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Kapitel 6

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Wer noch niemals in Lima war, dem sei gesagt, dass der Stadtteil Miraflores im Wesentlichen aus zwei Hauptachsen besteht, der Avenida Larco und der Avenida Benavides. Beide Straßen verlaufen in parallelem Abstand hinunter zum Meer und treffen sich vor Limas schönstem Einkaufszentrum, dem Larco Mar wieder. Von dort aus führt eine Schnellstraße direkt hinüber in den vornehmen Stadtteil San Isidro, wo sich aufgemotzte Kolonialbauten, Luxusvillen und moderne Apartmenthäuser aneinanderreihen. Claudio bekam von alle dem nichts mit. Er saß in einem Taxi und hatte seinen Blick starr nach vorne gerichtet. Dabei überlegte er, was er den Kolumbianer fragen wollte und wie er es am besten anstellte, ihm so viele Informationen wie möglich zu entlocken.

Mosqueras Agentur lag im zweiten Stock einer modernisierten Stadtvilla aus der Kolonialzeit. Über eine riesige Holztreppe gelangte er nach oben in einen langestreckten Korridor. Leises Stimmengewirr drang aus den Zimmern hinter hohen Türen zu ihm auf den Gang. Er konnte nicht verstehen worüber geredet wurde, es interessierte ihn auch nicht übermäßig. An den gleichmäßig weißen Wänden wiederholten sich geometrische Formen in regelmäßigen Abständen. Er beschleunigte seine Schritte und lenkte sie zu einer polierten Tür, an der ein glänzendes Messingschild befestigt war. Die Aufschrift M-Dreams sagte ihm, dass er hier richtig war. Ohne zu klopfen drückte er die Klinke nach unten und betrat das Zimmer. Hinter einem antiken Schreibtisch saß drinnen eine Blondine und telefonierte. Ihre rotlackierten Finger spielten mit den Tasten des Telefons. Sie war die blasseste Blondine, die Claudio jemals gesehen hatte. Ihre Blässe grenzte fast an Durchsichtigkeit. Alles andere an ihr war allerdings nicht von schlechten Eltern. Von der Seite her, konnte er sehen, was sie an hatte. Zu einem kurzen Minirock trug sie schwarze Seidenstrümpfe, an denen seitlich eine Rose bis zu ihren Oberschenkeln hinauflief, und hochhackige Pumps. Als sie ihn bemerkte, schenkte sie ihm einen verstohlenen Blick, wobei sie zwischendurch immer wieder einen Schluck aus einem Strohhalm saugte, der in einer Flasche Cola Light steckte, die wiederrum genau neben dem Telefon stand. Mit ein wenig männlicher Fantasie hätte man diese Geste durchaus als gekonnt provokativ bezeichnen können. Als sie ihr Gespräch beendet hatte, stand sie auf und trat mit einem gespielten Lächeln an ihn heran.

„Wie schön, dass Sie den Weg zu uns gefunden haben. Was kann ich für Sie tun? Möchten Sie eine Begleitung buchen?“

„Ich möchte Herrn Mosquera sprechen“, sagte Claudio und kam damit unmittelbar auf den Punkt.

„Ja weiß er denn Bescheid? Sind Sie angemeldet? Wer sind Sie überhaupt?“

„Sie stellen viel zu viele Fragen, Blondchen. Befindet sich dahinter sein Büro?“

Er deutete auf eine wuchtige Tür mit schmiedeeisernen Beschlägen.“

Sie nickte und bemerkte sofort, dass sie einen Fehler begangen hatte. Wie auf ein Kommando ging Claudio auf die Tür zu, drückte und zog solange an ihrem Knauf, bis er sie aufstoßen konnte. Der Raum, in den er jetzt gelangte, war um einiges größer als das Vorzimmer in dem die blasse Blondine saß. Große Panoramafenster sorgten für genügend Lichtzufluss. Ein großer, dunkelhaariger Mann von Ende vierzig, in einem dunkelblauen Hemd mit übergroßem Kragen stand neben einem wuchtigen Schreibtisch und sah hinaus. Als er hörte, wie sich die Tür zu seinem Büro öffnete, fuhr er herum. Er sah so aus, als wolle er nicht gestört werden. Demonstrativ setzte er sich an seinen Schreibtisch und blätterte in einem Stapel mit Papieren. Als er kurz darauf wieder aufblickte, sah er, das Claudio immer noch im Türrahmen stand.

