Читать книгу Gelobtes blutiges Land - Pete Hackett - Страница 6
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Er hatte gerade sein Steak mit Bratkartoffeln und Bohnen verzehrt, als fernes Hufgetrappel erklang, das schnell näherkam und sich bald als brandende Hufschläge entpuppten. Einige Schüsse donnerten, die Detonationen stießen durch die Stadt wie eine unheilvolle Botschaft von Untergang und Tod. Gleich darauf stob ein Rudel Reiter an dem Restaurant vorbei. Die Kerle stießen spitze Schreie aus und feuerten um sich. Ned, der am Fenster saß, konnte deutlich ihre Gesichter erkennen. Sie waren böse verkniffen und wirkten entschlossen. Die Krempen ihrer Hüte hatte der Reitwind vorne aufgestellt, ihre Halstücher flatterten.
„Bei Gott!“, rief jemand im Gastraum. Außer Ned waren noch einige Menschen – Männer und Frauen – anwesend. „Die Hundesöhne aus Carthage.“
Ned wusste jetzt, was sich anbahnte.
Der Pulk stob vorbei, lediglich zwei der Reiter zerrten ihre Pferde in den Stand, sprangen ab und rannten schräg über die Straße. Auf was sie es abgesehen hatten, konnte Ned nicht erkennen. Doch wenig später erklangen laute Stimmen sowie schallendes Gelächter, und schließlich die schrille, geradezu hysterische Stimme einer Frau. Sie rief um Hilfe.
Ned griff kurz entschlossen nach seinem Gewehr, erhob sich und verließ das Lokal.
Die Hufschläge, die der Rest des Rudels verursachte, drangen nur noch von Ferne an sein Gehör. Das Peitschen der Schüsse übertönte sie in unregelmäßigen Abständen. Schräg gegenüber sah Ned die beiden Kerle, deren Pferde mit geblähten Nüstern und peitschenden Schweifen mitten auf der Main Street stehengeblieben waren. Sie schubsten eine junge Frau. Sie trug ein knöchellanges, hellblaues Kleid und eine gleichfarbige Mütze, die mit weißen Spitzen gesäumt war. Ein Korb lag auf der Straße. Abgesehen von den dreien und der Reiterschar, die in Richtung des Tempels stob, war die Main Street wie leergefegt. Als die wilde Horde gekommen war, hatte nämlich jeder, der sich auf der Straße befunden hatte, geradezu von Panik erfasst Schutz gesucht. Niemand wollte der bösen Stimmung der wilden Reiterschar zum Opfer fallen.
Einer der Kerle packte die junge Frau von hinten und hielt sie fest, während der andere von vorne an sie herantrat, etwas sagte und dann ihr Gesicht in beide Hände nahm, um sie zu küssen.
Ihr Knie zuckte hoch, der anmaßende Bursche vor ihr brüllte auf, taumelte zwei Schritte zurück und krümmte sich, presste beide Hände in seinen Schritt und jaulte wie ein getretener Straßenköter. Die junge Frau zog und zerrte und wand sich, um sich aus dem Griff des anderen der Kerle zu befreien. Aber dessen Arme hielten sie fest wie ein Schraubstock. Der Bursche lachte meckernd, während der andere immer noch einen wahren Veitstanz aufführte und brüllte: „Du verdammtes Weibsbild! Dafür werde ich ...“
Die Wut ließ seine Stimmbänder versagen, vom Zorn übermannt trat er auf die junge Lady zu und zog mit dem rechten Arm auf, um sie zu schlagen.
Da fuhr dicht über seinen Kopf eine Kugel hinweg und riss seinem Kumpan den Hut vom Kopf. Das Gewehr Neds schleuderte einen peitschenden Knall hinterher, der durch die Stadt stieß und verklang.
Einen Augenblick lang waren die beiden Kerle völlig perplex, sogar die junge Frau hörte auf, sich dem Griff des groben Kerls entwinden zu wollen.
In dem Moment, als Ned unter dem Vorbaugeländer hindurchtauchte und auf die Fahrbahn sprang, richtete sich die Aufmerksamkeit der beiden auf ihn. Auf dem Vorbau zerflatterte nur langsam die Pulverdampfwolke von seinem Schuss. Das Gewehr an der Hüfte im Anschlag haltend schritt Ned über die Straße. Sein schmales, hohlwangiges Gesicht wies einen entschlossenen Ausdruck auf. Drei Schritte vor den Kerlen und ihrem Opfer hielt er an.
„Lass die Lady los!“, peitschte sein Organ und seine Augen blickten hart wie Bachkiesel. Dafür hatte er kein Verständnis.
Der Bursche, der die junge Frau festhielt, überragte diese um Haupteslänge. Die Mündung des Revolvergewehrs deutete auf sein Gesicht. Neds Zeigefinger krümmte sich locker um den Abzug. Vier der Kammern in der Trommel waren mit Kugeln und Zündhütchen bestückt, die fünfte war leer. Das Geschoss hatte ein Loch in den Hut des Kerls gestanzt. „Ich zähle bis drei“, warnte Ned. „Eins ...“
Jetzt mischte sich der andere der Männer ein. Er schien seine Not von dem Tritt überwunden zu haben. Seine Hand lag auf dem Knauf des Revolvers, der in seinem Gürtel steckte. Breitbeinig stand er da. „Du spielst mit deinem Leben, Fremder!“, keifte er. „Welcher Teufel reitet dich? Ich werde dir ...“
Die Hufschläge näherten sich wieder, auch die Detonationen schienen wieder deutlicher zu werden. Ned hatte nicht mehr allzu viel Zeit. Er machte zwei lange Schritte auf den Sprecher zu, sodass dieser erschreckt abbrach. Neds Gewehr wirbelte herum, ein weiterer Schritt, und ehe sich der Kerl versah, rammte ihm der Trapper den Kolben in den Leib. Aufbrüllend krümmte er sich.
