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Der erste Tag Wie Nanna in Rom unter einem Feigenbaum der Antonia von dem Leben der Nonnen erzählte

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Antonia: Was hast du denn, Nanna? Du machst ja ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter! Paßt sich das für eine, die die Welt regiert?

Nanna: Die Welt? Ach herrje!

Antonia: Gewiß: die Welt! Ja, wenn ich Trübsal blasen wollte! Bei mir beißt ja gar niemand mehr an – als die Franzosen (denn die hab ich, leider!); ich bin ›arm, aber stolz‹, und wenn ich von mir sage, daß ich schleckerhaft bin, so begeh ich damit keine Sünde wider den Heiligen Geist.

Nanna: Meine gute Antonia: Jeder Mensch hat seine Trübsal, und Trübsal ist gar manches, wovon du denkst, es sei eitel Lust, und manche Trübsal gibt's, wovon du dir nicht träumen läßt – und glaube mir, glaube mir: unsere Erde ist nur ein Jammertal.

Antonia: Ja, ein Jammertal für mich, aber nicht für dich, die alle Tage Fettlebe macht. Auf Plätzen und Straßen, in allen Kneipen und allüberall hört man ja nur Nanna hier und Nanna da; dein Haus ist immer voll wie 'n Ei, und ganz Rom tanzt um dich herum den Mohrentanz, den wir im Jubeljahr von den Ungarn sehen.

Nanna: Ja, freilich, freilich! Aber trotzdem bin ich nicht zufrieden. Weißt du, ich komme mir vor wie 'ne junge Frau, die mit einem Riesenhunger am vollbesetzten Tische sitzt und aus einem gewissen Schamgefühl nicht zu essen wagt, obwohl sie weiß, daß Küche und Keller voll sind. Und gewiß, gewiß, Gevatterin: 's ist nicht alles so, wie's sein sollte – und damit holla!

Antonia: Du seufzest?

Nanna: Ach du lieber Gott, ja!

Antonia: Das solltest du lieber nicht: Nimm dich in acht, daß der liebe Gott dir nicht was schickt, worüber du Ursache hättest zu seufzen!

Nanna: Aber das ist doch ganz natürlich, daß ich seufze! Denk dir bloß: Meine Pippa wird doch nun sechzehn und muß doch was werden. Und da sagt mir nun der eine: »Laß sie Nonne werden; da sparst du Dreiviertel an der Mitgift, und obendrein kriegt der Kalender 'ne neue Heilige.« Der andre sagt: »Verheirate sie doch; du bist ja so reich – was kommt's denn dir darauf an, ob du ein bißchen abgibst?« Der dritte redet mir zu, ich solle sie lieber gleich Kurtisane werden lassen, »denn«, sagt er, »wenn 's Glück gut ist, so wird sie als Kurtisane sofort 'ne Dame, und mit dem, was du hast und was sie sich im Handumdrehen dazuverdienen wird, kann sie 'ne Königin werden.« Kurz und gut, ich bin außer mir! Du siehst, auch Nanna hat ihre Sorgen.

Antonia: Solche Sorgen können doch für eine Frau, wie du bist, bloß ein angenehmer Kitzel sein! Das ist gerade, wie wenn einer, der 'n bißchen Krätze hat, abends nach Hause kommt, sich die Strümpfe auszieht und sich dabei schon auf den Genuß des Kratzens freut. Sorgen nenn ich, wenn man mit ansehen muß, wie die Brotpreise fortwährend steigen, 'ne Qual ist's, wenn der Wein immer teurer wird, das Herz blutet einem, wenn man die Miete bezahlt, und es dreht sich einem im Leibe um, wenn man zwei- oder dreimal im Jahre Holz kaufen muß. Beulen und Schwären wird man nicht mehr los, und die Trübsal hört gar nimmer auf. Ich wundere mich, daß du dir wegen so 'ner Lappalie überhaupt Gedanken machst!

Nanna: Warum wundert dich denn das?

Antonia: Na, du bist doch in Rom geboren und aufgewachsen; du müßtest ja mit verbundenen Augen zum rechten Entschluß kommen, was du die Pippa willst werden lassen! ... Sag mal, bist du nicht Nonne gewesen?

Nanna: Ja.

Antonia: Hast du nicht 'nen Mann gehabt?

Nanna: Den hatt ich.

Antonia: Und warst du nicht Kurtisane?

Nanna: Ja, das war ich.

Antonia: Na! Hast du denn nicht soviel Verstand, aus diesen dreien das Beste herauszufinden?

Nanna: Jesus Maria, nein!

Antonia: Warum denn nicht?

Nanna: Weil's die Nonnen, die Ehefrauen und die Freudenmädchen heutzutage nicht mehr so gut haben wie früher.

Antonia: Hahaha! Das Leben geht immer nach der alten Leier! Von jeher haben die Leute gegessen und getrunken, immer haben sie geschlafen und die Nächte durchschwärmt, mit Gehen und Stehen war's immer dasselbe, und immer werden die Weiber durch ihre Ritze pischen. Weißt du, es wäre doch gar zu nett, wenn du mir erzähltest, wie zu deiner Zeit die Nonnen, die verheirateten Frauen und die Freudenmädchen es hatten, und ich schwöre dir bei den sieben Kirchen, die ich nächste Fastenzeit abklappern werde: Wenn du mir alles erzählt hast, so will ich dir in vier Worten sagen, was du deine Tochter sollst werden lassen ... du bist ja doch in deinem Fach eine Ausgelernte – nun sage mir, warum du nichts davon wissen willst, daß deine Tochter Nonne wird?

Nanna: Ich weiß wohl, warum!

Antonia: Na bitte, dann sag's mir doch! Sieh mal, heut ist ja Magdalenentag, der Tag unserer heiligen Schutzpatronin, da wird ja doch nicht gearbeitet, und selbst wenn ich eigentlich arbeiten sollte – ich habe Brot und Wein und Pökelfleisch für drei Tage!

Nanna: Wirklich?

Antonia: Ganz gewiß!

Nanna: Na, dann will ich dir heute vom Leben der Nonnen erzählen, morgen von dem der Ehefrauen und übermorgen von dem der Freudenmädchen. Bitte, setz dich hier neben mich und mach dir's recht bequem.

Antonia: So, da sitz ich ausgezeichnet; nun los!

Nanna: Die Pest möchte ich dem Monsignor – ich will seinen Namen nicht nennen – an den Hals wünschen, weil er mich auf den unglückseligen Gedanken brachte ...

Antonia: Rege dich nur nicht auf!

Nanna: Meine liebe Antonia: Wenn man sich zu entscheiden hat, ob man seine Tochter Nonne oder Freudenmädchen werden lassen oder ob man sie verheiraten soll, da steht man gleichsam vor einem Kreuzweg. Man überlegt sich 'ne gute Zeit, ob man den einen oder lieber den anderen einschlagen soll, und da kommt's denn manchmal vor, daß einen der Teufel gerade auf die verkehrte Straße bringt. So machte es der Böse auch mit meinem Vater selig, als dieser mich eines Tages zur Nonne bestimmte – sehr gegen den Willen meiner Mutter, heiligen Angedenkens, die du vielleicht noch gekannt hast. Oh, das war 'ne Frau!

Antonia: Ja, ich habe eine dunkle Ahnung, daß ich sie mal gesehen habe; jedenfalls kenne ich sie vom Hörensagen, und ich weiß, daß sie hinter den Bänken1 Mirakel wirkte, und habe gehört, daß dein Vater, ein wackerer Sbirre des Bargello, sie aus Liebe geheiratet hatte.

Nanna: Oh, erinnere mich nicht an das gebrannte Herzeleid jenes Tages, da Rom nicht mehr Rom war und das erlesene Paar mich als Waise zurückließ! ... Doch zur Sache: Also, es war an einem ersten Mai, da brachten mich Mona Marietta – das war der Name meiner Mutter, aber gewöhnlich nannte man sie ›die schöne Tina‹ – und Meister Barbieraccio, mein Vater, mit der ganzen Sippschaft, Onkeln und Tanten, Großvätern und Großmüttern, Basen und Vettern und Neffen und Brüdern und mit 'ner ganzen Schar von Freunden und Bekannten, nach der Kirche des Klosters. Ich war ganz und gar in Seide gekleidet, die von Ambra duftete, und trug ein goldenes Käppchen, darauf lag der Jungfernkranz aus Rosen und Veilchen, und meine Handschuhe waren parfümiert und die Pantoffeln von Samt, und die Perlen, die ich am Halse trug, und die Kleider, die ich auf dem Leibe hatte, die waren, wenn ich mich recht erinnere, von der Pagnina, die neulich ins Magdalenenstift eintrat.

Antonia: Anderswoher konnten sie gewiß nicht sein!

Nanna: Also fein geschmückt, sauber und wie aus dem Ei gepellt, betrat ich die Kirche. Da waren Tausende und aber Tausende von Menschen, die drehten sich alle nach mir um, sobald ich erschien, und die einen sagten: »Ach, da bekommt aber der liebe Herrgott 'ne schöne Braut!« Und andere: »Schade, daß so 'n hübsches Mädchen Nonne wird!« Und einige machten das Kreuz über mir, andere sahen mich an, wie wenn sie mich mit den Augen verschlingen wollten, und noch wieder andere sagten: »Die gibt mal 'n leckeren Happen für irgend 'nen Mönch!« Aber ich dachte mir nichts Böses bei solchen Worten, ich hörte nur immer ganz fürchterliche Seufzer, und an der Stimme erkannte ich, daß sie aus dem Herzen eines meiner Liebhaber kamen, der während des ganzen Gottesdienstes in einem fort heulte.

Antonia: Was? Du hattest schon Liebhaber, ehe du Nonne wurdest?

Nanna: Welches Mädel hätte die nicht gehabt! Aber das war in allen Züchten und Ehren. Ich mußte nun auf der Frauenseite ganz obenan Platz nehmen, und nach einer kleinen Weile begann die Messe, und ich kniete zwischen meiner Mutter und Tante Ciampolina, und der Kantor spielte auf der Orgel einen Lobgesang. Nach der Messe wurden meine Nonnenkleider eingesegnet; die lagen auf dem Altar, und der Priester, der die Epistel gelesen, und der andere Priester, der das Evangelium gelesen hatte, die führten mich hinauf, und nun mußte ich auf den Stufen des Hochaltars niederknien. Dann reichte der, der die Messe gelesen hatte, mir das Weihwasser und sang mit den anderen Priestern das Te deum laudamus und vielleicht noch hundert Psalmen, und dann zogen sie mir die weltlichen Kleider aus und legten mir das geistliche Gewand an, und die Leute drängten sich heran und machten einen Lärm wie ... wie man ihn in Sankt Peter und in Sankt Johannes hört, wenn da eine aus Verrücktheit oder aus Verzweiflung oder aus Ulk sich einmauern läßt – wie ich's auch mal durchgemacht habe.

Antonia: Ja, ja, ich sehe dich noch vor mir mit der Menschenmenge um dich herum.

Nanna: Als dann die Feierlichkeit vorbei war und sie mir den Weihrauch gereicht hatten und das Benedicamus und das Oremus und das Halleluja gesungen hatten, da öffnete sich eine Tür, die kreischte, wie wenn man den Deckel der Armenbüchse aufmacht. Ich mußte aufstehen und wurde nach draußen geführt, wo etwa zwanzig Schwestern mit der Äbtissin mich erwarteten. Sobald ich sie erblickte, machte ich ihr 'ne schöne Reverenz, und sie küßte mich auf die Stirn und sagte meinem Vater und meiner Mutter und den Verwandten ein paar Worte, die ich nicht behalten habe, und die vergossen alle Ströme von Tränen, und auf einmal wurde die Tür zugeworfen, und ich hörte ein Stöhnen, das allen Anwesenden durch Mark und Bein ging.

Antonia: Woher kam denn dies Stöhnen?

Nanna: Von meinem armen Liebsten, der den andern Tag Barfüßermönch oder Betteleremit wurde – ich weiß nicht mehr, was.

Antonia: Der arme Kerl!

Nanna: Als nun die Tür plötzlich zugeschmissen wurde, daß ich nicht mal meinen Angehörigen Lebewohl sagen konnte, da dachte ich, ich wäre bei lebendigem Leibe ins Grab gelegt und die Frauen um mich her wären halbtot von Geißelhieben und vom Fasten; und ich weinte nicht mehr um meine Eltern, sondern um mich selber. Und ich ging mit niedergeschlagenen Augen, und mein Herz dachte an das, was mir bevorstände. So kamen wir in den Speisesaal, wo eine Schar von Nonnen auf mich zulief, um mich zu umarmen. Sie nannten mich sofort ›Schwester‹ und sagten mir, ich sollte doch mal aufschauen. Das tat ich und siehe! Da waren eine Menge frische und helle Gesichter mit roten Wangen. Da wurde mein Herz fröhlich, und ich blickte mit größerer Zuversicht um mich und sagte zu mir selber: »Wirklich, der Teufel ist nicht so häßlich, wie man ihn malt!« Und auf einmal, da kam eine ganze Schar von Mönchen und Priestern und unter ihnen auch einige Weltgeistliche, lauter junge Leute, die schönsten und saubersten und fröhlichsten jungen Leute, die ich je gesehen, und jeder nahm seine Freundin bei der Hand, und sie sahen aus wie Engel, die auf einem Ball im Himmel zum Tanze antreten.

Antonia: Du, über den Himmel mach keine Witze!

Nanna: Sie sahen aus wie Verliebte, die mit ihren Nymphen scherzen.

Antonia: Der Vergleich ist schon eher zulässig. Nun, und weiter?

Nanna: Sie nahmen sie also bei der Hand und gaben ihnen die zärtlichsten Küsse, und einer wetteiferte mit dem andern, wer die süßesten gäbe.

Antonia: Und welche Küsse hatten, deiner Meinung nach, den größten Zuckergehalt?

Nanna: Natürlich die von den Mönchen!

Antonia: Warum?

Nanna: Den Grund ersiehst du aus der Legende von der ›Buhlerin von Venedig‹

Antonia: Und dann?

Nanna: Dann setzten sich alle zu Tisch. Und es war die köstlichste Tafel, die ich je in meinem Leben gesehen hatte. Auf dem Ehrenplatz saß die fromme Mutter Äbtissin und zu ihrer Linken der Herr Abt; an der anderen Seite der Äbtissin saß die Schatzmeisterin und neben dieser der Bakkalaureus, ihr gegenüber die Sakristanin mit dem Novizenmeister, und dann kamen in bunter Reihe immer eine Nonne, ein Mönch und ein Weltgeistlicher, und untenan saßen, ich weiß nicht wie viele Pfäfflein und Mönchlein; ich selber aber saß zwischen dem Prediger und dem Beichtiger des Klosters. Und dann kam das Essen, und ein Essen war's, wie's der Papst selber nicht besser hat, so versicherte man mir. Da hörte sofort das Schwatzen auf, und es war, als ob die Inschrift ›Stille!‹, die man in den Refektorien der Klosterväter liest, sich auf Lippen und Zungen herabgesenkt hätte, und nur die Lippen machten beim Essen ein leise murmelndes Geräusch, wie wenn die Seidenwürmer, nachdem sie ausgewachsen sind, ihr lang entbehrtes Futter bekommen und an den Blättern knuspern. Ich meine die Blätter jenes Baumes, in dessen Schatten der arme Pyramus und die arme Thisbe Kurzweil zu treiben pflegten – möge Gott sie dort oben beschirmen, wie er sie hier unten in seine Hut nahm!

Antonia: Du meinst die Blätter vom weißen Maulbeerbaum.

Nanna: Hahaha!

Antonia: Warum lachst du so?

Nanna: Ich lache, weil ich eben an einen Schlingel von Mönch denke – Gott verzeih mir den Ausdruck –, der kaute mit allen zweiunddreißig Zähnen und hatte ein Paar Backen wie ein Posaunenengel, und auf einmal setzte er eine Flasche an den Mund und schlürfte sie in einem Zuge leer!

Antonia: Möchte er dran erstickt sein!

