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Оглавление21. September 2019, erster Tag in Jerewan
Nach dem Spätstück starteten wir zu einem ersten kleinen Spaziergang zum Platz der Republik und zu einer Geldwechselstube im Vorraum eines Supermarktes. Der heutige Unabhängigkeitstag war zwar ein Nationalfeiertag, aber wie immer, d.h. auch an Sonntagen, waren in Jerewan fast alle Geschäfte geöffnet. Am 21. September erinnert man sich an den „Austritt“ aus der Sowjetunion 1991, dem Beginn der zweiten unabhängigen Republik Armenien. Die erste Republik war als Folge des Ersten Weltkrieges am 28. Mai 1918 ausgerufen worden und bestand bis zum 2. Dezember 1920, als armenische Bolschewiki in einem unblutigen Putsch an die Macht gekommen waren und die Armenische Sozialistische Sowjetrepublik (SSR) ausriefen.
Samuel, unser deutschsprachiger armenischer Reiseleiter, machte uns auf dem zentral gelegenen und vor allem in den Abendstunden als Treffpunkt sehr beliebten Platz der Republik mit dessen Entstehungsgeschichte und der Bedeutung der umliegenden Prachtbauten vertraut. Der 14.000 m2 große Platz war 1926 von dem bedeutenden Architekten Alexander Tamanjan geplant worden. Der in Jekaterinodar, dem heutigen Krasnodar, geborene Bankierssohn erhielt seine Ausbildung an der Russischen Kunstakademie in Sankt Petersburg und kam 1923 nach Jerewan, wo er die Neuanlage und den Ausbau der Stadt hauptverantwortlich leitete.
Noch zu Beginn des 19. Jh. hatten niedrige Häuser mit schönen Torbögen und Holzbalkonen, orientalische Flachdachbauten und herrschaftliche Gebäude das Stadtbild der Kleinstadt dominiert. Nachdem Jerewan 1827 zum Kaiserreich Russland gekommen und Sitz der Oblast („Verwaltungsbezirk“) Armenien geworden war, setzte ein starkes Wirtschaftswachstum ein, begleitet von einer Zunahme der politischen Bedeutung der Bezirkshauptstadt. Damit ging einher, dass viele alte Häuser durch neue europäischen Stils ersetzt wurden, was das Stadtbild noch chaotischer ausfallen ließ. Trotzdem hatte Jerewan 1890 erst 12.500 Einwohner.
Ein weiterer Entwicklungsschub setzte ein, als Jerewan 1920 zur Hauptstadt der Armenischen SSR wurde. Schließlich wurde unter Leitung Tamanjans das Stadtbild radikal verändert. Er stellte einen Generalplan für die Stadtentwicklung auf, ließ viele historische Gebäude wie Kirchen, Moscheen, die persische Festung, Bäder, Bazare und Karawansereien abreisen und breite, lange Boulevards anlegen. Er gestaltete nicht nur den Platz der Republik mit dem Historischen Museum, dem Postamt und den Regierungsgebäuden, sondern auch das Jerewaner Opernhaus. Außerdem war er verantwortlich für die Entwicklung der Städte Gjumri und Etschmiadsin.
Abb. 1: Historisches Museum am Platz der Republik
Abb. 2: Die Jerewaner Oper
Um 1970 wurde, allerdings mit Eingemeindungen, die Millionengrenze der Einwohnerzahl überschritten. Dies war zu Zeiten der Sowjetunion die Rechtfertigung für den Bau einer Metro, kleinere Städte durften keine U-Bahn bauen. Die Jerewaner Metro wurde 1981 eröffnet, besteht heute aus einer 12 km langen Linie mit 10 Stationen und soll zukünftig verlängert und um zwei Linien erweitert werden. Seit dem Ende der Sowjetunion befindet sie sich jedoch wirtschaftlich in der Krise, einerseits durch die Konkurrenz des neu entstandenen verzweigten Liniennetzes privater Kleinbusunternehmen („Marschrutkas“), andererseits durch die allgemein zurückgegangene Mobilität aufgrund Arbeitslosigkeit und Verarmung.
