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34 Vierunddreißigster Brief Der Vicomte von Valmont an die Marquise von Merteuil

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Sie sagen ja ganz entzückende Sachen, meine schöne Freundin, aber warum geben Sie sich so viel Mühe, etwas zu beweisen, was niemandem unbekannt ist? Ich glaube, Ihr ganzer Brief lautet: um rascher in der Liebe vorwärts zu kommen, ist es besser zu reden als zu schreiben. Aber das ist ja das ABC der Verführungskunst! Ich möchte jedoch bemerken, daß Sie nur eine Ausnahme von dieser Regel machen und daß es deren zwei gibt. Zu den Kindern, die den Weg aus Schüchternheit gehen und sich aus Unwissenheit hingeben, muß man noch die schöngeistigen Frauen rechnen, die aus Eitelkeit darauf eingehen und die die Eitelkeit in die Falle führt. Zum Beispiel bin ich fest davon überzeugt, daß die Gräfin B., die damals ohne Umstände auf meinen Brief antwortete, mich ebenso wenig liebte wie ich sie, und daß sie da nichts weiter als eine Gelegenheit sah, ein Opfer zu haben, das ihr Ehre machen sollte – ein Renommierverhältnis.

Sei das wie es sei, ein Jurist würde Ihnen sagen, daß sich das Prinzip nicht auf meinen Fall anwenden läßt. Sie glauben tatsächlich, ich hätte die Wahl zwischen Schreiben und Sprechen, was aber nicht der Fall ist. Seit der Geschichte vom 19. letzten Monats hat meine Keusche, die sich in der Defensive hält, mit einer solchen Geschicklichkeit jede Begegnung mit mir zu vermeiden verstanden, daß meine Geschicklichkeit daran zuschanden wurde. Wenn das so weiter geht, wird sie mich zwingen, daß ich mich ganz ernstlich mit den Mitteln beschäftige, wieder meinen Vorteil zu erlangen denn ich will durch sie auf keine Weise besiegt sein. Selbst meine Briefe sind die Ursache eines kleinen Krieges: nicht genug daran, daß sie sie nicht beantwortet, refüsiert sie sie sogar. Jeder Brief verlangt eine neue List und die gelingt nicht immer.

Sie erinnern sich, durch welches einfache Mittel ich ihr den ersten Brief zustellte und auch der zweite machte keine Schwierigkeiten. Sie hatte verlangt, daß ich ihr ihren Brief zurückgebe, und ich gab ihr statt dessen den meinen, ohne daß sie den geringsten Verdacht hatte. Sei es nun Ärger, von mir überlistet worden zu sein, oder Eigensinn, oder endlich diese Tugend – sie bringt es noch so weit, daß ich daran glaube –, den dritten Brief nahm sie nicht an. Ich hoffe aber, daß die Verlegenheit, in die sie sich infolge der Nichtannahme des Briefes brachte, ihr in Zukunft eine Warnung sein wird.

Ich war gar nicht sehr erstaunt, daß sie diesen Brief nicht annehmen wollte, den ich ihr ganz einfach hinhielt; denn das wäre schon ein Entgegenkommen gewesen, und ich mache mich auf einen längeren Widerstand gefaßt. Nach diesem Versuch, der nichts als eine Probe war, legte ich meinen Brief in ein Kuvert und benutzte die Zeit ihrer Toilette, da Frau von Rosemonde und ihre Kammerjungfer anwesend waren, ihn ihr durch meinen Jäger zuzuschicken mit dem Auftrag: es sei das jenes Papier, das sie von mir verlangt hätte. Ich riet ganz richtig, daß sie die etwas skandalöse Auseinandersetzung fürchten mußte, die ein Refus mit sich bringen würde: – sie nahm also den Brief, und mein Bote, der ihr Gesicht genau zu beobachten hatte – und er sieht nicht schlecht – bemerkte nur eine leichte Röte und mehr Verlegenheit als Zorn.

Ich war meiner Sache nun sicher. Denn entweder mußte sie den Brief behalten oder wenn sie ihn mir zurückgeben wollte, mußte sie einen Moment des Alleinseins mit mir wählen, was eine Gelegenheit mit ihr zu sprechen war. Nach ungefähr einer Stunde kommt einer ihrer Leute zu mir und überreicht mir ein Kuvert ganz anderer Form als jenes, das meinen Brief enthielt, und ich erkenne darauf die ersehnte Handschrift. Ich öffne schnell ... es war mein eigener Brief, der gar nicht geöffnet, sondern nur gefaltet worden war – ein diabolischer Streich.