Nanna: Als sie nun den ersten Hunger gestillt hatten, da fingen sie an zu plappern, und es kam mir vor, als wäre ich nicht bei einem Klosterfrühstück, sondern mitten auf dem Navonaplatz, wo man rechts und links und hinten und vorne nichts als Juden mit den Leuten feilschen und schachern hört. Und als sie dann satt waren, da nahmen sie Hühnerflügel und Hahnenkämme und dergleichen, und damit fütterten sie sich gegenseitig, wie Schwalben ihre Schwälblein atzen. Und was für ein Gelächter gab es da, wenn so ein Kapaunensterz präsentiert wurde, und was für Bemerkungen wurden bei solchen Gelegenheiten gemacht!

Antonia: So 'ne Bande!

Nanna: Mir wurde ganz übel, als ich sah, wie eine Nonne einen schönen Bissen zerkaute und darauf mit ihrem eigenen Munde ihrem Freunde hinhielt.

Antonia: Brrr!

Nanna: Allmählich verwandelte sich die Lust am guten Essen in jenen Überdruß, der allzu reichlicher Sättigung entspringt; da fingen sie an, sich anzuprosten wie die Deutschen; und der Ordensgeneral stand auf und ergriff einen großen Pokal voll Korserwein, forderte die Äbtissin auf, ihm Bescheid zu tun, und schluckte das Ganze hinunter wie 'nen falschen Eid. Alle Augen glänzten bereits wie Spiegelglas vom vielen Trinken, bald aber liefen sie an wie Diamanten, die man anhaucht; sie wurden müde, und viele schwere Köpfe sanken auf das Tischtuch, wie wenn's ein Kopfkissen gewesen wäre. Auf einmal aber wurden alle munter, denn ein schöner Knabe betrat den Speisesaal; der trug in der Hand einen Korb, worauf das weißeste und feinste Tuch lag, das ich je gesehen habe. Schnee, Reif, Milch sind nichts gegen diese Weiße. Es war so weiß wie der Mond am fünfzehnten Tage. Ja, das war es!

Antonia: Was machte er denn mit dem Korb, und was war darinnen?

Nanna: Pst, pst! Nur sachte! Der Knabe machte eine schöne Verbeugung auf spanisch-neapolitanische Art und sagte: »Gesegnete Mahlzeit, meine Herrschaften!« Dann fuhr er fort: »Ein ergebener Diener dieser schönen Gesellschaft sendet euch einige Früchte aus dem irdischen Paradies.« Dann nahm er das Tuch ab und setzte das Geschenk auf den Tisch. Und ein rasendes Gelächter brach los wie rollender Donner; so unwiderstehlich wurde die Gesellschaft zum Lachen hingerissen, wie eine Familie sich den Tränen und Wehklagen überlassen muß, wenn sie den Hausvater seine Augen zum ewigen Schlummer hat schließen sehen.

Antonia: Du machst recht hübsche und naturgetreue Vergleiche!

Nanna: Die Hände von diesem und von jener hatten sich in den letzten Augenblicken gerade mit Schenkeln, Busen, Wangen, Flöten und Pfeifen der Nachbarin oder des Nachbarn beschäftigt, und sie waren so geschickt wie die Taschendiebe, die den Maulaffen ihre Börsen wegzupicken wissen; kaum aber wurden die paradiesischen Früchte sichtbar, so fuhren die Hände in den Korb hinein, und sie waren so hurtig wie die Leute, die sich am Lichtmeßabend auf die Kerzen stürzen, die vom Balkon herabgeworfen werden.

Antonia: Was waren's denn für Früchte? Sag's mir doch!

Nanna: Es waren gläserne Früchte, wie man sie in Murano bei Venedig verfertigt, von der Gestalt eines Kappa; nur waren an jedem Stengel zwei Schellen von einer Größe, daß eine Janitscharenmusik sich ihrer nicht hätte zu schämen brauchen.

Antonia: Hahaha! Ausgezeichnet! Ich verstehe vollkommen, was für Stengel du meinst!

Nanna: Und selig war die, die den größten und dicksten für sich erwischte; und keine von den Nonnen genierte sich, den ihrigen zu küssen, und sie sagten, diese Früchte hülfen ihnen, den Anfechtungen des Fleisches zu widerstehen ...

Antonia: ... die der Teufel holen möge!

Nanna: Ich spielte die Unschuld vom Lande und äugelte nur verstohlen nach den Früchten, wie eine schlaue Katze, die mit den Augen nach der Köchin sieht und die Pfote nach dem Stück Fleisch ausstreckt, das aus Versehen nicht eingeschlossen worden ist. Und wenn nicht meine Tischnachbarin, die sich zwei Früchte genommen hatte, mir eine davon abgegeben hätte, so hätte ich mir selber eine geholt, um nicht wie eine Zimperliese dazusitzen. Doch um es kurz zu machen: Inmitten des Gelächters und des Stimmengewirrs stand mit einem Mal die Äbtissin auf, und alle Anwesenden folgten ihrem Beispiel; und das Benedicite, das sie sprach, klang nicht wie Latein, sondern wie gutes Italienisch.

Antonia: Lassen wir nur das Benedicite! Was machtet ihr nach dem Essen?

Nanna: Warte doch nur; das kommt ja gleich! Nach Tisch gingen wir in ein Zimmer, dessen Wände über und über mit Malereien bedeckt waren.

Antonia: Was waren denn das für welche? Wohl die Bußwerke der Fastenzeit? Oder was sonst?

Nanna: Schöne Bußwerke! Die Malereien waren der Art, daß selbst ein Kastrat sich bei ihrem Anblick amüsiert hätte. Das Zimmer hatte vier Wände. Auf der ersten Wand sah man das Leben der heiligen Nafissa abgebildet. Da erblickte man das gute Mädchen, wie es mit zwölf Jahren, ganz von christlicher Liebe erfüllt, all sein Hab und Gut an Sbirren, Zöllner, Priester, Kuppler und andere derartige würdige Leute verschenkte. Und als sie gar nichts mehr hatte, da setzte sie sich demütig und fromm, mit Verlaub zu sagen, mitten auf die Sixtusbrücke. Und sie hatte nichts um und an sich, als 'n Stühlchen und 'n Fußmättchen und 'n Hündchen und ein Blatt Papier, das war an einem eingekerbten Stöckchen befestigt; damit fächerte sie sich und jagte die Fliegen weg.

Antonia: Warum saß sie denn da auf 'm Stühlchen?

Nanna: Sie stellte eben eins von den Guten Werken dar: die Kleidung der Nackenden. Und so saß denn das junge Ding da, wie ich's dir beschrieben habe, und das Gesicht hielt sie dem Himmel zugewandt, und den Mund hatte sie offen, wie wenn sie gerade das Liedchen sänge:

Wo bleibst du, mein Geliebter?

Was kommst du nicht zu mir?

Auf einem anderen Bilde sah man sie stehen und sich zu einem neigen, der aus übergroßer Bescheidenheit nicht gewagt hatte, sie um etwas von ihren Sachen zu bitten. Auf den ging sie ganz heiter in ihrer Nächstenliebe zu und führte ihn in die Höhle, wo sie die Betrübten tröstete. Da zog sie ihm zuerst den Rock aus und nestelte ihm dann die Hosen auf, und als sie das Hähnchen gefunden hatte, da streichelte sie's so zärtlich, bis es sich ganz stolz aufrichtete und wie ein Hengst, der sich von der Halfter losreißt, um zu der Stute zu gelangen, ihr plötzlich zwischen die Beine fuhr. Aber sie mochte sich wohl nicht für würdig halten, ihm ins Gesicht zu sehen, oder vielleicht, wie der Prediger sagte, der uns ihr Leben erläuterte, wurde ihr auch plötzlich bange, als sie ihn so rot, so glühend und so aufgeregt sah, und mit einer prachtvollen Bewegung drehte sie ihm den Rücken zu.

Antonia: Möge es ihrer Seele gelohnt werden!

Nanna: Ist es ihr denn nicht schon gelohnt? Sie ist doch 'ne Heilige geworden!

Antonia: Da hast du recht.

Nanna: Wer könnte dir alles erzählen? Da war auch das Volk Israel abgebildet, das sie ganz umsonst beherbergte und immer Amore dei befriedigte. Da sah man manchen gemalt, der gekostet hatte, was da war, und dann mit einer Handvoll Geld von ihr ging, das ihr ein freigebiger anderer notgedrungen hatte schenken müssen. Wer ihr Äckerlein bestellte, dem ging es manchmal wie einem, der im Hause eines Verschwenders Herberge findet: Dieser nimmt ihn nicht nur gastlich auf, gibt ihm Nahrung und Kleidung, sondern schenkt ihm noch obendrein das Reisegeld, um an seinen Bestimmungsort gelangen zu können.

Antonia: O gebenedeite und makellose heilige Nafissa, erleuchte du meinen Geist, daß ich deinen allerheiligsten Fußtapfen folge!

Nanna: Kurz, alles, was sie sonst noch machte, vor oder hinter Tür und Tor, das ist dort in voller Natürlichkeit abgebildet, und alles, was sie bis an ihr Lebensende tat, ist da gemalt. Und an ihrem Grabgewölbe sieht man die Abbildungen von all denen, die sie in dieser Welt zurückgelassen, um sie einst in jener Welt wiederzufinden: und das war ein buntes Gewimmel von Schlüsseln wie von Kräutern in einem Maisalat.

Antonia: Donnerwetter! Die Bilder will ich mir doch auf jeden Fall mal ansehen!

Nanna: Auf der zweiten Wand ist die Geschichte von Masetto aus Lamporecchio, und, meiner Seel!, man denkt, die beiden Nonnen, die ihn in die Scheune geführt haben, sind von Fleisch und Blut; der Kerl aber liegt da und tut, als ob er schlafe, während sein Hemd an dem hoch aufgerichteten Mast sich wie ein Segel bläht.

Antonia: Hahaha!

Nanna: Ja, da mußte wirklich jedermann lachen, der's sah, und besonders auch über die beiden anderen Nonnen, die von den losen Scherzen ihrer Mitschwestern Wind gekriegt hatten und sich dies sofort zunutze machten, aber nicht etwa, indem sie's der Äbtissin petzten, sondern indem sie mit an dem Vergnügen teilnahmen, und geradezu verblüffend war Masetto gemalt, der ihnen durch Zeichen zu verstehen gab, daß er nichts von ihnen wissen wollte. Und zuletzt sah man die Oberin der Nonnen; die fing es vernünftig an, indem sie den braven Mann einlud, mit ihr zu speisen und zu schlafen. Eines Nachts aber kriegte er Angst, die Sache möchte ihn zu sehr anstrengen, und sprach ein bißchen laut; da lief das ganze Dorf zusammen, um das Wunder zu sehen; das Kloster aber wurde als heilig kanonisiert.

Antonia: Hahaha!

Nanna: Auf der dritten Wand waren – wenn ich mich recht erinnere – die Porträts aller Schwestern, die überhaupt dem Orden angehört hatten, und neben jeder sah man das Bild ihres Liebsten und auch ihrer Kinder, und die Namen eines jeden und einer jeden waren daruntergeschrieben.

Antonia: 'ne schöne Ehrentafel!

Nanna: Auf der vierten Wand endlich waren alle die verschiedenen Arten, wie man stöpseln und sich stöpseln lassen kann, dargestellt. Die Nonnen sind nämlich verpflichtet, ehe sie mit ihren Freunden ans Werk gehen, erst alle Akte, die man da abgebildet sieht, in lebenden Bildern darzustellen. Und das müssen sie, damit sie sich im Bette nicht so tölpelig anstellen, wie gewisse Frauenzimmer, die alle viere von sich strecken und daliegen wie die Klötze. Solche Liebe hat natürlich weder Saft noch Kraft, und wer's mit so 'nem Mädel zu tun kriegt, der hat nicht mehr Vergnügen dran, als wenn er 'ne Bohnensuppe ohne Salz ißt.

Antonia: Da brauchen sie wohl gar 'ne Lehrerin, so 'ne Art Fechtmeisterin der Liebe?

Nanna: Nun freilich; und diese Lehrmeisterin zeigt den Ungeübten, wie sie's machen müssen, wenn der Mann den Stachel der Fleischeslust spürt und wenn er etwa auf einer Kiste oder auf 'ner Treppe oder auf einem Stuhl oder Tisch oder auf dem Fußboden seine Reiterei zu veranstalten wünscht. Und die Lehrerin, die den guten Nonnen die verschiedenen Stellungen beibringt, tut das mit einer Geduld, wie wenn sie einen Hund oder Papagei oder Starmatz oder 'ne Elster abrichtete. Und die Kunststückchen der Taschenspieler sind leichter zu lernen als die Behandlung des Hähnchens, so daß es steht, auch wenn es keine Lust hat.

Antonia: Wirklich?

Nanna: Verlaß dich drauf. Schließlich wurden wir dann des Bilderbeguckens und Plauderns und Scherzens überdrüssig. Und wie plötzlich die Straße leer wird, wenn die Barberi im Wettlauf heranrasen, oder, um ein besseres Bild zu gebrauchen, wie sich die Schüssel mit Kuhfleisch leert, wenn die Dienstboten, die sonst kein Fleisch bekommen, darüber herfallen, oder wie die Feigen vor dem hungrigen Bauern verschwinden: so verschwanden Nonnen, Mönche, Pfarrer und Weltpriester, auch die jungen Pfäfflein drückten sich, und der Junge, der die Glasdinger gebracht hatte, ging ebenfalls seines Weges. Nur der Bakkalaureus blieb bei mir; ich war nämlich ganz alleine, beinahe zitternd, dageblieben und konnte kein Wort hervorbringen. Und er sagte zu mir: »Schwester Christiana« – diesen Namen hatten sie mir gegeben, als ich das geistliche Gewand anlegte –, »Schwester Christiana, meines Amtes ist es, Euch in die Zelle zu geleiten, wo die Seele über den Körper triumphiert und zur Seligkeit gelangt.« Ich wollte einige Umstände machen, aber all mein Sträuben half mir nichts; er ergriff meine Hand, in der ich die gläserne Wurst hielt, so daß diese beinahe zu Boden gefallen wäre. Da stieß ich unwillkürlich einen Seufzer aus, und der fromme Padre faßte sich ein Herz und gab mir 'nen Kuß, und da ich von meiner Mutter her ein mitleidiges Herz habe und nicht von Stein bin, so hielt ich ganz mäuschenstill und sah ihn durch halbgeschlossene Augenlider an.

Antonia: Das war sehr richtig von dir.

Nanna: Und so ließ ich mich von ihm führen wie der Blinde vom Hündchen. Na, schön und gut! Er führte mich also in ein Kämmerchen, das gerade in der Mitte aller Zellen gelegen war. Diese Zellen aber waren nur durch dünne Ziegelwände getrennt, und die Fugen waren so schlecht verstrichen, daß überall große Ritzen waren; und man brauchte nur das Auge an eine dieser Spalten zu legen, um sofort zu sehen, was in allen Nebenkammern vorging. Kaum waren wir in der Zelle angekommen, und kaum hatte der Bakkalaur den Mund aufgetan, um mir zu sagen, meine Schönheiten – ich glaube, so drückte er sich aus – stächen die Reize der Feen aus, und dann hieß es ›meine Seele‹, ›mein Herz‹, ›mein teures Blut‹, ›mein süßes Leben‹ – und so die ganze Litanei zu Ende, und gerade hatte er mich aufs Bett gelegt, wogegen ich mich nicht im geringsten sträubte, da auf einmal ging es: Tick! Tack! Tack! Der Bakkalaur und alle andern im Kloster, die's hörten, kriegten einen fürchterlichen Schreck. Stell dir vor, es kommt einer plötzlich in 'ne Scheune hinein, wo eine Menge Mäuse sich in einem Nußhaufen gütlich tun – natürlich bekommen die Tierchen es mit der Angst, daß sie kaum noch wissen, wo ihre Löcher sind –, so liefen auch die Klosterleutchen herum, um in ein Versteck zu schlüpfen, und dabei stießen und pufften und drängten sie sich und waren vor Angst vor dem Safrugan ganz außer Rand und Band; es war nämlich der Safrugan des Bischofs, dem das Kloster unterstand, der machte uns mit dem Tick! tack! tack! solche Angst, wie wenn wir Frösche gewesen wären, die wohlgemut am Grabenrand im Grase sitzen; du hast gewiß schon gesehen, wie sie, wenn jemand ruft oder ein Stein ins Wasser plumpst, plötzlich alle miteinander auf einmal kopfüber in den Graben hopsen. Und wie er nun durch den Schlafsaal ging, da fehlte nicht viel, so wäre er in die Zelle der Äbtissin eingetreten, die gerade mit dem Ordensgeneral darüber verhandelte, ob nicht ihre Nonnen anstatt der Vesper eine Morgenandacht halten könnten. Und die Schwester Kellermeisterin erzählte uns, er hätte bereits seine Hand erhoben, um ihr 'nen Puff zu geben oder wer weiß was sonst noch; zum Glück aber besann er sich noch und ging nicht weiter, weil nämlich ein Nönnlein vor ihm auf die Knie fiel, das sich auf den figurierten Gesang verstand wie die Drusiana des Buovo d'Antona2.

