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Vorwort

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Politikwissenschaft ist eine Disziplin, die einen scheinbar einfachen Gegenstand zum Zweck ihrer Analysen macht: die Politik. Doch was tatsächlich Politik ist, wie sie funktioniert und in welche anderen Bereiche des modernen Lebens Politik hineinstrahlt, darüber gibt es ganz unterschiedliche Ansichten, je nachdem, welche Methode oder Theorie man hierfür anlegt. Man kann Politik total auffassen, dann wäre alles, was existiert und von Menschen bearbeitet wird, auf die eine oder andere Weise politisch. Man kann Politik auch abgrenzen von anderen Analyserichtungen auf Individuen und Gesellschaft, z.B. von der soziologischen, der juristischen oder der ökonomischen Betrachtung, dann ist Politik durch eine spezifische Dimension gekennzeichnet. Die Politikwissenschaft operiert genau genommen an der Schnittstelle zwischen beiden Auffassungen, sowohl einer omnipräsenten als auch einer spezifischen Dimension von Politik. Politikwissenschaft ist hierbei jedoch nicht identisch mit ihrem Betrachtungsgegenstand. Politik und die Wissenschaft von der Politik sind zwei verschiedene Bereiche. Politik ist gekennzeichnet durch eine Akteurskonstellation, in der Menschen handeln und dieses Tätigwerden als Politik bezeichnet wird. In der Politikwissenschaft geht es hingegen um die Betrachtung, Nachzeichnung und Analyse dieses Handelns, um ein besseres Verständnis darüber zu bekommen, wie Politik funktioniert. Politikwissenschaft zeigt die Regeln auf, in denen sich Politik abspielt. Ob diese Regeln dann tatsächlich die richtigen sind und ob man die politische Realität dann damit versteht, sei dahingestellt. Spätestens an der Unterscheidung von Theorie und Praxis lässt sich in der Politikwissenschaft bei der Analyse trefflich streiten und diskutieren.

Die vorliegende Einführung in die Politikwissenschaft folgt dieser Theorie-Praxis-Differenz. Sie zeigt auf, wie komplex Politik ist und mit welchen differenten Fragestellungen und Analysemustern die Politikwissenschaft als Fachdisziplin ihrem Untersuchungsgegenstand beizukommen versucht. Die Ausdifferenzierungen in der Politikwissenschaft selbst sind mittlerweile enorm: in über 30 Teildisziplinen lässt sich die politische Analyse spezifizieren. Die klassische Einteilung zwischen a) Politischer Theorie, b) Politischer Systemanalyse (Deutschlands) und c) Internationaler Politik ist bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten einer vielschichtigen Differenzierung in den Inhalten gewichen. Politikfeldanalyse, Verwaltungswissenschaften, Politische Bildung, Vergleichende Staats- und Regierungslehre, Wirtschaftspolitik, Umweltpolitik, die Politik der Inneren Sicherheit etc. – an Themenstellungen besteht wahrlich kein Mangel.

Die vorliegende Einführung versucht daher in insgesamt 14 Themenbereichen eine Übersicht zu ermöglichen, bei der jeweils die Grundfragen der Teildisziplin skizziert und erläutert werden. Hierbei richtet sich das Konzept dieser Einführung nicht wie bei den vielen anderen Einführungen, die es zum Thema Politikwissenschaft auf dem deutschen Buchmarkt gibt, an die Studierenden der Politikwissenschaft im Speziellen, sondern an ein studentisches Publikum, welches politikwissenschaftliche Fragestellungen im Nebenfach oder gar nur in einzelnen Modulen oder Kompetenzen präsentiert bekommt. Es handelt sich also vornehmlich um eine Einführung in die Politikwissenschaft für Nicht-Politikwissenschaftler(innen). Studierende der Sozialwissenschaften, der Bildungs- und Erziehungswissenschaften oder der Kulturwissenschaften sind die Zielgruppe für diese Einführung.

