Читать книгу Gesammelte Werke (36 Titel in einem Buch) - Платон - Страница 27
Neuntes Buch
ОглавлениеEs wäre also, fuhr ich fort, nur noch der tyrannische Mensch zu betrachten übrig, nämlich, wie er sich aus dem demokratischen entwickelt, welches Wesen er nach abgeschlossener Entwicklung hat und auf welche Weise er lebt, elend oder glückselig.
Ja, sagte er, diese Betrachtung ist noch übrig.
Weißt du, fragte ich, was ich da nun vorher noch vermisse?
Was denn?
Hinsichtlich der Begierden scheinen wir die Frage über ihre Art und Zahl noch nicht gründlich genug erörtert zu haben. Ist diese Erörterung nun mangelhaft, so wird die Untersuchung der noch vorliegenden Frage etwas unsicher sein.
Ich soll sie also nicht einfordern, fragte er, die erwartete Antwort?
Durchaus, betrachte aber die Seite, die ich an ihnen zuvor ins Auge fassen will, sie ist aber folgende: Unter die vorhin genannten nicht notwendigen Lüste und Begierden scheinen mir einige zu gehören, die jedem sittlichen Gesetze zu widerstreben scheinen. Jeder Mensch zwar ist nun der Gefahr ausgesetzt, solche Begierden in sich zu haben, aber von den Gesetzen sowohl wie von den besseren Begierden mittels Vernunft in Zucht gehalten, verschwinden sie bei einigen Menschen entweder gänzlich oder bleiben nur in geringer Zahl und geschwächt, bei anderen dagegen erscheinen sie in größerer Kraft und Zahl.
Aber was meinst du denn für welche, fragte er, unter den hier angedeuteten Lüsten?
Die, antwortete ich, welche während des Schlafes zu erwachen pflegen, wenn nämlich einerseits der eine Bestandteil der Seele, der Vernunft, Gesittung und Beherrschung jenes begehrlichen Teiles in sich begreift, im Schlafe liegt, und wenn andrerseits der tierische und wilde Teil der Seele, von Speise oder Trank angefüllt, sich bäumt und nach Abschütteln des Schlafes durchzugehen und seine Triebe zu befriedigen sucht. Du weißt, dass letzterer dann in solchem Zustande sich alle möglichen Dinge erlaubt, weil er nun aller Scham und Vernunft los und ledig ist. Denn er trägt kein Bedenken, sowohl seiner Mutter, wie er wähnt, beizuwohnen, als auch jedem anderen Gegenstand seiner Lust, sei es Gott, Mensch oder Tier, er trägt kein Bedenken, sich mit jeder Blutschuld zu beladen, jede Befriedigung seines Gaumens sich zu erlauben, mit einem Worte, weder vor einem Unverstande noch vor einer Unverschämtheit zurückzubleiben.
Wahr ist deine Beschreibung, sagte er.
Wenn dagegen jemand, denke ich, sich in Bezug auf sein Inneres in gesundem und besonnenem Zustande befindet und sich zu Bett begibt, nachdem er den vernünftigen Teil seiner Seele geweckt, ihn mit schönen Gedanken und Betrachtungen genährt hat und zu stiller Selbstprüfung gekommen ist, und dann nachdem er den begehrlichen Teil seiner Seele weder dem Mangel noch der Völlerei überlassen hat, damit er sich ruhig verhält und damit er dem edelsten Seelenbestandteile keine Unruhe verursacht durch ausgelassene Freude oder Kummer, dass er im Gegenteil diesen ganz für sich allein und von allem Körperlichen gesondert betrachten, erstreben und wahrnehmen lässt, was er noch nicht weiß, beziehe es sich nun entweder auf die Vergangenheit oder auf die Gegenwart oder auf die Zukunft; nachdem, er drittens ebenso den zornmütigen Seelenteil gedämpft und nicht etwa vorher mit irgendwelchen Personen in Zornausbrüche geraten ist und mit aufgeregtem Gemüte einschläft, sondern nach Beruhigung der zwei niederen Seelenbestandteile und nach Weckung des edlen dritten, bei dem sich das Denken befindet, zur Ruhe geh, so weißt du, dass der Mensch in diesem Zustande nicht nur am besten die Wahrheit erfasst, sondern dass auch dann die Traumgesichter am wenigsten unsittlich erscheinen.
Ganz vollkommen bin ich allerdings dieser Meinung, sagte er.
Diese letzteren Sätze haben wir indessen als eine Abschweifung vorzutragen uns verleiten lassen, was ich aber tiefer einsehen wollte, ist das: Eine heftige, wilde und unbändige Gattung von Begierden gibt es bei jedem von uns Menschen, wenn auch manche gar ordentliche Leute zu sein scheinen, und hiervon haben wir dem Gesagten zufolge den offenbaren Beweis in den Träumen. Ob ich hiermit eine Wahrheit sage und ob du meiner Behauptung beitreten kannst, überlege.
Ja, ich trete ihr bei.
Stelle dir nun noch einmal den nach der Demokratie geartete Menschen vor, welche Eigenschaften wir ihm zusprachen. Er entstand demnach dadurch, dass er von Jugend an von einem sparsüchtigen Vater erzogen wurde, der allein die auf den Erwerb gerichteten Begierden schätzte, dagegen die nicht notwendigen und nur auf Vergnügen und äußere Pracht gehenden für nichts achtete, nicht wahr?
Ja.
Nachdem er aber mit vornehmeren und von den eben beschriebenen Begierden erfüllten Männern zusammengekommen war und aus Hass gegen die Knauserei seines Vaters sich allem Frevelmut und der Lebensweise jener überlassen hatte, aber im Besitze einer besseren Anlage als seine Verführer, nach beiden Seiten hingezogen wurde, so stand er in der Mitte beider Lebensweisen, und alles, wonach er jedesmal Lust hatte, maßvoll versteht sich, wie er es damals meinte, genießend, führt er weder ein schmutziges noch ein alle Gesetze verachtendes Leben und ist so aus einem der Oligarchie verwandten Menschen ein der Demokratie ähnlicher geworden.
Ja, sagte er, das war und ist unsere Ansicht über einen Solchen.
Stelle dir nun, fuhr ich fort, von einem Solchen, wenn er bereits älter geworden ist, wiederum einen Sohn vor, der ebenso in dessen Sitten erzogen ist!
Ich tue es.
Nun, so nimm auch an, dass dieselben vorhin erwähnten Verführungen um ihn sich wiederholen, in die auch seinen Vater hineingeführt wurde, dass er zu jeder gesetzwidrigen Zügellosigkeit sich hinreißen lasse, was aber von seinen Anführern nur Freiheit geheißen wird, dass jenen die Mitte haltenden Begierden der Vater und die übrigen Verwandten noch einigen Beistand leisten, dass andererseits jene Verführer dagegen agieren, dass endlich jene gewaltigen Verzauberer und Tyrannenfabrikanten, falls sie auf andere Art den jungen Menschen nicht mehr in ihren Fesseln zu halten hoffen können, ihm durch Intrige eine Liebschaft beibrächten, die dann die Vorsteherin der faulen und das Vermögen nur verwirtschaftenden Begierden ist, eine recht geflügelte und große Drohne, oder glaubst du, dass die Liebesbegierden solcher Leute etwas anderes sei?
Meines Bedünkens, sagte er, nichts anderes als dies.
Wenn dann die übrigen Begierden diese Leidenschaft mit wohlriechenden Düften, Salben, Kränzen, Wein und den in solchen Gesellschaften ausgelassenen Vergnügungen umschwirren, und wenn sie diese nicht nur bis aufs höchste steigern und stärken, sondern dieser Drohne noch den Stachel der Sehnsucht einsetzen, dann hat dieser Vorsteher der Seele schon eine Leibwache an der Unvernunft und tobt. Und wenn er etwa noch einige früher auf guten Glauben angenommene gute und noch Scham empfindende Empfindungen und Gefühle in seinem Inneren ertappen sollte, so erwürgt er sie teils, teils verbannt er sie aus seinem Inneren, bis er sich von der die Begierden im Zaume haltenden Besonnenheit gereinigt, dafür aber mit selbstverschuldetem Wahnsinn angefüllt hat.
Vollkommen zutreffend, sagte er, beschreibst du die Entwicklung des tyrannischen Mannes.
Nicht wahr, fragte ich, daher heißt auch schon von alters her wegen dieser Eigenschaft Eros ein Tyrann?
Ja, sagte er, mag sein.
Und hat nicht, mein Lieber, fuhr ich fort, auch der Berauschte einen dem Tyrannen verwandten Sinn?
Freilich.
Und der Rasende und Verrückte erst sucht und hofft nicht nur über Menschen, sondern auch über Götter herrschen zu können?
Ja, sicher, erwiderte er.
Ein der tyrannischen Staatsverfassung ähnlicher Mensch, sprach ich weiter, entsteht aber erst vollständig, wenn es entweder durch angeborene Anlage oder durch Lebensweise oder durch beides trunksüchtig, ein Liebesnarr und irrsinnig geworden ist.
Ja, ganz richtig.