Antonia: Oh, das hätte ein Hallo gegeben, wenn er hineingegangen wäre, hahaha!

Nanna: Aber wir kamen nur gerade eben noch mit einem blauen Auge davon, das kannst du mir glauben, denn kaum hatte der Suffragan sich hingesetzt ...

Antonia: Jetzt hast du das Wort richtig ausgesprochen.

Nanna: ... da kommt auf einmal ein Kanonikus, ein Primuzer3, und bringt ihm die Nachricht, der Bischof sei ganz in der Nähe. Sofort steht er auf und begibt sich eiligst nach dem Bischofspalast, um sich zurechtzumachen, denn er mußte dem Bischof entgegengehen. Vorher aber hatte er noch befohlen, das Kloster solle zum Zeichen der Freude mit den Glocken bimmeln. Kaum war er zur Tür hinaus, so kehrte ein jedes wieder zu seiner Bequemlichkeit zurück. Nur der Bakkalaur mußte fortgehen, um im Namen der Äbtissin Seiner Ehrwürdigsten Gnaden die Hand zu küssen. Die anderen aber begaben sich wieder zu ihren Herzallerliebsten, wie Stare sich wieder auf den Ölbaum niederlassen, von dem sie mit seinem Hohoho! der Bauer vertrieben hat, der Knicker, dem es das Herz abfrißt, wenn ein Star ihm eine Olive frißt.

Antonia: Wenn du doch zur Sache kämst! Ich habe ein Ungeduld in mir, wie 's Kindchen, das darauf wartet, daß die Amme ihm die Brust ins Mündchen schiebe. Mir läuft das Wasser im Munde zusammen wie am Osterabend beim Eierschälen, wenn man das lange Fasten hinter sich hat.

Nanna: Es kommt ja schon! Ich war also allein geblieben; in den Bakkalaur hatte ich mich schon verliebt, denn es schien mir nicht recht, es anders zu machen, als es im Kloster Brauch war, Da dachte ich denn dran, was ich in den fünf oder sechs Stunden seit meinem Eintritt ins Kloster gesehen und gehört hatte; und in der Hand hielt ich die Glasstange. Ich äugelte mit ihr wie jemand, der zum erstenmal die greuliche Eidechse erblickt, die in der Chiesa del Popolo aufgehängt ist, und ich war über das Ding verblüffter als über die ungeheuerlichen Gräten jenes Riesenfisches, der bei Corneto auf den Sand geworfen war. Ich konnte mir nicht erklären, warum die Schwestern so große Stücke darauf hielten. Während ich mich nun mit solchen Gedanken beschäftigte, hörte ich auf einmal ein schallendes Gelächter, das einen Toten hätte aufwecken können. Das Lachen wurde immer lauter, und ich beschloß daher nachzusehen, woher es wohl käme. Ich stand also auf und legte erst ein Ohr an eine Ritze; dann, da man im Dunkeln mit einem Auge besser sieht als mit zweien, machte ich das linke zu und guckte mit dem rechten durch ein Loch zwischen zwei Ziegeln, und da sah ich – hahaha!

Antonia: Was denn? Was sahst du denn? Bitte, sag's mir doch!

Nanna: Ich sah in der Nebenzelle vier Nonnen, den Ordensgeneral und drei Mönchlein wie Milch und Blut, die zogen dem ehrwürdigen Vater den Priesterrock aus und bekleideten ihn dafür mit einem Atlaswams. Auf die Tonsur setzten sie ihm eine goldgewirkte Haube und darüber ein Samtbarett, das über und über mit Glasperlen besetzt und mit einem weißen Federbusch geschmückt war. Dann gürteten sie ihm ein Schwert um, und der selige General lallte trunkene Worte und ging breitbeinig wie Held Bartolomeo Coglioni in der Kammer auf und ab. Unterdessen hatten die Nonnen ihre Röcke und die Mönche ihre Kutten ausgezogen, und drei von den Nonnen zogen die Mönchskutten, die Mönche aber zogen die Nonnenkleider an. Die vierte aber legte den Talar des Generals an und setzte sich mit feierlicher Würde hin und spielte den Kirchenfürsten, der den Klöstern ihre Gesetze gibt.

Antonia: Eine schöne Orgie!

Nanna: Wart nur – jetzt fängt es ja erst an, schön zu werden.

Antonia: Wieso denn?

Nanna: Nun, der ehrwürdige Vater rief die drei Mönchlein heran und lehnte sich auf die Schulter des einen, der ein schlank aufgeschossener, zartgebauter Jüngling war. Von den beiden anderen ließ er sich das Hähnchen aus dem Nest holen – das ließ aber gar traurig das Köpfchen hängen. Doch der gewandteste und hübscheste von den beiden Brüderchen legte es auf seine flache Hand und streichelte es mit der anderen Hand, wie man einer Katze den Schwanz streichelt, bis sie vom Schnurren ins Fauchen gerät und sich schließlich nicht mehr halten läßt. Da richtete denn auch das Hähnchen sich stolz empor. Der wackere General aber kriegte die hübscheste und jüngste von den Nonnen zu packen, schlug ihr die Röcke über den Kopf zurück und ließ sie sich mit der Stirn auf die Bettstelle aufstützen. Dann hielt er mit seinen Händen sanft ihre Hinterbacken auseinander – es sah aus, wie wenn er die weißen Blätter seines Meßbuches aufschlüge – und betrachtete ganz hingerissen ihren Popo. Der war aber auch weder ein spitzes Knochengerüst noch ein schwabbeliger Fettklumpen, sondern gerade die richtige Mitte: ein bißchen zitterig und schön rund und schimmernd wie beseeltes Elfenbein; die Grübchen, die man mit solchem Vergnügen an Kinn und Wangen schöner Frauen sieht, sie zierten auch diese beiden Backen, die so zart waren wie eine Mühlenmaus, die in lauter Mehl geboren und aufgewachsen ist. Und so glatt waren alle Glieder des Nönnchens, daß die Hand, die man ihr auf die Lende legte, sofort bis an die Waden herunterfuhr, wie der Fuß auf dem Eise ausrutscht, und Haare sah man auf ihren Beinen sowenig wie auf einem Ei.

Antonia: Da verbrachte wohl der Vater General den ganzen Tag mit seiner andächtigen Bewunderung, he?

Nanna: I, Gott bewahre! Er tunkte seinen Pinsel in den Farbtopf – nachdem er ihn vorher mit Spucke gesalbt hatte – und ließ sie sich drehen und winden, wie die Weiber in den Geburtswehen sich winden oder wenn sie das Mutterweh haben. Und damit der Nagel recht fest stäke, gab er seinem Spinatfreund, der hinter ihm stand, einen Wink; der löste ihm die Hosen, daß sie ihm auf die Hacken fielen, und setzte Seiner Ehrwürden visibilium das Klistier an. Der General aber verschlang mit seinen Augen die beiden anderen Knaben, die sich die beiden Nonnen recht bequem übers Bett gelegt hatten und ihnen die Sauce im Mörser verrieben. Das war ein großer Kummer für die vierte Schwester, die ein bißchen triefäugig und etwas schwärzlich von Haut war, weshalb keiner etwas von ihr hatte wissen wollen. Sie wußte sich aber zu helfen. Sie füllte den gläsernen Tröster mit Wasser – man hatte dem hohen Herrn etwas zum Händewaschen warm gemacht –, setzte sich auf ein Kissen, das sie auf die Erde legte, und stemmte die Fußsohlen gegen die Wand. Dann setzte sie die Riesenschalmei an und stieß sie sich in den Leib – es war, wie wenn ein Degen in die Scheide fährt! Ich war von all der Wonne des Zuschauens ganz aufgelöst und streichelte mein Mäuschen mit der Hand, wie im Januar die Katzen auf den Dächern den Steiß aneinander reiben.

Antonia: Hahaha! Und wie endete der Spaß?

Nanna: Nachdem er nun 'ne halbe Stunde lang raus- und reingerutscht war, sagte der Prälat: »Wir wollen's jetzt alle zusammen machen. Komm her, mein Junge, und küsse mich, und auch du, meine Taube!« Die eine Hand hielt er nun an die Dose der Engelsnonne, mit der anderen liebkoste er die Hinterbacken des hübschen Jungen, und dabei küßte er bald ihn, bald sie und machte dazu ein so schmerzverzogenes Gesicht wie auf Belvedere die Marmorfigur von dem Mann, der inmitten seiner beiden Söhne von den Schlangen getötet wird. Schließlich fingen sie alle zusammen an zu schreien: die Nonnen und die Mönchlein auf dem Bett und der General nebst Unterlage und Rückendeckung und auch die Überzählige mit der venezianischen Glasrübe. Taktmäßig wie Kurrendesänger oder wie Schmiede, die auf das Eisen hämmern, schrien sie los: »Ach! Ach!« Und: »Küsse mich!« Und: »Dreh dich besser zu mir her!« »Die süße Zunge!« »Gib mir sie doch!« »Da hast du sie!« »Stoß feste!« »Wart, es kommt schon!« »Oh, da ist's!« »Drücke mich!« »Hilf mir doch!« – und das alles bald halblaut, bald in den höchsten Tönen und in allen Klängen der Tonleiter. Und das war ein Augenverdrehen, ein Stöhnen, ein Schieben und ein Strampeln, daß Bänke und Schränke und Bett und Tisch und Stühle hin und her schwankten wie Häuser bei einem Erdbeben.

Antonia: Fein!

Nanna: Und auf einmal, da gab's gleichzeitig acht Seufzer tief aus Leber, Lunge, Herz und Seele des Ehrwürdigsten Undsoweiter, der Nonnen und der Mönche. Und diese Seufzer machten einen so starken Wind, daß sie acht Fackeln würden ausgeblasen haben. Und mit diesem Seufzer sanken sie alle erschöpft zu Boden wie Betrunkene, die der Wein niederwirft. Ich war von all dem Zugucken ganz kreuzlahm; vorsichtig zog ich mich von der Spalte zurück, setzte mich aufs Bett und sah mein Glasding an.

Antonia: Halt mal 'n bißchen! Das mit den acht Seufzern ist doch kaum glaublich!

Nanna: Du klaubst zu sehr am Wort herum; höre doch nur weiter!

Antonia: Na, dann bitte.

Nanna: Als ich nun das Glasding ansah, fühlte ich mich ganz aufgeregt – und das war wohl auch kein Wunder, denn beim Anblick solcher Sachen, wie ich sie gesehen, hätte sich wohl selbst bei den Eremiten von Camaldoli was geregt. Und von dem Betrachten des Glasdings fiel ich in tentatione, et libera nos a malo. Ich konnte dem Stachel des Fleisches, der mich aufs Blut peinigte, nicht länger widerstehen. Leider hatte ich kein warmes Wasser wie die Nonne, der ich die richtige Anwendung des kristallenen Stengels abgesehen hatte; aber Not macht erfinderisch: Ich pinkelte ganz einfach in das Ding hinein.

Antonia: Wie machtest du denn das?

Nanna: Es war ein Löchelchen drin, um das warme Wasser hineingießen zu können. Na, um die Sache nicht allzulang zu machen: Fix hob ich mir die Röcke hoch, stemmte das dicke Ende der Stange gegen den Bettrand und setzte mir die Spitze an; dann ließ ich sachte, sachte den Stachel eindringen. Es juckte mächtig, denn das Ding hatte einen dicken Kopf; ich fühlte daher zugleich Schmerz und süße Wonne. Aber die Wonne überwog, und nach und nach belebte sich der gläserne Stachel. Und ganz von Schweiß überströmt, faßte ich mir einen Löwenmut und stieß ihn mir so tief hinein, daß er aufs Haar gänzlich in meinen Tiefen verschwunden wäre. Und wie er so hineindrang, da glaubte ich Todes zu sterben, aber dieser Tod war süßer als das ewige Leben. Nachdem ich nun 'ne gute Weile den Schnabel dringelassen hatte, fühlte ich mich ganz überströmt; da riß ich ihn raus, und beim Rausreißen fühlte ich ein Brennen wie 'n Krätziger, wenn er die Nägel von den Schenkeln wegnimmt. Ich seh mir das Ding an, und ach herrje! Da war's ganz voll Blut. Da fing ich an zu schreien: »Oh, erbarme dich mein!«

Antonia: Warum denn, Nanna?

Nanna: Warum? Na, ich dachte, ich hätte mich auf den Tod verwundet! Ich greife mit der Hand an meine Mimi, und wie ich sie zurückziehe, ist sie ganz naß und rot wie 'n Handschuh von 'nem Bischof im Ornat. Da fang ich an zu schreien und fahr mir mit den Händen in die kurzen Haare, die am Vormittag der Priester, der mich einkleidete, mir gelassen hatte, und stimme den Klagegesang von Rhodos an.

Antonia: Von Rom, Nanna! Denn wir sind doch in Rom.

Nanna: Meinetwegen, von Rom, wenn du das lieber willst. Und ich hatte nicht bloß Angst, ich müßte sterben, als ich das Blut sah, sondern ich hatte auch noch Furcht vor der Äbtissin.

Antonia: Warum denn?

Nanna: Wenn sie was gemerkt hätte und hätte wissen wollen, woher das Blut kam, und wenn sie dann die Wahrheit herausgekriegt hätte, so konnte sie mich ja in Ketten und Banden wie 'nen rüdigen Nickel ins Gefängnis werfen lassen, und wenn sie mir auch keine andere Buße auferlegt hätte, als die Geschichte von dem Blut zu erzählen, wäre das nicht Grund genug gewesen zu weinen?

Antonia: Nein. Warum denn?

Nanna: Warum denn nicht?

Antonia: Du brauchtest ja nur die andere Nonne anzuzeigen, du hättest sie mit dem Glasding spielen sehen. Dann wärst du selber sofort los und ledig gesprochen.

Nanna: Ja, da hätte aber die Nonne sich ebenso voll Blut machen müssen wie ich. Soviel ist gewiß, Nanna fühlte sich sehr ungemütlich! Auf einmal hörte ich an meiner Tür klopfen; schnell trocknete ich mir recht schön die Augen ab, stand auf und antwortete: »Gratia plena«. Dann öffnete ich, und siehe da, man rief mich zum Abendessen. Aber ich hatte ja am Morgen nicht wie 'ne frischgeweihte Nonne, sondern wie 'n Soldatenmädel feste gepräpelt, außerdem war mir vor Angst wegen des Blutes der Appetit vergangen, und so sagte ich, ich wollte den Abend lieber nüchtern bleiben. Dann schob ich wieder den Riegel vor die Tür und setzte mich ganz nachdenklich hin, immer mit der Hand auf meiner Kleinen. Da merkte ich, Gott sei Dank, daß sie nicht mehr tropfte; das machte mir wieder ein bißchen Mut, und, um mir die Zeit zu vertreiben, ging ich wieder an die Wandritze, denn ich sah aus der Nebenzelle einen hellen Schein hindurchfallen. Die Mönche hatten nämlich inzwischen Licht angezündet. Ich sah also hindurch, und da waren sie alle nackt; und gewiß, wenn der General und die Nonnen und die Klosterbrüder alt gewesen wären, so würde ich sie mit Adam und Eva vergleichen oder mit anderen aus dem Seelchengewimmel der Vorhölle. Aber überlassen wir lieber solche Vergleiche den Sibyllen! Der Prälat ließ nun seinen Spinatfreund, ich meine jenen hübschen schlanken Milchbart, auf einen viereckigen Tisch steigen – es war der Eßtisch der vier Christinnen des Antichrist –, und das Bürschchen nahm statt 'ner Trompete einen Stock und setzte ihn an den Mund wie ein Trompeter sein Instrument und ließ eine Fanfare erschallen. Nach dem Taratantara aber rief er aus: »Der Großsultan von Babylon tut allen wackeren Kämpen kund und zu wissen, daß sie allsogleich mit eingelegter Lanze hier auf der Stechbahn zu erscheinen haben. Und wer die meisten Lanzen bricht, der erhält als Preis einen ganz glatten Runden ohne Härchen, woran er die ganze Nacht seine Freude haben kann. Amen!«

Antonia: Ein schöner Heroldsruf! Den hatte ihm gewiß sein Herr und Meister gedichtet. Nu weiter, weiter, Nannchen!

