Читать книгу Schonzeit für Zwerge - Peter Vinzens - Страница 3

Der Mann am Fluss

Оглавление

Der alte Mann sitzt im Liegestuhl und fühlt sich als Herr über ein Reich. Er hat einen Auftrag, und den füllt er aus. Seit vielen Jahren nun schon. Er bewacht einen Platz, den eigentlich niemand haben will. Ein gemütlicher Job. Sein Gehalt ist klein, dafür aber hat er auch kaum Kosten. Nur sein Essen muss er bezahlen.

Balken liegen umher, Bretter, Schrott. Weit entfernt tuckern Schlepper vorbei. Flach fällt das Ufer ab, eine ehemalige Werft. Schon lange aber werden hier keine Schiffe mehr gebaut. Hier könnten spannende Kinderfilme gedreht werden, Models könnten über verrostete Schrotteile flanieren, Fotografen könnten die besten Motive finden. Allein, der Platz ist noch unentdeckt. Nebenan, der Fluss. Hier rauschen Frachtschiffe und Jachten vorbei, aber sie fahren eben vorbei. Ein wunderbar ruhiger Platz.

Sein Name ist Rex Mailman, aber niemand glaubt, dass der Name auch stimmt. Angeblich war er früher Zauberkünstler, Arbeiter in einem Schlachthof, Kriegsteilnehmer und Sänger. Neben einem alten, verrosteten Gewehr hängt eine verstimmte Gitarre an der Wand, und in der Ecke ruht eine verstaubte Bassgeige. Hinter der Türe klirrt eine stattliche Versammlung leerer Schnapsflaschen, und draußen rostest ein alter Buik vor sich hin. Manchmal, so sagt er, käme sein Freund der Sheriff vorbei. Dann würden sie einen „Kleinen“ zu sich nehmen und von vergangenen Zeit erzählen. So zum Beispiel auch diese, natürlich völlig unglaubhafte Geschichte:

Da war nämlich dieser Samuel Langhorne Clemens. 1910 hat man ihn zu Grabe getragen. Der war, so behauptet Rex, ein langjähriger Freund seines Vaters gewesen. Und der habe ihm eine heute noch unbekannte Geschichte erzählt: Da ist also die Geschichte in der Geschichte, in der Geschichte. Da soll noch einer klarkommen, und ob sie der Wahrheit entspricht kann natürlich niemand nachprüfen. Aber warum auch?

Es gab also eine Werft in einem kleinen Nest am Mississippi, und dieses Unternehmen stand kurz vor der Pleite. Da kam der Besitzer, ein gewisser John Alexander Krasnow, auf die Idee ein Rennschiff haben zu wollen. Also nicht so recht ein Rennboot, wie wir es heute kennen, sondern eher was Größeres. Und unter „größer“ verstand man im ausgehenden neunzehnten Jahrhundert ein Dampfschiff, das Passagiere und Fracht befördern konnte und auf dem man um Geld spielen und beliebig viel trinken durfte.

So ein Schiff musste man natürlich erst einmal haben. Erst dann konnte man zahlende Gäste und schreibende Journalisten einladen. Damals war es nämlich üblich die Beobachter von Schiffsrennen an Bord zu haben. So konnten diese das Ereignis aus der Nähe genießen, dabei den einen oder anderen Drink nehmen und außerdem das überflüssige Geld auch noch im Spiel verjubeln. Gegebenenfalls, bei Interesse, konnte man schlicht an die Reling treten und den Weitergang des Rennens zur Kenntnis nehmen. Und wenn dann die eigene Mannschaft zu lahm war, dann brauchte man nur zu den Dollars langen, um ihre Motivation zu fördern. Schließlich hatte man ja auch in Wetten für die Rennfahrt investiert. Aber noch immer stand ein kleines Problem im Raum: Dazu brauchte man ein Schiff.

John Alexander Krasnow wollte seinen Laden und natürlich sich selbst sanieren. Dies aber war schwierig. Fahrten wollten schließlich viele gewinnen, viele hatten sogar eigene Schiffe, sie konnten sie sogar herzeigen, er aber hatte nur eine eigene, zugegebenermaßen abgewirtschaftete Werft, gute Leute und viele Ideen. Deshalb entwickelte er einen Plan, er gebrauchte seinen Verstand:

In einer kleinen Kneipe, dicht unten am Hafen sitzen Matrosen und andere Trunkenbolde, schließlich war die Zeit der Prohibition in den Staaten noch nicht erfunden. Hinter der Theke wurstelt ein missmutiger Wirt herum. Der Spiegel, Bestandteil eines jeden Westerns der heutigen Tage, ist nicht zu finden. Dafür aber wird Musik vom Feinsten gegeben, die keiner hören will. Alle reden wild durcheinander. Es ist also wie im richtigen Leben: Das Wahre, Edle, Gute, niemand will es zur Kenntnis nehmen.

Auf einmal geht draußen so richtig die Post ab. Irgendwelche Frauen kommen sich wegen irgendwelcher Probleme in die Wolle, streiten herum, reißen sich die Kleider vom Leibe und krakeelen, was das Zeug hält. Das ist natürlich richtig interessant. Alle rennen hin, gucken, feuern an, finden den Disput wunderbar. Endlich ist mal richtig was los in der Bude.