Was also die Entstehung eines tyrannischen Menschen anlangt, so geschieht sie offenbar auf die besagte Weise. Die andere Frage ist nun: Wie lebt er?
Dies, wie es im Spiele heißt, sollst du mir auch sagen, bemerkte er.
Nun denn, sagte ich, ich meine nämlich, hierauf werden bei ihnen Feste mit lustigen Umzügen, Gelagen, Freudenmädchen und alles dergleichen gehalten, wobei Eros als Tyrann im Innern wohnt und alles in der Seele beherrscht.
Notwendig, sagte er.
Werden nun nicht Tag und Nacht noch viele heftige Begierden daneben aufsprießen, die gar viel nötig haben? Viele freilich.
Wenn einige Einkünfte da sind, so werden sie also bald erschöpft sein?
Allerdings.
Und hernach gibt's offenbar Schulden und Vermögensveräußerungen?
Was denn sonst?
Wenn nun aber alles ausgeht, müssen da nicht die vielen heftigen eingenisteten Begierden ein Geschrei anfangen, und müssen diese Menschen dann nicht sowohl von den übrigen Begierden, als auch ganz besonders vom Eros, der alle übrigen wie seine Söldner anführt, wie von Stacheln getrieben wütend umher schwärmen und auskundschaften, wer etwas habe, dem man es mit List oder Gewalt abnehmen könne?
Ja, sagte er, ganz gewiss.
Notwendigerweise müssen sie also von überall her zusammenraffen, oder sie werden von schrecklichen Schmerzen und Wehen geplagt.
Ja, notwendig.
Wie nun bei jenem tyrannischen Menschen die neu hinzugekommenen Lüste vor den alten den Vorzug haben und ihnen das Ihrige entreißen wollten, wird nicht ebenso auch er selbst kein Bedenken tragen, vor Vater und Mutter, obwohl er jünger ist, den Vorrang zu haben und sie berauben zu wollen, nachdem er sein Erbteil, das er sich hatte geben lassen, durchgebracht hat?
Ja, ohne Zweifel, sagte er.
Wenn die Eltern es ihm aber nun nicht gestatten sollten, so würde er erstlich den Versuch machen, seine Eltern zu bestehlen und zu betrügen?
Auf alle Weise.
Wenn er es aber nicht vermöchte, so würde er hierauf sie plündern und mit Gewalt berauben?
Ja, ich glaube es, sagte er.
Wenn aber nun der alte Mann und die alte Frau sich ihm entgegenstellten und zur Wehr setzten, würde er da wohl, mein Bester, Scheu und Mäßigung haben, um keine der ärgsten Tyrannenhandlungen zu verüben?
Ich meinerseits, antwortete er, prophezeie den Eltern eines Solchen gar nichts Gutes.
Nun, bei Zeus, Adeimantos, hältst du gar einen solchen für fähig, dass er wegen einer erst kürzlich ihm befreundeten Geliebten, an die er gar nicht durch enge Bande gebunden ist, seine längst befreundete und durch die Natur mit ihm verbundene Mutter, oder wegen eines erst kürzlich befreundeten und gar nicht mit ihm durch ein enges Band verbundenen jugendlichen Lieblings seinen altersschwachen und durch die Natur mit ihm verbundenen Vater, den ältesten seiner Freunde, mit Schlägen misshandelt und sie jenen dienstbar macht, wenn er sie in demselben Hause zusammengebracht haben sollte?
Ja, bei Zeus, sagte er, ich halte ihn dessen fähig.
Eine ungeheuer große Glückseligkeit, sagte ich, ist es also, wenn man einen tyrannischen Sohn erzeugt hat!
Ja, sagte er, eine gewaltige!
Und wie weiter? Wenn nun das Vater und Mutter gehörige Vermögen einem solchen Menschen ausgeht, dabei aber der Schwarm der Lüste in ihm sich ungeheuer groß angesammelt hat, wird er da nicht zuerst an einem Hause einbrechen oder einem zur Nachtzeit späten Spaziergänger nach dem Mantel greifen und nach diesen Anfängen später einen Tempel gründlich ausräumen? Und während aller dieser Verbrechen werden nun natürlich von seinen erst neulich aus der Zucht entkommenen und die Leibwache des Eros bildenden Begierden mit dessen Hilfe jene von Kindheit über Sittlichkeit und Unsittlichkeit auf guten Glauben sich angeeigneten Lehren, an denen er bisher noch hielt, überwunden, von ihnen, die früher sich nur im Traume während des Schlafes freimachten, als ihr Inhaber noch unter sittlichen Gesetzen und unter seinem Vater mit einer noch demokratischen Verfassung seines Inneren lebte. Aber nachdem von Eros seine Seele eine tyrannische Verfassung erhalten hat, wird er nun wirklich wachend immerfort so ruchlos, wie er früher selten im Traum war, wird er sich keiner gräulichen Mordtat, keiner Gaumenbefriedigung und keiner Schandtat enthalten, es lebt ja in seinem Inneren tyrannisch der Eros in aller Zügel- und Gesetzlosigkeit, und da er allein zur absoluten Herrschaft gelangt ist, so wird er den von ihm besessenen Menschen, wie der Tyrann einen Staat, zu jedwedem Wagnis führen, um daher sich selbst sowohl wie den lärmenden Schwarm, der ihn umgibt, unterhalten zu können, sowohl den infolge schlechten Umgangs von außen eingedrungenen als auch den in seinem Inneren ursprünglich vorhandenen, die aber erst von eben solchen schlechten Sitten und von ihm selbst losgelassen und entfesselt wurden. Oder ist dies nicht das Leben solcher Menschen?
Ja, sagte er, das ist es.
Wenn nun, fuhr ich fort, nur wenige von solchem Schlage in einem Staate sich befinden und die übrige Bevölkerung ein vernünftig sittliches Leben führt, so werden sie auswandern und bei einem anderen Tyrannen Leibwächter werden oder als Hilfstruppen sich verdingen, falls Krieg wäre, wenn sie aber in einer ruhigen Friedenszeit leben, so richten sie natürlich daheim in ihrem Staate mancherlei kleine Übel an.
Was für welche meinst du denn?
Zum Beispiel Diebstähle, Einbrüche, Beutelschneidereien, Kleiderplünderei, Tempelraub und Seelenverkäufereien. Bisweilen auch werden sie, wenn sie Fertigkeit der Rede haben, sich zu hinterlistigen und bösartigen Anklagen, zu falschen Zeugnissen, zu Bestechungen hergeben.
Nur klein, sagte er, kannst du die Übel nennen, wenn dergleichen Leute nur wenige sein sollten!
Ja, sagte ich, allerdings sind die klein genannten Übel im Vergleich zu großen klein, und alle die hier aufgezählten Übel reichen bekanntlich, wenn sie neben das einem Staate von einem wirklichen Tyrannen zugefügte Verderbnis und Elend gestellt werden, letzterem, wie man zu sagen pflegt, kaum das Wasser. Denn wenn viele von solchem Schlag in einem Staate da sind und viele andere auch sich ihnen zugesellen, und wenn diese dann sich als die Mehrzahl fühlen, so sind sie es dann sicherlich, die mit Hilfe des Unverstandes des gemeinen Volkes den Tyrannen erzeugen, und zwar denjenigen, der ganz besonders den größten und stärksten Tyrannen von Leidenschaft in seiner Seele trägt.
Natürlich wohl, sagte er, denn er ist zum wirklichen Tyrannen am besten gemacht.
Wohl, falls sich die Leute nämlich gutwillig unterwerfen, wenn es aber seine Mitbürgerschaft nicht zugeben sollte, so wird er, wie er vormals Mutter und Vater Gewalt antat, so auch hier wiederum sein Vaterland, falls er es vermag, sich mit Gewalt unterwürfig machen, indem er sich noch neue Helfershelfer zu den vorigen dazu erwirbt, und er wird nun das ihm längst befreundete Mutterland und Vaterland, wie die Kreter sich ausdrücken, im Zustande der Sklaverei halten. Und das wäre denn das endliche Ziel der Begehrlichkeit eines solchen Menschen.
Ja, sagte er, das ist's allerdings.
Nicht wahr, sprach ich weiter, im Bürgerstande und ehe sie zum Herrscherthrone gelangen, zeigen die eben beschriebenen tyrannischen Menschen von folgender Art. Was ihren Umgang betrifft, so gehen sie entweder nur mit Schmeichlern und mit Leuten um, die immer bereit sind, auf ihre Winke zu warten, oder sie selbst, wenn sie etwas bedürfen, machen schmeichelnde Bücklinge und nehmen alle möglichen Freundschaftsmienen an, aber nach Durchsetzung ihres Planes stellen sie sich wieder fremd!
Ja, gar sehr zeigen sie diesen Charakter.
In ihrem ganzen Leben also leben sie mit niemandem je in wahrer Freundschaft, sondern sie bringen ihr ganzes Leben hin, indem sie über einen den Despoten spielen oder einem andren sklavisch kriechen. Wahre Freiheit und Freundschaft aber hat eine tyrannische Natur in ihrem Leben nicht gekostet.
