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Erster Teil: Als analog

„Welcome to my life“

Sobotka (Born in the NSA)

I. Der Herr Kwant

THEO

Guck. Das ist er.

Da sind Anna und Theo Glass. Und da ist der Herr Kwant. Der Herr Kwant hat ein paar Dinge dabei. Ein Klemmbrett mit Stift (an einer Schnur). Eine Sofortbildkamera. Ein paar Aktenordner. Ein Stapel Zettel und ein paar Landkarten. Außerdem unbedingt eine Lupe. Der Herr Kwant ist gerade dabei sich einzurichten.

THEO

Und? Was sagst du?

ANNA

Joa.

THEO

Joa?

ANNA

Habe ihn mir jünger vorgestellt.

THEO

Jünger …

ANNA

Hat er auch einen Namen?

THEO

Hat er. (grinst)

ANNA

Und der wäre? Wieso grinst du so?

THEO

Josef K. Steht auf seinem Namensschild. Verstehste? Wie bei Kafka. Aber das K. steht für Kwant. Herr Kwant.

ANNA

Herr Kwant. Dann siezt du ihn?

THEO

Ach so. Weiß nicht.

ANNA

Siezt er dich?

THEO

Keine Ahnung. Das kann ich wahrscheinlich selber festlegen.

ANNA

Und was macht er da?

THEO

Ich … Er … Er schraubt was zusammen.

ANNA

Das sehe ich auch.

THEO

Mensch, Anna.

ANNA

Du hast ihn angeschleppt.

THEO

Das ist total aufregend, oder? Findest du es nicht total aufregend? Also ich finde es total aufregend.

ANNA

Das wird ein Stuhl.

THEO

Bitte?

ANNA

Was er da zusammenbaut. Das ist ein Stuhl. Wieso einen Stuhl?

THEO

Stimmt.

ANNA

Wir haben Stühle.

THEO

Klar haben wir Stühle.

THEO

Dann ist es vielleicht gar kein Stuhl.

ANNA

Natürlich ist das ein Stuhl. Das ist so einer mit einem Ablagebrett als Lehne.

THEO

Jetzt, wo du es sagst.

ANNA

So einen haben wir natürlich nicht.

THEO

Deshalb.

ANNA

Deshalb was?

THEO

Deshalb bringt er seinen eigenen Stuhl mit. Und schraubt ihn hier zusammen. Ist das nicht irre?

ANNA

Hättest du ihm doch besorgen können.

THEO

Wenn er ihn selber mitbringt.

ANNA

Und was macht er jetzt?

THEO

Ich glaube … er setzt sich.

ANNA

Ja. Er setzt sich. Auf seinen Stuhl.

THEO

Auf seinen Stuhl. Wahnsinn.

Der Herr Kwant sitzt auf seinem Stuhl. Theo und Anna gucken ihn an. Der Herr Kwant lächelt. Theo und Anna lächeln zurück. Der Herr Kwant nimmt einige Papiere aus seiner Aktentasche …

THEO

Achtung! Er kommt.

… und kommt zu Theo und Anna.

HERR KWANT

So. Herr Theo Glass?

Theo nickt.

THEO

Hier. Das ist Anna.

HERR KWANT

Guten Tag, Anna. Herr Glass, nachdem ich mich jetzt bei Ihnen installiert habe, sind hier noch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, kurz AGB, für Sie. (Er gibt Theo ein paar Papiere.) Wenn Sie die bitte gründlich durchlesen und dann qua Unterschrift zustimmen würden.

THEO

Okay. (liest) „Vielen Dank, dass Sie sich für unsere Dienste entschlossen haben. Die Nutzung der Dienste setzt voraus, dass Sie den Nutzungsbedingungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zustimmen. Bitte lesen Sie diese sorgfältig durch.“

Mache ich ja gerade. (lacht)

(liest) „Wir bieten eine Vielzahl von verschiedenen Diensten an. Aus diesem Grund gelten unter Umständen zusätzliche Bedingungen oder Voraussetzungen (z.B. ein Mindestalter).“ Ach. (liest) „Solche zusätzlichen Bedingungen werden im Zusammenhang mit den entsprechenden Diensten zur Verfügung gestellt und werden Teil Ihres Nutzungsverhältnisses mit uns, sobald Sie diese Dienste nutzen.“ Das habe ich jetzt nicht ganz verstanden.