Nanna: Da stellten sie sich nun in Reih und Glied zum Turnier auf. Der Hintere jener schieläugigen Schwarzen, die vorhin soviel Vergnügen von ihrem gläsernen Stengel gehabt, wurde als Stechziel bestimmt, und dann losten sie die Reihenfolge aus. Der Vorritt fiel dem Trompeter zu; er gab einem Kameraden den Stock, um für ihn zu blasen, während er selber ritt, dann spornte er sich mit den eigenen Fingern und bohrte seine Lanze bis ans Heft ins Zentrum der Freundin; und weil der Stoß so gut war wie drei, wurde er mit lautem Beifall belohnt.

Antonia: Hahaha!

Nanna: Nach ihm traf das Los den Prälaten, der legte die Lanze ein und ritt und traf den Freund in dieselbe Stelle, wo dieser die Nonne getroffen hatte. So standen sie fest wie Grenzsteine zwischen zwei Äckern. Das dritte Los traf dann ein Nönnlein, und da sie keine Lanze von Kernholz hatte, nahm sie eine von Glas und jagte sie im ersten Anlauf dem General von hinten hinein, während sie, um auch selber nicht zu kurz zu kommen, die Schellen in ihrem Venustempel unterbrachte.

Antonia: Wohl bekomm's!

Nanna: Gleich darauf kam der zweite Mönch dran, weil er das nächste Los zog; der zielte gut und traf mit dem Pfeil sofort ins Schwarze, die zweite Nonne aber machte es wie ihre Kameradin und stieß die Lanze mit den beiden Kugeln in das Utriusque des Jünglings, der sich von dem Stoß krümmte wie ein Aal. Endlich kamen der letzte und die letzte dran, und da gab's viel zu lachen, denn sie begrub den gläsernen Zuckerstengel, den sie am Morgen beim Frühstück erwischt hatte, tief in den hinteren Schlund ihrer Schwester im Herrn; das Klosterbrüderchen aber, das ganz zuletzt übrigblieb, pflanzte ihr seinen Lanzenschaft zwischen die Hinterbacken. Und das Ganze sah aus wie ein Bratspieß voll verdammter Seelen, die Satanas zu Meister Luzifers Karneval sich fürs Höllenfeuer herrichten wollte.

Antonia: Hahaha! Das muß famos gewesen sein.

Nanna: Die Schieläugige war ein äußerst spaßhaftes Nönnchen und machte, während alle drückten und schoben, die reizendsten Witze von der Welt. Darüber mußte ich so fürchterlich lachen, daß man mich hörte, worauf ich es für geratener hielt, mich zurückzuziehen. Nach einiger Zeit hörte ich in der Nebenzelle jemanden schimpfen und ging wieder an meinen Beobachtungsposten, um zu sehen, wer es gewesen wäre. Aber da fand ich die Spalte mit einem Bettuch verhängt, und so konnte ich das Ende des Ringelstechens nicht mit ansehen und erfuhr auch nicht, wer den Preis davontrug.

Antonia: Du läßt mir ja das Beste weg!

Nanna: Ja freilich – aber nur, weil's mir selber weggelassen wurde. Es ärgerte mich ganz abscheulich, daß ich das Eichel- und Eierspiel nicht weiter mit ansehen konnte. Aber während ich mich noch selber ausschalt, daß ich mich mit meinem Gelächter um die erbauliche Predigt gebracht, hörte ich plötzlich etwas Neues.

Antonia: Was denn? Sag's doch schnell!

Nanna: Durch die Spalten in meiner Wand konnte ich drei Zellen überblicken.

Antonia: Da bestanden wohl die Mauern aus lauter Löchern. Ein Sieb ist ja gar nichts dagegen!

Nanna: Ich denke mir, sie haben sich mit dem Zustopfen der Löcher keine große Mühe gemacht, weil sie auf diese Weise gegenseitig ihr Vergnügen aneinander hatten. Genug – ich höre ein Stöhnen und Seufzen, ein Pusten und Schnaufen, wie wenn da zehn Personen wären, die im Traum der Alp drückte; ich spitze die Ohren und höre – es war an der Wand, die der anderen, hinter der das Lanzenbrechen stattfand, gegenüberlag – und höre in ganz gedämpftem Tone sprechen. Schnell hab ich das Auge an der Ritze, und da sehe ich dir, die Beine hoch in der Luft, zwei Nönnchen, fett und frisch, mit vier Schenkeln weiß und rund und hübsch quabbelig wie Schlickermilch. Jede hielt in der Hand ihre Glasrübe, und die eine hub an und sprach zur anderen: »Was für ein Blödsinn, sich einzubilden, für unseren Appetit genügten solche Schmutzdinger, die nicht küssen können, die keine Zunge haben und keine Finger, um unsere Klaviatur damit zu bearbeiten! Und selbst, wenn sie das alles hätten – ich bitte dich, da die Nachbildungen uns schon solche Wonnen bereiten, wieviel würden wir erst von den lebendigen haben! Ja, wir können wohl mit Recht von uns sagen ›Arme Dinger!‹, wenn wir unsere ganze Jugend hindurch auf diese gläsernen Notbehelfe angewiesen sind!« – »Weißt du was, Schwesterchen?« antwortete die andere, »ich will dir einen Rat geben: komm mit mir!« – »Und wohin gehst du?« fragte jene. »Ich? Sobald es Nacht ist, brenn ich durch und geh mit einem jungen Mann nach Neapel; sein bester Freund reist auch mit, und der wäre gerade dein Fall! Ja, heraus aus dieser Spelunke, aus diesem Grab, und genießen wir unsere Jugend, wie es allen Frauen zukommt!« – Sie hätte gar nicht soviel Worte zu machen brauchen, denn die andere war von leichtem Kaliber und erklärte sich sofort bereit. Sowie sie sich darüber einig waren, warfen sie beide gleichzeitig ihre Glasstengel gegen die Wand; um aber den Lärm zu verdecken, den das machte, schrien sie aus Leibeskräften: Katz! Katz! Katz!, als ob die Katzen ihre Nachttöpfe und was sonst noch an Geschirr da war, zerbrochen hätten. Dann sprangen sie aus dem Bett, packten ihre besten Sachen zusammen und verließen die Kammer. Ich war nun wieder allein, da hörte ich plötzlich ein Klatschen, wie wenn einer mit den flachen Händen auf ein paar nackte Schenkel schlüge, und ein ›Ach!‹ und ›O weh, ich Arme!‹ und ein Geräusch, wie wenn jemand sich mit den Nägeln das Gesicht zerkratzte, sich die Haare raufte und die Kleider zerrisse. Und so wahr ich hoffte, selig zu werden, ich glaubte, unser Glockenturm stände in Flammen! Schnell lege ich das Auge an eine Mauerritze, und da sehe ich, daß es unsere Ehrwürdige Mutter, die Frau Äbtissin, ist, die die Wehklagen des Apostels Jeremias anstimmt.

Antonia: Wie? Die Äbtissin?

Nanna: Die fromme Nonnenmutter, die Beschützerin unseres Klosters.

Antonia: Was fehlte ihr denn?

Nanna: Soweit ich das beurteilen kann, war sie von ihrem Beichtvater ermordet worden.

Antonia: Wieso denn?

Nanna: Mitten in der allerschönsten Arbeit hatte er den Stöpsel aus der Flasche gezogen und wollte ihn ins Moschustöpfchen stecken. Und da war nun die Ärmste ganz außer sich vor Erregung, ganz saft- und schweißüberströmt! Auf die Knie warf sie sich vor ihm und beschwor ihn bei den heiligen Wundenmalen, bei den Schmerzen, bei den Sieben Freuden, beim Paternoster von San Juliano, bei den Sieben Bußpsalmen, bei den Heiligen Drei Königen, beim Stern von Bethlehem und bei den Sancta sanctorum. Aber sie konnte diesen Nero, diesen Kain, diesen Judas nicht dahin bringen, seine Wurzel wieder in ihr Gärtchen zu pflanzen. Und mit einem Gesicht wie Marforio, ganz giftgeschwollen, zwang er sie mit Gebärden und Drohungen, sich umzudrehen und ihren Kopf auf einen kleinen Ofen zu stützen. Und schnaufend wie ein Otter, Schaum vor dem Munde wie ein Oger, pflanzte er ihr seinen Ast in ihre Freudengrotte.

Antonia: Der verflixte Kerl!

Nanna: Und mit einer wahren Henkerslust, für die er tausendmal den Galgen verdient hätte, schob er ihn rein und zog ihn raus und lachte dabei in kindlicher Freude über das Geräusch, das der Zapfen bei diesem Schieben machte. Er hörte sich nämlich an wie jenes Quitsch-quatsch, das die Pilger mit ihren Füßen machen, wenn sie auf einen so kotigen Weg geraten sind, daß manchmal sogar ihre Schuhe drin steckenbleiben.

Antonia: Er verdiente, dafür gevierteilt zu werden!

Nanna: Die untröstliche Äbtissin aber, mit dem Kopf auf dem Ofen, glich der Seele eines Sodomiters im Höllenrachen. Endlich erlaubte ihr der Pater, von ihrem Flehen gerührt, den Kopf wieder zu erheben, und ohne herauszuziehen, trug der Kerl von einem Mönch auf seinem Pflock die Äbtissin zu einem Schemel hin. Auf diesen stützte sich die Märtyrerin und begann nun mit solchem Eifer sich hin und her zu werfen, daß im Vergleich mit ihr der begeistertste Orgelspieler in der Kirche unbeholfen und langsam erscheint. Wie wenn sie gar keine Knochen im Leibe gehabt hätte, drehte sie sich vollkommen um sich selbst. Als wollte sie des Beichtigers Lippen trinken und seine Zunge essen, streckte sie ihre eigene Zunge ganz weit hinaus, und ich kann dir versichern, sie war von der Zunge einer Kuh nicht zu unterscheiden. Schließlich klemmte sie seine Hand zwischen die Ränder ihres Koffers, und der Mönch mußte sich drehen und winden, wie wenn ihn eine Zunge festhielte.

Antonia: O wie köstlich, wie erfrischend! Wie hüpft mir das Herz vor Freuden!

Nanna: Endlich zog der heilige Mann die Schleusen auf, damit die Mühle wieder Wasser aufs Werk bekäme, und vollendete damit seine Arbeit. Dann trocknete er seinen Schlauch mit einem parfümierten Tüchlein ab, die gute Dame aber wischte ihre Flöte aus, und nach einem kurzen Weilchen umarmten sie sich, und der Pater sagte: »O mein Fasänchen, meine Pfauhenne, meine Taube, Seele aller Seelen, Herz aller Herzen, Leben aller Leben, erscheint es dir nicht angemessen, daß dein Narziß, dein Ganymed, dein Engel auch einmal deine Hinterwohnung beziehe?« Sie aber antwortete: »O du mein Gänserich, mein Schwan, mein Falk, Trost aller Tröstungen, Freude aller Freuden, Hoffnung aller Hoffnungen, dünkt es dich nicht recht, daß deine Nymphe, deine Magd, deine Komödie einmal deine Natur in der ihrigen unterbringe?« Damit warf sie sich auf ihn und biß ihn in die Lippen, daß die schwarzen Male ihrer Zähne zurückblieben; er aber stieß einen fürchterlichen Schrei aus.

Antonia: Hu! Welche Wonne!

Nanna: Hierauf nahm die verständige Äbtissin die Reliquie in die Hand, führte sie an ihre Lippen und küßte sie zärtlich und kaute und biß mit andächtiger Inbrunst daran herum – wie ein Hündchen, aus reiner Lust am Beißen, einem die Hand oder das Bein beknabbert, so daß man lachen muß, obgleich es weh tut. So schrie auch der rüdige Mönch, als er die scharfen Zähne Seiner Lieben Frau fühlte, ganz verzückt: »Au! au!«

Antonia: Hätte sie ihm doch ein Stück abgebissen, die Schleckerin!

Nanna: Während in dieser Weise die gute barmherzige Seele von Äbtissin mit ihrem Idol scherzte, klopft es ganz leise an die Tür. Sie horchten beide auf und spitzen die Ohren und hören ein leises Pst! pst! Daran erkannten sie, daß es des Beichtvaters Knabe für alles war, der dann auch gleich darauf hineinkam, denn ihm wurde sofort aufgetan. Und weil er ohnehin längst wußte, wieviel ihre Wolle wog, so genierten sie sich vor ihm nicht im geringsten, sondern die Schelmäbtissin ließ des Paters Pumpenschwengel fahren, ergriff das Spätzchen des Kleinen bei den Flügeln und zitterte vor Lust, mit des Bürschchens Fiedelbogen ihre Geige zu streichen. Und sie sprach: »Mein Lieb, bitte, bitte, tu mir eine Liebe!« – »Gern«, antwortete der Mönch, »was wünschest du?« – »Ich möchte«, sagte sie, »diesen Käse mit meiner Reibe bearbeiten, aber du müßtest gleichzeitig die Pauke deines Patensöhnchens mit deinem Schlägel vertrommeln. Und wenn der Spaß dir Spaß macht, so lassen wir unsere Rößlein galoppieren; wenn nicht, so probieren wir so viele verschiedene Arten, bis wir eine finden, die uns gefällt.« Unterdessen hatte Frau Galassos Hand des Knaben Senftöpflein enthüllt. Als die hohe Frau dies sah, legte sie sich hintenüber, das Vogelbauer stand weit offen, die Nachtigall wurde hineingesperrt, und dann zog sie zu allgemeiner Befriedigung das ganze Paket an sich. Du kannst dir denken, daß es ihr beinahe das Herz abstieß, so ein Ding wie 'ne Art Weltglobus auf dem Bauch zu haben: Es quetschte sie zusammen wie ein Stück Zeug in der Wäscherolle. Zuletzt schüttelte sie die Last ab, denn die beiden anderen hatten inzwischen auch ihre Schüsse abgefeuert. Das Spiel war aus, und nun begannen sie zu schmausen und gössen sich unzählige Gläser Wein hinunter und stopften sich den Wanst mit Gebäck voll.

Antonia: Wie konntest du denn nur die Lust nach 'nem Mann bändigen, da du so viele Schlüssel sähest?

Nanna: Es ist richtig, mir lief das Wasser im Munde zusammen, als ich die Heldentaten der Äbtissin sah; ich hatte ja aber den Glasdolch in der Hand ...

Antonia: Du, weißt du, ich glaube, du schnuppertest alle Augenblicke mal dran, wie man an 'ner Nelke riecht!

Nanna: Hahaha! Na ja, die Scharmützel, die ich mit angesehen, hatten mir Appetit gemacht. Ich goß nun den kaltgewordenen Urin aus der Röhre aus und füllte sie mit frischem, ganz heißem. Dann hielt ich sie unter mich, setzte die Spitze an und dachte daran, sie ins Culisco einzuführen, denn probieren muß man alles, weil man sonst nicht sagen kann, wie die Welt läuft.

Antonia: Das war vollkommen richtig von dir gedacht; so hättest du's nur machen sollen.