Ja, allerdings.
Daher werden wir erstlich solche Leute ganz richtig als treulos bezeichnen dürfen?
Jawohl!
Ferner als ungerecht im höchsten Grade, falls unsere früheren Bestimmungen über das Wesen der Gerechtigkeit in Ordnung waren?
Und das waren sie doch, sagte er.
Lass uns also, fuhr ich fort, den Schlechtesten noch einmal zusammenfassen: sein Wesen besteht darin, dass er wachend so ist, wie der vorhin Beschriebene im Traume war.
Allerdings.
Und nicht wahr, dahin kommt es bei jenem, der von Geburt aus die größten Anlagen zu einem Tyrannen hat und auch auf den Thron einer Alleinherrschaft gelangt, und je längere Zeit er auf einem Tyrannenthrone sitzt, umso mehr wird er so werden?
Notwendig, antwortete Glaukon, der hier wieder das Wort nahm.
Wer sich, fuhr ich fort, als der Schlechteste gezeigt hat, zeigt sich an diesem nun auch, dass er der Unglückseligste ist? Ferner dass der, welcher am längsten auf einem Tyrannenthrone gesessen hat, auch am längsten der Unglückseligste war? Denn die große Menge hat hierüber auch eine große Menge anderer Ansichten.
Ja, sagte er, jene Fragen müssen notwendig bejaht werden.
Das ist doch, fragte ich nun, eine ausgemachte Wahrheit, dass der tyrannische Mensch dem tyrannisch beherrschten Staate ähnlich ist, das demokratische dem demokratisch verwalteten, und so weiter?
Ohne Zweifel.
Und daraus folgt der Satz: In welchem Verhältnisse ein Staat zu einem anderen hinsichtlich Tugend und Glückseligkeit steht, in demselben steht auch der einzelne Mensch zu einem anderen?
Allerdings.
In welchem Verhältnisse steht nun in Bezug auf Tugend ein tyrannisch beherrschter Staat zum königlich regierten, wie wir ihn in der ersten Beschreibung hingestellt haben?
Gerade in dem entgegengesetzten, erwiderte er, der eine ist der beste, der andere ist der schlechteste.
Ich will nicht fragen, fuhr ich fort, welchen von beiden du so und welchen du so nennst, denn es versteht sich von selbst, sondern ich frage jetzt nach ihrem Verhältnisse in Bezug auf Glückseligkeit und Unglückseligkeit. Lautet hier dein Urteil ebenso oder anders? Und lassen wir uns hier nicht bestechen durch den Anblick der einen Person des Tyrannen und der wenigen ihn umgeben, sondern bedenke, dass wir erst den gesamten Staat in Augenschein nehmen, ja dass wir in jeden Winkel desselben hinabsteigen müssen, und erst nach solchem Augenscheine dürfen wir unsere Meinung aussprechen!
Ja, sagte er, diese deine Aufforderung ist ganz am rechten Orte, und allen muss es klar sein, dass ein tyrannisch beherrschter Staat der unglücklichste, dagegen ein königlicher der glückseligste ist.
Es ist, sprach ich weiter, folglich auch am rechten Orte, wenn ich auch in Bezug auf die jenen beiden Staaten entsprechenden Menschen dieselbe Aufforderung tue und verlange, dass nur jener ein Urteil über sie fällen könne, der imstande ist, mit dem Blick seines Verstandes in das Gemüt eines Menschen einzudringen und da eine genaue Besichtigung anzustellen, und der nicht wie ein Kind beim äußeren Anblick sich bestechen lässt von der hohen Rolle der Tyrannen, die sie gegen die Außenwelt annehmen, sondern der den durchdringenden Blick eines reifen Verstandes hat? Wenn ich also meinte, wir alle müssten hierin auf denjenigen hören, der hier zu einem Urteil fähig ist, und der auch mit einer Tyrannen unter demselben Dach gewohnt hat und ihm zur Seite stand sowohl in seinen häuslichen Handlungen im Verhalten zu seinen Hausgenossen, wobei er am meisten von seinem theatralischen Pomp entblößt gesehen werden kann, als auch gleicherweise bei wichtiger Staatshandlungen, und wenn wir also einen Augenzeugen aller dieser Tatsachen den Urteilsspruch verkünden ließen, in welchem Verhältnisse der tyrannische Mensch in Bezug auf Glückseligkeit und Unglückseligkeit stände?
Ja, sagte er, auch diese Aufforderung würde an ihrem Orte sein.
Wäre es dir nun genehm, fuhr ich fort, wir stellten uns an, als gehörten wir zu den Richtern, die erstlich hierin zu einem Urteil fähig sind, und die auch mit solchen Menschen bereits Erfahrungen machten, damit wir einen haben, der auf unsere Fragen antworten kann?
Jawohl.
Wohlan denn, sprach ich weiter, und hilf mir, die dem Urteilsspruche vorauszuschickende genauere Untersuchung auf folgende Weise anstellen: Mit Erinnerung an die Ähnlichkeit des Staates und des einzelnen Menschen schaue bei ihnen jedesmal herüber und hinüber und berichte uns die Zustände jedes von beiden!
Welche Zustände denn? fragte er.
Wirst du erstlich, sagte ich, um mit dem Staate zu beginnen, dem tyrannisch beherrschten Staate Freiheit oder Knechtschaft beilegen?
Im höchsten Grade Knechtschaft, war seine Antwort.
Und doch kannst du in ihm Herren und Freie wahrnehmen.
Nur ganz Wenige sehe ich davon, sagte er, die Gesamtheit dagegen, darf man sagen, und der edelste Teil schmachtet in schmählicher und unseliger Knechtschaft.
Wenn nun, fuhr ich fort, ein einzelner Mensch diesem Staate ähnlich ist, muss in jenem nicht nach einer notwendigen Folge dasselbe Verhältnis statthaben? Muss nicht von Sklavensinn und Niederträchtigkeit seine Seele gebeugt sein, und müssen nicht jene Seelenbestandteile, die ursprünglich die edelsten waren, in Sklaverei sich befinden, während dagegen der geringste, schlechteste und tollste Teil über jene den Herrscherstab schwingt?
Ja, notwendig, sagte er.
Wie sieht es also aus? Wirst du die Eigenschaft der knechtischen Sklaverei oder die der Freiheit einer solchen Seele beilegen?
Ich meinerseits lege ihr die der knechtischen Sklaverei bei.
Der in Sklaverei und in Tyrannei sich befindende Staat kann außer dem am allerwenigsten tun, was er vernünftig will, nicht wahr?
Kein Zweifel.
Sonach wird auch die tyrannisch beherrschte Seele, wenn von der ganzen die Rede ist, am allerwenigsten tun können, was sie vernünftig wollen sollte, immer von einem Stachel fort getrieben, muss sie immer voll Schrecken und Reue sein.
Ja, das muss sie.
Zudem: Reich oder arm ist nach notwendiger Folge der tyrannisch beherrschte Staat?
Arm.
So muss demnach auch die tyrannisch beherrschte Seele immer arm und heißhungrig sein.
Ja, sagte er.
Ferner: Muss nicht der hier gemeinte Staat und der ihm entsprechende Mensch auch notwendig von Furcht erfüllt sein?
Ja, in hohem Grade.
Klagen, Seufzer, Tränen und Leid, wird man die wohl in einem anderen Staate häufiger antreffen? Keineswegs.
Was nun wieder den einzelnen Menschen anlangt, sind nach deiner Ansicht dergleichen Unheil in einem anderen häufiger vorhanden als bei dem, der vor Begierden und Liebschaften den Verstand verloren hat, nämlich bei dem tyrannischen?
Unmöglich, sagte er.
All dieses und dergleichen hast du also gesehen, glaube ich, als du den hier in Rede stehenden Staat unter den Staaten für den unseligsten erklärt?
Und nicht mit Recht? fragte er.
Ja, sicher, antwortete ich, aber was hast du für andererseits ein Urteil über den tyrannischen Menschen im Hinblick auf eben dasselbe?
Dass er unter allen übrigen, sagte er, bei weitem der Unglückseligste ist.
Dieses, bemerkte ich, ist hier nicht mehr richtig gesagt.
Warum? fragte er.
Jener ist, sagte ich, meiner Meinung nach, noch nicht der Unglückseligste von allen.
Aber wer denn sonst?
Folgender scheint dir vielleicht noch unglücklicher zu sein als jener.
Welcher?
Wer, fuhr ich fort, von Geburt mit einer Tyrannenseele begabt kein bürgerliches Leben verlebt, sondern das Unglück hat und von irgendeinem schlimmen Zufall die Gelegenheit bekommt, zu einem Tyrannenthrone zu gelangen.
Ja, sagte er, ich vermute aus den vorhergehenden Andeutungen, dass du recht hast.
Gut, sagte ich, aber in dergleichen Dingen darf man sich nicht mit Mutmaßungen begnügen, sondern muss sie noch recht gründlich einer entsprechenden Untersuchung unterwerfen, denn sie betrifft den allerwichtigsten Gegenstand in der Welt: nach dem guten und schlechten Leben.
Ja, ganz recht, sagte er.
