Читать книгу König Ghaderich: Der Thron von Cambalar 2 - Pete Hackett - Страница 7

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Das vereinte Heer der Sandlinger und Barbaren, geführt von ihren Anführern, dem Fürsten Endrubal sowie dem Häuptling Solo Hasradun, war von der zerstörten Stadt Drongdal aus an der Grenze des Reichs von Cambalar nach Osten gezogen und hatte eine blutige Spur des Todes hinterlassen. Sie nutzten es unerbittlich und gnadenlos aus, dass die Menschen in den Städten und Dörfern geradezu sträflich in ihrer Wachsamkeit nachgelassen hatten, nachdem seit langer Zeit keine Überfälle mehr erfolgt waren. Das rächte sich nun bitter.

König Ghaderich hatte zwar veranlasst, dass nach seiner Landung in Ascolan, der Hafenstadt in der großen Bucht, Boten ausgesandt wurden, die die Bevölkerung vor dem verfeindeten Heer warnen sollten, doch das Reich war groß, und es gab viele Städte, Dörfer, Weiler und einzelne Gehöfte, die die Boten aufzusuchen hatten.

Solo Hasradun hatte drei Spione in die Hauptstadt des Reichs auf der Insel im großen Meer gesandt, denn es war zu befürchten, dass König Ghaderich aufgrund seiner seherischen Fähigkeiten längst vom Marsch des feindlichen Heers auf sein Reich informiert war. Was aus seinen drei Krieger geworden ist, wusste der Barbarenführer nicht. Sicher war nur, dass sie nicht zurückkehrten, was die Ahnung nährte, dass sie aufgeflogen und entweder getötet worden waren oder in einem Verlies in Cambalar darbten.

Das war auch der Grund, aus dem das vereinte Heer nicht direkt nach Süden gezogen war. Endrubal und Solo Hasradun befürchteten, von einer schlagkräftigen Streitmacht erwartet zu werden. Und weil das so war, hatten sie eine Handvoll Kundschafter nach Süden geschickt, die das herausfinden sollten.

Es war Abend, das Heer lagerte in einer Ebene, die von sanft geschwungenen, grasbewachsenen Hügeln begrenzt wurde. Hier war das Land noch steppenartig, es gab kaum Bäume und Sträucher. Alle dreihundert Schritte hatten die Feldherren auf den Anhöhen Doppelwachposten aufgestellt, die das Lager nach allen Himmelrichtungen zu sichern hatten. Sie wollten vor unliebsamen Überraschungen gewappnet sein.

Endrubal und Solo Hasradun saßen zusammen mit ihren Unterführern und Unterhäuptlingen um ein großes Feuer herum, das mit dem Geäst verdorrter Sträucher genährt wurde. Es war finster, der Himmel war, wie schon seit Tagen, von dichten Wolken und dem Qualm der brennenden Städte und Dörfer verdeckt. Das Wechselspiel von Licht und Schatten, das die züngelnden Flammen produzierten, ließ die Augen glitzern und veränderte die Gesichter zu grotesken, dämonisch anmutenden Fratzen.

Ein Trinksack aus Ziegenleder machte die Runde. In ihm befand sich Wein, den sie erbeutet hatten. Manchmal fielen ein paar gemurmelte Worte, ansonsten herrschte Schweigen. Sie waren den ganzen Tag über marschiert, hatten gekämpft, und nun waren sie erschöpft. Die Wirkung des Weins tat ein Übriges, um ihre Zungen schwer werden zu lassen und ihnen die Münder zu verschließen.

Das Feuer brannte herunter, der eine oder andere in der Runde war einfach umgefallen, lag nun reglos auf der Erde und schnarchte. Im Lager wurde es ruhig.

