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Einfach mal drauf los malen

Wir malen einfach mal drauf los!

Ihr könnt euch das sicherlich vorstellen. Wir stehen vor der Leinwand, die wir uns extra für eine Malsession besorgt haben. Wir haben all unsere Malutensilien aufgebaut: Farben, Pinsel, Stifte, Spachtel, Schwämme, Lappen, Papiere, Klebstoff. Alles ist bereit. Nun kann es losgehen. Wir malen einfach mal drauf los.

Einfach drauf los malen – das fühlt sich nämlich so toll an. Vielleicht ahnt ihr was ich mir jetzt vorstelle. Ich erinnere mich an dieses Gefühl, das ich früher als Kind verspürte. Als Kinder vertieften wir uns völlig in unser Spiel und keiner sollte uns dabei unterbrechen. Wir haben Regeln erfunden, die wir im nächsten Moment wieder verwarfen. Wir trafen neue Verabredungen, und wir waren ganz bei der Sache. Jeder weiß noch, der mütterliche Befehl, pünktlich Zuhause zu sein, war meist nur unter großen Schwierigkeiten zu befolgen. Für unsere Mütter war das damals schlimm, aber für uns war das Spiel so immens wichtig, deshalb vergaßen wir alles andere.

Freiheit ist kreativ und leidenschaftlich zu malen

Und genauso, dieses Gefühl von Freiheit, sich locker und beschwingt zu fühlen, sich voller Kraft und Elan zu spüren, genau so wollen wir einfach mal drauf los malen.

Und nun geht es los!

Wir stehen vor der Leinwand und was passiert jetzt? Welche Farbe soll ich denn eigentlich nehmen? Vielleicht fragt ihr euch, was sollen wir eigentlich malen? Und nun fällt uns auch nicht mehr ein, was wir malen könnten. Jetzt schnappt die Falle zu.

Frei? Was ist daran noch freies Malen?

Das ist der Moment, an dem ich ärgerlich werde, ich werde sogar richtig aggressiv. Doch wohin mit diesen aufkommenden Gefühlsausbrüchen? Der Gedanke „Na und! Ich muss das gar nicht tun!“ macht sich trotzig in mir breit.

Ich bin entmutigt – immer noch habe ich nichts zu Stande gebracht. Das scheint meinen Urzweifel „Ich kann gar nicht malen“ zu einer Tatsache werden zu lassen. Das schmerzt und es steigt die alte Angst in mir auf, dass ich ein totaler Looser bin. Ich habe aber gelernt, dass nur der ein Versager ist, der aufgibt. Die Folge könnte ein lebenslanges Versagen sein – mein Alptraum! Das löst Panik aus. Nein, das lasse ich nicht zu!

Erwartungen und Zwänge behindern Kreativität

Ich grübele weiter. Welche Farbe soll es sein? Was soll ich jetzt malen? Soll ich mir doch eine Vorlage suchen? Wäre das denn noch freies Malen? Dieses herrliche Kindergefühl wollte ich wieder spüren, und jetzt? Jetzt frage ich mich, ob ich überhaupt malen sollte. Ja, vielleicht kann ich auch gar nicht malen. Ach, eigentlich fühle ich mich müde – ja, es gibt doch Wichtigeres zu tun, oder? Ich bin jetzt völlig verwirrt in meinem Kopf.


Und da fällt mir ein, wie ich früher mit meinem Vater einen Kunstkalender angesehen habe. Ihr kennt vielleicht diese Kunstkalender, die unsere Eltern gerne sammelten, um sie durchzublättern und die alten Meisterwerke zu betrachten. Mein Vater zeigte mir diese alten Gemälde und ich war als Kind - zu jenem Zeitpunkt war ich ungefähr acht Jahre alt - völlig begeistert und rief euphorisch: Oh ja, das will ich auch! Mein Vater guckte mich daraufhin ernst an, und sagte in nachdenklichem und sehr gewichtigem Tonfall: Ja, da musst du viel, sehr viel üben, wenn du auf diese Art malen willst. Und du musst viel Unterricht haben, denn du musst ganz viel lernen. Du musst dir viele Kenntnisse über Materialien, Techniken und z.B. Komposition aneignen. Und wenn du das alles gelernt hast, also viel, viel später, dann wird es sich herauskristallisieren, ob du Talent hast. Denn du kannst nur Künstler werden, wenn du Talent hast. Tja, und da wusste ich schon als Kind, dass dies eine Herausforderung ist, der ich in keiner Weise gewachsen war. Das würde bedeuten, dass ich erst nach jahrelangem Studium erfahre, ob ich eine talentierte Künstlerin werden könnte, oder ob alle Anstrengungen für die Katz wären. Schon als Kind erschien mir dies ein zu hohes Risiko, das ich nicht eingehen konnte.