So gib denn acht, ob ich gründlich verfahre: Mich dünkt nämlich, wir müssten den Zustand jenes wirklichen Tyrannen gründlich einsehen, wenn wir bei unserer Untersuchung von dem Standpunkte folgender Leute ausgehen.
Vom Standpunkte welcher Leute denn?
Von dem jedes Einzelnen der Menschen, die als reiche Leute in Städten eine Menge von Bediensteten haben, denn diese haben darin wenigstens mit den Tyrannen eine Ähnlichkeit, dass sie über viele herrschen, nur die Zahl ist bei jenen größer.
Ja, das ist der Unterschied.
Dir ist doch bekannt, dass diese Leute ganz getrost leben und vor ihren Hausgenossen gar keine Furcht haben?
Was sollten sie auch fürchten?
Gar nichts, erwiderte ich, und du siehst auch die Ursache hiervon ein?
Freilich, weil ja die ganze Stadt jedem Einzelnen Beistand leisten kann.
Richtig bemerkt, sagte ich, aber wie wird die Sache in folgendem Falle stehen? Wenn irgend einer der Götter einen einzigen Mann, der fünfzig oder mehr Bedienstete hätte, samt Frau und Kindern aus der Stadt nähme und ihn mit seiner übrigen Habe und seinen Bediensteten in eine Wüste versetzte, wo ihm gar niemand von den freien Menschen im Falle der Not zu Hilfe kommen könnte, in welcher und in wie großer Todesfurcht über sich, über Kinder und Frau wird dann dieser sich deines Erachtens vor seinen Bediensteten befinden?
In der allerärgsten, meine ich, war seine Antwort.
Er würde in die Notwendigkeit versetzt werden, nunmehr einigen selbst aus der Anzahl der Bediensteten zu schmeicheln, mancherlei Versprechungen zu machen, die Freiheit zu schenken, und zwar ohne allen Grund, und müsste nicht er, der Herr, sich als einen Schmeichler seiner Diener bloßstellen?
Ja, sagte er, das müsste er unbedingt tun, oder er müsste zugrunde gehen.
Wie würde es aber endlich aussehen, fuhr ich fort, wenn jener Gott noch viele andere als Nachbarn rings um ihn ansiedelte, die es nicht ertragen könnten, dass ein Mensch über seinen Mitmenschen den willkürlichen Herrn zu spielen sich anmaße, sondern, wenn sie irgend so einen erwischten, mit den äußersten Strafen dafür an ihm Rache nähmen?
Er würde, sagte er, wohl noch tiefer in dem ärgsten Elende sich befinden, wenn er ringsum von lauter Feinden bewacht würde.
Liegt nun nicht in einem ähnlichen Gefängnisse der mit einem angeborenen Wesen der oben beschriebenen Art behaftete, von vielen und allerlei Ängsten und heißen Gelüsten erfüllte Tyrann, während er, von Natur voll von Vorwitz, allein von allen Bürgern der Stadt nirgendwohin verreisen noch sein Auge mit dem Anblicke dessen, nach denen bekanntlich die übrigen Freien so große Lust haben, sondern, in seinem Hause vergraben, die größte Zeit seines Lebens wie ein Weib hinbringen muss, mit Neid im Herzen über die übrigen Bürger, wenn einer außer Land sich begibt und etwas Schönes sieht?
Ja, sagte er, allerdings ist er ein solcher Gefangener.
Nicht wahr, solche Übel leidet ein Mensch noch mehr, wenn er bei einer dem tyrannischen Staate entsprechenden Verfassung seines Inneren, die du vorhin schon für das größte Unglück erklärtest, nicht im bürgerlichen Stande sein Leben verbringt, sondern von irgend einem Geschicke veranlasst wird, einen wirklichen Tyrannenthron zu besteigen und, unfähig, sich selbst zu beherrschen, über andere zu herrschen sich unterfangen sollte, was gerade so wäre, wie wenn jemand mit einem krankenden, seiner selbst nicht mächtigen Körper nicht im stillen Bürgerleben bliebe, sondern sich veranlassen ließe, sein Leben in körperlichen Wettkämpfen und auf dem Schlachtfelde einzusetzen.
Ja, Sokrates, sagte er, ganz treffend und wahr ist dein Bild hier.
Ist nun, Freund Glaukon, fuhr ich fort, das erst der unglückseligste Zustand im höchsten Grade, im Vergleich zu dem von dir für den unglücklichst lebend erklärten Menschen und ist noch weit unglücklicher die auch auf einem Tyrannenthrone sitzende Tyrannenseele?
Ja, offenbar, sagte er.
Es ist also in der Wirklichkeit, selbst wenn er vor manchem Auge einen anderen Schein verbreitete, der auf einem wirklichen Tyrannenthrone sitzende Tyrann ein wirklicher Sklave im Dienste der größten Augendienerei und Sklaverei und ein Schmeichler gegen die Verworfensten, sodann kann er seine Begierden durchaus nicht befriedigen, im Gegenteil, wenn man seine gesamte Seele zu durchschauen versteht, so ist einem klar, dass er an den meisten Dingen den größten Mangel leidet, dass er in Wahrheit arm ist, dass er sein ganzes Leben lang gedrückt, dass er von dem Stachel seiner Begierden beständig gefoltert und gepeinigt wird, wofern er ein Bild der Verfassung des von ihm beherrschten Staates ist, der er doch ganz gleicht, nicht wahr?
Ja, sicher, sagte er.
Und zu diesen inneren Seelenqualen müssen wir nun dem Manne auch die noch hinzufügen, welche wir vor seiner Thronbesteigung erwähnten, dass er nämlich ursprünglich neidisch, treulos, ungerecht, freundlos, gottlos, jeder Schlechtigkeit Hehler und Pfleger sein und es infolge seiner Tyrannenschaft immer mehr als früher werden müsse, wodurch er selbst nicht nur der Allerunglücklichste ist, sondern auch nachher seine Umgebung dazu macht?
Keiner der Verständigen, meinte er, wird dir widersprechen.
Wohlan denn, sprach ich weiter, und gib nun einmal, wie es der oberste Kampfrichter bei den Wettspielen tut, endlich mir die Entscheidung, wer nach deiner Ansicht in der Glückseligkeit den ersten Rang hat, wer den zweiten, und weise sofort den übrigen nacheinander, zusammen fünf an der Zahl, nach deiner Entscheidung den verdienten Platz an: dem königlichen, dem timokratischen, dem oligarchischen, dem demokratischen und dem tyrannischen Menschen!
Aber diese Entscheidung, sagte er, ist nicht schwer; denn gerade wie sie aufgetreten sind, so gebe ich ihnen wie Chören ihren Platz. In welchem Rang einer in Bezug auf Tugend und Schlechtigkeit steht, in demselben Rang steht er auch in Bezug auf Glückseligkeit und Unglückseligkeit.
Wollen wir nun einen Herold mieten, fuhr ich fort, oder soll ich selbst diese endliche Entscheidung ausrufen: „Der Sohn des Ariston erklärte den besten und gerechtesten Menschen auch allemal für den glückseligsten. Unter jenem versteht er aber den, der das treueste Bild des königlichen Staates und König über seine eigene Begierlichkeit ist, dagegen ist der moralisch schlechteste und ungerechteste auch allemal der unseligste, dieser aber ist andererseits der, der die meisten Anlagen zu einem Tyrannen hat und sowohl sein Inneres wie auch den Staat tyrannisch beherrscht.“
Ja, sagte er, der Ausruf soll gelten.
Oder muss ich, fragte ich, infolge des Resultates unserer Untersuchung dem Ausrufe deines Urteils noch beifügen: „Einerlei ob solche Menschen allen Göttern und Menschen verborgen bleiben oder nicht.“
Ja, das setze hinzu, sagte er.
Gut also denn, sprach ich weiter. Da haben wir einmal den ersten Beweis unseres Satzes, ein zweiter soll, wenn es dir gefallen sollte, folgender sein.
Welcher ist dies?
Da, wie bekannt, erwiderte ich, auch die Seele jedes einzelnen Menschen drei Teile hat, gerade wie ein Staat in drei Stände sich zerlegt, so lässt dieser Gesichtspunkt auch noch eine andere, von der ersten verschiedene Beweisführung zu.
Welche meinst du denn damit?
Folgende: Da es drei Seelenteile gibt, so ergeben sich hieraus auch dreierlei Lüste, für jeden einzelnen Bestandteil eine eigene besondere, dann ebenso viele Begierden und Fähigkeiten zur Beherrschung.
Wie meinst du das? fragte er.
Der eine Seelenteil, lehren wir, ist der, womit ein Mensch nach Wissenschaft strebt, der zweite, das Zornmütige, wodurch er sein Gemüt namentlich im Zorn äußert, den dritten konnten wir wegen seiner Vielgestaltigkeit mit einem ihm eigentümlichen Namen nicht benennen, sondern wir gaben ihm den Namen von dem größten und stärksten Triebe, den er in sich enthielt, der ,begehrliche’ heißt er nämlich bei uns wegen seiner Heftigkeit in den auf Speise, Trank, Liebesgenuss und sonst auf dergleichen bezüglichen sinnlichen Begierden, ferner heißt er bekanntlich auch der ,geldgierige’, weil sich durch Geld am meisten befriedigen lassen dergleichen Begierden.
