray Wolf lief er zu der Stelle, an der er die Zaunlatten abgerissen hatte, und hastete hinter den Häusern in Richtung Grenze. Er benötigte fast fünf Minuten, bis er den Grenzposten sehen konnte. Das kleine Zollgebäude lag in absoluter Dunkelheit.

Die Finsternis hüllte den Kopfgeldjäger ein wie ein schwarzer Mantel. Gray Wolf hechelte leise. Plötzlich war fernes Hufepochen zu vernehmen. Schnell entfernte es sich. McQuade hatte es geahnt. Nachdem er zwei von den Kerlen ausgeschaltet hatte, vermutete er, dass sich die anderen drei über die Grenze nach Mexiko abzusetzen versuchten.

Es war ein Trugschluss.

Der Kopfgeldjäger rannte hinter den Häusern zurück und erreichte die Stelle, an der er Brent Haywood niedergeschossen hatte. Er verharrte in der Mündung der Gasse genau an der Stelle, an der der Bandit gestanden hatte. Zwei Schritte von ihm entfernt lag die stille Gestalt im Straßenstaub. Der Kopfgeldjäger lauschte angespannt. Die Hufschläge waren verklungen. Instinktiv spürte der Kopfgeldjäger, dass ihm in Nogales keine Gefahr mehr drohte. Er trat in die Main Street, bereit, sich sofort zur Seite zu werfen, wenn es irgendwo in der Finsternis aufblitzte. Es war ein Spiel mit dem Feuer.

Kein Schuss fiel.

McQuade beugte sich über Brent Haywood und stellte fest, dass der Rustler tot war. Er ging weiter zu dem anderen Burschen, den er vom Hausdach aus eine Kugel serviert hatte. Der Verwundete atmete rasselnd. Der Kopfgeldjäger ging bei ihm auf das linke Knie nieder. »Wer bist du?«

»Geh zur Hölle, dreckiger Hund!«

»Sag mir deinen Namen, Hombre.«

Der Bursche lag auf der Seite und hatte beide Hände vor der Brust verkrampft. »Eines ist sicher«, keuchte er. »Am – am Strick werde ich nicht verrecken. Du – du hast mich viel zu gut getroffen, Mannjäger. Ich – ich …«

Die Stimme brach. Der Bursche hustete. Dann lag er röchelnd da.

»Du bist also Dave Hanson«, gab McQuade zu verstehen. »Du bist der Mann, der Sheriff Buster in Bisbee umgebracht hat.«

»Ich – ich wollte ihn nicht töten. Aber – o verdammt! Ich verbrenne innerlich. Der Schmerz macht mich verrückt.«

Der Bandit rollte auf den Rücken und bäumte sich auf. Ein Schwall Blut brach aus seinem Mund. Dann fiel er zurück und sein Kopf rollte auf die Seite. Ein zerrinnender Atemzug, ein unkontrolliertes Zucken seiner Beine, dann war er tot.

McQuades Gestalt wuchs in die Höhe. Jetzt nahm er wahr, dass sich Menschen näherten. Sie kamen von allen Seiten. Stimmen erklangen. Einige trugen Laternen. Lichtschein huschte über die Fahrbahn.

*

Jemand hatte die Banditen auf der Postkutschenstraße, die nach Norden führte und in Tucson endete, fliehen sehen. Hier nach Spuren zu suchen war sinnlos. Sie war von den Rädern ungezählter Fuhrwerke zerfurcht und von Hufen aufgewühlt. Es war früher Morgen. Zwischen den Anhöhen hing grauer Dunst. Er war Vorbote der kommenden Hitze. Die Vögel zwitscherten. Der Kopfgeldjäger war seit über zwei Stunden auf dem Trail. Einige Fuhrwerke kamen ihm entgegen. Er fragte einen der Fuhrwerker, ob er die drei Banditen gesehen habe. Es war ein bärtiger, vierschrötiger Mann dessen Schultern das Hemd zu sprengen drohten. Er sagte: »Uns begegnete nur ein Reiter, Mister. Zwischen Tubac und Amado. Er sah ziemlich mitgenommen aus. Der Gaul, den er ritt, war total am Ende.«