Die Wachposten hingegen mussten hellwach sein. Die Sicherheit des Heeres hing von ihrer Wachsamkeit ab. Wachvergehen wurden von den Heerführern mit dem Tod bestraft. Sie bohrten ihre Augen in die Dunkelheit hinein, lauschte angespannt dem Säuseln des Windes, dem Heulen der Wölfe und dem Jaulen der Kojoten. Die Finsternis war dicht und mit den Blicken kaum zu durchdringen. Die Geräusche, die vom Lagerplatz auf die Hügel geweht waren, wurden leiser und leiser. Die Krieger erholten sich vom Marschieren, vom Kämpfen, vom Töten und vom Plündern. Am Rand des Lagerplatzes stand ein Dutzend Fuhrwerke, auf denen die Beute befördert wurde. Die Zugpferde waren an ihnen mit langen Seilen festgebunden. Die Krieger, die ein Pferd besaßen, hatten dieses neben ihrem Nachtlager angepflockt.

„Hörst du das?“, stieß plötzlich einer der Wächter hervor. Er hatte das Ohr in den Wind, der von Süden kam, gedreht und atmete ganz flach. „Das sind Hufschläge. Jemand nähert sich auf einem Pferd.“

Der andere lauschte angestrengt. „Ja“, murmelte er, „ohne Zweifel, da reitet jemand schnell wie der Wind. Vielleicht ein Bote unseres Spähtrupps. Alarmieren wir vorsichtshalber das Lager.“

Der Posten eilte in die Nacht hinein, und bald schon waren seine Rufe zu hören, mit denen er die anderen Wachen und schlafenden Krieger alarmierte. Sein Geschrei pflanzte sich fort, Flüche und wütende Rufe wurden laut, doch die Krieger, mochten sie noch so schlaftrunken sein, versetzten sich unverzüglich in Kampfbereitschaft.

Lauter und lauter quoll das Hufgetrappel durch die Finsternis heran, das Hämmern der Hufe erinnerte an das Donnern von Brandungswellen. Schließlich spuckte die Nacht einen einzelnen Reiter aus. Einige Krieger verließen das Lager und rannten ihm, das Schwert oder die Axt in der Faust, entgegen. Er kam angejagt, riss das Pferd vorne hoch und drehte es auf der Stelle. Im nächsten Moment krachten die Vorderhufe auf den Boden, und einer der Krieger, die den Reiter eingekreist hatten, griff nach dem Kopfgeschirr, um das Tier mit eiserner Faust festzuhalten. Es röchelte und röhrte, seine Flanken zitterten.

„Bringt mich zu Solo Hasradun!“, schrie der Reiter heiser und völlig außer Atem. „Ich bin Cal Rudus, einer der Späher, die in Cambalar waren, und habe eine wichtige Meldung zu machen.“

Die Krieger liefen, das verausgabte Pferd mit dem erschöpften Reiter zwischen sich, zum Lager, wo Solo Hasradun und Endrubal im Kreis ihrer Unterführer darauf warteten, zu erfahren, wer sich ihrem Lager genähert hatte.

Nachdem gemeldet worden war, dass es lediglich ein einzelner Reiter war, der den Alarm ausgelöst hatte, war sofort ein Feuer angezündet worden. Nun schlugen die Flammen bereits hoch und der Lichtschein breitete sich aus.

Der Reiter ließ sich vom Pferd gleiten und trat mit unsicheren, vom langen, wilden Ritt steifen Beinen vor seinen Heerführer hin.

„Cal Rudus, du!“, stieß Solo Hasradun hervor. Raunen und Murmeln ging durch die Reihe der Unterführer. „Wo sind deine Gefährten? Warum kommst du alleine?“

„Man hat uns in der Hauptstadt erkannt“, keuchte der Bote. „Ich konnte mit Mühe und Not entkommen, indem ich ins Wasser sprang. Während meine Gefährten die Wachen des Königs in einen Kampf verwickelten, gelang mir die Flucht. Ich habe unser Boot erreicht, schaffte es, das Meer zu überqueren und nahm einem Bauern das Pferd weg.“

„Sind deine Gefährten den Häschern des Königs lebend in die Hände gefallen?“, fragte der große, breitschultrige Barbarenhäuptling mit den muskulösen Armen und den schulterlangen, schwarzen Haaren lauernd.