Auch die beiden Wachen auf der „Spirit of St. James“, einem edlen Schiff der Superklasse, kommen natürlich herunter. Wäre es doch ein Verbrechen sich das Schauspiel entgehen zu lassen. Deshalb hin und mitgemacht. Natürlich bilden sich sofort Parteien für und gegen die eine oder andere der Damen. Mit Fäusten und Worten, also eigentlich mehr mit Fäusten, wird die Angelegenheit geregelt. Endlich mal eine Abwechslung.

Am nächsten Morgen war in der Zeitung zu lesen, dass in der Nacht unter wundersamen Umständen, die berühmte „Spirit of St. James" abhandengekommen war. Sie war schlicht weg. Nur noch abgeschnittene Leinen erinnerten an das wunderbare Schiff. Auch die intensive Suche auf allen Teilen des näheren Flusses blieben ergebnislos. Die „Spirit of St. James“ gab es nicht mehr. Sie hatte sich in Luft aufgelöst. Irgendwie.

Kaum hatte nämlich die schöne Schlägerei begonnen, da schlenderten einige Herren herbei, durchschnitten die Taue und enterten den Kahn. Die Strömung, an dieser Stelle nicht unerheblich, tat ihr übriges und so entschwand diese wertvolle Investition der „Mississippi Steam Company“, das Juwel unter den Schiffen, sang und klanglos in der Dunkelheit.

Der Rest der Nacht war sehr „busy“, das heißt viele Leute mussten hart arbeiten. Aber gegen Geld konnte man schon in den „goldenen Zeiten" der Vereinigten Staaten, jederzeit schweigsame Leute bekommen. Denn kaum war das schöne Schiff in der Dunkelheit untergetaucht, da kam ein kleiner Schlepper der uns bereits bekannten Werft, und nahm den großen Bruder an den Haken.

Niemand soll nun meinen, amerikanische Bürger seien besonders kriminell veranlagt. Das ist natürlich grundfalsch. Sie besitzen nur bisweilen einen besonderen Geschäftssinn. Besonders, wenn ihnen das Wasser bis zum Halse steht.

Auf jeden Fall lief das schöne Schiff in den kleinen Seitenarm ein und wurde von vielen fleißigen Händen erwartet. Zuerst verschwand natürlich die wunderschöne Holzverkleidung mit dem Namen. Die konnte man nun wirklich nicht gebrauchen. Den hölzernen Rumpf und die wertvolle Dampfmaschine konnte und wolle man natürlich nicht verändern. Dazu wäre der Aufwand nun wirklich zu groß gewesen. Die Ingenieure der Werft, es waren zwei, und sie hießen Paul Newton und Sergjev Gnüth, hatten sich das alles genau ausgerechnet. Schließlich wollten sie ein „Rennpferd“ bauen. Da es für ein komplettes, also ein neues, finanziell nicht reichte, hatten sie sich deshalb einfach einen Rumpf „ausgeborgt". Extraschichten wurden geschoben, Zulage gab es, und der Chef selbst verteilte Alkoholika, Kaffee und Sandwichs.

Am Morgen lag ein etwas klappriges Schiff im Seitenarm, nur wenig Aufbauten, die Maschine teilweise offen, das gigantische Schaufelrad von Lumpen verborgen. Träge schlichen einige faule Arbeiter herum, der Chef, betrunken in der Hütte, und aus so einem Betrieb konnte selbst nach der Meinung der Sheriffs nichts werden. Pinkerton- Detektive kamen später und alle fanden, dass dies ein Pleiteunternehmen war. Zu viel Schrott auf dem Platz. Unaufgeräumt. Berge von Holz. Niemand machte sich die Mühe die Schriften auf den Brettern zu erkennen. Das allerdings wäre auch peinlich gewesen.

Ein paar Wochen später, wiederum in der Zeitung zu finden, gab die Werftleitung bekannt, dass nun doch ein Schiff fertiggestellt sei. Niemand hatte es erwartet, niemand nahm es ernsthaft zur Kenntnis. Bis an den Tag, an dem die erste Geschwindigkeitsmessung des neuen Kahns bekannt wurde. Das Unternehmen hatte einen „big deal“ gelandet. Die Kiste war ungeheuer schnell. Und das war natürlich wieder eine Meldung wert. Woran man wieder einmal ermessen kann, wo die Interessen und Vorlieben einer freien Presse liegen. Aber das hat sich ja bis heute nicht geändert.

Da war zudem die Sache mit einem gewissen Herrn Hearst. Wir alle kennen ihn, denn er war, und sein Konzern ist es noch heute, Zeitungskönig der USA. Damals. Heute beherrscht die Firma immer noch den Nachrichtenmarkt, auch wenn sich der verändert hat. Dieser Herr Hearst war ursprünglich ein fauler Kerl. Als er aber die Zeitung seines Vaters geerbt hatte, da fand er den Weg zur Arbeit und sein Interesse für publikumswirksame Vermarktung. Ihm verdanken wir auch den Begriff „Yellow Press“. Und das kam so:

Amerika, also der „Amerikaner als Solcher“, fühlte sich zum Ende des vorvergangenen Jahrhunderts von den Chinesen bedroht. Die wollten nämlich nicht das, was die amerikanische Regierung wollte und damit hatten die Amerikaner - zwangsläufig - ein Problem. Schließlich hatten sie gerade begriffen wie Kapitalismus funktioniert. Sie begannen sich gerade dem Rest der Welt zu öffnen und da stellten sich doch diese arroganten Chinesen quer. Das war natürlich eine ernste Bedrohung für den „Amerikaner als Solchen“, für die freie Welt, und deshalb war das natürlich auch ein Thema für die Zeitung.

