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Die Geisterfrau von der Schweinsbrücke

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Wenn Sie glauben, dass der Brauch liebender Paare, Vorhängeschlösser an Brücken zu befestigen, und den Schlüssel ins Wasser zu werfen, seinen Ursprung in Florenz und Rom sowie in Deutschland auf der Hohenzollernbrücke in Köln hat, dann irren Sie gewaltig! Begonnen hat alles im Frühling anno 1401 in Wismar.

Klaus Lüders war Seemann, wie auch seine Vorväter es waren. Sie fuhren auf dicken Hansekoggen über die Meere und brachten Waren in den gesamten Ostseeraum. Nur eines unterschied sie voneinander. Klaus war Seeräuber. Mit Störtebeker, dem Anführer der wilden Piraten-Meute, verband ihn jedoch nur der Vorname, und er wusste nicht, ob er darauf besonders stolz sein sollte. Es war gar nicht sein Ding, anderen Leuten etwas wegzunehmen, es war leider nur das Einzige, was er zurzeit ausüben konnte. Sein letzter Heuervertrag auf einem Handelsschiff war längst ausgelaufen und einen neuen wollte ihm, in diesen schlechten Zeiten, keiner geben.

An einem warmen Tag im März 1401 saß er nun am Rande der Frischen Grube, genau vor der Seefahrerkirche Sankt Nikolai in Wismar, und ließ die Beine ins Wasser baumeln. Seine Gedanken waren bei Greta, seiner Braut, während er dem geschäftigen Treiben auf der Schweinsbrücke zuschaute. Er liebte Greta so innig, dass er beschloss, mit der Seeräuberei zu brechen. Eine einzige Fahrt wollte er noch mitmachen. Danach würde er Greta als seine Frau heimführen und endlich wieder ein anständiger Kerl werden, der sich vor niemandem verstecken musste. Morgen ging es los und in acht Wochen wäre er zurück.

Um seiner Liebsten die Tage bis zur Hochzeit im Mai nicht lang werden zu lassen, hatte er eine Idee. Von seinem Freund, dem Schmied, ließ er sich ein besonderes Schloss anfertigen. Es war groß wie eine Hand, geformt wie zwei verschlungene Herzen und mit einem glänzenden Schlüssel aus Messing versehen. Am Abend stand er mit Greta auf der Schweinsbrücke und nahm sie ganz fest in den Arm. „Meine Liebste“, sprach er, „die wenigen Wochen, die Du ein letztes Mal auf mich warten musst, sollen Dir schnell vergehen. Schau, dieses herrliche Schloss werden wir gemeinsam an der Brücke befestigen. Wir verschließen es und werfen den Schlüssel dann in die Grube. Nichts und niemand wird uns je wieder trennen können. Unsere Liebe währt ewig und für alle Zeiten. Magst Du das Zeichen unserer Liebe gemeinsam mit mir hier anhängen?“


Greta schluchzte und weinte vor Freude und konnte gar nicht glauben, dass Klaus tatsächlich nur noch ein einziges Mal aufs Meer hinaus wollte. „Weißt Du“, sagte sie, „ich werde jeden Sonntag nach dem Kirchgang mit roter Farbe ein winziges Herz auf unser Schloss malen. Nach acht Herzen bist Du wieder hier. So haben wir etwas, was wir später unseren Kindern zeigen können.“

Das taten sie. Greta fasste sich in Geduld und wartete voller Vorfreude auf die Rückkehr ihres Bräutigams.

Einen Menschen aber gab es in der Stadt, dem missfiel das sehr. Das Schloss verschandelt die Brücke, so wetterte einer der hohen Ratsherren von Wismar in jeder Sitzung. Als er dann gar ein paar kleine, rote Herzen auf dem schmiedeeisernen Schloss entdeckte, reichte es ihm. Kurzerhand befahl er einem der Büttel, es zu entfernen. Damit nahm das Unglück seinen Lauf!

Wenige Tage später kam die Nachricht, dass man Klaus Störtebeker mit etlichen seiner Spießgesellen vor Helgoland gefasst habe. Sie wären alle nach Hamburg gebracht worden, und würden dort sicherlich hingerichtet. Das geschah tatsächlich ein paar Monate später. Greta nahm an jenem Tag einen Strick und erhängte sich an der Schweinsbrücke, genau an der Stelle, an der vormals das Liebesschloss befestigt war.

Jedes Jahr am 20. Oktober, dem Hinrichtungstag von Klaus Störtebeker und Klaus Lüders, sieht man des Nachts eine weibliche Gestalt an der Brücke. Sie jammert und sucht, und hofft unter all den neuen Schlössern eines mit acht kleinen roten Herzen zu finden, damit sie endlich vom Warten erlöst sein würde.

Ob der armen Greta die heutigen Ratsherren gewogen sind?

Sagenhaftes Wismar

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