„Sie wünschen?“ fragte er mit mürrischer Stimme.

„Wie ich sehe, sind Sie sehr beschäftigt…“, begann er betont vorsichtig. „Daher will ich es kurz machen. Ich komme von der Deutschen Botschaft und möchte Ihnen ein paar Fragen stellen.“ Das entsprach zwar nicht so ganz der Wahrheit, aber politische Institutionen machten nun mal einen mächtigen Eindruck.

„Ich weiß, dass Sie für viel Geld Mädchen an betuchte Ausländer vermitteln. So etwas ist Kuppelei und in diesem Land verboten.“

Mosquera grinste ihn an. Er sah nicht so aus, als ob er sich vor Repressalien fürchtete. „Mit Prostitution habe ich nichts am Hut“, sagte er. „Ich betreibe eine Begleitagentur. Völlig legal und angemeldet.“

Claudio räusperte sich. Er konnte sich bildlich Vorstellen, wie diese Legalität aussah, aber deswegen war er nicht hergekommen.

„Hören Sie Senor Mosquera, an wen und wie viel Propina Sie zahlen, geht mich nichts an. Ich bin wegen dem toten Kerl hier, den eine ihrer „Angestellten“, vor ein paar Tagen gefunden hat. Er baumelte an der Decke seines Penthouses, wenn ich Sie daran erinnern darf. Dumm nur, dass dieser Mann rein zufällig ein Diplomat aus meinem Heimatland war und wenn ich nun herumerzähle, dass er mit einer Prostituierten verabredet war, die er über ihre Agentur gebucht hat, könnte die Sache verdammt unangenehm für Sie werden. Dann wird`s politisch, mein lieber Senor Mosquera und man wird Sie fallen lassen, wie eine heiße Kartoffel.“

Claudio wusste nicht, ob Mosquera die Drohung beeindruckt hatte oder nicht. Jedenfalls sagte er kein Wort. Also versuchte er es mit einem Trick.

„Genauso gut könnte ich aber auch erwähnen, dass er vom Reinigungspersonal gefunden wurde. Wie klingt das in Ihren Ohren?“

Das wirkte. Mosqueras Gesichtsauszug änderte sich schlagartig. Er drückte auf den Knopf seiner Sprechanlage. Gleichzeitig fragte er: „Wie war noch gleich ihr Name?“

Erst jetzt stellte sich Claudio vor. Doch ehe er etwas erklären konnte, erschien die platinblonde Sekretärin und brachte ein Tablett mit einer Flasche Gin Tonic und zwei Gläsern. Claudio nahm sich vor, die Blonde gar nicht weiter zu beachten. Stattdessen beobachtete er Mosquera und sah, wie der zu einem Notizblock griff und anfing etwas auf ein Blatt zu kritzeln.

„Nanu, wollen Sie mir die ganze Geschichte auch noch aufschreiben?“, fragte er neugierig.

„Wie bitte? Ach so das...“ Mosquera spielte mit seinem Oberlippenbart.

„Aber nein, ich mache mir nur Notizen über Anitas Kleidung.“

Claudio verstand die Welt nicht mehr. „Warum denn das?“, fragte er ein wenig verwirrt.

„Ach, nur so. Das ist so eine Art Spiel, verstehen Sie? Ich studiere solche Dinge, dann lasse ich mir etwas Schönes einfallen und sie probiert es aus. Das Ganze erhellt uns ein wenig den Arbeitsalltag, finden Sie nicht auch? Sehen sie nur, was sie heute scharfes trägt. Das habe ich selbst entworfen!“

Claudio war baff. Der Kolumbianer hatte zumindest ausgeglichen.