Selbstverständlich auch für die Zeitung eines gewissen Herrn Hearst. Das Blatt beschäftigte Reporter und Politiker, Wissenschaftler und Karikaturisten und letztere waren es, die den Begriff prägten: „Yellow Press“. Da war das Bild zu sehen wie ein Chinese, die „Gelbe Gefahr an sich“ eben, das arme Amerika beutelte. Und nebenan stand ein gewisser Herr Hearst und trotzte der „Gelben Gefahr“. Nur mit seiner Zeitung in der Hand. Ein Held, der sich nichts gefallen ließ.

Emotional, publikumswirksam, polemisch, und sehr dicht an „Volkes Stimme“. Und damit war die „Gelbe Presse“, „the yellow press“ erfunden, und wir haben sie immer noch am Hals.

Und warum erzählen wir das? Nur um zu sagen: Die Yellow Press war bereits vorhanden und vollendete nun das Werk von Mr. Krasnow, denn ohne diese Presse hätte die Nummer mit dem Schiff nie funktioniert. Nie wäre Krasnow reich geworden und ob er es geblieben ist, war für die „Presse“ natürlich erst einmal völlig uninteressant. Krasnow hatte ja gerade erst angefangen.

In der schmutzigen Baracke sitzt er, und ein Mensch mit Hut ist bei ihm. Getränke sind da, Kaffee und Scharfes, zu essen und zu trinken gibt es auch. Was aber viel wichtiger ist: Krasnow kennt seinen Gast, ein Kumpel, der von Anfang an dabei war, ein Journalist. Der soll ihm nun helfen, sollte sein PR- Manager sein, denn nun ging es ums Geldverdienen.

Schließlich entsteht ein Schiffsrennen nicht einfach so aus dem Hut heraus. Da gilt es Sponsoren zu finden, Pressearbeit ist zu bringen und wettfähige, zahlungskräftige Kunden sind aufzutreiben. Ohne die Zeitungen geht da eben nichts. Woran man wieder mal erkennen kann: Es hat sich nichts geändert in der langen Entwicklungszeit dieses Mediums. Daran muss man sich einfach gewöhnen.

Der Herr Clemens, der aufmerksame Leser kann sich erinnern, saß also seinem Freund Krasnow gegenüber und baldowerte mit ihm eine große Nummer aus. Clemens war übrigens auch in der „Nacht der Entführung“ dabei, denn damals litt er gerade wieder einmal unter chronischem Geldmangel. Das aber war für ihn nichts Neues, das hatte er schon an anderen Orten erfolgreich hinter sich gebracht. Nun aber brauchte er eine gute Story, die möglichst US-weit vermarktet werden sollte.

Schon damals, aber so lange ist das nun auch wieder nicht her, verbreiteten bereits Nachrichtenagenturen gute, fetzige Storys über das ganze Land. Telegrafenleitungen erreichten schließlich selbst die verschlafenste Redaktion. Und die Meldung von weit weg, vermittelt über die Agentur, war zudem billiger als der eigene Reporter. Und, es kommt noch was: Die Provinzzeitung war ohne jede Konkurrenz. Niemand konnte ermessen, ob der Reporter ein eigener, ein wildfremder oder ein erfundener war. Hauptsache die Story war gut.

So wurde die Geschichte von langer Hand vorbereitet.

Es entstanden Reportagen über die Versuchsfahrten. Das Schiff war kleiner geworden. Den Rumpf konnten sie, man bedenke die Kürze der Zeit, leider nicht beeinflussen. Die Größe der Maschine auch nicht. Nur die Aufbauten wurden verändert. Auf den Ponton wurde ein neues Gerüst gestellt. Ein Stockwerk niedriger. Anders sollte das Schiff aussehen. Das war wichtig. Außerdem sollte es gewinnen im Wettkampf Der aber war nur interessant, wenn die Quoten ungünstig sind. Der Spitzenreiter bringt schlechte Quoten, der Außenseiter abenteuerliche. Es galt also ein Schiff zu haben, das schnell war, weit laufen konnte, ohne dass ihm dies irgendwer zutraute.

Die Presse ist dafür ein wunderbarer Nachrichtenträger.

Am 18. Juli 1895 ist die erste „Erprobungsfahrt“ des neuen Schiffes. Kurz vorher war es auf den unbedeutenden Namen „Adventure“ getauft worden. Das aber sollte nur eine pressewirksame Veranstaltung sein. Eine Vorstellung, sonst nichts. Eigentlich war die „Adventure“ ein hässlicher Kahn geworden.

Sie hatte nur drei Stockwerke vorne und flachte sich hinten auf zwei Etagen ab. Der Bug lag weit über dem Wasserspiegel und das Kommandohaus war, völlig neu in der Entwicklung, als Bestandteil des obersten Stockwerks in die dritte Etage eingebaut. Die Brückenrocks ragten weit nach außen. Zwei gewaltige Schornsteine beherrschten das Heck.

