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Rory McIlroy

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Ball-Artist

und Businessman

Es gibt diese Geschichte vom kleinen, wildgelockten Rory McIlroy, der eines Tages in der St. Patrick’s Primary School im nordirischen Holywood nicht wirklich bei der Sache wirkte und auf diese Unaufmerksamkeit von seiner Lehrerin Miss McCullough angesprochen wurde. Die Antwort des Schülers, der bekanntlich schon als Dreijähriger ziemlich gekonnt Golfbälle passgenau in die Waschmaschine seiner Mutter schlug, klang so: „Keine Angst Miss McCullough, ich werde schon zurechtkommen.“ Jahre später, McIlroy kam inzwischen tatsächlich finanziell gut zurecht und war außerdem ein Superstar des Golfsports, traf er seine alte Lehrerin bei einem Golfturnier wieder. Miss McCullough half bei dem Golfturnier in Nordirland am Platz als Marshall aus, bei dem ihr einstiger Schüler der Zuschauermagnet war. Als McIlroy seinen Ball dorthin schlug, wo die Lehrerin stand, schaute er kurz zu ihr auf, lachte und sagte. „Hallo, Miss McCullough, wie geht’s denn so?“

Der Multimillionär und Superstar ist sich in vielerlei Hinsicht treu geblieben. Seine Frau Erica ist Amerikanerin, längst lebt er in Florida auf Jupiter Island – aber an der Heimat Nordirland, seinen alten Freunden, den bekannten Orten hängt er noch immer.

Für die Menschen in Holywood ist McIlroys Karriere eine fantastische Geschichte: Ein begnadeter kleiner Golfer, für dessen Karriere Eltern Nachtschichten einlegen und doppelte Jobs absolvierten, wird zu einem der größten Verdiener im Golfsport und einem der 50 Topverdiener im Sport des Jahres 2019. Als er in diesem Jahr mit gerade einmal 30 Jahren zum zweiten Mal die Tour Championship in Atlanta gewann und den Jackpot von 15 Millionen Dollar abräumte, war seine Reaktion nüchtern. „Das war bisher eine ganz gute Saison“, sagte er.

Rory McIlroy, so heißt es aus dem Kreis der Kollegen und deren Coaches, habe das Selbstbewusstsein eines Riesen – aber eben auch ein einfach begnadetes Spiel. Er ist eines jener Naturtalente, die mit dem Ball schier nach Belieben zaubern – einer wie Severiano Ballesteros: ein Künstler mit eigenem Kopf. Mentales Training, Ausruhen, Strategieplanung – all das war nie sein Ding. Schon als Kind daheim im Holywood GC war er einfach ein Spieler, der schon als Achtjähriger mit den älteren Jungs auf dem Platz zockte. Als Zehnjähriger fuhr er zur Callaway Junior World Championships und wurde Neunter. Ein Jahr später gewann er das Turnier.

Wer eine glasklare, perfekte Amateurkarriere verfolgen will, muss sich seine ansehen. Er spielte Junior Ryder Cup, gewann 2006 die Europameisterschaften der Amateure, stellte als 16-Jähriger einen Platzrekord mit 61 Schlägen in Royal Portrush auf. Bei der British Open in Carnoustie 2007 war er ein leicht übergewichtiger, wildgelockter Teenager, der beherzt diesen doch so schweren Championship-Platz angriff. Er gewann die Silver Medal für den besten Amateur. Wer, wenn nicht er?

Als er 2007 ins Profilager gewechselt war, begann eine Karriere im Schnelldurchgang, die Experten längst vorausgesehen hatten. McIlroy bekam einen hochdotierten Vertrag beim Sportmanager Chubby Chandler und seiner Firma International Sports Management, Geld war schnell kein Thema mehr. 2009 gewann er sein erstes Turnier, die Dubai Desert Classic. Am 22. November 2009 war er unter den Top Ten der Welt angelangt – mit gerade einmal 20. Ein Jahr später gab er sein Debüt beim Ryder Cup. Wer glaubte, hier trete ein schüchterner Debütant an, täuschte. Für diesen Teamwettbewerb voll der Emotionen war dieser junge Mann wie gemacht. Er avancierte von Beginn seiner Ryder-Cup-Karriere an zu einer Führungsfigur und ist dies bis heute geblieben. Europas Ryder-Cup-Team ohne einen Rory McIlroy scheint im Moment undenkbar, zumal der junge Mann zwischendrin immer wieder mit aufsehenerregenden Extraeinlagen punktet. 2012 beim Ryder Cup im amerikanischen Medinah Country Club verpasste er beinahe seine Startzeit um 11.25 Uhr in den alles entscheidenden Einzeln. Er hatte eine Stunde Zeitverschiebung übersehen, morgens am Sonntag in Ruhe ein wenig Fernsehen geschaut, bevor die Organisatorin des Shuttle-Dienstes im Spielerhotel bemerkte, dass McIlroy nicht wie beabsichtigt schon Richtung Platz unterwegs war. Um elf Uhr klingelte man ihn aus seinem Zimmer, er bekam einen Platz in einem Polizeiauto, das ihn mit Sirene und Blaulicht zum Golfplatz fuhr. „Ich glaube nicht, dass ich mir jemals hätte verzeihen können, wenn ich mein Team und meinen Kapitän hier hätte hängen lassen“, meinte er später in der Pressekonferenz. „Ich war so froh, dass ich noch zehn Minuten vorher da war; ich holte den Punkt für mein Team und am Ende haben wir gewonnen. Ich bin ja sowieso keiner, der zu früh zum Platz kommt. Eine halbe Stunde reicht mir, dann bin ich fertig. Ich mache mein Ding und spiele los.“