»Können Sie den Mann beschreiben?«, fragte McQuade. »Was ritt er für ein Pferd?«

»Ich glaube, bei dem Tier handelte es sich um eine Fuchsstute. Nun, der Bursche war um die dreißig und dunkelhaarig. Ich glaube, sein Hemd war von dunkelblauer Farbe.«

McQuade holte den Steckbrief von Tex Foster aus der Manteltasche und reichte ihn dem Fuhrwerker. Der faltete ihn auseinander und schaute sich das Bild an, dann nickte er und sagte: »Ja, das könnte er sein. Er trägt jetzt allerdings einen mehrere Tage alten Bart. Aber es könnte der Bursche sein, den ich gesehen habe.«

McQuade schob den Steckbrief wieder in die Tasche und ritt weiter. Gegen Mittag begegnete er der Stagecoach. Auch den Kutscher fragte McQuade nach den Banditen. Der Bursche auf dem Kutschbock sagte: »Ein Reiter begegnete uns kurz vor Green Valley. Ich habe nicht auf ihn geachtet. Denn ich habe in dem Ort die Pferde gewechselt und das frische Gespann legte ein ziemliches Tempo vor. Ich musste mich auf die Gäule konzentrieren.«

McQuade trieb das Pferd wieder an. Auch die schweren, eisenumreiften Räder der Kutsche begannen sich wieder zu drehen. Das Rumpeln, Poltern und Quietschen entfernte sich von McQuade und war schließlich nicht mehr zu hören.

In Tubac und Amado hielt McQuade nicht an. Und als die Sonne fast im Westen stand und die Schatten lang waren, ritt McQuade zwischen die ersten Häuser von Green Valley. An diesem Tag hatte er über vierzig Meilen zurückgelegt. Er war verstaubt und verschwitzt. Bei einem Tränketrog hielt er an und saß ab. Das Pferd begann sofort zu saufen. Gray Wolf stellte sich mit den Vorderläufen auf den Trogrand und trank ebenfalls. McQuade wusch sich Staub und Schweiß aus dem Gesicht und trocknete sich mit dem Halstuch ab.

Als die Tiere ihren Durst gelöscht hatten, nahm der Kopfgeldjäger das Pferd am Zaumzeug und führte es weiter in die Stadt hinein. Einige Passanten beobachteten ihn. Er schlug den Weg zum Mietstall ein. Der Stallmann kam dem Kopfgeldjäger unter dem Stalltor entgegen. McQuade übergab ihm das Pferd und erkundigte sich nach Tex Foster.

»Heute Mittag kam einer an, auf den Ihre Beschreibung zutreffen könnte«, erklärte der Oldtimer. »Sein Pferd war fertig. Er hat mir erzählt, dass ihm den Gaul in Hereford ein Mexikaner verkauft hat. Es war eine Mähre, die der Greaser dem Burschen angedreht hat. Das Tier war dem Zusammenbruch nahe. Es steht dort hinten, in der vorletzten Box. Ich hab dem Burschen für den Zossen samt Sattelzeug zwanzig Dollar gegeben. Er faselte, dass er mit der Postkutsche weiterfahren werde. Allerdings fährt die nächste Kutsche nach Norden erst übermorgen.«

»Wo befindet sich der Mann jetzt?«, fragte McQuade.

»Da fragen Sie mich zuviel, Mister. Versuchen Sie's mal im Saloon. Vielleicht liegt er auch in seinem Hotelzimmer im Bett und schläft. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er im Depot der Butterfield Overland Company sitzt und auf die Abfahrt der Stagecoach wartet.« Der Stallmann lachte fast belustigt auf. »Er müsste sich wohl an die sechsunddreißig Stunden gedulden.«

»Was hat er für Waffen?«, fragte McQuade.