Bei andern Schiffen lag das Schaufelrad offen. Die „Adventure“ vermochte so etwas nicht zu zeigen. Der Rumpfaufbau ragte weit nach hinten über, verbarg das Rad, die Technik und seine Geheimnisse.

Wer nun glaubt, Krasnowas Ingenieure seien Dummbeutel gewesen, der irrt. Neuste technische Entwicklung hatte Eingang gefunden, die aber sollte nicht in der Öffentlichkeit stattfinden. Deshalb auch die Verkleidung des Aufbaus.

Hätte nämlich irgendwer, irgendwann, irgendwie unter die Verkleidung geschaut, er hätte sich gewundert. Die Breite des Schaufelrades hatte sich zwar -zwangsläufig- nicht geändert. Das Rad an sich aber war völlig ausgewechselt worden. In Europa machten sich Techniker bereits Gedanken über Turbinen, über Schiffsschrauben, über veränderte Formen der Rümpfe. In Amerika wurde noch wenig verändert. Anders die Techniker des Herrn Krasnow.

Waren an der „Spirit of St. James“ noch einfache Bretter als Antriebselemente am Schaufelrad, so bauten Krasnows Techniker nun gebogene Elemente ein. Ein Fachbuch aus Europa hatte ihnen den Weg offenbart. Und die Truppe hatte sich als lernfähig erwiesen. Das Rad war größer geworden. Aus der Maschine hatten sie, mit verschiedenen Kniffen, noch einiges mehr an Kraft herausgekitzelt. Die technischen Voraussetzungen waren also bestens. Die aber waren ein „Dreck“ gegen die Strategien der Vermarktung.

Der 12. August 1895.

Die Presse ist dabei. Die Herren werden mit Getränken, einem kalten Buffet und aktuellsten „News“ traktiert. Öffentliche Versuchsfahrt ist angesetzt. Stromauf gegen den Widerstand des Flusses. Das Schiff nimmt normale Fahrt auf. Unten im Rumpf schuften ein paar Schwarze unter dem Kommando des Ingenieurs. Der ist am Gewinn beteiligt. Die Schwarzen nicht. Sie sind austauschbar. Jederzeit.

Die Fahrt wird schneller. Sie erreicht die Grenze der Konkurrenten. Sie überschreitet sie. Die Meute hat das Buffet verlassen. Getränke hat sie mitgenommen. Gebannt schauen sie aufs Log. Schätzen die Fließgeschwindigkeit des Fußes. Errechnen die Fahrt über Grund. Einige haben Karten dabei. Schauen auf ihre Taschenuhren. Bestimmen Geschwindigkeit. Die Fahrt wird phänomenal. Weißer Rauch hüllt sie ein. Schlote speien Qualm. Als sei dies das Schönste der Welt.

Niemand machte sich später Gedanken darüber, warum der Kutter gerade an dieser Stelle lag, warum der Unfall ausgerechnet hier passierte, warum die „Rettung“ der Passagiere so einfach war. Sie wurden von Bord evakuiert. Alle, bis auf einen. Mr. Clemens blieb da und ging gelangweilt in den Salon. Da aber war er sehr einsam. Getränke waren noch genug da.

Zuerst hatte es einen lauten „Bums“ gegeben. Dann stand die Maschine. Dann läutete die Schiffsglocke ohne Unterlass. Dann waren die Getränke uninteressant. Dann wurde der Qualm der Schlote schwarz. Und danach ging die Presse von Bord. Hinein in den Kutter, der sie Eilens zurückbrachte. Die Herren wollten schnell zurück. „Explosion auf dem Herausforderer-Schiff“. Das war doch schließlich eine Meldung, und morgen sollten die Menschen das auch in der Zeitung lesen.

Clemens schrieb nichts, obwohl es doch eine so feine Geschichte gewesen wäre. Clemens saß im Salon und trank. Ob er auch vom verlassenen, noch immer üppigen Buffet gegessen hat, ist nicht überliefert. Auch Chronisten haben Aussetzer.

Die Zeitungen überschlugen sich.

„Schiff explodiert!“ - „Herausforderer ohne Chance!“. So oder so ähnlich sollen die Überschriften gelautet haben, und eigentlich müssten sie heute noch nachzulesen sein. Auf jeden Fall aber waren die Quoten der Wetten für die „Adventure“ tief im Keller. Und genau das hatten die Schiffer gewollt.

Rex Mailman, der Mann, der heute an dem kleinen Seitenarm des Flusses sitzt, erzählt seine Geschichte mit großer Freude. Nicht etwa, dass er diese kriminellen Machenschaften ausdrücklich billigt, er amüsiert sich darüber. Und zum Beweis schleppt er ein Brett herbei, auf dem noch heute die Reste des Namens „Spirit of St. James“ zu entziffern sind. Der berühmte Schiffsklau wurde natürlich auch von der Filmindustrie verwurstet. Davon aber will Rex nichts wissen. Die Story sei doch völlig entstellt worden, und das Pfiffige, das mit den Wetten, käme überhaupt nicht mehr vor. „Müll“, sagt er, „Nichts als Müll“. Und dann kramt er noch in alten, verstaubten Kisten und zaubert einen Zeitungsausschnitt hervor. Ein gewisser M.T. berichtet in diesem Artikel, dass das große Rennen bevorstünde, dass allerdings dem Herausforderer „Adventure“, gegen die scharfe Konkurrenz von mehreren anderen Schiffen, wahren Wunderwerken der Ingenieurkunst, kaum Chancen eingeräumt würde. Außerdem, stellt der Artikel bedauernd fest, einen Kapitän habe das Unternehmen auch noch nicht gewinnen können. Eine traurige Story. „Adventure“ im Abseits.