„Ich habe keine Ahnung, mein Herr“, erhielt er zur Antwort. „Wir konnten allerdings beobachten, dass viele Langboote zum Auslaufen fertig gemacht worden sind. Man hat sie mit Vorräten und Trinkwasser für ein großes Heer beladen. Während meiner Flucht habe ich sie einmal auf dem Meer von Weitem gesehen. Es handelt sich um eine große Flotte, die nach Norden unterwegs war.“

„Also werden wir erwartet“, zog Solo Hasradun den einzigen für ihn in Frage kommenden Schluss. „König Ghaderichs hellseherische Begabung hat uns verraten. Es war klug von uns, nicht in direkter Linie nach Süden vorzurücken, sondern erst einmal die Städte und Dörfer an der Grenze zu schleifen.“

„Wir müssen das Heer aufteilen“, sagte Endrubal, „und in weit auseinander gezogener Linie die einzelnen Gruppen nach Süden marschieren lassen. Eine Feldschlacht gegen das Heer der Unsterblichen, das sich uns in den Weg stellen wird, können wir nicht gewinnen.“

„Wir sind nicht nach Cambalar gezogen, um zu sterben“, rief Solo Hasradun. „Wir sind hier, um reiche Beute nach Hause zu bringen.“

Zustimmendes Geschrei erhob sich aus der Schar der Krieger.

Der rechte Arm des Barbarenführers zuckte hoch, das Stimmendurcheinander versickerte. Er sagte: „Es ist anzunehmen, dass eine Gruppe der Krieger auf die Streitmacht des Königs trifft. Sie wird das königliche Heer mit ihren Schleudern aus dem Hinterhalt attackieren und es zwingen, zu lagern und sich zu verbarrikadieren. Das verschafft den anderen Gruppen ausreichend Zeit, an der Streitmacht Ghaderichs vorbei gen Süden zu ziehen.“

„Städte werden in einem weiten Bogen umgangen, denn um sie anzugreifen ist eine einzelne Gruppe zu schwach“, fügte Endrubal hinzu. „Dörfer, Weiler und Gehöfte werden vernichtet.“

Von Solo Hasradun kam kein Widerspruch. Alles war mit Endrubal für den Fall der Fälle längst abgesprochen worden, sodass zwischen ihnen Einigkeit bestand.

Am Morgen wurde das Heer in zwölf Gruppen gegliedert, und jedem dieser Trupps wurde ein Fuhrwerk zugeteilt. Den Befehl über die verschiedenen Rotten erhielten die Unterführer. Schließlich ließ Endrubal zum Aufbruch blasen.

Die verschiedenen Kampfgruppen setzten sich nach Süden zu in Bewegung, fächerten aber mehr und mehr auseinander, und zwei Stunden später waren sie so weit verstreut, dass ein Trupp vom anderen nicht einmal mehr den aufgewirbelten Staub sehen konnte.

*


Von Süden marschierte das Heer des Königs von Cambalar in Richtung Grenze. Die Späher, die König Ghaderich ausgesandt hatte, waren noch nicht zurückgekehrt. Manches Mal erspähte die Vorhut hoch oben im Norden aufgewirbelten Staub, aber das war wohl der Wind, der ihn in die Höhe riss und mit sich forttrug.

Die vier Zenturien marschierten in Blöcken. Der Streitwagen des Königs und seine Leibwache folgten der zweiten Hundertschaft.

Die Landschaft hatte sich verändert. An die Stelle der Steppe mit bis zu hüfthohem Gras war fruchtbares Land getreten, dessen Bewohner von der Landwirtschaft lebten. Es gab weitläufige Wälder, Flüsse und Bäche, deren Ufer von dichtem Gebüsch und alten Pappeln gesäumt waren.