Und ganz mit Recht, sagte er.
Wenn wir in Bezug auf dessen Lust und Liebe sagten, dass sie besonders auf den Vermögensgewinn gehe, so würden wir demnach uns auf eine hervorstechende Eigenschaft bei einer Benennung stützen, um für uns selbst eine Bezeichnung zu haben, sooft wir diesen Seelenteil nennen wollen, und wenn wir ihn daher den geld- und gewinngierigen heißen, so hat diese Benennung ihre Richtigkeit?
Ja, sagte er, ich wenigstens glaube es.
Wie sieht es ferner mit dem zornmütigen Seelenteil aus? Von ihm dürfen wir sagen, dass die Lust seiner Bestrebung im allgemeinen immer auf Machthaben, Siegen und Berühmtsein gerichtet sei?
Ja, sicher.
Wenn wir ihn demnach den Macht- und Ehrgierigen nennen würden, würde dieser Name wohl treffend sein?
Ja, ganz treffend.
Drittens endlich, in Betreff des Seelenteiles mit dem wir lernen, ist doch aller Welt offenbar, dass sein Vergnügen stets auf das Wissen der Wahrheit hinzielt, und dass diesem unter jenen Seelenteilen am wenigsten an Geld und Ruhm gelegen ist?
Bei weitem am wenigsten.
Wenn wir ihn nun den Lernbegierigen und Weisheitsliebenden hießen, so würden wir ihm seine richtige Benennung geben?
Allerdings.
Nicht wahr, fuhr ich fort, und die Fähigkeit zur Beherrschung hat in den Seelen bei einigen bald dieser, bei einigen ein anderer jener Seelenteile, wie es sich eben trifft?
So ist's, sagte er.
Aus diesen Gründen dürfen wir offenbar nun auch behaupten, dass es vor allem drei Arten von Menschen gebe: weisheitsliebende, machtgierige und geldgierige?
Ja, gewiss.
Und also auch drei Arten von Lüsten, denn jeder jener drei Menschenarten steht eine Art von Lust zu Gebote?
Ja, gewiss.
Wenn du nun, fuhr ich fort, drei solche Menschen, der Reihe nach einen jeden einzeln, fragen wolltest, welche von jenen Lebensarten die vergnügteste sei, so weißt du, dass ein jeder die seinige besonders herausstreichen würde? Der Geldgierige wird behaupten, dass im Vergleiche mit dem Vergnügen beim Vermögensgewinn das Vergnügen des Geehrtseins und das des Lernens gar nichts wert sei, ausgenommen wenn eins davon Geld eintrage.
Richtig, sagte er.
Und was wird der Ehrbegierige sagen? fragte ich. Wird er nicht das Vergnügen am Gelde für ein erniedrigendes, und so auch das aus dem Lernen entspringende, falls nicht eine Wissenschaft auch Ehre mit sich brächte, für Dunst und Narretei erklären?
Ja, so geht's, war seine Antwort.
Und endlich der Weisheitsliebende, fuhr ich fort, wofür, müssen wir glauben, dass der alle übrigen Vergnügen hält im Vergleich mit dem Vergnügen, das Wesen der Wahrheit zu erkennen und in einem solchen Gegenstande immer mit dem Forschen danach beschäftigt zu sein? Wird er nicht die übrigen Vergnügen von dem eigentlichen Vergnügen himmelweit entfernt halten? Und wird er die Vergnügen der anderen nicht in der Tat nur ,notdürftige’ nennen, weil er die übrigen gar nicht brauchte, wenn keine Notdurft dazu zwänge?
Da brauchen wir nicht zu glauben, sagte er, das müssen wir wohl wissen.
Wenn nun bei solcher Bewandtnis, sprach ich weiter, die Lüste und die Lebensweisen dieser Menschen mit einander in Streit geraten, ich will nicht sagen in Bezug auf die Frage, wer lasterhaft oder tugendhaft, wer schlechter und besser lebe, sondern nur hinsichtlich der größeren Lust und geringeren Schmerzes, wie könnten wir da wissen, wer von ihnen am meisten recht hat?
Darauf, sagte er, weiß ich keine rechte Antwort zu geben.
Nun, so sieh einmal die Sache von folgender Seite: Mit was muss man die Dinge beurteilen, die richtig beurteilt werden sollen? Nicht etwa mit Erfahrung sowie mit Einsicht und Begründung? Oder könnte jemand noch ein besseres Beurteilungsmittel besitzen als diese hier genannten?
Unmöglich, sagte er.
So gib nun acht: Wenn die erwähnten drei Menschen vorhanden wären, welcher wird da in allen den Lüsten, von denen wir sprachen, erfahrener sein? Scheint dir etwa der Gewinngierige durch das Studium der Wahrheit erfahrener zu sein in der aus dem Wissen entspringenden Lust, als der Weisheitsliebende in der aus dem Gewinnen entspringenden Lust?
Da ist ein großer Unterschied, sagte er, denn bei dem Weisheitsliebenden war von Jugend auf ein Drang vorhanden, sich von den Lüsten seiner Gegner einen Geschmack zu verschaffen, bei dem Gewinngierigen dagegen ist kein Drang vorhanden, das Wesen der Dinge zu studieren und von der daraus entstehenden Lust sich einen Geschmack oder eine Erfahrung zu verschaffen, wie süß es ist, vielmehr, auch bei allem Fleiß und Eifer würde es ihm doch nicht leicht fallen.
Bei weitem übertrifft also, sagte ich, der Weisheitsliebende den Gewinngierigen an Erfahrung in den beiderseitigen Lüsten.
Ja freilich, bei weitem.
Und ferner, wie verhält er sich in dieser Beziehung zum Ehrgierigen? Wird er, der Weisheitsliebende, unerfahrener sein in der aus dem Geehrtwerden entspringenden Lust, als jener es in der vom Weisesein entstehenden ist?
Nein, sagte er, denn Ehre folgt allen von selbst, wenn ein jeder sich in der Tätigkeit auszeichnet, der er sich hingegeben hat, denn so wird auch der Reiche von vielen geehrt, so der Tapfere, so der Weise, woraus also folgt, dass, was das Geehrtwerden anbelangt, sie alle wohl von der daraus entspringenden Lust erfahren, aber von der aus dem Schauen des Seins der Dinge hervorgehenden Lust zu kosten ist keinem anderen möglich als dem Weisheitsliebenden.
Was also erstlich Erfahrung betrifft, sagte ich, so urteilt dieser unter jenen drei Menschen am richtigsten. Bei weitem.
Wird er seine überlegene Erfahrung nur haben können in Verbindung mit Einsicht?
Wie sonst?
Auch das Werkzeug, womit man urteilen muss, dies befindet sich nicht bei dem Gewinngierigen, nicht bei dem Ehrgierigen, sondern es befindet sich nur bei dem Weisheitsliebenden.
Was ist das für ein Werkzeug?
Mit Begründung, sagten wir doch, müsse geurteilt werden, nicht wahr?
Ja.
Begründungen sind aber vorzüglich das Werkzeug des Weisheitsliebenden.
Allerdings.
Wenn durch Reichtum und Gewinn die Dinge sich am besten beurteilen ließen, so würde notwendig das am wahrsten sein, was der Gewinngierige lobt und tadelt?
Ja, dann ganz notwendig.
Wenn durch Ehre sowohl wie durch Sieg und durch Tapferkeit, nicht wahr, in diesem Falle würde dann das am wahrsten sein, was der Ehr- und Siegbegierige lobt und tadelt?
Offenbar.
Dieweil aber nun es durch Erfahrung, durch Einsicht und Begründung geschieht?
Notwendig, sagte er, wird dann das Wahrste sein, was der Freund des Wissens und der Begründung lobt.
Unter den drei Lüsten also wäre die jenes Seelenteiles, wodurch wir nach Wissen streben, die angenehmste, und das Leben dessen, in dem von uns Menschen jener wissbegierige Seelenteil das Regiment führt, auch das angenehmste?
Warum sollte es das nicht sein? meinte er. Als gebührender Lobredner schätzt er ja seine eigene Lebensweise.
Welcher Lebensweise aber, fragte ich weiter, und welcher Lust weist der Richter den zweiten Rang zu?
Offenbar dem des Kriegshelden und Ehrgierigen, denn es steht dem jenes Weisheitsliebenden näher als das des Geldgierigen.
Den allerletzten Rang also demzufolge die Lust des Gewinngierigen.
Wie anders? sagte er.
Dies wären also zwei Untersuchungen hintereinander, und zweimal hätte der Gerechte über den Ungerechten den Sieg davongetragen; zum dritten, zu guter Letzt, auf olympische Weise dem rettenden und olympischen Zeus die schuldige Dankspende weihend, sieh nun, dass die Lust der übrigen Menschenarten, das des Freundes des Wissens ausgenommen, gar keine echte, keine reine, sondern nur ein Schatten von Lust ist, wie ich von einem der Weisen gehört zu haben glaube. Und dies würde dann doch die größte und entscheidendste der Niederlagen sein.
