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Über die Weltschöpfung.
ОглавлениеÜbersetzer: Joseph Cohn
Das Buch von der Weltschöpfung (περὶ τῆς κατὰ Μωυσέα κοσμοποιίας, de opificio mundi) gehört zu der zusammenhängenden Reihe von Schriften, die eine systematische Darstellung des Mosaischen Nomos d. h. des wesentlichen Inhalts des Pentateuchs zum Gegenstande haben. Dieser zerfällt nach Philo in drei Teile: den Weltschöpfungsbericht, einen historischen und einen gesetzgeberischen Teil. Dieser Dreiteilung entsprechend besteht auch Philos Werk nach dem Plane, den er wiederholt angibt, aus drei Hauptteilen: über die Weltschöpfung, über das Leben der Patriarchen (Abraham, Isaak, Jakob, Joseph), über die Gesetze; in dem letzten und grössten Teil behandelt er zuerst den Dekalog, der die allgemeinen Grundlagen der Gesetze enthält, dann in mehreren Büchern die Spezialgesetze. Den Bericht von der Weltschöpfung hat Moses nach der Meinung Philos mit Absicht den Gesetzen selbst vorangeschickt, um zu zeigen, dass Gesetz und Welt in vollem Einklang mit einander stehen und dass der gesetzestreue Mensch zugleich der wahre Weltbürger ist, da er nach dem Gesetz der Natur lebt, durch das auch die Welt regiert wird; Moses will damit gewissermassen auf seine Gesetzgebung vorbereiten. Philo erläutert nun in diesem Buche den biblischen Weltschöpfungsbericht mit Hilfe platonischer, stoischer und pythagoreischer Lehren, aber so dass er die Physik mit der Theologie, die Kosmologie mit seiner Lehre von Gott und dem Logos eng verknüpft. Seine Theorie der Weltschöpfung oder richtiger Weltbildung lehnt sich im wesentlichen an Platos Timaeus an. Die Schrift zerfällt in zwei Teile: im ersten Teil (bis § 133) wird das Sechstagewerk (Hexaemeron) nach 1 Mos. Kap. 1 behandelt, im zweiten Teil (§ 134–172) wird die Schöpfung und der Sündenfall des ersten Menschen nach 1 Mos. Kap. 2 und 3 ethisch und allegorisch (psychologisch) erläutert.
Philo betont zuerst, was die Bibel voraussetzt, dass die Welt geschaffen ist, er wendet sich gegen die entgegengesetzte Ansicht sieht von der Anfangslosigkeit der Welt, weil damit die völlige Untätigkeit Gottes behauptet und die göttliche Vorsehung hinweggeleugnet wird. Damit verbindet er gleich die stoisch-pythagoreische Lehre von den beiden Weltprinzipien, der wirkenden Ursache (Gott) und der passiven Materie (§ 7–12). Nachdem er kurz auf die Bedeutung der Zahl sechs im Schöpfungswerk hingewiesen (§ 13. 14), geht er auf den ersten Schöpfungstag näher ein, an dem nach seiner Ansicht die intelligible Welt, das Urbild der sichtbaren Welt, geschaffen wurde; diese Idealwelt ist aber nur ein Produkt des göttlichen Denkens, sie hat ihren Sitz in dem göttlichen Logos; dieser ist das Werkzeug, mit dem die Welt geschaffen wurde, die Ursache aber ist die Güte Gottes (§ 15–25). Mit dem biblischen Ausdruck „im Anfang schuf Gott“ ist nach Philo nicht ein zeitlicher Anfang gemeint, weil die Zeit nicht vor der Welt vorhanden gewesen sein kann; „im Anfang“ sei soviel wie „zuerst“ (§ 26–28). Hierauf werden sieben Teile der Idealwelt angeführt und besprochen, die Philo in den ersten Sätzen der Bibel, die vom ersten Tage handeln, angedeutet findet (§ 29–35). Dann folgt die Schilderung der Entstehung der sichtbaren Welt (§ 36–76); Philo sucht hier den biblischen Bericht mit den naturwissenschaftlichen Lehren zu verbinden, wie sie zu seiner Zeit allgemein verbreitet und in ihren Grundzügen schon von Aristoteles begründet waren; zugleich zieht er wiederholt die pythagoreische Zahlensymbolik heran. Auch beim Menschen, der zuletzt geschaffen wurde, nimmt Philo eine doppelte Schöpfung