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Vorwort zur Volksausgabe
ОглавлениеIn den Tagen, da Deutschland verjüngt und verantwortungsvoll sich auf seine nationale Würde und Erneuerung besinnt, wird eine Volksausgabe der Kriegsbriefe gefallener Studenten zur vaterländischen Forderung. Haben diese doch den Gedanken der nationalen und sittlichen Erneuerung in Schlacht und Grauen und Todesbereitschaft zuerst erlebt und verkündet: „Wie ich es mir zum Troste sein lasse, in der uns aufgezwungenen Notwendigkeit des grauenhaften Krieges die Zukunft eines neuen, reinen Lebensideals zu erkennen, neu gebildet und begründet durch den Gedanken der Gleichachtung und Kameradschaft, des Gottvertrauens und der Zuversicht, durch reinen sittlichen Ernst, durch Vertiefung und Wiedergeburt des Geistes“ [Fritz Wagner]. „Ich will kämpfen und vielleicht auch sterben für den Glauben an ein schönes, großes, erhabenes Deutschland, in dem Schlechtheit und Eigennutz verbannt, wo Treue und Ehre wieder in ihre alten Rechte eingesetzt sind“ [Emil Alefeld]. „Es wird eine große Aufgabe sein für unser gesamtes Volk, nach dem Ausgange des Krieges praktisch zu verwerten, was wir innerlich durchlebt haben“ [Fritz Franke]. Diese Briefe sind ein Vermächtnis an uns, das ideale Vaterland zu verwirklichen, dass ihre Schreiber sehnend geschaut, dafür sie ihr Leben gelassen haben. Die Frühgefallenen sind Blutzeugen nicht eines verlorenen, sondern eines neuen Deutschland, dessen Schöpfer und Bürger wir werden wollen. Deutschland! Vaterland! Nie sind diese Worte, diese Werte glühender, erhabener, in religiöser Weihe erlebt worden. Über 20 000 Briefe gefallener Studenten wurden mir 1917/18 durch Vermittlung der deutschen Unterrichtsministerien und Universitäten von Eltern und Freunden zur Auswahl gesandt. Fast die Hälfte aller Briefschreiber bringt — beim Abmarsch ins Feld oder am Vorabend einer Schlacht — in erschütternden Abschiedsbriefen an die Eltern ihr Leben dem Vaterland als Opfer dar, sieht ihren Tod voraus und nimmt ihn frei in ihren Willen auf. Diese Seelenhaltung sub specie aeternitatis verbürge den Schriftstücken tiefer als allen Kriegsromanen und -historien untrügliche persönliche und historische Wahrheit. Die alten Volksepen: Ilias, Odyssee und Nibelungenlied, galten den Forschern lange als naturhaft gewachsene Dichtung, geboren aus der ursprünglichen Kraft des Volksgeistes. Solche ursprüngliche, schöpferische Kraft des deutschen Volksgeistes offenbaren diese Briefe, die wie Materialien, wie erste Strophen zu einem großen deutschen Lied und Mythos des Weltkriegs anmuten. Alle Tiefen des deutschen Geistes, aller Adel der deutschen Seele sind vor den Horizonten des Krieges, des Todes, des Vaterlandes in diesen jungen Helden Gestalt und Wort geworden. Religiöse Innerlichkeit, künstlerische Anschauungs- und Darstellungskraft, ein strahlendes Gefühl für die Schönheit und Fülle der Natur, noch im Trichterfeld und im Schützengraben, eine klassenüberwindende, todestreue Kameradschaft verbinden sich eiserner Tapferkeit, heroischer Ausdauer, heiliger Opferbereitschaft. In diesen Tagen nationaler Selbstbesinnung beugen wir uns vor ihnen und schwören ihrem Andenken, dass sie nicht vergebens gefallen sein sollen, dass wir ihr Testament einlösen, dass wir in unablässiger Arbeit an uns und dem Volksganzen ihrer wert werden wollen.
Freiburg i. B., im Herbst 1933.
Prof. Dr. Philipp Witkop