Anna nimmt ihm die Papiere aus der Hand.

ANNA

Das ist aber sehr klein geschrieben. Wenn Sie mir mal Ihre Lupe …

Theo nimmt Anna die Papiere aus der Hand.

THEO

Oder können Sie es uns nicht vorlesen?

HERR KWANT

Ich kann Ihnen erst vorlesen, wenn Sie den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zugestimmt haben, deshalb kann ich Ihnen gerade diese nicht vorlesen. Noch nicht.

THEO

Ach so … (flüstert) Und wenn wir einfach? (Er unterschreibt mit dem Finger in der Luft.)

HERR KWANT

Ehrlich gesagt machen das die meisten so.

THEO

Oder?

ANNA

Ich lese das bestimmt nicht durch.

Theo unterschreibt. Dann gibt er die Papiere Herrn Kwant zurück. Herr Kwant steckt die Papiere in seine Aktentasche.

HERR KWANT

Ich darf Sie zu Ihrer Entscheidung beglückwünschen. Ab jetzt bin ich jederzeit für Sie da. (Herr Kwant dreht sich um, geht zu seinem Stuhl und setzt sich. Mit Stift und Klemmbrett sieht er die beiden an.)

THEO

Das ist doch irre. Findest du das denn nicht irre? Jetzt hockt da der Typ und … hockt da. Ich schmeiß mich weg.

ANNA

Und was macht er jetzt?

THEO

Was macht er jetzt? Na alles, was wir wollen. Herr Kwant … Uhrzeit, jetzt!

Herr Kwant schaut auf seine Uhr.

HERR KWANT

Es ist jetzt 17 Uhr und 21 Minuten.

Theo schaut auf seine Uhr.

THEO

Stimmt. Siehste.

ANNA

Eine sprechende Uhr. Toll.

THEO

Anna. Herr Kwant … Wetter, morgen?

Herr Kwant holt einen Zettel aus seinen Unterlagen.

HERR KWANT

Am Morgen lockere Bewölkung bei Temperaturen von 18°C. Im weiteren Tagesverlauf sind Teile des Himmels mit Wolken bedeckt, die Sonne ist zwischendurch sichtbar bei Höchsttemperaturen bis zu 26°C. Am Abend kann es vereinzelt zu Regen kommen bei Temperaturen von 20 bis 24°C. In der Nacht bilden sich vereinzelt Wolken bei Tiefsttemperaturen von 18°C. Der Wind weht aus östlicher Richtung mit Geschwindigkeiten von 8 bis 15 km/h. Böen können Geschwindigkeiten zwischen 19 und 42 km/h erreichen.

THEO

Guck mal, Anna, das ist doch Wahnsinn!

ANNA

Jedenfalls ist es recht ausführlich.

THEO

Toll, oder? Und jetzt pass mal auf. Herr Kwant.

HERR KWANT

Ja?

THEO

Heute. Vor hundert Jahren. Also, was war da?

Herr Kwant öffnet einen Ordner, blättert.

HERR KWANT

Heute vor hundert Jahren wurde der dänische Maler, Komponist und Physiker Ragen Jödesund in der französischen Stadt Reims geboren … Das indische Kindermädchen Anik Singh Devi erfindet in British Columbia zufällig das Mobile … Auf einer Hacienda in Venezuela wird der Guerilla-Kämpfer Zapato de Nuestra Pie durch einen Speer ermordet und das letzte lebende Exemplar der Wandertaube stirbt im Genfer Zoo.

THEO

Ha! (klatscht) Bravo! Herr Kwant! Bravo!

ANNA

Er ist wirklich gut organisiert.

THEO

Aber jetzt kommt das Beste. Willst du einen Kaffee?

ANNA

Eigentlich/

THEO

Pass mal auf: Äh … Herr Kwant. Kaffee. Jetzt. Ich. Cappuccino. Anna. Latte.

HERR KWANT

Sie meinen Latte Macchiato?

ANNA

Ja. Gerne.

HERR KWANT

Sie entschuldigen die Nachfrage. Am Anfang müssen wir uns noch aneinander gewöhnen. Jede Stimme und Sprechweise hat ihre ganz eigenen charakteristischen Nuancen, die ich erst begreifen muss. Das legt sich nach ein paar Tagen.

THEO

Kein Problem, Herr Kwant.

