Читать книгу Was ich noch sagen wollte... - Peter Bock - Страница 6

Оглавление

Berlin am Mittag

13: 00 Uhr! Ihre Annkathrin Millner begrüßt Sie herzlich zu Berlin am Mittag. Heute wieder in vertrauter Runde mit der Grünen Frau Angermann-Möhrungen, dem Liberalen Herrn Dr. Hubertus Burgstaller, rechts von ihm Frau Annegret Gräfin Dönhoff-Allenstein von der AfD. Frau Rosa Breitscheidt vertritt die Linke, dann die SPD mit Herrn Hans Kowalski, Herr Martin Riesen, CDU und schließlich aus dem schönen Bayernland, der Herr Alois Seitenreiter von der CSU.

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, liebe Gäste! Alles dreht sich nur noch um Corona: eine Sondersendung hier, ein Brennpunkt da und noch eine Expertenrunde. Diese Pandemie führt uns allen nachdrücklich vor Augen, wie schnell unser gewohntes Leben auf dem Kopf stehen kann. Wenn dann auch noch Strukturprobleme erschwerend hinzukommen, besteht erst recht Anlass zur Sorge. Werden wir die ständig wachsenden Kosten unseres Gesundheitssystems auch künftig noch schultern können? Müssen wir uns der Ersparnis wegen von medizinischen Teilbereichen verabschieden, die nicht unmittelbar der Lebenserhaltung und Gesundung dienen, wie etwa von der ästhetischen Chirurgie?

Um all dies geht es uns heute an diesem wunderschönen Tag im schönen Berlin. Herr Seitenreiter eröffnet unsere Runde…

Bei uns im schönen Bayern, um Ihr Adjektiv noch einmal aufzugreifen, verehrte Frau Millner, ist das ganz einfach: Ein richtiger Bayer muss aussehen wie ein Isar-Kiesel: rund, fest und hart. Wer nicht weiß, was gemeint ist, dem empfehle ich einen Blick auf die strammen Waden und Schenkel unserer Schuhplattler, da weiß er Bescheid. So ein Plattler ist ein gestandenes Mannsbild, ein fescher Buam. Und dazu die Maderln in ihrem Dirndl, das ist doch ein Augenschmaus! So sieht´s aus! Also, von uns aus - und da sprech´ ich für die gesamte CSU - brauchen wir keine solchen Operationen. Busen größer oder kleiner, Tätowierungen wieder weg oder Fett hier absaugen und anderswo hinspritzen – wer’s mag, aber bitte nicht die Versicherten zahlen lassen. Grundsätzlich soll man der Natur ihren Lauf lassen! Die Garmischer gehen auch nicht hin und hämmern ihren Krottenkopf zurecht, und die Berchtesgadener fummeln nicht an ihrem Watzmann rum.

Danke, Herr Seitenreiter, für Ihre gewohnt klare Ansprache. Frau Angermann-Möhrungen dazu?

Herr Seitenreiter, Ihr Bezug zur Natur ist richtig und wichtig, und da werden Sie die Grünen stets an Ihrer Seite finden. Vielleicht geht es nur mir so, aber ich fühle mich gerade schlimm erinnert an die „Gurkenkrümmungsverordnung“ des Jahres 1988, wonach eine maximale Krümmung von zehn Millimetern auf zehn Zentimeter Gesamtlänge der Frucht für Extraklasse gerade noch akzeptabel war. Diese Verordnung wurde inzwischen aus dem Verkehr gezogen, aber andere gibt es noch. Werden wir eines nicht zu fernen Tages auch Menschen in unterschiedlichen Güteklassen vorfinden? Lassen Eingriffe in die DNA es zu, dass wir unsere Kinder nach einem anzukreuzenden Merkmalskatalog „bestellen“, mit Geld-zurück-Garantie bei Nichtgefallen? Nein, wir wollen keine Designer-Menschen! Bitte keinerlei Eingriff nur mit dem Ziel, sich einer verbreiteten Schönheitsnorm zu unterwerfen! Allerdings, manche leiden unter einer schiefen Nase, finden ein Muttermal im Gesicht oder entstellende Narben unerträglich - wir Grünen respektieren das! Im wohlverstandenen Sinne und in begrenztem Maße soll es daher ästhetische Chirurgie geben, aber nicht exzessiv! Busenvergrößerung als Belohnung fürs bestandene Abitur? Keinesfalls!