Die 14 Themengebiete sind so konzipiert, dass die grundlegenden Probleme in der jeweiligen Forschungsrichtung der Politikwissenschaft genannt werden, jedoch hinsichtlich ihrer strittigen Diskussionspunkte nur in Hinweisen angezeigt werden, damit die Perspektive für die zentralen Fragestellungen im Überblick beibehalten werden können. Es geht also nicht um die Interpretationsverzweigungen zum Policy-Cycle, sondern um das Referenzschema an sich. Nicht die Vielzahl der Theorien in den Internationalen Beziehungen (IB) ist entscheidend, sondern eine analytische Ordnungsstruktur, mit der man sich dann den diversen Theorien nähern kann. Besonderer Wert ist hier auf die Möglichkeit der Vernetzung der einzelnen Themenfelder gelegt. Querverweise finden sich, wo sie angebracht sind. Die weiterführenden Literaturhinweise sind so gehalten, dass die entsprechende Vertiefung in der Fachdiskussion mit jeweils neuerer und neuester Fachliteratur möglich ist. Dafür wird meist – jenseits der Klassiker – auf Literatur aus dem ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts verwiesen.

Da Politik komplex ist, zumal im Zeitalter der Globalisierung, ist das Bemühen bei der Abfassung der Kapitel darauf gerichtet gewesen, die jeweilige Thematik lebenspraktisch, d.h. mit Bezug auf die bürgerliche Existenz einer im Prinzip meist politikfernen Lebenshaltung, zu gestalten. Der Sinn der Politik kommt für die meisten Menschen oft nur indirekt zustande, nicht fundamental oder gar total, sondern auf eher ungeraden Wegen. Deshalb gibt es immer wieder Beispiele oder Hinweise auf die praktische Ausgestaltung von Politik – jenseits der oft lehrbuchhaften Formeln in der Politikwissenschaft.

Das hier gewählte Konzept resultiert aus den Erfahrungen einer fast 15-jährigen Vorlesungszeit, in der die Einführungen zur Politikwissenschaft immer wieder modifiziert und abgewandelt wurden. Zielleitend war zugleich die Erkenntnis, dass die herkömmlichen Einführungen in die Disziplin sich zu sehr an den fachimmanenten Modethemen ausrichten oder aber lediglich schablonär den Traditionen in der Selbstinterpretation des Faches folgen. Da aber viele Standorte in der Politikwissenschaft in Deutschland ihre je eigene Schulinterpretation zur Grundlage der Einführungen machen und damit der Stellenwert bestimmter Teildisziplinen je nach Standort überwiegt, ist hier der Versuch unternommen worden, mehr als nur einen IB-Ansatz, eine Politische Theorie oder eine Politikfeldanalyse zur Politikwissenschaft als Einführung zu machen.

Dank gilt an dieser Stelle meinen beiden Mitarbeitern, Martin Schwarz und Jochen Steinkamp, die meine Ausführungen aufmerksam gelesen und mit vielen wichtigen Ergänzungsvorschlägen kommentiert haben. Dass ich den meisten Vorschlägen dabei nicht gefolgt bin, liegt in der Auffassung begründet, dass die hier beschriebenen Effekte und Phänomene der Politik ohnehin schon komplex genug sind. Eine Verdichtung und Erweiterung kann und soll sich gerade aus der Einführung heraus ergeben. Insofern sei hier besonders den Studierenden der Einführungsvorlesungen aus den letzten 15 Jahren gedankt, denn es ist gerade ihr jeweiliges Verstehen oder Nicht-Verstehen, was zum vorliegenden Konzept beigetragen hat.

Peter Nitschke

Vechta, den 11. April 2012

Aufgrund der starken Nachfrage und des konzeptionellen Erfolges erscheint nunmehr die zweite Auflage, die hinsichtlich der weiterführenden Fachliteratur eine systematische Aktualisierung, da, wo sie inhaltlich angebracht ist, erfahren hat. Ansonsten ist das Konzept beibehalten worden, wobei jedoch in zwei Kapiteln inhaltlich eine thematische Verschiebung bzw. Neuakzentuierung vorgenommen wurde. Dies betrifft das Kapitel V (Policy), in dem nunmehr aus strukturellen Gründen und der aktuell nachhaltigen Debatte die Migrationsfrage als Integrationspolitik die bisherige Familienpolitik ersetzt. Darüber hinaus ist Kapitel X unter der Leitlinie der Europäischen Integration statt der vorherigen Klassifizierung als „Europawissenschaft“ nun stärker auf die Dynamiken des Integrationsprozesses ausgerichtet worden. In den letzten mehr als acht Jahren hat sich Deutschland, hat sich die Europäische Union im Kontext der Globalisierung, ja die Globalisierung selbst, massiv verändert. Dem versuchen die Ausführungen, auch wenn sie hier nur für eine Überblicksperspektive formuliert sind, Rechnung zu tragen.

Peter Nitschke

Vechta, den 14. Juni 2019

Einführung in die Politikwissenschaft

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