Sein Gefährte, der nach wie vor die Frau umklammert hatte, war ebenfalls von dieser Aktion überrascht worden, denn er war zu keiner Reaktion fähig. Und als die Erstarrung von ihm abfiel und er nach seinem Revolver greifen wollte, spürte er die Mündung von Neds Gewehr an der Schläfe. „Zwei!“, stieß Ned hervor.
Nun gab der Bursche die Frau frei. Sie trat schnell einen Schritt von ihm weg und starrte – wahrscheinlich konnte sie es noch immer nicht fassen, dass ihr in dieser Stadt jemand zu Hilfe geeilt war – ihren Retter an wie eine außerirdische Erscheinung.
Nun donnerte der Reiterpulk heran. Es waren sechs Kerle, die ihre Pferde grob in den Stand rissen. Die Tiere stiegen, drehten sich auf der Hinterhand und wieherten, und für kurze Zeit entstand ein richtiges Durcheinander. Schließlich aber nahmen die Reiter die Tiere hart an die Kandare und einer von ihnen, ein Mann um die vierzig mit wasserhellen Augen, stieß hervor: „Was ist da los? Warum bedrohst du meinen Freund Brad? Nimm sofort die Mündung von seinem Kopf. He, ich habe dich hier noch nie gesehen. Gehörst du zu denen?“ Er vollführte eine umfassende Armbewegung in die Runde, ohne den durchdringenden Blick von Ned zu nehmen.
„Ich gehöre zu niemandem”, sagte Ned Brown.
„Ach wirklich?”
„Wirklich.”
„Wer bist du?”
„Mein Name ist Ned Brown, und ich bin auf der Durchreise.”
„Ist es wahr?”
„Wen meinst du mit denen?“ Ned dachte nicht daran, das Gewehr zu senken. Er ließ aber auch den anderen der Kerle, dem er den Kolben in den Leib gedroschen hatte und der rechter Hand von ihm stand, nicht aus den Augen. In seinem Gesicht wütete noch der Schmerz, seine Mundwinkel zuckten.
„Ich rede von den Mormonen, von denen es in dieser Stadt wimmelt wie in einem Nest voller Kakerlaken.”
„Ich dachte, das sind fromme und gottesfürchtige Leute.”
„Wir wollen diese elenden Parasiten hier nicht, denn sie sind anders als wir.”
„Was haben sie euch getan?”
„Willst du nicht endlich die Mündung vom Kopf meines Freundes nehmen, Brown?“
„Kommt ihr aus Carthage?“, fragte Ned.
„Ja.”
„Wie heißt du?”
Er verzog das Gesicht.
Vielleicht hätte er jetzt gerne ausgespuckt, aber dazu war es einfach zu kalt.
„Mein Name ist Broderick Carlisle.“ Der Sprecher legte beide Hände übereinander auf das Sattelhorn. „Ich fordere dich nun zum letzten Mal auf, Brown: Nimm das Gewehr runter.“
Jetzt richtete Ned das Gewehr auf Carlisle. „Besser?“ Neds Stimme triefte vor Ironie.
Der Anführer des Rudels zog unbehaglich die Schultern an. „Warum mischt du dich hier ein? Wenn du nur auf der Durchreise bist, solltest du dich aus internen Angelegenheiten raushalten. Das kann höllisch ins Auge gehen.“
„Ich kann es bei Gott nicht ausstehen, wenn zwei Kerle eine Frau attackieren“, stellte Ned unbeeindruckt klar.
„Ach!”
„Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.”
„Na großartig!”
„Gebiete deinen beiden Kumpels, aufzusitzen, dann macht die Fliege.”
„Was?”
„Und versucht lieber nichts. Du wärst der erste, Carlisle, den ich vom Pferd putze.“
„Das ist nicht dein Ernst!”
„Du kannst es ja mal ausprobieren. Ich würde es nicht darauf ankommen lassen.”
Broderick Carlisle kämpfte mit sich.
Einen Moment lang hing alles in der Schwebe.
Man hörte nichts weiter als das Atmen von Menschen und Pferden in eisiger Kälte.
Ein ganz eigentümliches Geräusch.
Schließlich sah der Kerl wohl ein, dass er in diesem Spiel das Verliererblatt in der Hand hielt. Er nickte. „Okay, wir verschwinden. Aber wir kommen wieder. Und dann solltest du viele Meilen zwischen diese Stadt und dich gebracht haben. Denn sollten wir dich hier noch antreffen, ziehen wir dir die Hammelbeine lang. – Brad, John, aufsitzen! Wir reiten.“
„Gut”, sagte Ned Brown, dessen Augen zu sehr schmalen Schlitzen geworden waren.
„Bastard!”, knurrte Carlisle.
„Kommt nicht auf die Idee, es euch nochmal anders zu überlegen”, murmelte Ned Brown. Sein Gesicht war dabei weitgehend regungslos. Seine Lippen bildeten einen fast geraden Strich und bewegten sich kaum, während er sprach.
Gleich darauf stob das Rudel in die Richtung davon, aus der es gekommen war.