Читать книгу Die Summe unserer einzelnen Teile - Peter Fechter - Страница 3
21. Juni 1999, 09:15 Uhr, Köln:
ОглавлениеAls man morgens aufwachte, fühlte man sich wie gerädert. Man kam sich in gewisser Weise unvollständig vor, als würde irgendetwas fehlen. Etwas, das einem anfänglich vielleicht nicht als besonders wichtig erschienen war, dessen Mangel man nun jedoch unterbewusst zu verspüren glaubte. Einige Sekunden intensiven Nachdenkens später war man noch immer zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis gekommen. Und so, nach sich schier endlos in die Länge ziehenden Minuten, die man mit unruhigem Hin- und Herwälzen im Bett zubrachte, um noch ein Maximum der so dringend benötigten Erholung förmlich in sich aufzusaugen, respektive die Nacht noch ein paar Augenblicke länger andauern zu lassen, verließ man letztendlich doch schlaftrunken das Bett in Richtung Badezimmer. Als wenig später unablässig ein feiner Strahl warmen Wassers aus dem Duschkopf auf den Kopf und die Gliedmaßen niederprasselte, spürte man allmählich wieder Leben in seinen Körper zurückkehren. Der Hauch eines befremdlichen Duftes, der einem selbst anzuhaften schien, drang mit zunehmender Intensität in die Nase und ließ die unausweichliche Frage nach dessen Ursprung aufkeimen. Hatte man seine Arbeit nicht mit der selbst auferlegten Sorgfalt und Konsequenz erledigt, die einen für gewöhnlich auszeichnete, und die auch bei den Auftraggebern hoch im Kurs stand?
Außer Zweifel.
Tatsächlich? Gedankenflimmern.
Ruckartige Szenen im Schwarz-Weiß-Film-Format durchzuckten die im Dunkeln liegende Erinnerung an die vergangene, ereignisreiche Nacht. Nur peu à peu kehrten zunächst völlig aus dem Kontext gerissen erscheinende Erinnerungsfetzen wieder schemenhaft in das Bewusstsein zurück. Gesichter verzerrten sich zu Fratzen, als sie in viel zu hohem Tempo an seinem geistigen Auge vorbeirauschten. Mit großer Mühe ließ sich langsam und aufwendig ein Bild jener Szenerie rekonstruieren, dass das Erlebte der letzen Stunden nochmals Revue passieren ließ und in eine einigermaßen nachvollziehbare Ordnung rückte.
Erst jetzt bemerkte der Mann, der augenscheinlich gerade eben Opfer seines eigenen Flashbacks geworden war, dass sich unter seinen Fingernägeln halbmondförmig eine dunkelbraune Substanz abzeichnete. "Vielleicht Schmutz, der sich dort einfach angesammelt hat", sinnierte er.
Wie eine glühende Nadel, die sich über den Geruchssinn direkt in sein Gehirn bohrte, empfand er hingegen den plötzlich wahrnehmbaren und ihm nur allzu vertrauten, metallischen Geruch. Nicht, dass menschliches Blut an seinen Händen ein Novum für ihn darstellen würde. Vielmehr waren es die Umstände, die dieses dorthin gelangen ließen, welche ihn nicht mehr zur Ruhe kommen lassen wollten.