Nanna: So rutschte ich mit dem Hintern auf der Stange hin und her, und die Reibung verursachte mir vorne recht angenehme Gefühle; ich schwankte zwischen zwei Entschlüssen und erwog bei mir das Für und Wider, ob ich mir das Argument ganz zu eigen machen sollte oder nur einen Teil desselben. Ich glaube wohl, ich hätte schließlich doch den Hund in den Dachsbau hineingelassen, wenn ich nicht in diesem Augenblick den Beichtvater, der sich inzwischen angekleidet hatte, und seinen Zögling von der wohlzufriedenen Äbtissin hätte Abschied nehmen hören. Da lief ich schnell herzu, um zu sehen, was für Schweinkram sie zum Schluß noch machen würden. Sie spielte das Püppchen und die liebe Unschuld und sagte mit allerlei Grimassen: »Wann kommst du wieder? O Gott, o Gott – wer ist mein süßes Zuckerstengelchen? Wer ist mein angebetetes Männchen?« Und der Pater schwor bei den Litaneien und beim Advent, am nächsten Abend käme er wieder. Und der Junge, der sich noch den Hosenlatz zunestelte, steckte ihr zum Abschied die ganze Zunge in den Mund. Und im Abgehen hörte ich den Beichtvater das Pecora campi aus der Vesper anstimmen.

Antonia: Der Schmutzfink dachte wohl, das wäre 'ne gute Komplete4?

Nanna: Du hast's erraten. Kaum war nun dieser fort, so hörte ich auf der anderen Seite einen gewaltigen Spektakel und schloß daraus, daß auch die Ringelstecher mit ihrem Tagewerk fertig wären und sich Viktoria rufend nach Hause begäben. Und zu guter Letzt ließen sie noch einmal ihre Rößlein seichen, daß es rauschte wie der erste Augustregen.

Antonia: Heiliges Blut!

Nanna: Aber höre, höre – noch eine Geschichte! Die beiden Nönnchen, die mit ihren Bündeln fortgegangen waren, kehrten in ihre Zelle zurück; sie hatten nämlich, soviel ich aus ihrem Brummen und Schimpfen entnehmen konnte, die Hintertür verschlossen gefunden. Das war auf Befehl der Äbtissin geschehen, und auf diese häuften sie mehr Flüche und Verwünschungen, als am Tage des Jüngsten Gerichts die Priester werden anzuhören haben. Aber ihr Weg war doch nicht ganz umsonst gewesen, denn als sie die Treppe heruntergingen, hatten sie den vor zwei Tagen in den Dienst des Klosters eingetretenen Stallknecht schlafend gefunden. Flugs warfen sie ein Auge auf ihn, und die eine sprach zur anderen: »Geh hin und weck ihn auf und sag ihm, er solle dir einen Arm voll Holz in die Küche bringen. Er wird denken, du seist die Köchin und wird gleich mitgehen. Dann zeigst du ihm unsere Zelle und sagst ihm: ›Bring das Holz hier herein!‹ Ist der Spitzbube erst mal hier drinnen, so überlaß es nur deinem Schwesterchen, ihm das Nötige beizubringen.« Diese Worte fielen nicht in taube Ohren, und das Nönnchen machte sich sofort auf den Weg. Während sie fort ist, komm ich 'nem anderen Schlich auf die Spur.

Antonia: Was entdecktest du denn?

Nanna: Neben der Zelle der beiden Nonnen, von denen ich dir eben erzählte, war ein Kämmerchen, das war eingerichtet wie 's Boudoir einer Kurtisane, ganz entzückend niedlich, und darin waren zwei himmlisch schöne Nonnen. Überaus geschmackvoll hatten sie ein Tischchen gedeckt: Ein Tischtuch lag darauf, das sah aus wie blendendweißer Damast und duftete nach Lavendel stärker als das Moschustier nach Moschus. Hierauf legten sie nun Mundtücher, Teller, Messer und Gabeln für drei Personen, so blitzblank und sauber, daß ich's dir gar nicht beschreiben kann. Aus einem Körbchen holten sie eine große Menge Blumen hervor und begannen dann mit viel Sorgfalt den Tisch damit auszuschmücken. Die eine machte in der Mitte einen Kranz aus lauter Lorbeerblättern mit weißen und hochroten Rosen an den Stellen, wo diese sich am besten ausnahmen; die Bänder aber, die den Kranz zusammenhielten und deren Enden hübsch über das Tischtuch gelegt waren, waren mit Orangenblüten geziert. In dem Rund des Kranzes war aus Gurkenkrautblüten der Name des bischöflichen Vikars gebildet, der mit seinem Monsignor am selben Tage angekommen war, und ihm viel mehr als Seiner Großmützigkeit hatte das Glockengebimmel gegolten, wovon ich tausend schöne Sachen nicht gehört hatte, die gewiß recht anmutig zu erzählen gewesen wären. Also für den Herrn Vikar wurde das ganze Fest veranstaltet, wie ich aber erst nachher erfuhr. Die andere Nonne hatte inzwischen in allen vier Ecken des Tisches ein schönes Bild gemacht: in der ersten den Salomonischen Fünfstern aus Veilchen, in der zweiten das Labyrinth aus Holderblüten, in der dritten ein Herz aus blutroten Rosen, von einem Pfeil durchbohrt. Diesen Pfeil bildete ein Nelkenstengel, und die Pfeilspitze stellte die halberschlossene Blume dar, die aussah, als sei sie von dem Blut des verwundeten Herzens besprengt. Über diesem Herzen hatte sie aus Ochsenzungenblumen ihre Augen abgebildet: Die schwarzblaue Farbe sollte bedeuten, daß sie vom Weinen so geworden seien, und die Tränen, die aus ihnen troffen, waren jene Orangenknöpfchen, die sich immer im Nu an den Spitzen der Zweige bilden. In der letzten Ecke befanden sich zwei verschlungene Hände aus Jasmin und darüber ein Fides aus Gelbveigelein. – Als dies alles fertig war, begann die eine einige Trinkgläser mit Feigenblättern zu reinigen, und so eifrig rieb sie, daß es aussah, als wäre das Kristall zu Silber geworden. Unterdessen deckte ihre Kameradin ein linnenes Tüchlein über eine kleine Bank und stellte schön in Reih und Glied die Gläser drauf, in die Mitte aber ein birnförmiges Fläschchen mit Orangenblütenwasser, und darumgeschlungen zum Händeabtrocknen eine Serviette von feiner Leinwand, deren Enden hingen herab wie die Bänder einer Mitra über die Schläfen des Bischofs. Unter der Anrichtebank stand ein kupferner Eimer, der hatte von Sand, Essig und Fleiß der Putzerin einen Glanz gekriegt, daß man sich in ihm spiegeln konnte. Er war randvoll von kaltem Wasser, und in seinem Bauch ruhten zwei Krügelchen aus durchsichtigem Glas, die schienen nicht etwa roten oder weißen Wein zu enthalten, sondern geschmolzene Rubinen und Topase. Nachdem dies alles hergerichtet war, zog die eine Nonne aus einem Koffer das Brot, weiß und locker wie Watte, und reichte es der anderen, die es auf den rechten Platz legte. Dann ruhten sie sich ein bißchen aus.

Antonia: Wahrhaftig, mit solcher Sorgfalt können auch nur Nonnen, denen es auf die Zeit nicht ankommt, eine Tafel ausputzen!

Nanna: Wie sie nun so dasitzen, schlägt ganz zitterig die dritte Stunde5. Da sagt die eine, die's gar nicht mehr erwarten kann: »Mit dem Vikar dauert's länger als die Weihnachtsmesse!« Versetzt die andre: »Kein Wunder, daß er säumt; der Bischof, der morgen firmt, wird ihm was aufgetragen haben.« Sie plauderten nun von tausend Firlefanzereien, damit ihnen das Warten nicht zu lang würde. Aber als wiederum eine geschlagene Glockenstunde vergangen war, da fingen sie an, auf ihn zu schimpfen wie Meister Pasquino auf die Kardinäle, und Lumpenkerl, Schweinehund, Schlappschwanz waren noch Festtagsnamen im Vergleich mit den anderen, die sie ihm gaben. Die eine stürzte ans Feuer, wo zwei Kapaunen schmorten, die waren so fett, daß sie nicht mehr hatten gehen können, und neben ihnen hielt ein Pfau die Wacht mit einem Bratspieß, der sich unter seinem Gewicht bog, als die Nonnen ihn vom Feuer nahmen. Und die eine hätte alles zum Fenster hinausgeworfen, wenn ihre Freundin sie nicht daran gehindert hätte. Während sie sich noch darüber streiten, kommt auf einmal der Stallknecht, der das Holz in die Zelle der beiden Lüsternen bringen sollte. Er hatte sich in der Tür geirrt, obwohl das Nönnchen, das ihm das Holzbündel auf die Schulter gehoben, ihm ganz richtig Bescheid gesagt hatte. Der Esel trat in die andere Zelle ein, in der der Herr Vikarius erwartet wurde, und schmiß seine Ladung Holz auf die Diele. Als dies die Nonnen nebenan hörten, schlugen sie sich die Nägel ins Gesicht und rissen sich die ganze Haut herunter.

Antonia: Was sagten denn die, zu denen der Kerl kam?

Nanna: Was hättest du wohl gesagt?

Antonia: Ich hätte die Gelegenheit beim Schopf ergriffen.

Nanna: Das taten sie auch! Fröhlich über das unerwartete Erscheinen des Stallknechts, wie die Tauben fröhlich flattern beim Anblick neuen Futters, empfingen sie ihn mit königlichen Ehren. Erst schoben sie den Türriegel vor, damit der Fuchs nicht aus der Falle entwischen könnte; dann hießen sie ihn in ihrer Mitte niedersitzen, nachdem sie ihn mit einem blitzsauberen Handtuch abgewischt hatten. Der Stallknecht war ein Bengel von etwa zwanzig Jahren, bartlos, pausbäckig, mit 'ner Stirn wie 'ne Backmulde und 'nem Gesäß wie ein Abt, groß und stark, und mit einem Gesicht wie Milch und Blut, ein rechter Gedankenscheißer, mehr für Festefeiern als fürs Arbeiten – kurz, er paßte ihnen nur zu gut in ihren Kram. Er schwatzte die komischsten Dummheiten von der Welt, als er sich da so an einer Tafel mit Kapaunen und Pfauenbraten sah, schob sich faustgroße Bissen ins Maul wie ein Scheunendrescher und soff wie ein Bürstenbinder. Den Nönnchen aber kam es vor, als dauerte es tausend Jahre, bis er ihnen mit seinem Klöppel durch die Haare führe, und sie stocherten bloß im Essen herum, wie's Leute tun, die keinen Hunger haben. Der Stallknecht hätte getafelt wie ein Fuhrherr, wenn nicht schließlich die Lüsternste die Geduld verloren – wie sie einer verliert, der Eremit wird – und sich auf seine Pfeife gestürzt hätte wie der Hühnergeier aufs Küchlein. Kaum hatte sie ihn drangefaßt, so sprang ein Stück Lanzenschaft hervor, das es mit Bivilacquas6. Hellebarde aufnehmen konnte, ein Ding wie die Posaune auf der Engelsburg, die ihren Bläser in die Luft reißt. Während nun die eine die Hand am Knüppel hatte, räumte die andere den Tisch ab. Ihre Kameradin schob sich den Kleinen zwischen die Beine und ließ sich auf des ruhig sitzen gebliebenen Stallknechts Flöte fallen. Und da sie so stürmisch schob und drängelte wie die Leute auf der Brücke, sobald der Segen erteilt ist, so fiel der Stuhl um und mit dem Stuhl der Stallknecht und die Nonne, und sie schossen einen Purzelbaum wie zwei Affen. Dabei schlüpfte der Riegel aus dem Loch heraus, und die andere Nonne, die inzwischen die Zähne gefletscht hatte wie 'ne alte Stute, kriegte Angst, der Kleine, der nichts auf dem bloßen Kopfe hatte, könnte sich erkälten, und deckte ihn schnell mit ihrem Verbi gratia zu. Darüber geriet ihre Freundin, die nun nicht mehr den dicken Nagel hatte, in solche Wut, daß sie ihr an die Gurgel sprang, und sie würgte, bis sie das Bißchen, was sie gegessen hatte, wieder von sich gab. Die andere drehte sich nach ihr um, ließ Stallknecht Stallknecht sein, und dann verwichsten die beiden Nonnen sich nach Noten wie die glückseligen Eckensteher und Sonnenbrüder.

Antonia: Hahaha!

Nanna: Gerade in dem Augenblick, wo der Kerl aufstand, um sie auseinanderzubringen, fühlte ich, wie sich mir eine Hand auf die Schulter legte, und ganz leise sagte jemand zu mir: »Gute Nacht, mein geliebtes Seelchen!« Ich zitterte vor Schreck am ganzen Leibe, um so mehr, da die Schlacht zwischen den beiden brünftigen Hündinnen – anders kann ich sie nicht nennen – meine Aufmerksamkeit so in Anspruch nahm, daß ich für gar nichts anderes mehr Gedanken hatte. Als ich nun die Hand auf meinem Rücken fühlte, fuhr ich schnell herum und schrie: »Ach Gott, wer ist denn das?« Und ich wollte aus Leibeskräften um Hilfe rufen, da sehe ich, es ist der Bakkalaureus, der mich hatte verlassen müssen, um den Bischof zu bewillkommnen, und da war ich ganz beruhigt. Trotzdem aber sagte ich: »Vater, ich bin nicht so eine! Geht weg! ... Ich will nicht! ... Wahrhaftig, ich werde schreien! ... Lieber ließe ich mir die Adern öffnen! ... Ich tu's nicht, sag ich Euch; nein, nein, ich tu's nicht! ... Gott soll mich vor so was bewahren ... Ihr müßtet Euch ja schämen! ... Was sind das für Sachen?! ... Man wird's erfahren!« ... Er aber sagt zu mir: »Wie kann in einem Cherubim, einem Himmelsthron, einem Seraphim solche Grausamkeit wohnen? Ich bin Euer Sklave, ich bete Euch an, denn Ihr allein seid mein Altar, meine Vesper, meine Komplete und meine Messe. Und wenn's Euch beliebt, daß ich sterben soll: Hier ist das Messer! Durchbohrt mir die Brust damit, und Ihr werdet in meinem Herzen Euren lieblichen Namen mit goldenen Lettern geschrieben sehen!« Mit diesen Worten wollte er mir ein wunderschönes Messer mit silbervergoldetem Griff in die Hand drücken, die Klinge aber war bis zur Hälfte aufs feinste damasziert. Ich wollte es durchaus nicht nehmen und hielt, ohne ihm zu antworten, das Gesicht zur Erde gesenkt. Er aber bestürmte mich mit so vielen Ausrufen und Klagen, daß ich dachte, er sänge ein Passionslied, und bog mir immerzu den Kopf zurück, bis ich schließlich mich besiegen ließ.

Antonia: Das ist lange nicht so schlimm, als wenn eine so tief sinkt, ihre Mitmenschen zu ermorden oder zu vergiften. Es war sogar 'ne frommere Tat von dir als der Monte di Pietà; und jede ehrenwerte Frau sollte sich an dir ein Exempel nehmen. Aber weiter!

Nanna: Und so ließ ich mich denn von seiner Mönchspredigt unterkriegen, worin er mir mehr Lügen sagte als 'ne Uhr, die nicht in Ordnung ist. Er legte mich auf den Rücken mit einem Laudamus te!, wie wenn er am Palmsonntag die Palmenwedel einzusegnen hätte, und mit seinem Singen sang er sich mir so ins Herz, daß ich ihn gewähren ließ. Aber was hätte ich denn nach deiner Meinung machen sollen, Antonia?

Antonia: Nichts andres, als was du tatest, Nanna!

Nanna: So fahre ich denn also fort. Aber höre – kannst du's dir denken?

Antonia: Was denn?

Nanna: Der fleischerne kam mir weniger hart vor als der gläserne!

Antonia: Ein großes Geheimnis!

Nanna: Wahrhaftig! Ich schwör's dir bei diesem Kreuz.