Sie waren nun seit vier Tagen auf dem Marsch. Die wenigen Ortschaften, die an ihrem Weg gelegen hatten, waren bereits alarmiert gewesen. Die Boten aus Ascolan hatten sie gewarnt. Die Dörfler sowie die Bewohner der Weiler und einzelnen Gehöfte waren in die Städte geflohen und hatten so viel wie möglich von ihrem Hab und Gut in Sicherheit gebracht. In den Städten herrschten Angst und Verzweiflung. Mit Schaudern erinnerten sich die Älteren an die zahlreichen Einfälle der wilden, barbarischen Horden aus dem hohen Norden. Die schlimmsten Schauergeschichten wurden erzählt und so die Furcht geschürt.

Das cambalarische Heer näherte sich einem hügeligen Terrain. Aus den Kuppen der Hügel erhoben sich hier und dort bis zu haushohe Felsen. Die Abhänge waren von dichten Buschgruppen bewachsen. Es war schwül, von der Sonne war wegen der dunklen Wolken, die den Himmel bedeckten, nicht mehr als ein verschwommener, gelber Fleck zu sehen. Myriaden von kleinen Stechmücken setzten den Kriegern, dem König und den Pferden zu.

Die Vorhut, bestehend aus zehn Berittenen, zog zwischen die Hügel. Es war ein hervorragender Platz für einen Überfall, doch nichts deutete auf Gefahr hin. Die Blicke der Krieger huschten über die Hügelkuppen hinweg und tasteten die Buschgruppen sowie Felsformationen ab. Die Hufschläge schluckte das Gras, das den Boden bedeckte. Manchmal klirrte es, wenn ein Huf gegen einen Stein schlug. Im Abstand einer Viertelmeile folgten die vier Zenturien mit dem König und seiner Leibgarde.

Plötzlich zischten von den Höhen herunter, aus der Deckung der Felsen und Büsche, Steine von der Größe einer halben Männerfaust. Die Reiter der Vorhut und auch die Pferde wurden getroffen. Wildes Geschrei erhob sich, Pferde wieherten schrill und trompetend und stiegen auf die Hinterhand, brachen vorne ein, gingen zu Boden und keilten voll Panik mit den Hufen aus. Im Handumdrehen wälzte sich ein Knäuel ineinander verkeilter Pferde und Krieger am Boden.

Beim nachfolgenden Heer war der Überfall nicht verborgen geblieben. Die vorderste Zenturie erhielt den Befehl, der Vorhut zu Hilfe zu kommen, und die Soldaten näherten sich im Laufschritt den Hügeln.

Die zehn Krieger der Vorhut, alles Unsterbliche, bluteten aus zahlreichen Wunden. Am Boden lagen drei tote Pferde. Die anderen Tiere liefen kopfscheu hin und her, peitschten nervös mit den Schweifen, prusteten und schnaubten aufgeregt.

Die Krieger der Zenturie hielten ihre Schwerter in den Fäusten und trugen am anderen Arm die Schilde. Der Zenturio brüllte seine Befehle und die Schar teilte sich auf, stürmte die Abhänge zu beiden Seiten und vor ihnen empor, und die Krieger verschwanden hinter Strauchwerk und Felsen, wo die Wegelagerer gelauert hatten.

Unverrichteter Dinge kamen sie wenig später zurück, denn die Angreifer hatten sich abgesetzt, es war, als hätte sie der Erdboden geschluckt. Doch das war ganz sicher nicht der Fall. Es gab in der Runde tausend Möglichkeiten, sich unsichtbar zu machen. Wahrscheinlich lauerten die Sandlinger und Barbaren in Mulden, hinter Bodenerhebungen und Felsen sowie unter dichtem Strauchwerk darauf, dass ihnen ein Unsterblicher vor das Schwert oder die Axt lief, um ihm den Kopf vom Rumpf zu trennen oder ihn in Stücke zu hacken.