Vielen Dank, Frau Angermann-Möhrungen. Frau Breitscheidt…

Frau Angermann-Möhrungen hat einen ganzen Strauß an Fragen aufgeworfen, jedoch die wichtigste war nicht darunter. Wieso dürfen Privatpatienten eine Chefarztbehandlung für sich beanspruchen, die moderne Gerätemedizin vielfältig nutzen, beste Medikamente und Heilmittel genießen und im Einbettzimmer bei umfassender Pflege ihrer Gesundung in Ruhe entgegensehen, während einfache Kassenpatienten nach elementarer Versorgung möglichst bald wieder ihre Arbeitskraft anzubieten haben? Wir brauchen dringend nachhaltige Eingriffe ins System und nicht in menschliches Gewebe, um dieser Diskriminierung ein Ende zu bereiten.

Danke für Ihr Plädoyer in dieser Ihnen wichtigen Grundsatzfrage. Dem wird sich Herr Dr. Burgstaller kaum anschließen, oder?

Natürlich nicht, gnädige Frau. Wie sollte ausgerechnet ich als Vertreter einer freiheitlichen Partei staatlichem Dirigismus das Wort reden? Wir setzen auf die Kräfte des Marktes und sind dabei bislang immer gut gefahren. Natürlich, da ist eine große Portion Populismus im Spiel. Immer wieder die berühmte Brustvergrößerung - als ob es darum allein ginge. Was ist denn mit Narbenkorrekturen, Entfernung von Hauttumoren, Transplantationen und ähnlich gearteten Maßnahmen, die für die betroffenen Menschen von großer Bedeutung sind? Wer sind wir denn, dass wir hier etwas verbieten wollen? Und noch ein Wort zur Schönheit… Sie liegt nicht allein im Auge des Betrachters, sondern scheint eine messbare Größe zu sein. In westlichen Kulturen zählen bei Frauen vor allem eine kleine Nase und ein geringer Abstand zwischen Unterlippe und Kinn, bei Männern sind es stark ausgeprägte Kieferknochen. Gutes Aussehen erhöht nicht nur die Chancen bei der Partnerwahl, auch im Job ist man deutlich im Vorteil: Attraktive Menschen sind seltener arbeitslos und verdienen mehr als unattraktive Konkurrenten. Dieser prosperierende Wirtschaftssektor schafft gut dotierte Jobs und bietet Dienstleistungen an, die nachgefragt werden, nicht zuletzt, weil sie vielen Arbeitnehmern im täglichen Leben Vorteile verschaffen. Was also soll diese Diskussion?

Herr Dr. Burgstaller schlägt einen Bogen von der Schönheit zum Arbeitsmarkt. Warum auch nicht? Herr Kowalski?

Wir sollten zur ursprünglichen Thematik zurückkehren, denn es geht nicht um den Gegensatz von „krank" und „gesund", sondern um „hässlich" gegen „schön", mal sehr schlicht gesprochen. Wir haben es mit zwei unterschiedlichen Kategorien zu tun, die ihre Aktivitäten auf verschiedenen Feldern entfalten. Anders ausgedrückt: Durch privat geführte Schönheitspraxen wird Kranken überhaupt nichts vorenthalten, sondern manchem Gesunden eine zusätzliche Leistung geboten. Ein Verbot solcher Einrichtungen steht bei uns nicht zur Debatte. Warum auch?

Eine eindeutige Positionierung! Vielen Dank, Herr Kowalski. Gleich dazu Herr Riesen.

Herr Kowalski hat mir aus der Seele gesprochen! Bloß nicht gleich wieder nach Verboten rufen und bewährte Bausteine unseres Gesundheitssystems wegbrechen! Die Schließung einer Praxis für ästhetische Chirurgie führt nicht zu mehr Hausärzten im ländlichen Raum oder andernorts zu verkürzten Wartezeiten beim Radiologen. Dankenswerterweise hat Herr Kowalski auf den Sonderstatus dieser Medizinsparte bereits verwiesen, und ich möchte hier gern nachlegen. Ich erspare uns die oft zitierte Busenvergrößerung und nenne zur Abwechslung die recht häufige Nasenkorrektur. Lassen wir einmal angeborene Fehlformen, Verletzungsfolgen oder Funktionsstörungen außen vor und konzentrieren uns auf diejenigen Eingriffe, die aus rein ästhetischen Gründen erfolgen, so müssen wir zunächst unterstreichen, dass hierfür ausschließlich private Mittel fließen. Wenn jemand mit seiner zu großen oder schiefen Nase Schritte unternimmt, dann zahlt er bei uns in Deutschland zwischen 3.000 und 4.700 Euro und für seine angelegten Ohren bis 3.000 Euro aus eigener Tasche! Wir haben es demnach mit einem Wirtschaftssektor zu tun, der bei uns eine nicht unbedeutende Rolle spielt. Warum sollte die Politik hier ohne Not regulierend eingreifen, während wir gleichzeitig den Verkauf von legalen Drogen zulassen, die unsere Ressourcen in erheblich größerem Umfang belasten?

