Читать книгу Einführung in die Tierethik - Philipp Bode - Страница 8
ОглавлениеWas möchte dieses Buch erreichen? Es möchte eine systematische Einführung in die Tierethik geben. Das Gewicht liegt auf dem Wort Einführung. Das Buch ist gedacht für alle, die mit tierethischen Argumentationen bisher nicht oder nur sehr oberflächlich in Berührung gekommen sind und eine Orientierung wünschen, worum es hier eigentlich geht. Diesen Anspruch zu erfüllen, ist deswegen nicht ganz einfach, weil die moderne Tierethik eine Vielzahl wichtiger und zum Teil sehr ausdifferenzierter Argumente hervorgebracht hat, die sich unmöglich noch im Rahmen einer solchen Einführung bändigen und bündeln lassen.
Die Tierethik teilt sich traditionell in zwei thematische Kernbereiche: (1) in theoretische Fragen nach moralischem Status, moralischen Rechten, Würde und Geist von Tieren, also Fragen danach, ob und, wenn ja, in wie weit wir es überhaupt mit moralisch relevanten Wesen zu tun haben, und (2) in anwendungsorientierte Fragen, was traditionell Tiere zu Nahrungszwecken sowie Tiere zu Wissenschaft- und Ausbildungszwecken betrifft, also Fragen danach, was wir mit Tieren tun und wie wir sie zu unseren Zwecken gebrauchen dürfen. Ein begrüßenswerter Trend ist dahingehend zu vernehmen, dass immer häufiger auch Tiere zu Unterhaltungszwecken ethisches wie öffentliches Thema werden, man denke an Zoos, Zirkusse, Wettkämpfe und, was selten beachtet wird, auch an Haustiere.
Es ist vermutlich offenkundig, dass der zweite Bereich, die anwendungsorientierten Fragen, den ersten zur Voraussetzung hat. Eine solche Einführung muss also über weite Strecken theoretisch sein, da sie eine Einführung in die Tierethik ist, die Ethik eine philosophische Disziplin ist und philosophische Disziplinen der Sache nach zunächst theoretisch sind. Argumente müssen entwickelt und begründet werden. Und hinter manchen Begründungen stehen ganze philosophische Traditionen. Das ist ein theoretischer Vorgang, der manchmal fraglos anstrengend ist. Doch ist dies ein Vorzug: Es zeigt wie ernst viele Tierethiker*innen ihre Sache nehmen und wie viel Mühe sie sich mit der Begründung ihrer Argumente geben. Das gilt es zu würdigen.
Die vorliegende Einführung versteht sich als systematisch oder, um diesen etwas unattraktiven Begriff nochmal zu gebrauchen: theoretisch. Sie möchte einen Überblick über die Moraltheorien geben, die sich in den vergangenen 50 Jahren der Tierethik angenommen haben. Diese Moraltheorien stehen vor allen anwendungsorientierten Fragen. Wenn wir zu den dringlichen Problemen unseres Umgangs mit Tieren fundiert Stellung beziehen wollen, und das sollten wir fraglos tun, dann müssen wir unsere Position begründen können. Begründen können wir sie aber nur, wenn uns eine Basis für diese Begründung zur Verfügung steht, eine theoretische und begriffliche Basis, damit unsere Argumente widerspruchsfrei und stabil werden. Hierfür eine Anleitung an die Hand zu geben, ist das Anliegen dieser Einführung.
Die Tierethik hat sich in den letzten Jahren im akademischen Betrieb etablieren können (vgl. Ferrati/Petrus 2015; Böhnert/Köchy/Wunsch 2016–2017; Grimm/Wild 2016). Gegenwärtig drängen nahezu im Wochentakt neue Arbeiten zu den verschiedensten tierethischen Fragestellungen auf den Markt. Hier einen Überblick zu behalten, ist kaum noch möglich.1 Daher verstehe ich dieses Buch als Vorschlag für ein grundsätzliches Raster tierethischer Positionen. Dieses Raster ist notwendig vorläufig, wiewohl ich glaube, dass es die Basis tierethischer Debatten gut darzustellen vermag. Zweifellos werden neue, originäre Positionen entwickelt werden, die eine Reformulierung dieses Rasters früher oder später erforderlich machen, doch für den Moment mag es als Orientierung dienen.
Das (zu begrüßende) Überangebot an tierethischen Beiträgen zwingt mich zu einer Begrenzung der hier vorzustellenden Argumentationen. Wiewohl meine Auswahl natürlich subjektiv bleibt, scheinen mir die vorgestellten Autor*innen eine sinnvolle Mixtur aus ‚klassischen‘ tierethischen Texten und solchen neueren Datums zu sein. Kenner der Materie werden trotzdem manche Autorin oder manchen Autor vermissen. Das lässt sich nicht vermeiden. Insofern bleibt die folgende Übersicht meine Auswahl, obgleich mir die Häufigkeit der Zitationen und manches Mal auch die Originalität der Argumente die Auswahl zu rechtfertigen scheint.
Ebenso fallen die Darstellungen unterschiedlich umfangreich aus. Manche Argumentationsstrategien benötigen eine ausführlichere Darstellung als andere, manche sind komplexer als andere, manche lassen sich auch nur einfach besser zusammenfassen. Hier spiegelt sich also keine eigene Bewertung dieser Positionen wieder.
Ich möchte in einem ersten Schritt aufzeigen, wie wir die Tierethik grundsätzlich strukturieren können. Anschließend gebe ich einen groben Überblick über die philosophischen Begriffe, die uns durch das Buch hindurch begleiten werden. Alsdann erfolgt der eigentliche Akt, die Darstellung der sich im Raster befindlichen Argumentationsstrategien. Ich habe mir dabei gestattet, jede dieser Strategien, die zugleich auch als allgemeine ethische Einführung in die jeweilige Moraltheorie gelesen werden können, an einen bestimmten Namen zu knüpfen. Damit ist nicht ausgesagt, dass nur diese Autorinnen oder diese Autoren eine solche Position vertreten. Ich versuche auf möglichst viele weitere zu verweisen, derer sich Leser*innen dann im Selbststudium annehmen können.
Was ich in diesem Buch nicht behandeln werde, sind historische und kulturelle Exkurse sowie theologische Positionen. Ebenfalls unerwähnt lasse ich naturalistische Argumente in der Tierethik, also Argumente, die unseren Tiergebrauch mit Verweis auf menschliche Kulturleistungen, ‚die Evolution‘, ‚Arterhaltung‘, ‚Nahrungsketten‘ oder das Verhalten von Tieren untereinander zu rechtfertigen versuchen. Diese Argumente laufen allesamt ins Leere und finden daher keine Berücksichtigung (vgl. Bode 2017).
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1Einen sehr hilfreichen Versuch stellen allerdings die Buchbesprechungen der Zeitschrift TIERethik dar: www.tierethik.net (Zugriff: 17. 07. 2017). Ebenfalls empfehlenswert ist folgende Übersicht über tierethische Publikationen: http://www.tier-im-fokus.ch/info-material/literatur_und_links/tierrechte#zwischentitel_a06 (Zugriff: 17. 07. 2017).