Rex kann sich noch heute halb totlachen, obwohl er doch gar nicht dabei gewesen war, denn schließlich hat er ja alles nur von seinem Vater erfahren. Vielleicht auch von seiner Mutter. Von der hängt nämlich ein altes Foto an der Wand, und der Besucher glaubt sofort, dass sie zu Hause das Sagen hatte. Eine stattliche, strenge Person, die aber wohl auch den Schalk im Nacken hatte. Das aber ist eine andere Geschichte. Also zurück zum Schiffsklau und dem breit angelegten „Wettbetrug“, an dem die amerikanische Presse, natürlich völlig unbewusst, versteht sich, breiten Anteil hatte. Die Reise sollte von Vicksburg zu den Kais von Lake Providence gehen. Luftlinie rund 35 Meilen. Durch die vielen Schleifen des Flusses wird aber die Strecke wesentlich länger. Außerdem ist der Fluss hier sehr flach. Dauernd verändern die Sandbänke ihre Lage, und der Lotse muss scharf aufpassen. Das sollte die Wettfahrt natürlich spannender machen.

Die Anteilnahme der Bevölkerung war überwältigend. Tausende, ach was sage ich, Zehntausende säumten das Ufer, erwarteten ein bedeutendes Ereignis und nahmen die Abwechslung im eintönigen Alltag des Südens mit Freude an. Ganze Familien lagerten auf den Hängen, wohlversehen mit Gebratenem und Gesottenem, mit Broten und gewaltigen Käsestücken und auch der berühmte Apfelkuchen durfte natürlich nicht fehlen. Das Wetter war hervorragend, und in den Kneipen, unten an den Kais, war der Teufel los. Irgendwo waren auch die beiden Damen dabei, die wir ja schon kennenlernen durften, und sie vertrugen sich hervorragend. Wie immer eigentlich. Niemand würde je einen Zusammenhang zwischen ihnen und dem Wettbewerb finden, und die paar Dollar, die sie für die „Show“ bekommen hatten, die waren natürlich längst weg.

Nebeneinander, mitten im Fluss lagen die Schiffe. Gewaltige Wolken entschwebten den Schloten. An den Kesseln wurde gefeuert was das Zeug hielt. Schließlich wollten alle gewinnen, viele hatten gewettet, jeder wollte Geld machen. Die Betuchten hatten sich frühmorgens bereits eingeschifft, schließlich musste man dabei sein, wenn man wer war, und die Spannung wuchs ins schier Unerträgliche. Der Alkoholkonsum auch.

Zuerst sehen alle die weiße Wolke, die aus der alten Kanone herausschießt, erst dann ist der Knall zu vernehmen. Das Startzeichen. Los geht die Reise. Dem Ziel entgegen. Die Räder peitschen das Wasser. Die Rümpfe bedrängen sich. Kommandos werden gebrüllt. Telegrafen klingeln. Schiffsglocken werden geschlagen. Das weite Feld der Ruderboote und der kleinen Kähne bricht auf. Jeder sieht zu, dass er wegkommt, denn nun wird keine Rücksicht mehr genommen, keine der Maschinen wird die Leistung zurücknehmen. Bis zum Ziel nicht. Da kentert der eine oder andere Kahn in den gewaltigen Heckwellen, und so mancher Trunkenbold im Ruderboot erfährt plötzliche Ernüchterung. Das aber tut der Stimmung keinen Abbruch.

Die Reporter der bedeutenden Provinzzeitungen sind natürlich alle an Bord. Geschäftig eilen sie auf den Schiffen umher, mal auf der Brücke, mal in den Maschinenräumen. Sie tragen den Schmutz und die Ölspuren auf den feinen Anzügen wie Orden im Kampf um die beste Story. Heldentaten also. Am Ziel sind Telegrafenleitungen ins weite Land geschaltet, schließlich müssen die Meldungen ja auch verbreitet werden, die Druckpressen bleiben gestoppt bis der Sieger feststeht.

Ein Wettrennen zwischen Schiffen ist natürlich eine interessante Sache. Das Ganze gleicht ein wenig einem Duell mit Schiffsgeschützen. Die hat ja nun auch nicht jeder. Nur ein bisschen friedlicher ist es. So glaubt man. Dieser Glaube ist aber völlig falsch. Schiffswettbewerbe sind eine harte Sache, weniger wegen des zu erwartenden Gewinnverlustes durch ausbleibende Fahrgäste, mehr eigentlich durch ausbleibende Wettgewinne. Die sind immens, der Verdienst geht aber oft an findige Wettbüros und die Kombattanten gehen leer aus. Diesem kapitalistischen Trend ist natürlich entgegenzuwirken. Unter der Hand, das Geschäft ist schließlich diskret, hatte der Werftinhaber, die Journalisten der Provinzzeitungen lassen wir zur Ehrenrettung dieses Berufsstandes jetzt mal weg, eine gutgehende Wechselstube eingerichtet. Dollar gegen Wettschein. Hier wurde, dem Trend des Geldverdienens entsprechend, die „Adventure“ ganz klein gehandelt. Das hatte natürlich auch seinen guten Grund, denn „die Bank gewinnt immer“. Woraus zu schließen ist, dass Mr. Krasnow sehr wohl klar war, wie der Hase so läuft. Egal, wie es ausgegangen wäre, verloren hätte er nie. Aber wollen wir dem Gewinnstreben erst einmal entsagen und uns wieder der Geschichte widmen.