Die Wunden, die die Steine den Kriegern der Vorhut zugefügt hatten, hatten sich sogleich wieder geschlossen. Sie sammelten ihre Pferde ein, der Zenturio, der die Hundertschaft zwischen die Hügel geführt hatte, ritt, begleitet von vier Kriegern, zurück. Das übrige Heer hatte angehalten. Die drei Zenturien standen in Reih und Glied, bereit, auf Befehl loszustürmen oder sich zur Verteidigung zu formieren.

Beim königlichen Streitwagen angekommen saß der Zenturio ab, verneigte sich und meldete: „Es kann sich nur um eine kleine Gruppe unserer Feinde gehandelt haben, mein König. Sie haben drei Pferde getötet und sich nach ihrer Attacke sofort zurückgezogen, um irgendwelche Verstecke aufzusuchen.“

König Ghaderich nagte an seiner Unterlippe und ließ den versonnenen Blick über die Hügel schweifen. „Werden sie uns erneut angreifen, wenn wir durch das hügelige Terrain ziehen?“, fragte er schließlich.

„Das ist zu erwarten, mein König“, antwortete der Zenturio. „Ich vermute, dass sich jener Spion, der den Wachen in der Hauptstadt entkommen konnte, durchgeschlagen und das feindliche Heer erreicht hat. Deren Führer wissen also, dass ihnen Euer Heer entgegenzieht, mein König, und sie haben ihre Streitmacht kurzerhand aufgeteilt. Nun ziehen mehrere marodierende Gruppen getrennt voneinander durchs Land und verbreiten Angst und Schrecken.“

„Das wird wohl so sein“, murmelte der König. Dann hob sich seine Stimme und er rief: „Wir durchkämmen die Hügel nach feindlichen Kriegern. Tötet jeden, den ihr aufstöbert. Danach werden wir unser weiteres Vorgehen festlegen. Ich befehle daher für heute Abend alle Kommandanten zu mir. Es dürfte nämlich wichtig geworden sein, weiter nach Norden zu ziehen. Ich befürchte, dass wir dort oben nur noch niedergebrannte Dörfer und Städte vorfinden.“

„Zu Befehl, mein König.“

Der Zenturio schwang sich wieder auf sein Pferd und trieb es an. Er gab den Befehl des Königs an die anderen Offiziere weiter, und schon wenig später setzten sich die Kohorten auf die Hügel zu in Bewegung. Noch marschierten sie im Gleichschritt. Dort, wo das hügelige Terrain begann, lösten sich die Hundertschaften auf, und die Krieger schwärmten in kleinen Gruppen aus, um Feinde aufzustöbern und zu töten.

Als es dunkel wurde, sammelte sich das Heer wieder vor den Hügeln. Der König gab den Befehl, hier zu lagen und Schanzen zu errichten. Man hütete sich, als die Dunkelheit kam, Feuer anzuzünden. Die Zenturionen fanden sich bei König Ghaderich ein, einer meldete: „Unseren Kriegern ist nicht ein einziger Echsenmensch oder Barbar in die Hände gefallen, mein König. Sie verstehen es, eins zu werden mit ihrer Umgebung. Als die Dunkelheit kam, mussten wir die Suche abbrechen.“

„Ich glaube“, erwiderte Ghaderich, „ich habe die Taktik dieser Wüstenmenschen durchschaut. Aber wir werden uns von einer Handvoll dieser minderwertigen Kreaturen nicht aufhalten und festnageln lassen, sondern selbst Kampfgruppen bilden und in weit auseinander gezogener Linie zur Küste zurückkehren.“

„Es sieht so aus, als hätten die Eindringlinge zwischen hier und der Grenze schon großen Schaden angerichtet“, murmelte einer der Offiziere.