Der Austritt aus der Sowjetunion 1991, knapp drei Jahre nach dem verheerenden Erdbeben im Norden Armeniens, hatte zu einem gewaltigen Einbruch der armenischen Wirtschaft geführt, von dem sich das Land nur langsam erholte. Der wichtigste Absatzmarkt der starken Industrie (Chemie, Elektronik, Maschinenbau etc.) war weggebrochen, die Umstellung von der Zentralverwaltungswirtschaft auf eine liberale Marktwirtschaft brachte bis dahin unbekannte Probleme und der Konflikt um Bergkarabach mit Aserbaidschan führte zur zusätzlichen Schwächung des Landes. Erst 1997 begann die Wirtschaft wieder zu wachsen mit teils zweistelligen Raten zu Beginn des neuen Jahrtausends.
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Nach dieser ersten Besichtigungstour schwangen wir uns in den bereitstehenden Bus und Sergej, unser Fahrer während der gesamten Rundreise, brachte uns zur Mittagszeit zu einem „Duduk-Meister“ im Süden der Hauptstadt. Seine Werkstatt mit einem wunderschönen Garten lag etwas versteckt hinter anderen Häusern abseits einer vielbefahrenen Ausfallstraße, so dass man sich in einem kleinen Paradies wähnte.
Die Duduk, manchmal auch der oder das Duduk, ist Armeniens Nationalinstrument. Sie zu blasen kostet Kraft, wobei ihre Ausdrucksmöglichkeit von weichen samtigen oder klagenden Klängen bis zu durchdringenden Signaltönen reicht. Sie spielt eine zentrale Rolle in der armenischen Volksmusik und Kammermusik. Sie ist unter verschiedenen Namen in der ganzen Region verbreitet: z.B. duduki in Georgien, mey in der Türkei sowie balaban in Aserbaidschan und im Iran.
Die armenische Duduk wird aus Aprikosenholz gefertigt. Das Holz dieses „heiligen Baumes“ wird nur hierfür verwendet, niemals als Brenn- oder Bauholz. Das Instrument ist ohne Rohrblatt je nach Grundton etwa 25 bis 40 Zentimeter lang. Das Auffälligste ist das extrem große Doppelrohrblatt, das bis zu zehn Zentimeter lang und drei Zentimeter breit ist. Es wird aus einem Schilfrohrabschnitt, bevorzugt vom Ufer des Aras, gefertigt. Das Instrument besitzt sieben oder acht vorderständige Grifflöcher und ein rückwärtiges Daumenloch.
Meister Karen Hakobyan – von seiner Art gibt es nur noch ganz wenige in Armenien – erklärte uns, wie er das Instrument herstellt. Aus den Stämmen eines 30 bis 40 Jahre alten Aprikosenholzbaumes werden Stangen herausgeschnitten, die vier Stunden lang in Wasser gekocht werden, damit sich Öle und andere Stoffe aus dem schweren, harten Holz herauslösen. Nach einem achtjährigen (!) Trocknungsprozess kann dann erst das eigentliche Musikinstrument hergestellt werden, indem mit einem glühenden Metall die Röhre ausgehöhlt und die Blaslöcher ausgestochen (nicht gebohrt) werden. Zum Abschluss wird das Instrument aus optischen Gründen und zur besseren Haltbarkeit geölt.
Nach der Theorie kam die Praxis mit der Präsentation verschiedener Tonart-Instrumente der Duduk, die seit 2005 zum Immateriellen Erbe des UNESCO gehört. Damals wurde sie an 165 Musikschulen unterrichtet, mit abnehmender Tendenz. Hakobyan führte noch weitere Holzblasinstrumente vor: die armenische Flöte Blul, die Trichteroboe Zurna, die Hornpfeife Pku und „normale“ Flöten, die er alle perfekt spielen konnte.
Die Blul, das traditionelle Melodieinstrument der Hirten, gilt ebenso wie die Duduk als edles Instrument der Kammermusik. Sie besitzt kein Mundstück, sondern wird schräg nach unten gehalten und mit halbseitig geschlossenem Mund über eine scharfe Kante angeblasen. Die zylindrische, an beiden Enden offene Spielröhre wird bevorzugt aus Aprikosenholz gedrechselt.