HERR KWANT

Es wäre zudem hilfreich, wenn Sie ganz normal mit mir reden.

THEO

Wie? Sie meinen? … Okay, wie Sie meinen.

(Herr Kwant macht Kaffee.)

Das ist so irre! Jetzt macht der uns Kaffee.

ANNA

Wie will der überhaupt Milch schäumen?

THEO

Keine Ahnung.

ANNA

Theo, sag mal, können wir uns den überhaupt leisten? Ich meine, das ist ja praktisch ein Dienst… dings, ein Diener.

THEO

Anna! Das ist es ja. Der ist umsonst.

ANNA

Was?

THEO

Ja! Der macht das umsonst!

ANNA

Der macht das umsonst?

THEO

Ja. Es ist fantastisch.

ANNA

Wieso sollte er das tun?

THEO

Keine Ahnung.

ANNA

Niemand macht irgendwas umsonst.

THEO

Doch …

Der Herr Kwant guckt.

THEO

Äh … Haben Sie alles gefunden?

HERR KWANT

Darf ich, während der Kaffee kocht, eine Empfehlung aussprechen?

THEO

Ja. Klar, oder?

ANNA

Wenn du meinst.

Herr Kwant holt zwei Produktbeschreibungen hervor.

HERR KWANT

Derzeit kochen Sie Ihren Kaffee in einer sogenannten Macchinetta Napoletana.

THEO

Na, dieses Schraubdings halt.

HERR KWANT

Macchinetta Napoletana. Für einen noch originaleren Kaffeegenuss italienischer Art, würde ich Ihnen eine Siebträgermaschine empfehlen. Entweder einkreisig oder zweikreisig. Das heißt mit separatem Milchschaumerhitzersystem. Gerade wenn Sie viel Cappuccino und Latte Macchiato trinken, eine echte Hilfe. Es gibt da zum Beispiel das Modell von Il Buono für 1283 Euro oder einkreisig von Il Duce für 812 Euro inklusive Versand. Beide Maschinen haben hervorragende Kundenbewertungen. (Herr Kwant gibt Theo einen Prospekt.)

Ich hole den Kaffee. (Herr Kwant geht wieder zum Kaffee.)

ANNA

Wir sollen uns ne Kaffeemaschine kaufen?

THEO

Ist das zu fassen?!

ANNA

Wir trinken doch gar nicht so viel Kaffee.

THEO

Vielleicht trinken wir dann ja mehr?

ANNA

Schön aussehen tut sie ja.

THEO

Die da?

ANNA

Nee, die andere.

Herr Kwant bringt die Kaffees.

HERR KWANT

So. Eine Latte Macchiato … ein Cappuccino … so gut es eben ging. Zucker?

THEO

Gerne.

ANNA

Ich nicht.

HERR KWANT

Wie viel?

THEO

Etwa zweieinhalb Löffel. Nehme ich immer.

Herr Kwant macht Theo zweieinhalb Löffel Zucker in den Kaffee. Anna und Theo trinken von ihren Kaffees.

HERR KWANT

Also?

THEO

Ja, das geht doch schon ganz gut.

ANNA

Wie haben Sie denn den Milchschaum hinbekommen?

HERR KWANT

Haben Sie sich die vorgeschlagenen Produkte angesehen?

THEO

Äh … Ach so! Die … äh … Ja, ich würde sagen, dann nehmen wir die zweikreisige, oder?

ANNA

Die kostet dreizehnhundert Euro?!

THEO

Für guten Kaffee.

ANNA

Theo!

HERR KWANT

Sehr gute Wahl, Herr Glass. Gefällt mir. Wenn Sie mir Ihre Kreditkarte geben, kann ich gleich bestellen, dann ist sie übermorgen da.

THEO

Meine … ach so …

Theo holt seine Kreditkarte und gibt sie Herrn Kwant. Herr Kwant geht zu seinem Stuhl und telefoniert.

ANNA

Theo, du spinnst.

THEO

Guck dir das an!

ANNA

Das ist doch viel zu teuer.

THEO

Der bestellt die für uns!

ANNA

Weißt du, wie viel Geld das ist? Und was sollen wir mit so ner Kaffeemaschine. Das schmeckt doch auch.

THEO

Findest du?

ANNA

Hat es bisher immer.

THEO

Ja. Bisher, Anna. Aber jetzt: Jetzt wird alles anders!

Die Mitwisser

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