Die Kanone hatte also geknallt. Die Jungs an den Kesseln hatten alle Ventile geöffnet. Der Jubel am Ufer war planmäßig ausgebrochen. Und die Gäste waren in den diversen Bars entschwunden. Die Jagd hatte also begonnen. So etwas nennt man „Show“, und sie war gut gemacht. Heute bezeichnet man dieses Phänomen, aber das war damals natürlich noch nicht bekannt, als Medienarbeit. Woraus man erkennen kann, „Medien“-Arbeit ist nur dann Medienarbeit, wenn die Medien auch tatsächlich dabei sind. Dafür war aber diesmal gesorgt. Die Jungs hatten genug zu trinken, Damen waren damals noch nicht im Geschäft. Man war also noch „unter sich“. Einer Bewertung darüber werden wir uns jetzt enthalten.

Auf den Schiffen war die Arbeit verteilt. Unten mussten sie Dampf machen und oben mussten sie zusehen wie sie durchkamen. Sehr amerikanisch, ganz nach dem Geschmack der anwesenden Bürger und so richtig spannend. Vorausgesetzt es wurde fein geschildert. Dafür aber hatten ja die Spezialisten die besten Plätze in der ersten Reihe besetzt.

Aber wir haben ja noch gar nicht die Kontrahenten aufgeführt. Dies sollte jetzt natürlich nachgeholt werden:

Eigentlich waren es nur zwei, die anderen konnte man vergessen, aber die Vielzahl macht halt das Geschäft. Verlierer muss es geben, wenn Gewinner ausgeguckt werden. Placebos für Wettinteressierte und Staffage für das Bühnenbild. Da ist nun also, nur die eingeschränkte Aufzählung: Die „Adventure“, aber die kennen wir ja schon. Daneben, unschlagbar, die absolute, die ultimative Vertretung amerikanischer Ingenieurkunst, die „Samos del Rio de la Marca". Die Gesellschaft saß in New Orleans und das Schiff war allein den Spielern gewidmet. Transportiert wurden Chips, Croupiers, Freudenmädchen und Drinks. Angehalten wurde nach Bedarf, der Fahrplan, mehr eigentlich die Gewinnmaximierung, war oberstes Gesetz. Technisch war das Ding Spitze.

Daneben stand noch die „Prince", ein gutes Schiff, schnell, fix, präzise das Team. Zwar nicht mehr so ganz neu, aber technisch eingefahren und ohne Probleme. Die anderen, wie gesagt, sie waren zu vergessen. Placebos eben.

Jetzt wollen wir uns doch mal den Kräften, also den Fachkräften zuwenden, die den Gewinn sichern sollten. Da waren die Kapitäne und die vergessen wir auch gleich wieder. Denn die sollten zwar die Chefs sein, waren aber, in aller Regel versteht sich, nur die Verwaltungsangestellten der Linien. Sie hatten zu repräsentieren und das war's.

Dann waren da Offiziere und Ingenieure, die hatten das Sagen und das Machen. Die hatten auch Ahnung. Und dann, ja dann gab es noch den Lotsen. Das war der Mann an Bord, der überhaupt wusste wohin die Reise ging, und nur er konnte den Kahn weiterbringen. Weil aber auch der mal irgendwann schlafen musste, irgendwann mal an der Bar seinen Drink nehmen wollte, hatte er normalerweise einen Helfer. Lotsenjunge genannt. Auch wenn er schon älter war.

Konzentrieren wir uns nun aber auf ein Schiff allein: Die „Adventure“ natürlich. Welches sonst. Schließlich haben wir ja die ganze Geschichte nur wegen ihr angefangen. Außerdem wäre die Story ja auch einfach zu lang, würden wir uns hier und jetzt verzetteln. Das wollen wir natürlich nicht. Im Interesse des Lesers versteht sich. Das sollten wir an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich sagen, in Ihrem Interesse also.

Die Sandbank lag nur ganz unauffällig im Weg herum. Nur leise kräuselte sich das Wasser darüber. So was muss man sehen können. Auf diesem Wege ereilte das erste Schiff ein kleines Missgeschick, kaum hatten die ersten ihre paar Meter Vorsprung errungen. Gestern war die Sandbank noch ganz anders gewesen. Schade eigentlich. Die „Sagotora“, ein kleines Schiff, brauchte rund dreißig Minuten um wieder frei zu kommen. Das entzerrte das Gesamtbild ein wenig.