Richtig, lieber Herr Riesen. Frau Gräfin?

Lassen Sie uns doch die Busen, Nasen und Ohren verlassen und zum Kern unserer heutigen Runde zurückkehren, dem Schönheitsideal. Vielleicht müssen wir diesen Ausdruck ein wenig zurechtrücken, denn um „Schönheit", um Makellosigkeit also, geht es den betreffenden Kandidaten überhaupt nicht. Hier wollen Menschen wegen einer wirklichen oder vermeintlichen Andersartigkeit nicht von der Mehrheit zurückgewiesen werden, das ist es! Dieses Empfinden ist nicht krank, wie schon Herr Kowalski betont hat, sondern durchaus „gesund", und dieses gesunde Volksempfinden lässt sich auch nicht durch gesellschaftspolitische Initiativen vorwiegend aus dem linken Spektrum, unterstützt durch die gewohnt tendenziellen Medien, mal eben beiseite wischen. Wir wissen intuitiv, wer zu uns gehört und wer nicht. Ob es nun die kleine Nase ist und der geringe Abstand zwischen Unterlippe und Kinn, das wollen wir hier mal offenlassen, aber Herr Dr. Burgstaller hat jedenfalls nicht dargelegt, dass wulstige Lippen, eine breite Nase und eine fliehende Stirn als besonders attraktiv gewertet werden. Oder anders ausgedrückt: Wer so aussieht, der gehört eben nicht dazu! Wir brauchen keinen „Kiesel-Bayern" und auch keinen blonden, blauäugigen, nordischen Typen als Leitbilder. „Deutsch" genügt, und dafür stehen wir!

Frau Breitscheidt?

Ehe wir hier auf blond, blauäugig, nordisch näher eingehen und möglicherweise bald beim harten Krupp-Stahl, dem zähen Leder und den schnellen Windhunden landen, möchte ich lieber unser aller Augenmerk in die Zukunft richten. Vielleicht kann Corona dazu beitragen, dass wir endlich zur Bürgerversicherung gelangen. Bevor wieder ideologische Gräben aufbrechen, werden wir uns doch wohl einig sein darin, dass wir günstigere Tarife bekommen, wenn alle gemeinsam in den Topf einzahlen.

Herr Seitenreiter kann kaum noch an sich halten…

Das glauben Sie doch selbst nicht, Genossin Breitscheidt! Wo sollen denn die niedrigen Beiträge herkommen, wenn sie die Bemessungsgrenze hochfahren und vor allen Dingen jeden Quatsch aus dem großen Topf bezahlen? Es fällt vielen Bürgerinnen und Bürgern ganz einfach schwer, Monat für Monat erhebliche Beträge abzudrücken in dem Bewusstsein, dass davon Aroma- und Urschreitherapien beglichen werden und gutes Geld rausgeht für Klangschalen und Duftstäbchen. Viele zweifeln zurecht daran, dass man Krebskranke mit Mistelzweigen heilt oder eine Linderung herbeiführt, indem man sie mit Blüten bewirft.

Frau Angermann-Möhrungen ist anderer Meinung?

Wo ist das Problem, Kollege Seitenreiter? Selbstverständlich sollen alle Leistungen, die Menschen anderen Menschen angedeihen lassen und die zu einer Linderung oder Heilung beitragen, auch entgolten werden. Ich kann Ihre polemische Reaktion überhaupt nicht verstehen. Ayurveda oder Akupunktur sind in der indischen und chinesischen Heilkunst seit Jahrtausenden bewährte Verfahren, warum also nicht auch bei uns? Diese „Komplementärmedizin“, wie wir sie nennen, kann durchaus als Ergänzung zur klassischen Schulmedizin gesehen werden. Es spielt keine Rolle, ob eine Katze grau ist oder schwarz, Hauptsache, sie fängt Mäuse.

Gegenrede, Herr Seitenreiter.

Mag alles sein, Frau Angermann-Möhrungen, aber müssen wir wirklich als Versichertengemeinschaft jede Mal- und Musiktherapie mitbezahlen? Gibt es nicht irgendwo eine Grenze? Nehmen Sie allein die Verschreibungen in der Homöopathie: Nach menschlichem Ermessen können die Präparate in einer derart schwachen Dosierung überhaupt nichts bewirken. Das ist so, als ob Sie in Bad Tölz Ihren Zündschlüssel in die Isar werfen und danach in München versuchen, mit einem Glas Flusswasser Ihren BMW zu starten. Das soll mal jeder selbst bezahlen.