Ja, freilich, aber was meinst du hiermit?
Ich werde ihn, sagte ich, auf folgende Weise finden, indem du durch Antworten zugleich suchen hilfst.
So frage denn! sagte er.
Nun, so antworte mir, sprach ich: Geben wir zu, dass Schmerz das Gegenteil von Lust sei?
Ja, sicher.
Auch weder Lust noch Schmerz zu haben, ist etwas?
Ja, freilich.
In der Mitte zwischen beiden eine gewisse Ruhe der Seele? Oder nennst du es nicht so?
Ja, sagte er.
Erinnerst du dich da nicht, fuhr ich fort, der Reden der Kranken, die sie im Munde führen, wenn sie krank darniederliegen?
Welcher Reden denn?
Wie doch nichts angenehmer wie die Gesundheit sei, ja vor ihrer Krankheit hätten sie gar nicht gewusst, dass die Gesundheit das Angenehmste sei.
Ja, sagte er, ich erinnere mich.
Auch die, welche von einem heftigen Schmerz befallen sind, hörst du sagen, dass nichts angenehmer sei, als wenn der Schmerz aufhört?
Ja.
Auch viele andere ähnliche Lagen der Menschen nimmst du wohl wahr, in welchen sie bei Schmerzen den schmerzlosen Zustand und die Ruhe hiervor als das angenehmste preisen, nicht die Lust.
Ja, sagte er, freilich, dieser Zustand, die Ruhe, ist dann angenehm und erwünscht.
Ferner, wenn andererseits einer aufhört, Freude zu empfinden, so wird ihm der Stillstand der Lust auch schmerzlich sein.
Allerdings, sagte er.
Was nach unserer Erklärung von vorhin in der Mitte von beiden lag, die Ruhe, das wird demnach zuweilen beides sein, Schmerz und Lust.
Ja, wie es scheint.
Ist es aber möglich, dass das, was keines von beiden ist, beides werde?
Ich meine, nicht.
Noch ein weiteres: Das Lustvolle wie das Schmerzliche sind doch bei ihrer Entstehung in der Seele eine Art von Bewegung, oder nicht?
Ja.
Der weder schmerzliche noch lustvolle Zustand, zeigte der sich nicht doch eben als Ruhe und in der Mitte von beiden befindlich?
Ja, freilich.
Kann es nun richtig sein, Schmerzlosigkeit für lustvoll zu halten und Lustlosigkeit für etwas Widerwärtiges? Keineswegs.
Dieser Mittelzustand, die Ruhe, fuhr ich fort, ist also nicht wirklich, sondern erscheint nur als eine Lust im Vergleich mit dem Schmerzlichen, und erscheint als etwas Schmerzliches im Vergleich mit dem Lustvollen, und bei diesen Erscheinungen gibt es nichts Gesundes, sondern nur ein eitles Gaukelspiel.
Ja, sagte er, wie wenigstens unsere Überlegung zeigt.
Damit du nicht, sagte ich weiter, noch etwa im Augenblick an der Meinung hängen bleibst, Lust und Schmerz hätten von Natur ihr Wesen darin, dass jenes im Aufhören von Schmerz und dieser im Aufhören von Lust bestehe, so schaue denn nun noch auf Lustvolles, das nicht aus Schmerzen entspringt!
Wohin denn soll ich schauen, fragte er, und welches meinst du?
Es gibt deren viele andere, erwiderte ich, besonders aber kannst du es sehen, wenn du die Lustempfindungen bei den Gerüchen in Betracht ziehen willst. Denn diese kommen einem ohne vorhergegangenen Schmerz plötzlich in erstaunlicher Stärke und hinterlassen, wenn sie aufhören, keinen Schmerz.
Ganz richtig, sagte er.
Demnach also dürfen wir uns nicht weismachen, Lust bestehe in Entledigung von Schmerz, auch nicht, Schmerz bestehe in Entledigung von Lust.
Nein, das dürfen wir nicht.
Aber, fuhr ich fort, von den mittels des Körpers der Seele mitgeteilten sogenannten Lüste sind freilich die meisten und größten von der eben erwähnten Art, nämlich nichts anderes als eine Befreiungen von Schmerzen.
Ja, freilich sind sie das.
Und nicht wahr, die vor dem Eintreten dieser aus Erwartung entstehenden Vorfreuden und Vorschmerzen verhalten sich ebenso?
Ebenso.
Weißt du nun, fuhr ich fort, wie die sämtlichen körperlichen Lüste beschaffen sind und womit sie die größte Ähnlichkeit haben?
Womit? fragte er.
Du bist doch, sagte ich, der herkömmlichen Meinung, dass es überall ein Oben, ein Unten und eine Mitte gibt?
O ja.
Glaubst du nun, es werde jemand, wenn er von Unten zur Mitte empor gebracht würde, etwas anderes meinen, als dass er nach Oben gebracht würde? Und wenn er in der Mitte stände und hinabschaute, woher er heraufgefahren ist, wird er anderswo sich zu befinden meinen als Oben, obwohl er das wahre Oben noch nicht gesehen hat?
Nein, wahrhaftig, antwortete er, bei Zeus, ich glaube nicht, dass er eine andere Meinung hat.
Und wenn er, sagte ich weiter, wieder nach Unten gebracht würde, so würde er auch glauben, nach Unten gebracht zu werden, und diesmal auch richtig glauben?
Ohne Zweifel.
Nicht wahr, jene Erfahrungen müsste er machen, weil er das wahre Oben, Mitten und Unten nicht kennt? Ja, offenbar.
Kann es dich noch wundern, wenn auch die des Wesens der Dinge Unkundigen überhaupt in vielen anderen Dingen unhaltbare Meinungen haben, insbesondere in Bezug auf Lust, Schmerz und das Mittelding zwischen ihnen, sich in einer Lage befinden, dass sie nur dann, wenn sie in das Schmerzliche versetzt werden, eine Wahrheit glauben und in der Tat Schmerz empfinden, dass sie aber, wenn sie von Schmerz in den Mittelzustand versetzt werden, den festen Glauben haben, sie seien zur Erfüllung und zur Lust gelangt, dass sie also aus Unerfahrenheit in der wahren Lust bei der Vergleichung der Schmerzlosigkeit mit dem Schmerze sich ebenso täuschen, wie es Leuten aus Unkenntnis mit der weißen Farbe geht, wenn sie graue gegen schwarze betrachten?
Nein, wahrhaftig, sagte er, ich kann mich nicht mehr wundern, ich würde es vielmehr wunderlich finden, wenn es nicht so wäre.
Bedenke die Sache, fuhr ich fort, nun noch aus folgendem Gesichtspunkte: Sind nicht Hunger und Durst eine gewisse Leere des Körpers?
Was denn sonst?
Und sind nicht Unwissenheit und Unverstand gleichfalls auch eine Leere in Bezug auf die Seele?
Ja, sicher.
Füllen würde sich also sowohl, wer Speise zu sich nimmt, als auch, wer Verstand bekommt?
Ohne Zweifel.
In welchem Falle hat aber nun das Füllen mehr Anspruch auf Wahrheit: wenn sie mit Sein von höherem Wert oder wenn sie mit Sein von minderem Wert geschieht?
Offenbar, wenn sie mit Sein von höherem Wert geschieht.
Welche von beiden Gebieten scheinen nun nach deiner Meinung des Seins von höherem Wert teilhaftig zu sein: etwa die wie Brot, Trank, Fleisch, überhaupt sämtliche leibliche Nahrung, oder das, was in sich begreift wahre Vorstellung, Wissenschaft, Vernunfteinsicht und überhaupt wiederum jede Tugend! Bilde aber dein Urteil hier auf folgende Weise: Das an das Unveränderliche, Unvergängliche und an die Wahrheit sich Haltende, das selbst so Beschaffene und in einem solchen Entstehende, ist das ein Sein von höherem Wert als das mit dem stets sich Verändernden und Vergänglichen Verwandte, selbst so Beschaffene und auch in einem solchen Entstehendes?
Bei weitem, sagte er, das mit dem Unveränderlichen Verwandte.
Ist nun das Sein des Veränderlichen teilhaftiger des Seins als die Wissenschaft?
Keineswegs.
Ferner teilhaftiger als Wahrheit?
Auch das nicht.
Wenn aber weniger teilhaftig an Wahrheit, nicht auch weniger teilhaftig am Sein?
Notwendig.
Die auf die Nahrung des Körpers gehenden Dinge sind weniger der Wahrheit und des Seins teilhaftig als die Dinge, die sich andererseits auf die Nahrung der Seele beziehen?
Ja, bei weitem.
Und glaubst du nicht dasselbe vom menschlichen Körper selbst im Vergleich mit der Seele?
Ganz und gar.
Daraus folgt, dass das, was sich nur von Dingen mit Sein höheren Werts füllen lässt und selbst ein Sein höheren Werts ist, auch tatsächlich und wahrhaft angefüllt wird im Vergleich mit dem, was sich mit Dingen mit Sein geringeren Werts anfüllt und selbst auch ein Sein geringeren Werts ist?