Antonia: Was brauchst du erst zu schwören? Ich glaub dir's ja und glaube es immerdar!

Nanna: Ich spritzte – aber kein Wasser ...

Antonia: Hahaha!

Nanna: ... sondern etwas klebriges Weißes, beinahe wie Schneckenschleim. Er machte es mir also dreimal, mit Respekt zu vermelden, zweimal auf die alt überlieferte Weise, und einmal nach moderner Art; und diese letztere, mag sie erfunden haben, wer will, gefällt mir ganz und gar nicht. Wahrhaftig nicht... nicht ein bißchen gefällt sie mir!

Antonia: Da hast du unrecht!

Nanna: So? Na denn meinetwegen, dann hab ich unrecht! Aber ich sage dir: Wer sie erfunden hat, das war einer, dem alles zum Überdruß geworden war und der bloß noch konnte, wenn er ... na, ich brauch es dir ja nicht zu sagen.

Antonia: Du Nanna, verschwör dich nicht! Das ist 'ne Leckerei, nach der man eifriger hinterher ist als nach Lampreten; das ist 'ne Kost für die ganz feinen Kenner!

Nanna: Wohl bekomm's ihnen. Aber um wieder auf unsere Geschichte zu kommen: Nachdem der Bakkalaureus mir seine Standarte zweimal in der Festung selbst und einmal im Graben aufgepflanzt hatte, fragte er mich, ob ich schon zu Nacht gegessen hätte. Ich bemerkte an seinem Atem, daß er selber sich ganz gehörig den Wanst vollgeschlagen hatte wie 'ne Judengans und antwortete ihm darum: »Ja!« Da setzte er mich auf seinen Schoß, und die eine Hand schlang er mir um den Hals, mit der anderen aber tätschelte er mir bald die Bäckchen, bald die Brüstchen, und diese Liebkosungen untermischte er mit wundersüßen Küssen, so daß ich bei mir selber die Stunde und den Augenblick segnete, da ich Nonne geworden war, denn das Klosterleben schien mir das wahre Paradies zu sein. Und während wir uns solchem Minnespiel hingaben, kam dem Bakkalaureus ein launiger Einfall: Er beschloß, mit mir einen Gang durchs ganze Kloster zu machen. »Denn«, sagte er, »zum Schlafen haben wir ja morgen den ganzen Tag noch Zeit.« Und ich, die ich in vier Kammern so viele Wunder gesehen hatte, konnte es kaum erwarten, in den übrigen noch mehr zu sehen. Er zog sich nun die Schuhe aus, und ich schlenkerte mir die Pantoffeln von den Füßen, und an seiner Hand mich festhaltend, ging ich hinter ihm her und setzte dabei die Fußspitzen so behutsam, wie wenn ich auf Eiern ginge.

Antonia: Halt! Kehr noch mal um!

Nanna: Weshalb?

Antonia: Weil du die beiden Nonnen vergessen hast, die durch den Irrtum des Stallknechts aufs trockene gesetzt waren.

Nanna: Richtig! Mein Gedächtnis hat aber wirklich Löcher, daß es bald mal geflickt werden muß. Also die armen unglücklichen Weiblein mußten ihre Brunft an den Knöpfen der Kaminfeuerböcke auslassen. Sie bohrten sie sich hinein, indem sie sich darüberlehnten, und schlugen mit den Beinen um sich wie die Gepfählten in der Türkei. Und wenn die eine, die zuerst mit dem Tanz fertig war, der Freundin nicht zu Hilfe geeilt wäre, so wäre dieser der Knopf oben zum Munde herausgekommen.

Antonia: Oh! Die Geschichte, die ist aber wirklich großartig! Hahaha!

Nanna: Ich ging also hinter meinem Liebsten her, leise wie Öl, und sieh! da kommen wir zur Zelle der Köchin, die diese in ihrer Vergeßlichkeit halb offen gelassen hatte. Wir werfen einen Blick hinein und sehen sie sich auf Hundemanier mit einem Pilgersmann ergötzen. Er hatte sie – das denk ich mir wenigstens – um eine milde Gabe gebeten, für seine Wanderschaft nach San Jago in Galizien und hatte es gut bei ihr getroffen. Sein Mantel lag zusammengewickelt auf einer Kiste; der Pilgerstab, an dem ein Wunderbild hing, lehnte an der Wand, mit der Tasche voller Brotrinden spielte eine Katze, um die die Liebenden in ihrem Eifer sich nicht kümmerten, ja, sie sahen nicht mal, daß das Fäßchen umgefallen war, so daß aller Wein auslief. Natürlich mochten wir nicht bei einer so plumpen Schäferszene unsre Zeit verlieren, sondern wir eilten zur Kammer der Frau Kellermeisterin und blickten durch die Wandspalten. Sie hatte die süße Hoffnung genährt, ihr Pfarrer werde kommen, aber er hatte sein Wort gebrochen, worüber sie in solche Verzweiflung geriet, daß sie einen Strick an dem Deckenbalken festmachte, auf einen Schemel stieg, sich die Schlinge um den Hals legte und gerade eben mit dem Fuß den Schemel umstoßen und den Mund auf tun wollte, um zu sagen: »Ich vergebe dir!«, da kam ihr Pfarrer vor die Tür, stieß sie auf und sah die Kellermeisterin im Begriff, aus diesem Leben zu scheiden. Er stürzte auf sie zu, fing sie in seinen Armen auf und rief: »Was sind denn das für Sachen? Haltet Ihr mich denn wirklich, mein Herz, für einen Treubrüchigen? Und wo ist Eure göttliche Klugheit? Wo ist sie?« Als sie diese süßen Worte hörte, erhob sie den Kopf wie eine Ohnmächtige, der man kaltes Wasser ins Gesicht gespritzt hat, und sie kehrte zum Leben zurück, wie erstarrte Glieder sich am wärmenden Feuer beleben. Da warf der Pfarrer Strick und Schemel in eine Ecke und legte sie aufs Bett; sie aber gab ihm einen langen Kuß und sagte zu ihm: »Meine Gebete sind erhört worden. Nun wünsche ich, daß Ihr mein Porträt in Wachs vor dem Gnadenbilde zu San Gimignano niederlegen lasset mit der Inschrift: ›Sie empfahl sich ihrer Gnade und wurde erhört!‹« Nachdem sie dies gesagt, hängte der fromme Pfarrer sie an den Haken seines Galgens; aber schon vom ersten Mund voll Ziegenfleisch gesättigt, verlangte er Zickleinfleisch.

Antonia: Ich wollte dir schon längst was sagen, hab's aber immer wieder vergessen. Sprich doch frei von der Leber weg und sag: cu, ca, po und fo7. Sonst versteht dich ja höchstens die Sapienza Capranica8 mit deinem: Schlauch im Ring, Obelisk im Coliseo, Rübchen im Garten, Riegel im Loch, Schlüssel im Schloß, Stempel im Mörser, Nachtigall im Nest, Pfahl im Graben, Blasebalg vorm Ofenloch, Rapier in der Scheide und mit dem Pflock, der Schalmei, der Mohrrübe, der Mimi, der Kleinen, dem Kleinen, den Hinterpomeranzen, den Meßbuchblättern, dem Verbi gratia, dem Ding, der Geschichte, dem Stiel, dem Pfeil, der Wurzel, dem Rettich und dem Scheißdreck, möchtest du ihn – ich will nicht sagen ins Maul kriegen, denn sonst könntest du ja nicht erzählen, was ihr saht, als ihr auf den Fußspitzen durchs Kloster schlichet. Nenn doch das Ja ›ja‹ und das Nein ›nein‹, oder behalt es lieber ganz für dich.

Nanna: Was? Weißt du denn nicht, welchen Wert wir im Puff auf 'ne anständige Ausdrucksweise legen?

Antonia: Nu, nu – dann erzähl nur auf deine eigene Art, und rege dich bloß nicht auf!

Nanna: Na, also der Pfarrer bekam das Zickelfleisch und steckte das Messer hinein, das für so 'nen Braten sich gehört, und hatte 'ne närrische Freude daran zu sehen, wie's raus und rein fuhr. Er tat es mit solcher Herzenslust wie ein Bäckerjunge, der die Faust in den Teig hineinstößt und sie wieder herausholt. Kurz und gut, als Pfarrer Arlotto merkte, daß sein Mohnstengel steif geworden war, trug er die gute Seele von Kellermeisterin auf seinen Armen zum Bett, drückte mit aller Macht das Petschaft ins weiche Wachs hinein und tründelte sich dann vom Kopfkissen nach dem Fußende und wieder zurück, so daß bei diesen Umdrehungen bald die Nonne auf dem Pfarrer lag, bald der Pfarrer auf der Nonne. Und so mit ›Hast du mich und kannst du mich!‹ und ›Hab ich dich und kann ich dich!‹ wälzten sie sich so lange, bis die Hochflut kam und die Bettlakenwiese überschwemmte. Dann fiel der eine hierhin und die andere dahin, schnaufend wie hochgezogene Blasebälge, die ja auch, wenn sie losgelassen werden, immer erst noch etwas Luft von sich geben, ehe sie stillestehen. Wir konnten uns das Lachen nicht verbeißen, als der Pfarrer den Schlüssel aus dem Loch herausgezogen hatte und des zum Zeichen einen so fürchterlichen Wind ließ – mit Respekt vor deiner Nase sei's gemeldet –, daß von dem Krach das ganze Kloster widerhallte. Und wenn mein Bakkalaureus und ich uns nicht einander den Mund mit der Hand zugehalten hätten, so würde man uns gehört haben, und wir wären entdeckt worden.

Antonia: Hahaha! Wer hätte da nicht den Mund bis zu den Ohren aufgerissen?

Nanna: Wir gingen nun weiter, unsere Führung dem Zufall überlassend, der wirklich alles tat, was wir verlangen konnten, und sahen die Novizenmeisterin, die einen Packträger unter ihrem Bette hervorzog. Der Kerl war dreckiger als ein Haufen Lumpen; sie aber sprach zu ihm: »Mein troischer Hektor, o Roland, mein Held! Hier bin ich, deine Dienerin, und verzeih mir die Unbequemlichkeit, die ich dir bereitete, indem ich dich versteckte; es ging eben nicht anders!« Der Strolch schob seine Lumpen beiseite und antwortete ihr mit einem Wink seines Gliedes, und da sie keinen Dolmetscher zur Hand hatte, um ihr diese Zeichensprache zu deuten, so legte sie sie auf ihre eigene Art aus. Der Lümmel fuhr ihr mit seiner Gartenschere in die Hecke, daß sie tausend Funken sah, und schlug ihr mit solcher Wollust seine Wolfsfangzähne in die Lippen, daß ihr die Tränen sektionsweise über die Backen marschierten. Wir konnten's nicht mehr aushaken, die Erdbeere im Bärenrachen zu sehen, und gingen anderswohin.

Antonia: Wohin denn?

Nanna: An eine Ritze, durch die wir eine Nonne erblickten, die sah aus wie die Mutter der Klosterzucht, wie die Tante der Bibel, wie die Schwiegermutter des Alten Testaments. Kaum wagte ich's, sie anzusehen. Auf dem Kopfe hatte sie etwa zwanzig Haare, dick wie Bürstenhaare, voll von Läuseeiern, auf der Stirn waren vielleicht hundert Runzeln, die Augenbrauen dicht und eisgrau, und aus den Augen troff etwas Gelbliches.

Antonia: Du hast scharfe Augen, daß du aus der Ferne sogar die Läuseeier bemerktest.

Nanna: Höre nur weiter! Ihr Mund und ihre Nase waren voll Schleim und Sabber, ihre Kinnladen wie ein beinerner Läusekamm, an dem nur noch die beiden Eckzähne vorhanden sind, die Lippen vertrocknet, das Kinn spitz wie ein Genuesenschädel, und zur Zier waren daran ein paar Haare, die an den Schnurrbart einer Löwin erinnerten, und, glaube ich, hart und scharf waren wie Dornen. Ihre Brüste glichen zwei Hodensäcken ohne Eier, und es sah aus, wie wenn sie mit Bindfäden am Busen angebunden wären, der Bauch – o du himmlische Barmherzigkeit! –, der war ganz rauh, tief eingesunken, und nur der Nabel war vorgetrieben. Allerdings hatte sie dafür ihren Wasserlauf mit Kohlblättern bekränzt, die aussahen, wie wenn ein Grindiger sie einen Monat lang auf dem Kopf gehabt hätte.

Antonia: Der heilige Onufrius trug ja auch ein Schenkenzeichen um seine Scham.

Nanna: Um so besser! Ihre Schenkel waren von Pergament bedeckt, und die Knie zitterten ihr dermaßen, daß man dachte, sie müßte jeden Augenblick hinfallen. Wie ihre Waden, ihre Arme und ihre Füße aussahen, magst du dir selber ausmalen, nur das will ich dir noch sagen: Die Nägel an ihren Händen waren so lang wie der, den Krallenlude als gefährliche Waffe an seinem kleinen Finger trug, aber die ihrigen waren voll Unrat. Sie hatte sich zur Erde gekauert und machte mit einem Stück Kohle Sterne, Monde, Vierecke, Kreise, Buchstaben und tausend andere Firlefanzereien. Und dabei rief sie die Geister der Hölle mit Namen an, die die Teufel selber nicht behalten könnten. Dann ging sie dreimal im Kreise um die von ihr gezeichneten Krähenfüße herum und richtete sich dann hoch auf, das Gesicht dem Himmel zugewandt, wobei sie fortwährend vor sich hin murmelte. Hierauf holte sie ein Figürchen aus ganz frischem Wachs herbei, worin wohl hundert Nadeln hineingesteckt waren – wenn du mal ein Alraunmännchen gesehen hast, so weißt du, wie das Ding aussah –, und legte diese so nahe ans Feuer, daß die Hitze wirken mußte, und drehte sie so, wie man Wachteln und Krammetsvögel dreht, damit sie gar werden, aber nicht anbrennen. Dabei sprach sie:

Feuer, mein Feuer, senge

Den Grausamen, der mich flieht!

Dann begann sie immer schneller zu drehen – schneller als man im Hospital das Brot austeilt, und sprach weiter:

Oh! rührte doch mein Herzeleid

Den lieben Gott der Liebe!

Als nun das Wachsbild anfing, ganz heiß zu werden, rief sie, den Blick auf den Boden geheftet:

Schick, Teufel, meinen Goldmann mir,

Sonst laß mich sterben gleich und hier!

Kaum hatte sie diese Verschen gesagt, so klopft einer an die Tür, ganz atemlos, wie jemand, der in der Küche beim Mausen erwischt ist und seine Füße nicht geschont hat, um seinem Buckel eine Tracht Schläge zu ersparen. Sofort hörte sie auf mit ihrem Hexenkram und öffnete ihm.

Antonia: Ganz nackt, wie sie war?

Nanna: Ganz nackt, wie sie war. Der arme Mensch war der Schwarzen Kunst gefolgt wie der Hunger der Teuerung; er warf ihr die Arme um den Hals und küßte sie nicht weniger inbrünstig, als wenn sie die Rosa oder die Arcolana9 gewesen wäre, und pries ihre Schönheit wie ein Dichter, der Sonette auf seine Tullia macht. Und das vermaledeite Gerippe zierte sich wie eine Kokette und sagte kichernd: »Darf solches Fleisch allein im Bette ruhn?«

Antonia: Brrr!