Frau Gräfin dazu?

Grundsätzlich richtig, Herr Seitenreiter. Dennoch gäbe es für Naturmedizin rege Nachfrage. Hunderttausende strömen in unser Land, ein Großteil aus Afrika und anderen Räumen, wo man in enger Bindung zur Natur sich die heilende Wirkung vieler Pflanzen und Substanzen zunutze macht. Zumindest in den ersten Jahren sollte man diesem Personenkreis das Gewohnte belassen und sie nicht gleich in ein System übernehmen, das ihnen fremd vorkommen muss, für das sie ohnehin nicht einen Cent eingezahlt haben und dies in absehbarer Zeit auch nicht tun werden.

Ein weiterer Aspekt von Herrn Kowalski?

Lassen wir mal das Finanzielle außen vor, so bleibt auf jeden Fall der Aspekt der Gerechtigkeit! Wir Sozialdemokraten haben im Bildungswesen mit Haupt-, Realschule und Gymnasium die Entsprechungen von Unter-, Mittel- und Oberschicht abgeschafft und für Gleichheit gesorgt, und genau das werden wir nun auch hier in Angriff nehmen.

Frau Gräfin Dönhoff schüttelt missbilligend den Kopf.

Du lieber Himmel, das kann ja heiter werden. Sie haben bei den Schulen ein funktionierendes und bewährtes System zerschlagen und in einzelnen Bundesländern ein Chaos angerichtet. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass die Schülerinnen und Schüler in Bremen, Hamburg, Berlin, Schleswig-Holstein usw. Ihrem Gleichheitsgrundsatz gemäß inzwischen alle gleich blöd sind. Begabte werden nicht gefördert, Lahme, Blinde, Taube und Geistesschwache hemmen den Lernfortschritt, und was die Inklusion noch nicht geschafft hat, bringen jetzt die zahllosen herkunftsvariablen Mitschülerinnen und Mitschüler zu Ende, die kein Wort Deutsch sprechen und ohnehin erst mühsam akkulturiert werden müssen. Wenn ähnlich „überzeugende“ Ergebnisse demnächst auch im Gesundheitswesen auf uns zukommen, dann gute Nacht.

Frau Gräfin, Bildung ist heute nicht unser Thema.

Aber Recht hat sie doch, unsere Gräfin! Immer dieses Gerechtigkeits-Geschwurbel! Wissen Sie, diese ganze Bürgerversicherung ist ein einziger großer Irrtum, und es ist nach wie vor richtig, was unser hochverehrter Herr Ministerpräsident Strauß seinerzeit zu sagen pflegte: Einmal irren ist menschlich, ständig irren ist sozial-demokratisch!

Herr Seitenreiter, bitte! Herr Dr. Burgstaller dazu…

Lassen Sie es mich deutlich sagen: Jede Elementarversorgung wird zu mehr Ungerechtigkeit führen! Während die Schar der Einkommensschwachen zähneknirschend zu akzeptieren hat, was man ihnen da auftischt, kaufen sich Leute mit Geld à la carte weitere Leistungen dazu. Oder etwas zugespitzt formuliert: Das Privat-Sanatorium ist das Internat der Gesundheitsreform.

Unterstützung von Ihnen, Frau Gräfin?

Hundertprozentig, Herr Dr. Burgstaller! Internate und Sanatorien als Stätten der Zuflucht vor einer verfehlten linken Bildungs- und Gesundheitspolitik. Ein bitteres Fazit! Aber müssen wir denn immer nur reaktiv an die Sache herangehen? Wenn ein Deutscher sich krankmeldet, ist das Kind ja längst in den Brunnen gefallen. Warum nicht pro-aktiv vorgehen? Eine gesunde Lebensführung bereits im Kindesalter, sportliche Ertüchtigung bei unseren Jugendlichen, für ein Jahr oder zwei gemeinnützige Aufbauarbeit mit viel körperlicher Betätigung als junge Erwachsene da ist doch so viel möglich!

Ja, meine lieben Gäste hier im Studio, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer daheim, unsere Sendung neigt sich dem Ende zu. Ein solch umfassendes Thema mit derart vielfältigen Facetten lässt sich beim besten Willen nicht in einer Stunde abhandeln. Darauf werden wir zweifellos noch häufiger eingehen. Bis dahin Ihnen gute Gesundheit! Ihre Annkathrin Millner.

Was ich noch sagen wollte...

Подняться наверх