Sie kennen mich. Ich brauche Ihnen meine Wut nicht zu beschreiben. Aber kaltes Blut war nötig und ein neues Mittel. Ich fand dieses einzige.

Man holt von hier jeden Morgen die Briefe von der Post, die ungefähr dreiviertel Stunden von hier entfernt ist, und braucht dazu eine Art Büchse, zu der der Postmeister einen Schlüssel hat und Frau von Rosemonde den anderen. Jeder tut tagsüber seine Briefe da hinein, abends werden sie auf die Post getragen und des Morgens holt man die angekommenen. Die Leute besorgen abwechselnd den Dienst. Es war nicht die Reihe an meinem Diener, aber er übernahm ihn, da er ohnedies in der Gegend zu tun hätte.

Ich schrieb also meinen Brief, verstellte auch die Adresse, verstellte meine Handschrift und machte ziemlich geschickt den Stempel von Dijon nach. Ich wählte Dijon, weil es mir Spaß machte, aus derselben Stadt zu schreiben wie ihr Mann, da ich dieselben Rechte bei ihr beanspruchte wie er, und weil meine Schöne den ganzen Tag von dem Wunsch gesprochen hatte, Nachrichten aus Dijon zu bekommen. Es war doch nur recht, daß ich ihr diese Freude verschaffte.

Nun war es leicht, diesen Brief zu den anderen zu geben. Ich gewann bei diesem Arrangement noch, daß ich Zeuge des Empfanges sein konnte, denn es ist hier der Brauch, daß alle zum Frühstück beisammen sind und die Ankunft der Post erwarten, ehe jedes seine Wege geht. Die Post kam endlich.

Frau von Rosemonde öffnet die Büchse. – »Von Dijon!« und sie gab Frau von Tourvel den Brief. »Das ist nicht die Handschrift meines Mannes,« sagte sie in etwas besorgtem Tone und brach schnell das Siegel auf. Der erste Blick sagte ihr alles und gleichzeitig kam eine solche Veränderung über ihr Gesicht, daß Frau von Rosemonde es bemerkte und sagte: »Was haben Sie denn?« Ich trat ebenfalls näher und meinte: »Dieser Brief ist wohl sehr schlimm?« Die schüchterne Nonne wagte nicht die Augen aufzuschlagen, sprach kein Wort und suchte sich damit über ihre Verlegenheit zu helfen, daß sie so tat, als durchflöge sie den Brief, den sie zu lesen nicht fähig war. Ich genoß ihre Verlegenheit und sagte nicht ohne Vergnügen: »Ihr etwas ruhigeres Aussehen läßt mich hoffen, daß der Brief Ihnen doch nur mehr Erstaunen als Schmerz bereitet hat.« Der Zorn beriet sie in diesem Moment besser als es die Klugheit hätte tun können. »Er enthält Dinge,« antwortete sie, »die mich beleidigen und über die ich erstaunt bin, daß man sie mir zu schreiben gewagt hat.« »Ja, wer denn?« fragte Frau von Rosemonde. »Er ist nicht unterzeichnet,« antwortete die schöne Stolze, »aber der Brief verursacht mir die gleiche Verachtung wie sein Schreiber. Sie würden mich verbinden, wenn Sie nicht weiter davon sprächen.« Und da zerriß sie das verwegene Schriftstück, steckte die Fetzchen in die Tasche, stand auf und ging.

Bei allem Zorn – sie hat doch meinen Brief gehabt, und ich halte etwas auf diese Neugierde, die ihr riet, den ganzen Brief zu lesen.

Die Einzelheiten des Tages zu schildern, würde mich zu weit führen. Ich füge diesem die Konzepte meiner beiden anderen Briefe bei, die Sie genau von allem unterrichten werden. Wenn Sie in dieser Korrespondenz auf dem Laufenden bleiben wollen, müssen Sie sich schon die Mühe geben, meine Minuten zu entziffern, denn um nichts in der Welt könnte ich die Langeweile hinunterwürgen, sie abzuschreiben. Adieu, meine schöne Freundin.

Schloß . . ., den 25. August 17..

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