Nanna: Ich will dir nicht übel machen, indem ich dir noch mehr von der alten Hexe erzähle, denn ich weiß auch nichts mehr von ihr, weil ich nichts weiter sehen mochte. Als der unglückliche Abbate, ein ganz junger Milchbart, sie auf einem Schemel Pedum tuorum bearbeitete, machte ich's wie Masinos Katze, die die Augen schloß, um keine Mäuse zu fangen. Doch zum Schluß! Nach der Alten beobachteten wir die Schneiderin, die sich mit ihrem Meister, dem Schneider, bügelte. Nachdem sie ihn splitternackt ausgezogen hatte, küßte sie ihm den Mund, die Brustzäpfchen, den Trommelschläger und die Trommel, wie die Amme dem Kleinchen, das sie säugt, das Gesichtchen, das Mündchen, die Händchen, das Bäuchelchen, das Pinselchen und das Popochen küßt, wie wenn sie die Milch, die er ihr abgelutscht hat, wieder heraushaben wollte. Natürlich hätten wir gern noch länger die Äuglein an die Spalten gelegt, um zu sehen, wie der Schneider der Schneiderin die Rocknähte auftrennte. Aber plötzlich hörten wir einen Schrei, und nach dem Schrei ein Kreischen, und gleich hinterher ein Oje, oje, und nach dem Oje, oje ein O Gott, o Gott, das uns förmlich ins Herz schnitt. Schnell liefen wir an den Ort, woher das Geschrei drang, das so laut war, daß es unsere Schritte übertönte, und da sahen wir eine Nonne, der guckte ein Kind schon halb aus dem Keller heraus, und gleich darauf spritzte sie's, das Köpfchen voran, vollends aus, was sie mit dem Klang vieler duftiger Winde begleitete. Und als man nun sah, daß es ein Knäblein war, da rief man seinen Vater, den Herrn Guardian, der mit zwei Nonnen reiferen Alters eilends herbeilief, und empfing ihn mit Jubel und stürmischer Ausgelassenheit. Der Guardian aber sagte: »Sintemalen hier auf diesem Tische Papier, Feder und Tinte ist, so will ich ihm die Nativität stellen!« Dann zeichnete er eine Million Punkte, zog Linien kreuz und quer und sprach, ich weiß nicht mehr, was für Zeug vom Hause der Venus, des Mars und des Merkurs, und verkündete sodann der Kumpanei: »Wisset, geliebte Schwestern, dieser mein natürlicher, leiblicher und geistlicher Sohn wird entweder der Messias oder der Antichrist oder Melchisedech werden.« Mein Bakkalaureus zupfte mich am Rock, denn er wollte das Loch sehen, woraus das Kind zum Vorschein gekommen war; ich winkte ihm aber ab und sagte, Schlachtschüssel möchte ich nur vom gemetzgeten Schwein.

Antonia: Donnerwetter, da kriegt man Lust, Nonne zu werden!

Nanna: Jetzt kommt 'ne andere Geschichte: Sechs Tage vor mir war in das Kloster, worin ich mich befand, von ihren Brüdern eine gebracht worden, das war eine ... ich will nicht sagen Schneppe ... ich sage bloß: eine Gott-weiß-was-sie-war; und aus Eifersucht auf ihren Liebsten, der einer von den Vornehmsten im ganzen Lande war, wie ich mir sagen ließ, hielt die Äbtissin sie einsam in einer Zelle eingesperrt und schloß sie nachts mit dem Schlüssel ein, den sie dann bei sich behielt. Der junge Liebhaber hatte bemerkt, daß ein mit Eisenstangen verwahrtes Fenster der Zelle auf den Garten ging; wie ein Specht kletterte er, mit seinen Nägeln sich ankrallend, an der Mauer zu diesem Fenster hinauf und gab dem Gänslein Atzung, soviel er nur hatte. Gerade in der Nacht, von der ich erzähle, kam er zu ihr, preßte sich ans Fenstergitter heran und tränkte sein Hündlein aus der Tasse, die sie ihm hinausstreckte, wobei sie sich mit den Armen an den schnöden Eisenstäben festhielt. Aber gerade als der Honig auf den Fladen troff, wurde ihm die Süßigkeit bitterer als die bitterste Arznei.

Antonia: Wie kam denn das?

Nanna: Der Ärmste kam in solche Verzückung bei dem ›Laß kommen, mir kommt's!‹, daß er die Hände losließ und von der Fensterbrüstung auf ein Dach, vom Dach auf einen Hühnerstall, und vom Hühnerstall auf die Erde stürzte und sich ein Bein brach.

Antonia: Oh, hätte doch die Hexe von einer Äbtissin, die verlangte, daß eine in einem Bordell keusch sei, alle beide gebrochen!

Nanna: Sie tat es ja nur aus Angst vor den Brüdern, die geschworen hatten, sie würden das ganze Kloster, mit allem, was drin sei, niederbrennen, wenn sie nur vom geringsten Skandälchen hörten. Aber um wieder zu unserer Geschichte zu kommen: Der Jüngling, der für seine Liebe den Hundelohn bekommen hatte, brachte mit seinem Lärm alles auf die Beine; eine jede eilte ans Fenster, hob die Läden hoch und sah im Mondenschein den armen Liebhaber zerschmettert daliegen. Zwei Weltpriester mußten aus den Betten ihrer Beischläferinnen aufstehen und wurden in den Garten geschickt; sie nahmen ihn auf ihre Arme und trugen ihn hinaus. Wie man im ganzen Land über diese Geschichte klatschte, brauch ich dir nicht zu sagen. Nach diesem Skandal gingen wir zu unserer Zelle zurück, denn wir bekamen Angst, bei diesem Belauschen fremder Heldentaten möchte uns der Tag überraschen; unterwegs jedoch hörten wir die Stimme eines Klosterbruders, das war ein rechter Schmierfink, aber ein prächtiger Kerl, und er erzählte einer großen Menge von Nonnen, Mönchen und Weltpriestern lustige Geschichten. Sie hatten die ganze Nacht bei Würfel- und Kartenspiel verbracht, und als sie nun des Zechens müde waren, fingen sie an zu schwatzen und baten den Mönch himmelhoch, er möchte ihnen doch was erzählen. Und er sprach: »Ich will euch 'ne Geschichte erzählen, die beginnt sehr lustig und endet sehr traurig, und sie handelt von einem großen Köter.« Alles schwieg nun mäuschenstill, und er begann: »Vor zwei Tagen ging ich über die Piazza und blieb stehen, um einer läufigen Hündin nachzusehen, die mit dem Geruch ihrer Brunft zwei Dutzend kleine Wauwaus angelockt hatte. Ihr Dingelchen war ganz geschwollen und so rot wie glühende Korallen, und fortwährend schnoberte bald mal der eine, bald mal der andere daran. Dies Spiel hatte ein ganzes Rudel Straßenjungen zusammengebracht, die sich darüber amüsierten, wie jetzt einer hinaufhüpfte, zwei Stößchen gab, und gleich darauf ein anderer hinaufhüpfte und ebenfalls seine zwei Stößchen gab. Ich sah der Geschichte mit einem recht salbungsvollen Mönchsgesicht zu, da, pardauz! erscheint ein riesiger Köter, der aussah, als wäre er Statthalter über alle Metzgereien der ganzen Welt; der packte einen von den kleinen und schmiß ihn wütend auf die Erde; dann ließ er ihn los und griff sich 'nen andern, der ebenfalls nicht mit heiler Haut davonkam, worauf sie alle nach allen Seiten auseinanderstoben. Und der große Hund, dem der Schaum vorm Maul stand, machte einen krummen Buckel, sträubte die Haare wie ein Schwein seine Borsten, verdrehte die Augen, knirschte mit den Zähnen, knurrte und sah die unglückselige kleine Töle an. Dann, nachdem er eine Weile ihr Mäuschen beschnüffelt hatte, gab er ihr zwei Stöße, daß sie aufheulte wie die größte Hündin; dann aber glitt sie ihm zwischen den Beinen durch und machte schleunigst, daß sie fortkam. Die kleinen Wauwaus, die an allen Ecken auf der Lauer gestanden, ihr nach, und der Große in voller Wut hinterher. Die Kleine sieht eine Spalte unter einer verschlossenen Tür. Wupp! ist sie drin, und die anderen Hündchen schlupfen auch hinein. Der Hundelümmel aber bleibt draußen, denn er ist so groß, daß er sich in das Schlupfloch der anderen nicht hineinzwängen kann. Da stand er nun, schnappte nach der Tür, scharrte die Erde, heulte und benahm sich wie ein Löwe, der 's Fieber hat. So wartet er 'ne ganze Weile, da hüpft so ein armes Hündchen raus. Schwapp! hat ihn der böse Köter beim Wickel, und ritsch! reißt er ihm ein Ohr ab. Dem zweiten ging's noch schlimmer, und so kam, einer nach dem andern, ein jeder an die Reihe. Die Wauwaus räumten die Gegend mit einer Geschwindigkeit wie die Bauern, wenn Soldaten kommen. Zum Schluß kam das Bräutchen heraus; die packte er an der Kehle, schlug ihr die Fangzähne in die Gurgel und erwürgte sie. Dann jagte er die Gassenbuben und die anderen Leute, die sich dies Hundetheater ansehen wollten, auseinander und heulte den Himmel an.«

Mein Bakkalaureus und ich mochten jetzt nichts mehr sehen noch hören; wir gingen in unsere Zelle, und nachdem wir im Bette noch 'ne Meile geritten waren, schliefen wir ein.

Antonia: Der Mann, der den Dekamerone gemacht hat, soll mir's nicht übelnehmen, aber gegen dich ist er ein Waisenknabe!

Nanna: Das will ich nicht sagen; aber soviel könnte er mir wohl zugeben, daß meine Geschichten lebendig, seine aber nur Gemälde sind. Aber habe ich dir denn nicht mehr zu erzählen?

Antonia: Was denn noch?

Nanna: Zur None stand ich auf. Mein Haushahn hatte mich, ohne daß ich's gemerkt hatte, schon bei guter Zeit verlassen. Ich ging zum Frühstück und mußte unwillkürlich kichern, sooft ich wieder eine sah, die bei der Nacht einen Ausflug nach Kapernaum gemacht hatte. In ein paar Tagen war ich mit allen vertraut, und da erfuhr ich denn, daß ich nicht nur sie belauscht hatte, sondern sie ebensogut mich, nämlich meine Scherze mit dem Bakkalaureus. Nach dem Essen bestieg ein lutheranischer Mönch die Kanzel, der hatte 'ne Stimme wie ein Nachtwächter, so durchdringend und schmetternd, daß man sie vom Kapitol bis zum Testaccio gehört hätte. Der hielt den Nonnen eine Predigt, womit er Dianas Stern hätte bekehren können.

Antonia: Was sagte er denn?

Nanna: Er sagte, nichts sei Mutter Natur verhaßter, als wenn sie sähe, wenn Leute ihre Zeit verlören, denn sie habe sie den Menschen gegeben, um an ihrem Treiben ihr Ergötzen zu haben, und sie habe nun mal ihre Freude dran, wenn ihre Geschöpfe fruchtbar wären und sich mehrten. Vor allem freue es sie, eine Frau zu sehen, die in ihrem Alter sagen könne: »Welt, lebe wohl!« Und vor allen anderen schätze Mutter Natur als köstliche Juwelen die Nönnchen, die dem Gott Cupido Zuckerchen machen. Daher seien die Freuden, die sie uns beschere, tausendmal süßer als die, die sie den Töchtern der Welt gewähre. Und mit dem Brustton der Überzeugung versicherte der Mönch, Kinderchen von Klosterbruder und Klosterschwester stammten vom Dixit und vom Verbum caro. Dann kam er auf die Liebe zu sprechen und begann mit den Fliegen und Ameisen und behauptete mit großer Hitze, alles, was er sagte, wäre so gut, wie wenn es aus dem Munde der Wahrheit selber stammte. Kein Maulaffenpublikum hört so andächtig einem Bänkelsänger zu wie die guten Weiblein dem Prahlhans. Nachdem er zum Schluß mit einem drei Spannen langen Glasding – du verstehst mich schon, he? – den Segen erteilt hatte, stieg er von der Kanzel herab. Zur Stärkung schüttet er sich dann Wein hinunter, wie ein Roß Wasser säuft, und stopfte sich dazu mit Kuchen voll, mit einer Gefräßigkeit wie ein Esel, der dürre Reiser kaut. Geschenke bekam er mehr als ein Priesterchen, das die erste Messe gelesen hat, von der Verwandtschaft erhält, oder eine Tochter von ihrer Mutter zur Hochzeit. Dann empfahl er sich, und die Gesellschaft amüsierte sich mit allen möglichen Possen. Ich selber ging in meine Zelle und war noch nicht lange da, da klopft es, und herein kommt der Chorknabe meines Bakkalaureus, macht mir 'ne höfische Verbeugung und überreicht mir was fein säuberlich Verpacktes, und dazu einen Brief, der war gefaltet wie ein dreikantiger Pfeil oder vielmehr wie das dreispitzige Eisen eines Pfeils. Die Aufschrift lautete – ich weiß nicht, ob ich mich noch darauf besinne ... wart mal –, ja, ja, sie lautete so:

›Was ich in wenigen Worten schlicht gesagt,

Mit Seufzen rief, mit heißen Tränen schrieb –

Nach Eden schick ich's und leg's in meiner Sonne Hand!‹

Antonia: Famos!

Nanna: Drin stand nun eine ellenlange Litanei! Er fing an mit meinen Haaren, die mir in der Kirche abgeschoren waren. Er sagte, er habe sie gesammelt und sich eine Halskette daraus machen lassen. Meine Stirn sei heiterer als der Himmel, meine Augenbrauen glichen jenem schwarzen Holz, woraus man Kämme schneidet, um die Farben meiner Wangen müßten Milch und Karmesin mich beneiden. Meine Zähne verglich er mit Perlenschnüren und meine Lippen mit Granatblüten. Einen großen Lobgesang stimmte er auf meine Hände an; an denen pries er alle Einzelheiten bis zu den Nägeln. Meine Stimme gliche dem Gesang des Gloria excelsis. Dann kam er zu meinem Busen; von dem wußte er Wunder zu melden; zwei Äpfel seien dran, fest wie Schneebälle. Zum Schluß stieg er hinab zum Gnadenquell, von dem er ohne sein Verdienst und Würdigkeit getrunken habe; Manuschristi tröffe daraus, und die Härchen drumherum seien von Seide. Von der Kehrseite der Medaille wolle er schweigen, denn ein Burchiello müßte auferstehen, um auch das geringste Teilchen ihrer Schönheiten würdig zu besingen. Schließlich dankte er mir per infinita saecula für die köstliche Gabe, die ich ihm mit meinem Schatz dargebracht, und schwor, er werde mich bald besuchen, und mit einem ›Leb wohl, mein Herzchen!‹ unterschrieb er sich ungefähr folgendermaßen:

›Der im Gefängnis Eures schönen Busens schmachtend

Die Ketten Eurer Liebe trägt – er schreibt Euch dies!‹

Antonia: Wer hätte da nicht sofort die Röcke hochgehoben, wenn eine ein so prachtvolles Gedicht bekommt?

Nanna: Nachdem ich den Brief gelesen, faltete ich ihn wieder zusammen und barg ihn an meinem Busen, doch erst, nachdem ich ihn zuvor geküßt hatte. Dann öffnete ich die Hülle des Pakets und fand darin ein ganz reizendes Meßbuch, das mein Freund mir sandte, das heißt, ich glaubte, das Geschenk, das er mir schickte, sei ein Meßbuch! Der Einband war von grünem Samt – diese Farbe bedeutet Liebe –, und die Bänder daran waren von Seide: Lächelnd nahm ich's, sah es zärtlich an, küßte es immer wieder und lobte es als das schönste, das ich je gesehen hatte. Dann entließ ich den Boten, und sagte ihm, er möchte seinem Herrn in meinem Namen einen Kuß geben. Als ich allein war, schlug ich das Buch auf, um das Magnifikat zu lesen. Und als ich's geöffnet hatte, sah ich, daß darin lauter Bilder waren, auf denen man sehen konnte, wie die ausgelernten Nonnen sich die Zeit vertreiben. Eine war drin, die hatte ihr Geschirr in einen Korb ohne Boden getan, schaukelte sich an einem Seil und zielte mit dem Ding nach der Eichel einer riesengroßen Stange. Darüber mußte ich so fürchterlich lachen, daß eine Schwesternonne, mit der ich mich ganz besonders angefreundet hatte, herbeilief und mich fragte: »Worüber lachst du denn so sehr?« Ohne mich erst mit dem Strick prügeln zu lassen, sagte ich ihr alles und zeigte ihr das Buch, das wir zusammen besahen, bis wir solche Lust bekamen, die abgebildeten Stellungen mal auszuprobieren, daß wir notgedrungen zum Glasstengel greifen mußten. Meine kleine Freundin klemmte sich ihn so geschickt zwischen die Schenkel, daß er stand wie ein Mannsding, das sich vor der Versuchung bäumt. Dann legte ich mich wie eine von den Frauen auf der Marienbrücke auf den Rücken, schob meine Beine über ihre Schultern, und sie steckte ihn mir bald ins gute, bald ins schlimme Loch, so daß ich gar bald mein Geschäft besorgt hatte. Dann legte sie sich hin, wie ich zuvor lag, und ich vergalt ihr's tausendfach, was sie mir getan.