„Dafür werden sie zu büßen haben“, prophezeite der König. „Sollten mir ihre Anführer in die Hände fallen, werde ich sie vierteilen lassen. Das schwöre ich bei Tason und all den anderen Göttern, die auf den Gipfeln der Berge im Heiligen Gebirge ihre Wohnstätten innehaben.“

„Euer Leben steht auf dem Spiel, mein König“, gab einer der Zenturien zu bedenken. „Die Steine, die die Sandlinger und Barbaren mit ihren Schleudern verschießen, können einen Menschenkopf glatt durchschlagen oder ihn zerschmettern. Euren unsterblichen Kriegern können sie kaum etwas anhaben. Es besteht jedoch die Gefahr, dass Ihr von einem Stein getroffen und verletzt oder gar getötet werdet.“

„Die Soldaten meiner Leibgarde werden mich mit ihren Schilden schützen“, erwiderte Ghaderich.

„Auch die Schilde Eurer Leibwache sind keine Garantie dafür, dass Ihr nicht getroffen werdet.“

„Was wollt Ihr damit zum Ausdruck bringen, Zenturio?“, fragte König Ghaderich.

„Dass wir erst weiterziehen sollten, wenn Euch keine Gefahr mehr droht.“

„Sie ist allgegenwärtig, solange einer der feindlichen Schleuderer am Leben ist“, versetzte Ghaderich.

„Ihr erkennt das sehr richtig, mein König“, sagte der Offizier. „Darum dürfen wir Euren Plan, Kampfgruppen zu bilden, die die Trupps der Feinde stellen und niederkämpfen sollen, erst dann umsetzen, wenn hier der letzte der Gegner tot zu unseren Füßen liegt.“

„Das verschafft den anderen feindlichen Kriegerscharen Zeit, um weiter in meinem Reich zu morden, zu plündern und zu brandschatzen“, stöhnte der König. „Mein Volk wird mich hassen, denn ich beschütze es nicht.“

„Dem Schicksal und den unerforschlichen Ratschlüssen unserer Götter habt auch Ihr nichts entgegenzusetzen, mein König. Doch Euer Leben darf nicht in die Waagschale geworfen werden. Es ist höher zu bewerten als jedes andere Leben im Reich.“

Ghaderichs Miene überschattete sich für einen Moment. Er dachte daran, dass es den Königen aus dem Geschlecht derer von Dwannuach genommen war, Unsterblichkeit zu erlangen. Sein Sohn Jylan kam ihm in den Sinn, dessen grässlicher Tod, der Frevel und die Strafe der Götter, die ihm die geliebte erste Frau namens Zereen genommen hatten. Nun sollten sie durch das Opfer, das der Hauptmann seiner Leibgarde, Shenan Gal, in die Höhle am Heiligen Berg Tasons zu bringen den Auftrag erhalten hatte, besänftigt werden.

Das Opfer war sein eigen Fleisch und Blut, sein Sohn Carraq. Seine junge Gemahlin, Heres, war vor einigen Tagen von ihm und einem weiteren Sohn entbunden worden, doch Carraq war mit dem Zeichen des Gottes Tason gebrandmarkt gewesen. Also gehörte er Tason!

Nachdem das Lager aufgeschlagen, die Schanzen rundherum fertig waren, der König sein karges Abendmahl zu sich genommen und sich auf seinem harten Lager ausgestreckt hatte, versuchte er einen Blick in die Heiligen Berge zu erhaschen. Er wusste nicht, ob Shenan Gal seine Mission hatte erfüllen können. Diese Unsicherheit nagte und fraß in ihm. Wenn es ihm gelang, einen Blick in die nächste Zukunft des Offiziers zu werfen, würde er wissen, ob er erfolgreich gewesen war oder nicht.

So sehr er sich anstrengte – der Blick in die Heiligen Berge blieb ihm verwehrt.

Verhinderten die Götter, dass er erfuhr, was sich dort abspielte? Hatte Shenan Gal den Gefahren, die ihn dort erwartet hatten, nicht trotzen können und den Gnomen, Dämonen, Orks und Berggeistern nicht standgehalten?

Schwer trug Ghaderich an seiner Verunsicherung, an seiner quälenden Unwissenheit und den düsteren Ahnungen, die ihn immer wieder beschlichen.

König Ghaderich: Der Thron von Cambalar 2

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