Auf der Brücke der „Adventure“ hielten verschiedene Menschen die Köpfe zusammen. Der Ingenieur war da, der Lotse natürlich, ein völlig fremder Mensch, den sie „Mister“ nannten und der Kapitän. Woraus man schließen kann, dass eine ungewöhnliche Besatzung zugegen war. Der „Mister“ war, das stellte sich schnell heraus, ein Mensch, der sich mit dem Fuß, seinen Strömungen und seinem Fließverhalten auskannte und außerdem bisweilen für Zeitungen arbeitete. Zusammen mit dem Lotsen versuchte er genau die „Ideallinie“ zu fahren. So, wie es heute die modernen Rennwagen auf den Pisten versuchen. Leider erwies sich das Vorhaben als schwieriger als erwartet, denn der Lotse musste immer wieder davon abraten bestimmte Kurse zu fahren, weil da nämlich das Wasser zu flach war. Zwar erwies es sich nun als vorteilhaft, dass das Schiff an Gewicht verloren hatte, der Tiefgang war deutlich reduziert, aber den Handbreit Wasser wollte man schon unter dem Kiel haben.

Gefahren wurde noch nicht mit voller Kraft. Noch belauerten sich die Gegner. Misstrauisch wurde jedes Manöver des anderen beobachtet. Die kleinen Geheimnisse und Kniffe hielten die leitenden Ingenieure der Schiffe gerne für sich.

Die Passagiere rechneten mit einer Fahrtdauer von sechs bis sieben Stunden. Aus der Küche kamen nun die erlesensten Speisen, und an den Bars war großes Gedränge. Besonders auf dem freien Oberdeck. Hier ließ sich Vergnügen mit Arbeit verbinden. Sehen, gesehen werden, darüber sprechen und dann noch Gaumenfreuden. Einfach prima. Vorne im Brückenhaus liefen Stoppuhren, wurden Karten gewälzt und Prognosen errechnet. Immer wieder Befehle, durch das Sprachrohr in den Maschinenraum gebrüllt, Geschwindigkeit und Drehzahl der Maschine verändert, und manchmal wurde auch ein bisschen geflucht.

Träge glitt die Landschaft vorbei. Dicht am Ufer sollte gefahren werden, im ruhigeren Teil des Flusses, weiter weg von der starken Strömung. Dann wieder blitzschnell hinüber auf die andere Seite, immer dem kürzesten Weg nach. Hakenschlagen. Belauern. Vorteile erkunden. Eine strategische Angelegenheit.

Ein lauter Schlag auf der „Prince“ machte die Wettfahrt noch spannender. Irgendeine Dampfleitung war explodiert, das Schiff drehte ab zur Fahrbahnmitte, Qualm kam aus dem Maschinenraum, die Ankerkette rasselte herab, das Rennen war für die Mannschaft zu Ende. Vom Ufer kamen Hochrufe. Irgendwer musste da was falsch verstanden haben. Reiter begleiteten die Flotte. Immer wieder sprengte einer davon, um hinter der nächsten Biegung vom Stand der Entwicklung zu berichten. Dafür gab es dann auch Essen und Trinken. Besonders gern wurde das Trinken genommen.

Großzügig überließ die „Adventure“ ihrem starken Gegner den Vortritt. Vorerst wenigstens. Denn sie wartete auf ihre Gelegenheit, und die lag rund sieben Meilen vor dem Ziel. Dort teilte sich der Fluss nämlich damals in zwei Arme. Dazwischen lag eine weite, lange, dichtbewaldete Insel. Hier hatte der Lotse, zwei Tage vorher, eine eingehende Ortsbesichtigung vorgenommen. Beide Arme unterschieden sich nämlich erheblich. Durch den einen kam der Hauptstrom. Untiefen waren nicht zu erwarten, die Geschwindigkeit des Flusses steigerte sich aber erheblich. Der andere Arm war seicht, Sandbänke lagen quer, die Gegenströmung war minimal. Außerdem war die Strecke ein wenig kürzer.

Kreuz und quer war der Lotse mit einem Kahn herumgerudert. Gar mancher Dollar musste investiert werden, um die weiten Wege zu erkaufen, und natürlich auch das Schweigen des Ruderers. Schließlich sollte der tunlichst das Maul halten.

Kurz vor der Gabelung ließ der Lotse auf einmal kräftig feuchtes Holz ins Feuer werfen. Sofort quollen saftige, schmutzig-graue Dampfwolken aus den Schloten. Das war natürlich das Alarmzeichen für die Gegner. Jetzt also sollte der Angriff erfolgen, nun würde die Führungsrolle zu verteidigen sein. Schiffstelegrafen klingelten. Befehle wurden gebrüllt. Die Gäste rannten wie von Sinnen umher, denn irgendwas musste ja los sein. An den Kesseln hektisches Treiben. Holz, immer mehr Holz musste herbei um den Druck zu erhöhen. Längst waren die Zeiger der Manometer im roten Bereich. Gleichgültig, wie hoch die Gefahr wachsen sollte, die Führung musste verteidigt werden. Um jeden Preis.

Und dann war die „Adventure“ irgendwie weg. Verschwunden. Nicht mehr zu sehen. Jedem war natürlich sofort klar: Sie hatte den falschen Weg genommen. Hinein in den flachen Teil des Flusses. Heraus aus der Fahrrinne. Das würde ihr Ende sein. Ein Fehler des Lotsen auf den letzten paar Metern. Verloren. Das „Aus“.