„Hat man die Leiche schon weggeschafft?“ fragte Mosquera ein wenig später. „Die ist nämlich sehr schlecht fürs Geschäft. Keines meiner Mädchen möchte mehr in die Apartments gehen, so lang sich die Leiche noch dort befindet. Könnten Sie da nicht ein wenig nachhelfen?“

„Du alter Schlingel“, dachte Claudio und musste grinsen.

„Na dann erklären Sie mir doch einfach den Sachverhalt. Vielleicht geht es dann ein wenig schneller.“

„Muy bien. Also an dem besagten Tag hat ein Robert Werner bei mir angerufen und sich ein Mädchen für den Abend in seine Wohnung bestellt. Allerdings erst für 21 Uhr, da er vorher noch an einem Meeting teil nehmen wollte.“

„O.k. Aber wie läuft so eine Bestellung eigentlich ab?“ Claudio stellte sich absichtlich dümmer als er war.

„Nun, der Kunde nennt uns die Adresse, wo er wohnt oder gegebenenfalls ein Hotel mit seiner Zimmernummer. Dann kommen die Extrawünsche und der Typ Frau, den er bevorzugt.“

„Extrawünsche?“

„Selbstverständlich!“ Mosquera öffnete eine Schublade seines Schreibtischs und nahm einen Ordner heraus. Den hielt er Claudio vors Gesicht.

„Hier, sehen Sie selbst.“

Der Ordner enthielt Fotos von jungen Mädchen in allen erdenklichen Posen und Verkleidungen.

„Ihr Verkaufskatalog?“

„Wenn Sie es so nennen wollen. Also der Typ hat ausdrücklich nach einer Krankenschwester verlangt. Er stand auf Doktorspiele, verstehen Sie?“

„Und die haben Sie ihm dann geschickt?“

„Aber sicher!“ Er grinste.

„Ich habe Milagros angerufen und sie ist hierher in mein Büro gekommen. Sehen Sie nur...“ Er blätterte in dem Ordner und zeigte Claudio das Foto einer hübschen dunkelhaarigen Mestizin.

„Sie heißt Milagros“, sagte er. Claudio nickte anerkennend.

„Wissen Sie noch, wann Sie hier eintraf?“

„Ganz genau sogar. Es war um 20.00 Uhr. Wir haben dann noch ein wenig geplaudert und Kaffee getrunken. Danach ist sie zu ihm in seine Wohnung gegangen und hat ihn gefunden.“

„Und weiter? Was geschah dann?“

„Nun, sie ist zurück zu mir gekommen und hat sich ausgeheult. Mit ihr war an diesem Abend nichts mehr anzufangen.“

Claudio überlegte. „Sagen Sie Herr Mosquera, dürfte ich wohl einen Blick in ihre Kundenkartei werfen?“

Der Kolumbianer zögerte einen Augenblick. „Kundenkartei?“, fragte er.

„Sagen Sie mir bloß nicht, Sie würden sich nicht irgendwo die Wünsche und sexuellen Neigungen ihre Kunden aufschreiben!“

Zögerlich drückte Mosquera den bekannten Knopf an seiner Sprechanlage.

„Anita Schätzchen, kommst Du bitte noch einmal rüber! Und bring die Liste mit.“

Kurz darauf erschien die blasse Blondine wieder in seinem Büro. Mosqueras sogenannte Liste erwies sich als ein schwarzer Notizblock, in dem allerhand Namen, Symbole und Abkürzungen standen. Claudio interessierte sich nur für die Eintragungen, die den toten Diplomaten Werner betrafen. Es sah nämlich ganz danach aus, als hätte sich der hochrangige Beamte sehr unterschiedlichen sexuellen Interessen gefrönt. Ganz besonders schien er auf Rollen, -und Fesselspiele mit jungen Mädchen zu stehen.

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