Demgegenüber besitzt die Zurna, die wie die Duduk zur Gruppe der Doppelrohrblattinstrumente gehört, einen niedrigen sozialen Status, da sie bevorzugt in der lauten Unterhaltungsmusik im Freien eingesetzt wird. Sie wird aus einem einzigen, kegelförmigen Stück Aprikosenholz gedrechselt, wobei ihr auffälliger, weiter, konischer Schallbecher wesentlich für die spezielle Klangformung ist.
Auch die Pku, die je nach Grundton und Stimmlage sehr stark in der Länge variiert, verfügt über einen Schallbecher. Er wird aus Kuhhorn gefertigt, weswegen die Pku zu den Hornpfeifen gezählt wird. Obwohl bereits im 5 Jh. bekannt, ist ihre Bedeutung stark gesunken, sie ist im Vergleich zu den anderen armenischen Holzblasinstrumenten fast in Vergessenheit geraten.
Der Meister brachte uns mehrere Musikstücke auf den verschiedenen Instrumenten zu Gehör. Neben Weisen der armenischen Volksmusik spielte er auch das berühmte Kranich-Lied von Komitas Vardapet (1869-1935), einem armenischen Priester, Komponisten, Sänger, Chormusiker, Musikpädagogen, Musikethnologen und Musikwissenschaftler. Er gilt heute allgemein als Begründer der modernen klassischen Musik Armeniens und als Retter der armenischen Musik in letzter Stunde. Ohne sein Werk wäre das kulturelle Erbe Westarmeniens dem Genozid zum Opfer gefallen. Er war durch das Land gereist und hatte über 3.000 Volkslieder und liturgische Gesänge aufgezeichnet, die unwiederbringlich verloren gewesen wären. Daher sagt man, dass das armenische Volk in seinen Liedern seine Seele wiedergefunden hat.
So identifizieren sich Millionen von Diaspora-Armeniern mit dem Lied Krunk, der traurigen Weise vom Kranich, der um Nachricht aus dem verlorenen Heimatland angefleht wird. Auch Komitas hatte das tragische Schicksal seines Volkes beim Genozid in exemplarischer Weise durchlitten. Trotz seiner Rettung aus der Deportation 1915 durch internationale Intervention stürzten ihn die Geschehnisse in vollkommene geistige Zerrüttung, von der er sich nie mehr erholen sollte. Bis zu seinem Tod 1935 vegetierte der „Vater der armenischen Musik" in einer psychiatrischen Klinik bei Paris.
Zum Abschluss, bevor er uns zum Imbiss mit leckeren Früchten und Gebäckstückchen einlud, spielte Hakobyan zwei Lieder auf einem „besonderen“ Klavier. Es hatte einst als Geschenk des letzten Zaren Romanow an die belgische Königin den Weg nach Brüssel gefunden, war vor einigen Jahren aber bei ihm angekommen, ohne dass er zunächst den „herrschaftlichen“ Weg gekannt hatte.
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Die „Kaskade“ war unser nächstes Ziel. Die marmorweiße Stiege mit mehreren künstlerisch gestalteten Terrassen verläuft im Norden von Jerewans Zentrum vom französischen Platz über 600 Stufen hinauf zum Siegespark oberhalb des Zentrums mit einer Aussichtsterrasse und einem riesigen Obelisken, der an den 50. sowjetisch-armenischen Jahrestag der Oktoberrevolution 1917 erinnern soll. Westlich der Kaskadenspitze befindet sich das Aznavour-Center, das neben einer Präsentation des Lebens und Werks von Charles Aznavour für Ausstellungen, Konferenzen und Konzerte genutzt wird. Es war 2017 im Beisein des französischen Präsidenten Emmanuel Macron and des armenischen Präsidenten Armen Sarkissian eröffnet worden.
Der Platz zwischen der Oper und dem Fuß der monumentalen Stiege ist ein öffentlicher Skulpturenpark, der einer der beliebtesten Treffpunkte für Touristen und Einheimische ist. In der Grünanlage sind Skulpturen internationaler Bildhauer wie Fernando Botero, Tom Hill, Barry Flanagan und Joana Vasconcelos aufgestellt. Hier steht auch ein Denkmal zu Ehren Alexander Tamanjans, das ihn über einen Planungstisch gebeugt zeigt.