Antonia: Weißt du, Nanna, was mir passiert, wenn ich dich so erzählen höre?

Nanna: Nein.

Antonia: Na, es kommt ja vor, daß einer an einer Medizin bloß schnuppert und daß sie ihm zwei- bis dreimal durch den Leib geht, ohne daß er sie genommen hätte.

Nanna: Hahaha!

Antonia: Jawohl, ich sehe deine Bilder so handgreiflich vor mir, daß ich naß geworden bin; und ich habe doch weder Trüffeln noch Artischocken gegessen.

Nanna: Siehst du? Vorhin mäkeltest du an den Vergleichen, die ich gebrauche, und jetzt sprichst du selbst in Gleichnissen, wie 'ne alte Muhme, die dem Kleinen Geschichten erzählt und sagt: »Ich hab ein Ding, das ist mein eigen; weiß ist's wie eine Gans und ist doch keine Gans; nun sagt mir, was ist das?«

Antonia: Ich spreche so bloß, um dir Vergnügen zu machen; nur deshalb gebrauche ich verhüllte Worte.

Nanna: Schönen Dank dafür. Aber weiter im Text! Nachdem wir diese Scherzchen miteinander getrieben, bekamen wir Lust, uns nach dem Eingang des Klosters und ans Gitter des Besuchszimmers zu begeben. Wir fanden aber keinen Platz, denn alle Nonnen waren dahin gelaufen wie die Eidechsen in den Sonnenschein. Die Klosterkirche war voll wie Sankt Peter und Paul am Ablaßtag, sogar Mönche und Soldaten drängten sich herzu, und du kannst mir's glauben, denn's ist wahr: Ich sah da den Hebräer Jakob, der in aller Gemütlichkeit mit der Frau Äbtissin plauderte.

Antonia: Ja, die Welt ist gar sehr verderbt!

Nanna: Na, darüber denk ich anders: Wem's nicht paßt, der kann ja gehen. Ich sah da auch einen von den armen gefangenen Türken, die in Ungarn ins Netz gegangen waren.

Antonia: Der hätte sich aber doch sollen taufen lassen!

Nanna: Ja, ob er als Christ getauft war, das konnte ich ihm nicht ansehen; aber gesehen hab ich ihn. Aber ich war ein dummes Luder, daß ich dir versprach, dir in einem einzigen Tage das Leben der Nonnen zu beschreiben, denn sie machen in einer Stunde so viele Sachen, daß ein Jahr nicht ausreicht, sie zu erzählen. Die Sonne will schon untergehen, deshalb will ich's kurz machen wie ein Reiter, der's eilig hat. Er hat zwar großen Appetit, aber kaum nimmt er sich die Zeit, vier Happen zu essen, einen Schluck zu trinken, dann heißt es: Hopp! trapp! ade!

Antonia: Halt mal! Ich möchte dir was sagen. Zu Anfang sagtest du mir, die Welt sei nicht mehr wie zu deiner Zeit; ich verstand das so, daß du mir von den damaligen Nonnengeschichten erzählen wolltest, wie man sie in den Büchern der Kirchenväter liest.

Nanna: Wenn ich dir so was sagte, so habe ich mich geirrt. Ich wollte vielleicht sagen, sie seien nicht mehr so wie in der guten alten Zeit.

Antonia: Dann hat also deine Zunge sich geirrt, nicht dein Herz.

Nanna: Es mag sein, wie du sagst; ich erinnere mich meiner Worte nicht mehr. Aber wir haben ja Wichtigeres vor! Höre nur weiter: Der Teufel versuchte mich, und ich ließ mich von einem jungen Mönch reiten, der ganz frisch von der Universität kam. Indessen nahm ich mich wohl in acht, daß mein Bakkalaureus nichts merkte. Sooft die Gelegenheit günstig war, nahm er mich aus dem Kloster mit zum Essen in die Stadt; übrigens hatte er keine Ahnung, daß ich mit dem Bakkalaureus verheiratet war. So kam er denn auch eines Abends nach dem Ave-Maria ganz unverhofft noch zu mir und sagte; »Mein liebes Puttchen, tu mir doch den Gefallen und komm gleich mit mir; ich bringe dich in ein Haus, wo du dich großartig amüsieren wirst, denn du kriegst nicht nur eine wahre Engelsmusik zu hören, sondern auch eine lustige Komödie zu sehen.«

Ich hatte den Kopf immer voller Flausen und besann mich nicht lange, sondern zog mich um; er half mir meine heiligen Röcke ablegen und kleidete mich in köstlich parfümierte Knabenkleider, die mein erster Liebhaber mir hatte machen lassen; ich setzte mir mein Barettchen aus grüner Seide mit roter Feder und goldener Agraffe auf den Kopf, warf mir den Mantel um die Schultern, und wir gingen miteinander fort. Etwa eines Steinwurfs Weite vom Kloster entfernt trat er in ein langes, aber nur einen halben Schritt breites Gäßchen ein, das keinen Ausgang hatte. Er pfeift ganz sachte, sachte, und sofort hören wir jemanden die Treppe herunterkommen; dann öffnet sich eine Tür, und kaum haben wir die Schwelle überschritten, so empfängt uns ein Page mit einer brennenden weißen Wachsfackel. Bei ihrem Schein stiegen wir die Treppe hinauf und kamen sodann in einen reichgeschmückten Saal; mein Student führte mich an der Hand, und der Page mit der Fackel hob den Türvorhang zu einem Nebenzimmer auf und sagte: »Belieben die Herrschaften einzutreten!« Wir traten ein. Und kaum war ich drinnen, da hättest du sehen sollen, wie alle aufstanden, das Barett in der Hand, wie die Gemeinde in der Kirche, wenn der Prediger den Segen spricht. Wir waren im Gesellschaftshaus aller Lebemänner, die da eine Art Spielklub hatten, und man traf da alle möglichen Mönche und Nonnen, wie man im ›Nußbaum‹ zu Benevent alle Arten von jungen und alten Hexen und Hexenmeistern trifft. Nachdem sich nun alle wieder hingesetzt hatten, hörte ich an allen Ecken und Enden nur von meinem Lärvchen wispern, und – ich sollte mich vielleicht nicht damit berühmen, Toni, aber ich muß es dir doch sagen – ein schönes Lärvchen war's!

Antonia: Das läßt sich denken! Du bist ja noch eine sehr hübsche Alte, und so wirst du gewiß eine sehr hübsche Junge gewesen sein!

Nanna: Wie wir so beim besten Kokettieren waren, ließ sich auf einmal eine Musik vernehmen, die war so köstlich, daß sie mir in Herz und Seele drang. Vier sangen aus einem Notenbuch, und einer spielte dazu eine Laute, deren Silberklang auf ihre Stimmen abgepaßt war, und sie sangen:

Ihr göttlich klaren Augen ...

Hierauf trat eine Ferraresin auf und tanzte so anmutig, daß ein jeder sich darob verwunderte. Sprünge machte sie – ein Böcklein hätte es nicht besser können, und mit einer Geschicklichkeit, o Gott! und mit einer Grazie, Toni!, daß du dich daran gar nicht hättest satt sehen können. Geradezu ein Wunder war's, wie sie das linke Bein heranbog – du weißt? wie's die Kraniche machen –, so daß sie bloß auf dem rechten Fuß stand, und nun fing sie an, sich zu drehen wie ein Kreisel, so daß ihre Röcke, vom Luftzug sich aufblähend, einen schönen Kreis bildeten wie die Flügel einer kleinen Windmühle auf dem Dach eines Gartenhäuschens oder, noch besser, wie jene Papiermühlchen, die die Kinder mit einer Nadel an der Spitze eines Stockes befestigen und womit sie durch die Straßen laufen, jauchzend, wenn sie sich so schnell drehen, daß man sie kaum noch sieht.

Antonia: Gott segne das gute Mädchen dafür!

Nanna: Hahaha! Ich muß lachen: Einer war dabei, den nannten sie – wenn ich mich recht erinnere – ›den lütjen Ciampolo‹, das war 'n Venezianer, der stellte sich hinter 'ne Tür und machte alle möglichen Stimmen nach. Einen Packträger mimte er, gegen den hätte kein Bergamaske was sagen können. Der Kerl redete eine Alte als Madonna an, und der Venezianer antwortete mit der Stimme der Alten: »Was willst du denn von der Madonna?« – »Ach!« sagte er zu ihr, »ich möchte mit ihr sprechen!« Und fing ganz kläglich an zu jammern: »Madonna, o Madonna! Ich sterbe! ich fühle, wie die Lunge mir im Leibe kocht, wie ein Topf voll Kutteln!« Und so ging es fort im Lastträgerstil, daß man sich auf der ganzen Welt nichts Lustigeres denken kann. Dann fing er an, sie zu kitzeln, und lachte dabei und brauchte Schnacke, daß es kein Wunder gewesen wäre, hätte sie darüber die Leidenszeit vergessen und 's Fasten gebrochen. Wie sie so lachen und schäkern, auf einmal kommt ihr Mann dazu, ein alter Jubelgreis, der schon wieder kindisch geworden war. Wie der den Packträger sieht, macht er einen fürchterlichen Spektakel, wie ein Bauer, der Diebe in seinem Kirschbaum sieht, und der andere Kerl schrie bloß immer: »Herr Meister, oh, Herr Meister! hahaha!« und lachte fortwährend und schnitt Gesichter und verrenkte die Glieder wie ein Hanswurst. »Geh mit Gott!« sagte der Alte. »Geh mit Gott, du besoffener Esel!« Dann kam die Magd herein und zog dem Alten die Hosen aus, wobei er seiner Frau alle möglichen Räubergeschichten vom Sophi und vom Türken erzählte. Und die ganze Zuhörerschaft hätte beinahe vor Lachen was in die Hosen gemacht, als er sich die Nesteln aufmachte und dabei einen großen Schwur tat, er wollte nie wieder was essen, was ihm so fürchterliche Blähungen machte. Schließlich ließ er sich zu Bett bringen und schlief ein; dann kam der Packträger wieder und winselte zur Madonna und lachte so viel mit ihr, daß sie sich zuletzt richtig von ihm die Motten aus dem Pelz klopfen ließ.

Antonia: Hahaha!

Nanna: Wie hättest du erst gelacht, wenn du all die Debatten gehört hättest, die sie dabei hielten, dazu die Schelmenspäße des Packträgers, denen übrigens die Zoten von Madonna Machmirsmal durchaus nichts nachgaben. Als nun die musikalische Abendunterhaltung zu Ende war, gingen wir wieder in den Saal, wo ein Gerüst aufgeschlagen war für die Schauspieler, die die Komödie spielen sollten. Gerade sollte der Vorhang aufgehen, als auf einmal jemand heftig an die Tür pochte; er mußte aber so stark klopfen, weil die Gesellschaft mit Lachen und Sprechen einen Lärm machte, daß man ein leises Pochen gar nicht gehört haben würde. Man zog also den Vorhang noch nicht auf, sondern ging an die Tür, um dem Bakkalaureus zu öffnen. Denn der Bakkalaureus war der, der den großen Spektakel machte. Übrigens hatte er keine Ahnung davon, daß ich im Hause und ihm untreu war. Er kommt herein und sieht mich mit meinem Studenten liebäugeln. Das gibt ihm diesen vermaledeiten Klaps, der die Männer blind macht, und mit einer Wut wie der große Köter, der die kleine Hündin totbiß – du erinnerst dich der Geschichte, die der lustige Mönch erzählte! –, fährt er auf mich los, packt mich an den Haaren und schleift mich durch den Saal und die Treppe hinunter. Vergebens waren die Bitten, die alle für mich einlegten (nur mein Student nicht, denn der war sofort verduftet wie 'ne Rakete beim Feuerwerk). Mit unzähligen Puffen und Fußtritten schleppte er mich ins Kloster und verabfolgte mir da in Gegenwart sämtlicher Nonnen eine so gesalzene Tracht Prügel, wie die Mönche sie einem unter ihnen stehenden Klosterbruder zukommen lassen, der das Verbrechen begangen hat, in die Kirche zu spucken. Er verwichste mich mit den Riemen eines Notenpults, und zwar dermaßen, daß von meinem Gesäß ein spannendickes Stück Fleisch abgeschunden war, und was mich noch am meisten fuchste, das war, daß die Äbtissin dem Bakkalaureus recht gab. Acht Tage lag ich krank, salbte mich häufig und wusch mich mit Rosenwasser. Dann ließ ich meiner Mutter sagen, wenn sie mich noch mal lebend sehen wollte, so möchte sie schnell kommen. Und als sie mich so verändert fand, wie wenn ich gar nicht mehr ich selber wäre, da glaubte sie, ich sei vom Fasten und Frühaufstehen krank geworden, und verlangte mit aller Gewalt, ich sollte sofort nach Hause gebracht werden. Mönche und Nonnen konnten reden, soviel sie wollten, sie erklärte, sie ließe mich keinen Tag länger im Kloster. Als ich in unserem Hause ankam, da wollte mein Vater, der vor meiner Mutter mehr Angst hatte als ich vorm Gottseibeiuns, sofort zum Doktor laufen; aber man ließ ihn nicht, und das hatte seine guten Gründe. Ich konnte den Schaden, den mein Unterteil genommen hatte, nicht ewig verbergen, denn da hatte der Riemen getanzt, wie am Abend der heiligen Woche nach dem Gottesdienst die Straßenjungen auf den Altarstufen und vor den Kirchentüren ihre Stöcke klappern lassen. Ich sagte deshalb, ich hätte mich, um mein Fleisch abzutöten, auf eine Wergkratze gesetzt, und dabei wäre mir das passiert. Zu dieser mageren Ausrede zwinkerte meine Mutter mit dem Auge. Sie meinte, die Zähne der Kratze wären mir ja bis ans Herz eingedrungen und nicht bloß in den Popo – (möge der deinige gesund bleiben!) –, aber das beste war, den Mund zu halten, und das tat sie denn auch.

Antonia: Ich fange allmählich an zu glauben, daß du recht hattest, wenn du bedenklich warst, deine Pippa Nonne werden zu lassen ... Und jetzt erinnere ich mich, meine gebenedeite, selige Mutter pflegte immer zu erzählen, in einem Kloster wäre 'ne Nonne, die täte alle drei Tage, als hätte sie alle möglichen Krankheiten von der Welt, so daß alle Ärzte kommen und ihr den Pinkerlich unter die Röcke schieben mußten.

Nanna: Ich weiß ganz gut, wer das war, und habe dir bloß nicht von ihr erzählt, weil meine Geschichte sonst zu lang geworden wäre. – Da ich dich nun heute den ganzen Tag mit meinem Geschwätz hingehalten habe, so möchte ich, daß du auch den Abend zu mir kämest.

Antonia: Ganz wie du wünschest!

Nanna: Du kannst mir ein paar Kleinigkeiten zu machen helfen; morgen nach dem Frühstück gehen wir dann wieder in meinen Weinberg, setzen uns unter diesen selbigen Feigenbaum und machen uns an das Leben der Ehefrauen.

Antonia: Ich stehe ganz zu Diensten.

Nach diesem Gespräch ließen sie alle ihre Sachen im Weinberg liegen und machten sich auf den Weg nach Nannas Haus, ›Zur Sau‹ benannt. Sie kamen dort an, als eben die Nacht hereinbrach, und die kleine Pippa empfing Antonia mit vielen Liebkosungen. Und zur Essenszeit setzten sie sich zu Tische und aßen; dann saßen sie noch ein Weilchen zusammen, und endlich gingen sie zu Bett und schliefen.

Ende des ersten Tages

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