an; zuerst wurde die Gattung Mensch oder der Idealmensch geschaffen, der ebenso wie die Idealwelt unkörperlich ist. Er begründet diese Annahme damit, dass die Schöpfung des Menschen an zwei Stellen der Bibel erzählt wird (1 Mos. 1,27 und 2,7); in dem Worte ἐποίησεν (er machte, schuf) der ersten Stelle findet er die Schöpfung des Idealmenschen, in dem Worte ἔπλασεν (er bildete) der zweiten Stelle die Bildung des wirklichen ersten Menschen ausgedrückt. Nachdem er am Schlusse dieses Abschnitts (§ 76) diesen Unterschied, auf den er später (§ 134) zurückkommt, kurz erwähnt hat, wirft er die Frage auf, warum der Mensch zuletzt geschaffen wurde, und gibt vier Gründe dafür (§ 77–88). Die als Abschluss des Schöpfungswerkes in der Bibel ausgesprochene Heiligung des siebenten Tages gibt Philo Veranlassung, einen langen Exkurs über die Bedeutung der Zahl sieben einzuschalten (§ 89–128). Den Schluss des ersten Teiles bildet eine kurze Erläuterung der Worte 1 Mos. 2,4–6 (§ 129–133); Philo glaubt in diesen Versen eine Andeutung seiner Ansicht zu finden, dass der Entstehung der wirklichen Welt eine Schöpfung der Idealwelt vorausgegangen ist.
Der zweite Teil beginnt mit der Erklärung der Worte 2 Mos. 2,7, in denen nach Philos Ansicht die eigentliche Schöpfung des ersten Menschen ausgesprochen ist. Philo schildert in breiter Darlegung die körperlichen und geistigen Vorzüge, durch die der erste Mensch, weil er aus der Hand Gottes selbst hervorging, vor den späteren Geschlechtern ausgezeichnet war (§ 134–144). In abgeblasster Form haben sich die Merkmale der Eigenart des ersten Menschen auch auf seine Nachkommen vererbt (§ 145–147). Zu den Vorzügen des ersten Menschen gehört es auch, dass er als König der Schöpfung den andern Geschöpfen Namen geben durfte (§ 148–150). Es folgt die Erläuterung der biblischen Erzählung von dem Sündenfall des ersten Menschenpaares (§ 151–169). In diesem Abschnitt kommt neben der rein philosophischen Betrachtungsweise auch die Allegorie zur Geltung. Solange der erste Mensch allein war, glich er in seiner Einzigkeit Gott und der Welt, daher war er auch sündenfrei; mit dem Auftreten des Weibes aber tritt die Liebe in die Welt, diese erweckt die Wollust, die der Anfang und die Ursache aller Sünde und Ungerechtigkeit auf Erden ist. Zu dieser buchstäblichen Auffassung fügt Philo eine allegorische Erklärung hinzu: der Garten Eden ist die von mannigfaltigen Meinungen erfüllte menschliche Vernunft, der Baum des Lebens ist die Gottesfurcht, durch die die Seele unsterblich wird, der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen die Einsicht des Menschen; Adam ist der menschliche Geist, Eva die Sinnlichkeit, die Schlange die Wollust, und der Sündenfall bedeutet, dass die Lust mit Hilfe der Sinne den Geist zur Sünde verleitet. Am Schlusse fasst Philo den Inhalt des biblischen Schöpfungsberichts dahin zusammen, dass vornehmlich fünf sehr wichtige Grundlehren darin ausgesprochen seien: die Existenz Gottes, die Einzigkeit Gottes, die Erschaffung der Welt, die Einzigkeit der Welt, die göttliche Vorsehung.
Es verdient besonders hervorgehoben zu werden, dass zu keinem andern Philonischen Buche so viele Parallelen in Talmud und Midrasch vorhanden sind wie zu diesem. Dass einige Gedanken, die in ihnen enthalten sind, aus Philo in den Midrasch hineingekommen sind, ist nicht unwahrscheinlich. Vielleicht dürfen wir daraus den Schluss ziehen, dass diese Schrift Philos in rabbinischen Kreisen am meisten bekannt war. In einem späten Midrasch, dem sog. Midrasch Tadsche, sind einige Stellen unseres Buches direkt benutzt (A. Epstein in Revue des études juives XXI, 80ff).