Rund um den französischen Platz stehen Skulpturen, mit denen große Dichter, Musiker und Maler geehrt werden sollen. Neben Komitas sind dies der Maler Martiros Sarjan (1880-1972), der „König der Lieder“ Sayat Nova (1712-1795), der Schriftsteller William Saroyan (1908-1981) und der Komponist Aram Chatschaturjan (1903–1978). Letzterer erlangte Weltruhm mit seinem Klavierkonzert, dem Violinkonzert und dem Ballett Gayaneh, das sein bekanntestes Werk enthält, den Säbeltanz. Breite Bekanntheit erhielt der Säbeltanz durch den Film „Eins, Zwei, Drei“ von Billy Wilder von 1961, in dem Liselotte Pulver zu der Musik auf einem Tisch tanzend sowjetischen Agenten den Kopf verdreht, sowie in den 1970er Jahren durch die Verwendung in einer weit verbreiteten Fernsehwerbung für einen Kaffeelikör („Komm Brüderchen trink – Kosakenkaffee!“).
In der kleinen Grünanlage rund um das Denkmal von Sarjan befindet sich ein ständiger Künstlermarkt. Hier werden vor allem Gemälde einer Jerewaner Künstlergruppe ausgestellt und zum Kauf angeboten. Nachdem wir längere Zeit durch die Freiluft-Galerie, in der mehrere Künstler Bilder sehr unterschiedlichen Stils anboten, geschlendert waren und zwei Mitreisende nach kurzer Verhandlung etwas gekauft hatten, spazierten wir vorbei am Nationaltheater zur Fußgängerzone im nördlichen Boulevard. An der Ecke zur Abovian-Straße ließen wir uns vor einem Restaurant zum Kaffee oder Bier nieder und genossen das Treiben am Nationalfeiertag.
Samuel begann herumzutelefonieren, um den Verbleib unseres Gepäcks zu eruieren. Marinas Koffer war zwischenzeitlich in ihrem Hotel angeliefert, aber wieder mitgenommen worden, da sie versäumt hatte, ihre Verlustbestätigung an der Rezeption zu hinterlassen. Ich hatte meine zwar dagelassen, der Verbleib meines Koffers blieb jedoch weiter ungeklärt. Zumindest bis ich im Hotel zurück war. Dort stand er nämlich in der Gepäckecke bei der Rezeption, wo ich ihn zufällig fand. Der Rezeptionist wusste nämlich von nichts, obwohl er vermutlich den Koffer entgegengenommen hatte. (Bis zum Ende meines Aufenthaltes in Armenien konnte ich mich mehrfach davon überzeugen, dass armenische Rezeptionisten nicht in die Kategorie „Hellste Kerze auf der Torte“ fallen.) Immerhin konnte jetzt für mich alles gut werden.
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Später trafen wir uns zum ersten gemeinsamen Abendessen mit armenischen Spezialitäten und musikalischer Begleitung. Jetzt lernten wir mit voller Wucht kennen, was armenische Küche kann und Bewirtung bedeutet. Denn bereits bei der Vorspeise wird der Tisch mit unzähligen Platten mit allerlei Köstlichkeiten überhäuft. Es werden viele verschiedene, überwiegend rohe Gemüsesorten, Kräuter, Käse, Wurst und Eingelegtes gereicht. Typisch für den Vorspeisengang sind die Kräuter, die roh gegessen werden: Petersilie, Basilikum, Minze, Dill, Lauch etc. Niemals fehlen dürfen Gurken und Tomaten, die herrlich schmackhaft und kaum vergleichbar sind mit dem, was wir unter diesem Namen kennen.
Die Armenier essen gerne und viel, vor allem abends, denn dies ist der Zeitpunkt für die tägliche Hauptmahlzeit. Alle Gänge werden vom Hauptnahrungsmittel Lavasch, dem hauchdünnen, knusprigen Fladenbrot, begleitet, sind aber auch ohne Brot schon extrem reichhaltig und vielfältig. Es wird gerne gesehen, wenn man alles probiert, was für einen untrainierten deutschen Magen nicht einfach ist, auch wenn man sich nur kleinste Häppchen gönnt. Lavasch wurde übrigens 2014 von der UNESCO zum immateriellen Weltkulturerbe erklärt. Traditionell wird das hauchdünne Brot lediglich aus Mehl, Salz und Wasser bereitet und auf den heißen Flächen eines Backofens gebacken. Getrocknet hält es viele Monate.