Ohne Zweifel.
Wenn das Angefülltwerden mit dem seiner Natur Zuträglichen Lust heißt, so muss demnach auch das von Dingen mit Sein höheren Werts Angefüllte eine Lust höheren Werts gewähren, dagegen kann das an Sein minderen Werts Teilnehmende auch nur an minder haltbaren und minder wahren Lüsten teilhaben.
Ja, ganz notwendig, sagte er.
Diejenigen also, welche mit Einsicht und Tugend nichts gemein haben, bei Schmausereien und dergleichen aber immer dabei sind, die bewegen sich also, wie wir vorhin sagten, nur nach Unten, von da wiederum nach der Mitte und fahren so ihr ganzes Leben lang herum, über dies hinaus zu dem wahrhaften Oben haben sie weder je aufgesehen noch darauf einmal losgesteuert, haben niemals sich mit dem Sein höheren Werts wirklich angefüllt, nie eine dauernde und reine Lust geschmeckt. Nach Art der Rinder immer mit dem Blicke nach Unten gerichtet, zur Erde und zu den Trögen gebückt, liegen sie nur auf den Weideplätzen, indem sie sonst nichts tun als sich den Magen anfüllen, sich bespringen, wegen des gegenseitigen Wegschnappens dieser Genüsse mit eisernen Hörnern und Hufen sich stoßen, treten und infolge der Unersättlichkeit ihrer Begierden sich den Tod antun, eben weil sie mit Dingen des Sein höheren Wertes nicht sich und auch nicht das Sein ihres Selbst, mit dem das Sein festhaltenden Teil ihrer Seele angefüllt haben.
Ganz wie in einem Orakelspruch, sagte Glaukon, schilderst du, Sokrates, zutreffend das Leben der großen Menge!
Ist hiervon nicht notwendige Folge, dass sie nur Lüsten nachlaufen, die, mit Schmerzen gemischt, nur Trug-und Schattenbilder der wahren Lust sind und nur durch Nebeneinanderstellung von Freuden und Schmerzen eine reizende Farbe bekommen, so dass beide unwiderstehlich scheinen, den Unverständigen wahnsinnige Leidenschaften einflößen und ein Gegenstand des Streites werden, so wie etwa das Trugbild der Helena nach dem Berichte des Stesichoros auch aus Unkenntnis des wahren Sachverhalts der Gegenstand des Kampfes der Trojaner wurde?
Ja, sagte er, ganz notwendig muss es so gehen.
Ferner, wie wird's mit dem zornmütigen Seelenteil und seinen Lüsten stehen? Müssen nicht notwendig zwar andere, aber ähnliche Folgen sich einstellen, wenn er eben diesem Seelenteile allein frönt und entweder neidisch aus Ehrgeiz, oder gewalttätig aus Siegeslust, oder rachsüchtig aus Zorn, der Stillung seines Durstes nach Ehre und Sieg, nach Rache nachrennt, ohne Zuziehung von Vernunft und Überlegung?
Ja, sagte er, dergleichen Folgen müssen notwendig auch hierbei sich einstellen.
Wie also, fuhr ich fort, steht es nun mit der wahren Lust? Dürfen wir zuversichtlich die Schlussfolgerung ziehen: die sowohl auf den gewinn- wie auf den sieggierigen Seelenteil sich beziehenden Begierden, die unter Leitung der Einsicht und der Vernunft und mit Hilfe dieser nur diejenigen Lüste verfolgen und wählen, die der vernünftige Teil ihnen zeigt, werden nicht nur die wahrhaftesten erlangen, soweit es ihnen möglich ist, an der Hand der Wahrheit wahre zu erlangen, sondern auch die ihrer Eigentümlichkeit entsprechendsten, somit besten, wofern überhaupt das der Eigentümlichkeit eines jeden Entsprechendste auch das Beste ist?
Ja, sagte er, unstreitig besteht darin sein Eigentümlichstes.
Wenn also von dem wissbegierigen Seelenteile die Seele sich ganz leiten lässt und sich nicht dagegen auflehnt, so kann jeder einzelne Teil derselben überhaupt seine Bestimmung erfüllen und also gerecht sein, sodann kann ein jeder auch noch dazu die ihm entsprechenden Lüste genießen, nämlich die möglichst besten und wahrsten.
Ja, offenbar.
Wenn aber dagegen einer von den übrigen zwei Seelenteilen die Oberhand gewinnt, so ist nicht nur die Folge davon, dass er selbst die ihm entsprechende Lust nicht findet, sondern dass er auch noch dazu die übrigen zwingt, einer ihrer Natur fremden und unwahren Lust zu folgen.
So ist's, sagte er.
Je weiter etwas von Weisheitsliebe und Vernunft entfernt ist, umso mehr hat es auch die besagte Wirkung in sich?
Jawohl.
Ist aber nun nicht am weitesten von Vernunft entfernt, was auch von Gesetz und Ordnung am weitesten entfernt ist?
Ja, offenbar.
Waren aber nach dem, was sich oben erwiesen hat, die im Gefolge des Eros und der Tyrannenseele befindlichen Begierden nicht am weitesten davon entfernt?
Bei weitem.
Am wenigsten aber die des vernünftigen und sich selbst beherrschenden Menschen?
Ja.
Am meisten wird demnach auch, denke ich, der Tyrann sowohl von der wahren als auch von der ihm eigentümlichen besten Lust entfernt stehen, am wenigsten aber der andere, ihm Gegenüberstehende?
Notwendig.
Daraus folgt nun, fuhr ich fort: Am unerfreulichsten lebt die Tyrannenseele, am erfreulichsten aber die königliche vernünftige.
Ja, mit der größten Notwendigkeit.
Weißt du nun auch, fragte ich weiter, um wieviel das Leben einer Tyrannenseele unerfreulicher ist als das der königlichen vernünftigen?
Wenn du es mir sagst, war seine Antwort.
Es gibt drei Arten von Lüsten nach dem Ergebnis unserer Untersuchung: eine von echten und zwei von unechten, die Tyrannenseele ist nun dadurch, dass sie Gesetz und Vernunft absichtlich aus dem Wege geht, noch weit über die Grenze der unechten hinausgegangen und haust dort gewissermaßen mit den Vergnügen eines Knechtes oder Söldners. Und wie weit er nun von der wahren Lust entfernt ist, kann nun gar nicht leicht ausgedrückt werden, als vielleicht folgendermaßen.
Wie denn? fragte er.
Der Abstand der Tyrannenseele von dem oligarchisch Gesinnten betrug drei, denn in der Mitte von ihnen stand der der Demokratie ähnliche Mensch.
Ja.
Also wird sie auch, wenn das Frühere wahr ist, mit einem Schattenbild von Lust leben, welches an Wahrheit um das Dreifache hinter dem oligarchischen Menschen steht?
So ist's.
Aber der der Oligarchie entsprechende Mensch hatte von dem vernünftigen Menschen gleichfalls einen Abstand von drei, wenn wir den aristokratisch Gesinnten und den Vernünftigen als einen setzen.
Ja, der betrug auch drei.
Also, fuhr ich fort, steht der Tyrann um das dreimal Dreifache von der wahren Lust entfernt.
Es scheint so.
Das Schattenbild der Lust eines Tyrannen als Fläche betrachtet wird also, sagte ich, einen dieser Seite entsprechenden Inhalt haben?
Ja, offenbar.
Und wenn man sie erhebt zur dritten Potenz, so kommt ganz offensichtlich heraus, wie groß der Abstand ist. Ja, sagte er, offensichtlich wenigstens für einen Rechenmeister.
Wenn einer umgekehrt die Größe des Abstandes des Vernünftigen von dem Tyrannen hinsichtlich der Wahrhaftigkeit seines Lust ausdrücken wollte, so würde er nach angestellter Multiplikation finden, dass ersterer siebenhundertundneunundzwanzigmal lustvoller, der Tyrann aber um eben diesen Abstand unglücklicher lebe.
Mit eine wunderbare Berechnung der Differenz, sagte er, zwischen beiden Männern, dem Gerechten und dem Ungerechten, in Bezug auf Lust und Schmerz hast du uns da wie mit einem Wasserschwall übergossen.
Und doch, sagte ich, eine sowohl richtige wie den Lebensweisen beider ganz entsprechende Zahl, wenn jenen Lebensweisen Tage, Nächte, Monate und Jahre zukommen.
Und die, sagte er, kommen ihnen doch gewiss entsprechend zu.
Wenn nun der tugendhafte und gerechte Mensch den schlechten und ungerechten um so viel an Lust übertrifft, um wieviel unendlich mehr muss er ihn erst an innerer und äußerer Bildung, an Tugend und an Tüchtigkeit übertreffen!
Freilich unendlich, bei Zeus! sagte er.