»Einen 45er und eine Henrygun.«

Der Kopfgeldjäger rückte den Revolvergurt zurecht und angelte sich sein Gewehr. Dann verließ er – gefolgt von Gray Wolf - den Mietstall. Er schritt am Rand der Main Street zum Saloon. Auf der Straße ballte sich noch immer die Hitze. Vier Stufen führten zum Vorbau des Saloons hinauf. McQuade stieg sie empor und gleich darauf drückte er die Batwings der Pendeltür auseinander.

Tex Foster stand an der Wand neben dem großen Frontfenster. Er hielt das Gewehr an der Hüfte im Anschlag. Hinter McQuade schlugen die Türflügel aus. Der Kopfgeldjäger hielt das Gewehr mit beiden Händen vor seinem Leib. Die Mündung wies schräg auf den Boden.

Außer dem Banditen und dem Keeper befand sich niemand im Schankraum. Der Keeper wagte kaum noch zu atmen. Unruhe prägte sein verkrampftes Gesicht.

Die Blicke des Banditen und des Kopfgeldjägers kreuzten sich wie Degenklingen. Nichts milderte die Härte in ihren Augen.

»Ich habe dich kommen sehen, McQuade«, gab Foster zu verstehen.

»Wo sind Murdock und Parker?«, fragte der Texaner.

»Sie haben sich, nachdem wir aus Nogales geflohen waren, nach Westen abgesetzt. Es sind kleine Fische, McQuade. Lass sie laufen. Den Burschen, der dem Sheriff in Bisbee den Schädel eingeschlagen hat, hast du ja zur Rechenschaft gezogen. Wobei Hanson immer wieder versicherte, dass er niemals vorhatte, den Sternschlepper zu seinen Ahnen zu versammeln.«

»Lass das Gewehr fallen, Foster.« McQuade sprach mit klarer, präziser Stimme. Sie hatte einen stählernen Klang.

Der Bandit lachte schallend auf. »Ich werde dich mir vom Hals schaffen, Mannjäger. Sie werden dich mit den Stiefelspitzen nach oben aus dem Schankraum tragen. Nur wenn ich dich töte bekomme ich Ruhe vor dir. Außerdem wird so mancher Mann im Territorium aufatmen.«

»Ähnliche Worte hast du in Nogales getönt, Foster.«

»Nun ja …« In Fosters Augen blitzte es verräterisch auf. Es war für McQuade das Signal. Er warf sich zur Seite. Im selben Augenblick feuerte Foster. Die Kugel pfiff dicht an McQuade vorbei. Der Kopfgeldjäger kniete am Boden. Er hatte das Gewehr fallen lassen und blitzschnell den Sechsschüsser gezogen. Ehe sich Tex Foster auf das so jäh veränderte Ziel einstellen konnte, bäumte sich der Colt in McQuades Faust auf. Der Schussdonner drohte den Schankraum zu sprengen. Pulverdampf wölkte vor dem Gesicht des Kopfgeldjägers.

Tex Fosters Augen weiteten sich. Sein Mund klaffte auf, aber der Schrei, der sich in seiner Brust hochkämpfte, erstickte im Kehlkopf. Der Bandit ließ das Gewehr fallen, kippte gegen die Wand und rutschte an ihr zu Boden. Er saß am Boden, sein Kinn sank auf die Brust.

Der Kopfgeldjäger erhob sich und schritt langsam zu Foster hin. Den Revolver hielt er im Anschlag. Aber von dem Banditen ging keine Gefahr mehr aus. McQuade hatte einen blutigen Schlusspunkt unter sein Leben gesetzt.

Der Kopfgeldjäger rammte den Colt ins Holster, holte sein Gewehr und wandte sich zur Tür. »Go on, Partner«, sagte er zu Gray Wolf. Das kluge Tier gehorchte aufs Wort. Quietschend und knarrend schlugen die Batwings hinter dem Mann und dem Wolfshund aus.

E N D E

Glorreiche Western Trio Band 3 Romane 7/2021

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