Und getrunken wird natürlich gerne und viel. Neben Fruchtsäften, dem vorzüglichen armenischen Mineralwasser und armenischen Weinen trinkt man viel Hochprozentiges während des Essens: meist selbstgebrannten Schnaps aus Aprikosen, Wacholder oder Maulbeeren mit besonders vielen Umdrehungen und natürlich Weinbrand. Weltberühmt ist der gerne auch als Cognac bezeichnete armenische Weinbrand, der seit 150 Jahren hergestellt wird. Das trockene und warme Klima, der nährstoffreiche Boden des Ararat-Tals, in dem die traditionellen Weinbaugebiete liegen, und das weiche Wasser aus den Bergen liefern hierfür günstige Voraussetzungen.
Auch Churchill soll den beliebten Cognac namens Ararat geschätzt haben. Angeblich soll ihm Stalin jährlich 365 Flaschen nach London geschickt haben. Da der Begriff Cognac international geschützt und den französischen Weinbränden der entsprechenden Region vorbehalten ist, dürfen inzwischen nur die armenisch oder kyrillisch beschrifteten Flaschen noch diesen Namen tragen, sonst wird er als Armenischer Brandy bezeichnet. Eine Besichtigung der Ararat-Destillerie war für den folgenden Tag angesetzt.
Ähnlich wie in Georgien kommt auch in Armenien dem Tamada eine besondere Rolle bei den Mahlzeiten zu. Er ist als Tischvorsitzender der Hausherr oder ein angesehener Mann, der für eine unterhaltsame Atmosphäre während der stundenlangen Mahlzeiten sorgt und immer wieder Trinksprüche auf die Gäste, die Frauen, die Liebe, die Gesundheit etc. ausbringt. Mit seinem Trinkspruch wird in der Regel eine Trinkrunde eingeleitet. In unserem Fall war Samuel der Tamada, der im Laufe des Abends zu unserer Erbauung auch die altbekannten Witze von Radio Eriwan zum Besten gab.
Radio Eriwan war ein fiktiver Radiosender gewesen, der unter dem sozialistisch-kommunistischen Sowjetregime Zuhörerfragen beantwortete. Dahinter verbargen sich teils politische, teils unmoralische Witze, die die Lebensverhältnisse in den sozialistischen Ländern des 20. Jh. betrafen. Ihre Antworten begannen meist mit „Im Prinzip ja, aber ….“. Ein typischer Witz, den auch Samuel brachte, war: „Frage an Radio Eriwan: „Stimmt es, dass Adam und Eva das erste sozialistische Paar waren?“ „Im Prinzip ja, sie hatten keine Wohnung und nichts zu essen, aber sie lebten im Paradies.““
Im Lokal waren vier Musikanten unterwegs, die in den verschiedenen Räumen aufspielten und auch uns zweimal beglückten. Neben der Zylindertrommel Dhol und der Duduk kamen die Stachelgeige Kamantsche (armenisch: Kjamanča) und die Kastenzither Kanun zum Einsatz. Die Kamantsche ist mit einem einfachen, runden Resonanzkörper aus Kürbis, Kokosnuss oder Holz und langem, dünnen Hals versehen und gehört daher in die Gruppe der Langhalsgefäßspießlauten. Sie wird mit einem Bogen gestrichen.
Das trapezförmige Kanun ist aus Holz gefertigt und mit 63 bis 84 Saiten bespannt, wobei je drei Saiten einem Ton zugeordnet sind. Sie werden mit einem Plektrum gezupft, das wie ein Fingerhut auf den Zeigefinger gesteckt wird. Das Instrument liegt auf dem Schoß des Musikers oder vor ihm auf dem Tisch. Bei der uns dargebotenen Unterhaltung wurde das Kanun von einer charmanten Armenierin perfekt und äußerst virtuos beherrscht.