Seine spätere Frau Erica lernte er übrigens bei dieser Gelegenheit kennen – wobei der Medienstar McIlroy zu diesem Zeitpunkt noch in einer Beziehung mit der Ex-Tennisweltranglistenersten Caroline Wozniacki lebte, der er allerdings 2014 bei einer Pressekonferenz im Rahmen der BMW PGA Championship im britischen Wentworth den Laufpass gab. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits 300 Hochzeitseinladungen für die dreitägige Feier im Rockefeller Center in New York verschickt, der Verlobungsring hatte McIlroy 150.000 Euro gekostet. „Das Problem liegt bei mir. Die Hochzeitseinladungen haben mir klargemacht, dass ich nicht bereit bin, für all das, was eine Ehe erfordert“, erklärte McIlroy vor laufenden Kameras. Er löste die Verlobung auf, ging raus auf den Platz und gewann das Turnier. Die Schlagzeilen in den Tageszeitungen waren ihm sicher.

Anders als Tiger Woods hat Rory McIlroy nie versucht, sich gänzlich der Öffentlichkeit zu entziehen. Im Gegenteil: Mit Kontroversen hat er kein Problem, schon deshalb genießt er einen festen Platz in den Medien. Politische Fragen zum Status Nordirlands diskutierte er in der Vergangenheit immer wieder, kritische Kommentare zu den Regularien und Abläufen der Profi-Touren gibt er häufig ab. Nein, Rory McIlroy ist keiner, der sich mit seiner Meinung versteckt. Unsympathisch wirkt er dabei nicht, weil die Öffentlichkeit den Eindruck hat, dass sich hier ein Mann treu bleibt.

Rein wirtschaftlich betrachtet, ist der Nordire längst eine eigene feste Größe im Golfgeschäft. Mit GolfPass, einem digitalen Abonnementdienst, brachte McIlroy Anfang des Jahre 2019 zusammen mit dem US-Sender NBC ein Produkt auf den Markt, über das er seine eigene Vermarktung steuert. Wer für 9,99 Dollar Mitglied wurde, bekam Unterrichtsmaterial von McIlroy und seinen Coaches, Interviews, Schwungsequenzen, empfohlene Produkte. Anderen Plattformen, egal ob im Fernseh-, Online- oder Print-Bereich, entzieht sich McIlroy zunehmend.

Und auch sein Management übernimmt er selbst. Die Firma Rory McIlroy Management Services Ltd mit Sitz in Dublin kümmerte sich schon um die Geschäfte des Golfstars, als dieser gerade erst Anfang 20 war. Sein Vater Gerry fungiert als Direktor. Fremdbestimmung durch eine externe Managementfirma schätzt McIlroy nicht.

Daher gilt auch auf den internationalen Golftouren: Rory McIlroy tritt auf, wann und wo er will, den nächsten Majortitel fest im Blick. Am Ende nämlich ist es immer noch der kleine weiße Ball, das Golfspiel, das ihn bewegt. Einer der prägendsten Momente bei allen seinen Erfolgen wohl der Finaltag des US Masters 2011. Die Bühne schien bereit für seinen ersten Majortriumph, als er in die Schlussrunde mit vier Schlägen Vorsprung startete. Auf eine dreitägige Präsentation voll von Brillanz folgte das Desaster am zehnten Loch, nachdem die Führung ohnehin auf einen Schlag dahingeschmolzen war. Nach einem ausgeprägten Hook links in die Bäume blieb nur noch ein Rettungsschlag zurück aufs Fairway. Er verpasste das Grün, spielte ein Triple-Bogey mit sieben Schlägen und verließ das Loch wie erstarrt. Die verbleibenden acht Löcher schien der Ire unter seiner tiefgezogenen Kappe zu verschwinden. Ein Bogey an Bahn elf, danach ein Vierputt zum Double-Bogey an Loch elf: Mit dem Gewinn des Grünen Jacketts für den Masters-Sieger hatte er da längst nichts mehr zu tun. „Wenn ich das nächste Mal in so einer Position bin, werde ich sie hoffentlich besser bewältigen“, meinte er im Anschluss.

Lange warten musste er nicht: Zwei Monate später gewann er die U.S. Open im Congressional Country Club mit acht Schlägen Vorsprung, im August 2012 legte er mit dem Titel des PGA Champions nach. 2014 holte er noch einmal den Titel bei der PGA Championship und dazu den bei der British Open. Er wurde Weltranglistenerster, Player of the Year, gewann das Race to Dubai. Gleichzeitig kämpfte er aber auch immer wieder mit Putt-Problemen, dem einen oder anderen Versagen bei Turnieren. Nein, ein Perfektionist, der konsequent an einer Spielstrategie festhält, ist er eben nie gewesen. Dafür ein Ball-Artist, emotional und begnadet, intuitiv und wahrscheinlich deshalb auch sympathisch.

Entstanden ist auf diese Weise über die Jahre hinweg nicht nur das Bild von einem extrem erfolgreichen Sportler, sondern vor allem von einer Person des öffentlichen Lebens. Wer am Flughafen Belfast das Terminal betritt, geht durch eine Fotogalerie der bekanntesten irischen Personen. Das Bild von Rory McIlroy kommt gleich zu Beginn. Er ist immer noch sommersprossig, aber die wilden Locken sind zurechtgestutzt. Fest steht: Er kommt ganz gut zurecht, als Sportler und als Geschäftsmann.

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