Und heute – heute will ich frei malen?

Jetzt sehe ich, als damals meine Mutter meine Kindheitsgemälde ansah und fragte: Was soll das denn bloß sein, was du da malst? Da kann man ja gar nichts erkennen. Auch erinnere ich mich daran, wie eine Freundin sagte, findest du das schön, was du da immer malst? Und jemand anderes sagte dann noch dazu, ja aber die Farben, die du ständig benutzt, die sind ja so grell.

Ich will frei malen – und würde das überhaupt in meinem Wohnzimmer gut aussehen? Das Bild sollte doch zumindest an der Wand gut aussehen. Es sollte doch zu mindestens erkennbar sein, was ich male.

Ich will frei malen – wie kann ich das anstellen? Ehrlich gesagt, ich bin jetzt völlig entmutigt. Wir kennen doch alle diese Situation, wo wir vor unserer Leinwand stehen und feststellen, ich muss erst einmal einen Plan entwerfen, und den werde ich dann abarbeiten. Das ist auf keinen Fall freies Malen!

Innere Kritiker haben Pause!

Wie kann ich dann noch frei malen? All diese Stimmen, die da in uns auftauchen oder die von außen an uns geschleudert werden, die uns be- und verurteilen, lähmen uns. Wir trauen uns gar nicht mehr, nur eine dieser Stimmen, eine dieser Fragen und Regeln zu ignorieren. Wir müssen uns mutig fragen, ob die Meinung anderer wirklich bestimmen darf, oder ob z.B. unsere Vergangenheit wirklich die Spielregeln festlegen sollte. Heute im Erwachsenenalter liegt es in unserer Verantwortung zu entscheiden, ob und wie wir uns malerisch ausleben möchten.

Trotz alledem, einfach drauf los zu malen ist jederzeit möglich!

Jetzt bin ich dran! Das ist meine Zeit!

Der erste Schritt ist, wir müssen diese inneren Stimmen wahrnehmen. Wir müssen während unseres Malens wahrnehmen, was alles an Gedanken und Kritiken auftaucht. Fragt euch, was gerade für ein Bedenkenträger die Oberhand in euch hat. Fragt euch, warum ihr dieser Stimme eure Aufmerksamkeit gebt. Wenn wir diese inneren Stimmen zur Kenntnis genommen haben, dann können wir sie im zweiten Schritt liebevoll zur Seite stellen. Wir tun dies liebevoll, denn viele dieser inneren Stimmen sind ein Teil von uns und leisten uns im Alltag hilfreiche Dienste. Doch jetzt sagen wir ganz bewusst: Halt, stopp – ich möchte einfach nur eine schöne Zeit beim Malen haben. Ihr habt Pause! Ihr dürft später wieder mitmachen, aber jetzt bin ich einfach nur mal da und male. Das bedeutet, alle diese Kritiker in uns dürfen jetzt auf die Couch und sich erholen. Diese Stimmen sind ja ständig bei der Arbeit. Deshalb gilt: Ihr habt jetzt Erholungspause – ich bin jetzt dran! Mein anderer Anteil in mir möchte jetzt einfach unbeschwert malen und in der Farbe sein, bei dem Strich sein, die Form genießen und alles andere kann jetzt zur Ruhe kommen.

Das alles sagt sich sehr einfach, das weiß ich sehr wohl, aber das kann man üben. Jawohl, den inneren Kritiker in die Pause schicken, das kann man in der Tat üben. Bei jeder Übung fällt es euch ein ganz bisschen leichter. Nach einer Weile ist das schließlich so, als ob man einen Hebel umlegt.

Ich möchte euch dazu ermutigen, dies zu üben. Lasst Familie, Nachbarn und Freunde draußen, ignoriert ihre Kommentare. Geht an eure Staffelei und malt ohne Ziel, ohne Ergebnis. Überrascht euch damit selbst! Es muss gar nichts bedeuten, es darf nach gar nichts aussehen, es soll einfach das Malen im Moment sein. Fühlt wie der Pinsel, wie der Stift gleitet – mehr nicht, aber eben auch nicht weniger.

Mein Tipp:

Wähle spontan, das heißt aus dem jetzigen Moment heraus, zwei bis drei Farben aus, die im Kontrast zueinander stehen, z.B. hoher Hell-Dunkel-Kontrast. Trage diese Farben im Wechsel einmal dick, einmal dünn auf – bis die Malunterlage mit Farbe bedeckt ist. Versuche dabei den Pinsel ständig in Bewegung zu haben.



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