Auf der rechten Brückenrock steht der Lotse, auf der linken der „Mister“. Unten bei der Maschine lässt der Ingenieur bestes Brennholz verfeuern. Die ganze Zeit hatten sie es aufgespart. Auch hier, der Zeiger des Manometers im roten Bereich. Aber das Schiff ist gut gewartet. Am Ruder - ausnahmsweise - der Kapitän selbst. Hinten, unter der Verkleidung des Hecks, peitscht das Schaufelrad das Wasser. Ruckartig nimmt das Schiff Fahrt auf. Kaum Gegenströmung. Leicht ist das Gefährt zu steuern. Gut der Druck auf dem Steuer. Nur wenig Rauch entweicht den Schloten. Schleichfahrt, aber schnell.

Immer wieder Kommandos von den Brückennocks. Kleine Korrekturen nur, wesentliche Veränderungen würden die Geschwindigkeit bremsen. In langen Schlangenlinien umrundet die „Adventure“ die Ausläufer der Sandbänke. Bald nähert sich das Ende der Insel. Vom Gegner ist nichts zu sehen. Zu dicht ist noch der Wald. Plötzlich ein Ruck. Grundberührung. Maschinentelegraf, Sprachrohr. Kurs halten. Am Heck schäumt das Wasser. Noch härter schlagen die Schaufeln. Irgendwas quietscht haarsträubend. Als führe eine gigantische Eisenbahn zu schnell in die Kurve. Dann ein Ruck. Das Schiff ist frei. Fast torkeln die Passagiere, so hoch ist die Beschleunigung. Getränke schwappen aus den Gläsern, da läuft das Schiff um das Ende der Insel, hinein ins Fahrwasser.

Lang und breit haben natürlich die Zeitungen über diesen genialen Trick berichtet. Ausgiebige Überlegungen wogen Risiko und Gewinnaussichten ab. Aber zu diesem Zeitpunkt war es schon egal. Die „Adventure“ hatte gewonnen, der Gegner war weit abgeschlagen. Kämpfte sich aussichtslos durch die Strömung. „Amerika“ hatte gesiegt, so wurde geschrieben, obwohl dies ja eigentlich Quatsch war. Die Gegner waren schließlich auch Amerikaner. Gemeint war natürlich: Amerikanischer Kampfgeist, Mut und Ideenreichtum hatte den Sieg davongetragen, und wenn ein anderer gewonnen hätte, dann wäre es wohl genauso gewesen.

Das Ereignis hatte somit einen krönenden Abschluss gefunden, aber niemand hatte ernsthaft auch was Anderes erwartet. Es wäre für die Story natürlich viel schöner gewesen, wenn Kessel explodiert wären, irgendwer Schiffbruch erlitten hätte oder wenigstens eine kleine Katastrophe irgendeinen ereilt hätte. Kollision, Pistolenschüsse inklusive. Später, also wesentlich später, soll eine amerikanische Filmfirma den Stoff umgesetzt haben. Da soll natürlich explodiert, kollidiert und geschossen worden sein. Manchmal ist es erlaubt die Geschichte ein wenig aufzumotzen. Oder man erlaubt es sich einfach. Nur wegen des Publikums, versteht sich. Aber das kennen wir ja auch heute noch.

Die Rückfahrt gestaltete sich gemütlich. Nun hatte die „Adventure“ ihren Ruf als komfortables Spielerschiff weg, brauchte sich nicht mehr zu beeilen. Nun war das Schiff bekannt, hatte eine gute Reputation. War in den Zeitungen zu finden. Es ging nämlich gar nicht mehr darum von A nach B zu kommen, sondern allein darum sein Geld beim Spiel loszuwerden. Einige, aber nur wenige, sollen auch mal was gewonnen haben. Auch das fördert das Geschäft. Und das ist auch heute noch so.

Die Werft bekam nun Aufträge und wurde mit diesem Polster alsbald für teures Geld verkauft. Lange hat sie sich dann nicht mehr gehalten und ging in den Dornröschenschlaf über, der heute von Rex Mailman bewacht wird. Das Schiff soll irgendwann verschwunden sein. Es ging ebenso von uns, wie es gekommen war. Und der Eigentümer, Herr Krasnow eben, soll in Südfrankreich, an der Küste zum warmen Mittelmeer, einen schönen Lebensabend verlebt haben. Auf irgendeinem Weg war er wohl zu Geld gekommen.

Natürlich wissen wir nicht, ob uns Rex einen Bären aufgebunden hat. Eines bleibt nämlich festzuhalten: Jener sagenhafte Herr Clemens, der diese Informationen weitergegeben hat, hatte sich außer gegenüber Rex Mailmans Vater, nie wieder darüber geäußert. Hätte er doch als Journalist und Buchautor dazu ausreichend Gelegenheit gehabt. Vielleicht aber wollte er nicht zu viele seiner Geheimnisse lüften, schließlich war er ein berühmter Schriftsteller geworden. Woraus man ersehen kann, dass man nicht alles verraten darf, besonders dann nicht, wenn man auf der ganzen Welt bekannt geworden ist und als makelloser Gentleman gilt. Dies wollen wir uns für unsere eigene Zukunft dann doch einfach mal merken.

Schonzeit für Zwerge

Подняться наверх