Читать книгу Kackgrün - Pia Mager - Страница 4
5. Februar
ОглавлениеIch schlief angenehm in dieser Nacht. Alle Leute erzählen immer, dass sie bei Vollmond schlechter schlafen als sonst, doch ich schlief sogar fester. Dennoch überhörte ich es am nächsten Morgen nicht, dass mein Bruder in seinem Zimmer nebenan bei höchster Lautstärke Nintendo DS spielte. Als ich dann genervt wegen des Schlafentzuges mit einem verwuschelten Zopf und einer halb auf der Stirn hängenden Schlafmaske, da ich nur mit Schlafmaske schlafen kann, in das Zimmer meines Bruders ging und ihn bat doch bitte Kopfhörer zu benutzten, meinte er: "Will ich nich', die lenken mich immer ab. Dann verlier ich immer das Level.". Er hatte noch nicht einmal hochgesehen, sondern kämpfte weiter wie gebannt gegen einen riesigen Kraken, der Wände hochgehen konnte. Also ging ich wieder völlig schlaftrunken und verwirrt darüber, wie Kopfhörer einen ablenken können in mein Zimmer, holte meine Kopfhörer und ging wieder in Seines zurück. Nachdem er sich beschwert hatte, dass ich nicht geklopft hatte, immer noch ohne von der Konsole aufzusehen, griff ich mir eines seiner ganzen zwei funktionstüchtigen Miniaturautos seiner Carrera-Bahn und drohte, ihm dieses wegzunehmen, wenn er nicht sofort die Kopfhörer benutzt. Glücklich endlich schlafen zu können legte ich mich gegen halb sieben morgens wieder hin, nur um dann gegen neun nochmal geweckt zu werden, weil er die Kopfhörer wieder weggelegt hatte. Ich könnte im Übrigen jeden Tag bis Zehn schlafen, doch in den ganzen Ferien habe ich es nicht einmal geschafft. Nachdem ich dann schon mal wach war verbrachte ich den halben Tag damit auf Instagram darauf zu warten, dass irgendwelche Bilder luden, bis ich am Nachmittag zum Sport gehen wollte. Doch meine Mutter bestand darauf mit mir, meiner kleinen Schwester Darla und meinem kleinen Bruder Flo vor meinem Training noch für eine halbe Stunde rauszugehen. Ich hatte keine Ahnung, in welchem Karton meine flachen Schuhe waren oder ob ich überhaupt noch welche besaß. So hatte ich keine andere Wahl, als in meinen hochhackigen Stiefeletten mit meiner Familie raus in die eisige Winterlandschaft zu gehen. Doch draußen im Dorf war es nicht nur extrem kalt, da wo wir langliefen waren nicht mal richtige Wege. Bei jedem Schritt mit dem Absatz hinten zehn Zentimeter einzusinken und alle paar Meter mit ganzer Anstrengung Pferdemist auszuweichen, war dann doch nicht das was man vom Landleben versteht. Wir kamen auch an einem Alpaka-Gehege vorbei, wo meine Geschwister eine halbe Ewigkeit die spuckenden Viecher gefüttert haben. Nach gefühlten Stunden war es auch meiner Mutter zu viel und sie rief: "Kommt Kinder, lasst uns ein Stück weiter gehen.". Meine Schwester sah sie an, ging einige Zentimeter nach rechts, fütterte die Tiere weiter und rief: "Ich bin ein Stück weiter gegangen.". Darauf antwortete meine Mutter nichts mehr. Als ich danach endlich zum Zug und damit auch zum Tanzen gehen durfte, musste ich feststellen, dass heute nur zwei Schüler anwesend waren. Meine Lehrerin verpasste uns deshalb den Stoff für die ganze Gruppe und legte eine extra lange Zeit für unsere Dehnübungen ein. Normalerweise mag ich Dehnübungen, da das das einzig Sportliche ist, worin ich halbwegs gut bin. Doch mit aller Kraft von jemanden in den Spagat runter gedrückt zu werden ist auch nicht meine Lieblingsbeschäftigung. Mit schmerzenden Beinen traf ich mich dann mit dem Rest meiner Familie in dem nahegelegenen Einkaufs-Center und sah, dass dort gerade irgendein Wettbewerb im Stabhochsprung stattfand. Das war der Moment, in dem ich feststellte wie extrem unsportlich ich doch war und wie ungesund ich mich doch ernährte im Vergleich zu diesen ganzen durchtrainierten Jungs, die alle versuchten auf der Matte mit dem Stock die Latte hoch zu kriegen. Auf den Schock hab ich mir dann erstmal Pizza geholt.
Später kam dann im Kaufhaus die Durchsage: "Die Mutter der kleinen Darla, soll sie doch bitte bei der Rezeption abholen.". Da war sie uns schon wieder entwischt! Denn das war nicht das erste Mal, dass Darla beschlossen hatte eigene Wege zu gehen. Neulich erst, als wir im Möbelhaus meine Kommode mit den mittlerweile gerade angeklebten Klebeplatten gekauft hatten, wurde ganze zwei Male durchgesagt, dass doch jemand bitte meine kleine Schwester abholen solle. Komischerweise gab es im Möbelhaus an jeder Ecke irgendetwas, das Darla immer unglaublich interessant fand und deshalb im Tempo eines Marathonläufers mit zwei gebrochenen Beinen an diesem Etwas vorbei ging, um es so lange wie möglich betrachten zu können. Dies ging dann meist so oft und so lange, bis sie dann schließlich im Labyrinth der Möbel hinter uns verschollen war. Würden wir als Familie wie in Harry Potter in ein riesiges Labyrinth geschickt werden und sollten, nachdem wir den magischen Pokal erreicht haben Darla wieder finden, müssten wir gar nicht lange suchen. Wir müssten nur zurück zum Start gehen und beim Dritten Blatt, links neben dem Eingang, würden wir sie mit großer Wahrscheinlichkeit finden, da sie dieses Blatt vermutlich mit genauster Aufmerksamkeit inspizierte.
Als wir dann wieder zuhause waren und mein Vater, meine Mutter und ich in der Küche saßen und Papa dabei zusahen, wie er China-Nudeln aß, fiel uns ein, dass ich so langsam mal lernen sollte wie man mit Stäbchen isst, da ich in nur wenigen Monaten aufgrund eines Schüleraustauschs für zwei Wochen nach China flog. Nach einigen Versuchen in denen die Stäbchen immer wieder aneinander vorbeigingen, schaffte ich es jedoch mit ihnen eine ganze Nudel in der Größer meines kleinen Fingers aus Papas Nudelbox zu holen. Nun stand fest: Ich werde in China verhungern. Danach erklärte mir mein Vater, dass es sich gehört nach dem Essen zu rülpsen, wenn es geschmeckt hat. Jedoch konnte ich nicht auf Kommando rülpsen, überhaupt tat ich das anstandshalber nie laut, weshalb ich es jetzt mit aller Anstrengung versuchte. Mit ganzer Kraft brachte ich ein jämmerliches Gekrächzte, gefolgt von einem wehleidigen Luftringen hervor. Dennoch glaube ich nicht, dass die Chinesen es als höflich ansehen werden, wenn ich nach dem Essen Würgelaute von mir gebe und Luft hole, als würde ich jeden Moment abkratzen. Das Fazit ist, dass ich in China weder rülpsen noch mit Stäbchen essen werde und sich meine Gastfamilie damit abfinden muss, dass ich anspruchsvoll bin. Auch wenn das ungewollt ist.