Gut denn, sprach ich weiter. Da wir nun an diesem Punkte unserer Aufgabe angelangt sind, wollen wir auf diejenige Behauptung zurückkommen, die am Anfang aufgestellt wurde und auf deren Veranlassung wir nach langer Untersuchung hierher geführt wurden. Es lautete aber jene Behauptung: Unrechttun sei vorteilhaft dem meisterhaft Ungerechten, wenn er dabei den Schein des Gerechten habe. Oder lautete sie nicht so?
Ja, so lautete sie.
Nun, sagte ich, dann wollen wir mit dem, der dies behauptete, noch ein Wort reden, nachdem wir durch unsere Untersuchung sowohl hinsichtlich des Unrechttuns als des Rechttuns darüber einig sind, was es mit beiden auf sich hat.
Wie denn? fragte er.
Indem wir in Gedanken ein Bild von der Seele aufstellen, damit der, welcher jene Behauptung äußerte, recht augenfällig sieht, was er damit behauptet.
Was für ein Bild denn? fragte er.
Eines von solchen Wesen, antwortete ich, wie es solche der Fabel nach vor alters gab, wie die Chimaira, die Skylla, den Kerberos, und wie noch von vielen anderen gefabelt wird, dass bei ihnen vielerlei Tiergestalten in eine einzige verwachsen gewesen seien.
Ja, sagte er, die sind bekannt genug.
So schaffe dir denn einmal erstlich eine Gestalt eines vielfach zusammengesetzten und vielköpfigen Tieres, das rundum Köpfe von teils zahmen, teils wilden Tieren hat, dabei imstande ist, sich in alle diese Tiere zu verwandeln und auch alle diese Tiere aus sich zu erzeugen.
Dazu erfordert es, sagte er, einen erstaunlich geschickten Bildners, da aber indessen ein Gedanke sich leichter als Wachs behandeln lässt, so soll jenes Bild in Gedanken geschaffen sein.
So schaffe dir denn zweitens eine Gestalt eines Löwen, drittens eine Menschengestalt, denke dir dabei die erste Gestalt bei weitem als die größte, die zweite auch der Größe nach als die zweite.
Die zwei letzteren Gestalten, sagte er, sind schon leichter, sie sind geschaffen!
Diese drei Geschöpfe verbinde nun zu einem, so dass sie irgendwie mit einander verwachsen sind!
Es ist geschehen, sagte er.
Nun umhülle sie mit der Gestalt eines Einzelwesens, nämlich mit der eines Menschen, so dass es dem, der nicht in das Innere zu schauen imstande ist, sondern bloß auf die äußere Umhüllung sieht, nur als ein einziges lebendes Wesen erscheint, nämlich ein Mensch.
Die Umhüllung ist in Gedanken geschehen, sagte er.
So lasse uns denn dem, der behauptet, diesem Menschen sei Unrechttun vorteilhaft und Rechttun unzuträglich, bedeuten, dass er hiermit nichts anderes sage, als es nütze demselben, wenn er durch Schwelgerei das vielgestaltige Ungeheuer, den Löwen und das, was zum Löwen gehört, stark machte, wenn er dagegen den Menschen durch Hunger abzehrte und entkräftete, so dass dieser sich müsste hinschleppen lassen, wohin jedes von jenen beiden wollte, und wenn er nicht eines an den anderen gewöhnte und mit ihm befreundet machte, sondern sie einander sich zerbeißen, bekämpfen und auffressen ließe.
Ja, sagte er, das würde ganz der Sinn dessen sein, was der behauptet, der das Unrechttun anpreist.
Und nicht wahr, wer andererseits behauptet, gerechte Handlungen seien vorteilhaft, der würde damit sagen, man müsse in Tat und Wort sich so betragen, dass dadurch jener Mensch in seiner Brust immer kräftiger werden und auf die Zähmung jenes vielköpfigen Geschöpfs seine Sorgfalt verwenden könne, indem er dem Ackerbauer gleich die guten Triebe nährt und pflegt, die wilden am Emporwuchern hindert, an dem Mut des Löwen sich einen Gehilfen erzieht, für die Bildung aller Seelenteile zusammen Sorge trägt, sie untereinander sowohl wie sich selbst befreundet und in diesem Zustand erhält?
Ja, dies würde andererseits der Sinn dessen sein, was der behauptet, der die Gerechtigkeit preist.
In jeder Beziehung also würde der Lobpreiser des Gerechten Wahrheiten behaupten, der des Ungerechten dagegen Unwahrheiten. Denn man mag auf Lust, auf guten Ruf, auf Vorteil sehen, so behauptet der Lobredner der Gerechtigkeit Wahrheit, der Tadler derselben aber gar nichts Haltbares und tadelt, ohne zu kennen, was er tadelt.
Nein, sagte er, das kennt er wohl durchaus nicht.
Wir wollen also ihn mit guten Worten überreden, denn er ist auf dem Irrwege, ohne zu wissen, was er tut, und wir wollen an ihn die Frage richten: „O Bester, sollte nicht auch das Löbliche und Schlechte aus solchen Gründen ihre herkömmliche Geltung bekommen haben? Hat das Löbliche einerseits ihre Geltung nicht darum, weil sie das tierische unserer Natur unter Menschengewalt oder vielmehr unter das Göttliche bringen? Andererseits die schändlichen, tragen sie ihren Namen nicht darum, weil sie den edlen Teil der Seele in die Sklaverei des wilden bringen?“ Wird jener Ja dazu sagen oder Nein?
Ja, sagte er, wenn er mir folgen wollte.
Kann es also, fuhr ich fort, nach dieser Erklärung noch jemanden geben, bei dem es als Vorteil gelten könnte, mit Ungerechtigkeit Gold zu erhaschen, wenn dabei der Fall der ist, dass er mit dem Gewinne des Goldes zugleich das Edelste seines Selbst in die Dienstbarkeit des Schlechtesten versetzt. Oder in anderen Worten: Wenn jemand für Gold einen Sohn oder eine Tochter in die Sklaverei, und zwar in das Haus wilder und schlechter Menschen, verkaufte, so wäre dies für ihn kein Vorteil, und wenn er noch soviel dafür bekäme. Wenn er aber das Göttlichste seines eigenen Selbst unter die Knechtschaft des Ungöttlichsten und Abscheulichsten bringt, ohne dass es im geringsten Nutzen bringt, ist er da nicht unglücklich und bringt er da für Gold nicht ein bei weitem noch grausameres Opfer als Eriphyle, die für ihres Mannes Leben eine goldene Kette annahm?
Ja, erwiderte Glaukon, ein bei weitem noch grausameres, denn ich will für ihn Antwort geben.
Und meinst du nicht, dass auch die zügellose Begehrlichkeit von alters her aus solchen Gründen als tadelnswert gilt, weil in solchem Wandel jenes böse, große und vielgestaltige Ungeheuer allzu freies Spiel bekommt?
Offenbar, sagte er.
Ferner: Roher Übermut sowohl wie Übellaunigkeit wird getadelt, wenn der löwenartige und bissige Seelenteil übertrieben wird und mit der Vernunft nicht harmonisch gestimmt wird, nicht?
Ja, gewiss.
Weiter: Üppigkeit und Weichlichkeit, werden sie nicht in Rücksicht der übermäßigen Herabstimmung und Nachgiebigkeit eben dieses Seelenteiles getadelt, wenn sie Feigheit in ihm hervorbringt?
Warum sonst?
Schmeichelei und Niederträchtigkeit, werden die nicht getadelt, weil dann jemand wieder eben jenen Seelenteil, den stolzen Zornmut, unter das gemeine Ungetüm bringt und wegen des Geldes und der Freßgierde dies von jenem Ungetüms unterdrücken lässt und von Jugend an sich gewöhnt, statt eines Löwen ein Affe zu werden?
Ja, sicher, sagte er.
Handlangerei und Tagelöhnerei, weshalb, meinst du, bringen sie Schimpf und Schande mit sich? Wohl wegen etwas anderem, als weil jemand den edelsten Seelenteil von Geburt schon so schwach hat, dass er damit die wilden Tiere in sich nicht beherrschen kann, sondern ihnen dienen muss und nur die Dienste, die sie fordern, zu lernen vermag?
Ja, offenbar, sagte er.
Damit auch ein solcher unter gleicher Herrschaft stehe wie der vernünftige, dürfen wir wohl behaupten, er müsse Untertan sein jenem Besten, der das Göttliche als den Herrscher in seiner Brust besitzt? Mit dieser Behauptung wollen wir jedoch nicht gemeint haben, der Untertan müsse zu seinem, des Untertanen, Nachteil beherrscht werden, wie Thrasymachos von den Beherrschten wähnte, sondern, wir lassen uns hierbei von dem Grundsatze leiten, dass es überhaupt für jeden Menschen das Beste ist, sich vom Göttlichen und Vernünftigen beherrschen zu lassen, am allerbesten zwar so, wenn er es als Eigentum in seinem Inneren hat, im anderen Falle aber, dass es als Regent von außen ihm vorgesetzt ist, auf dass wir alle insgesamt so viel als möglich gleich und befreundet leben, indem wir uns durch ein und dasselbe lenken und leiten lassen.
Ja, sagte er, und dieser Grundsatz ist richtig.
Ja, auch das Gesetz, fuhr ich fort, spricht deutlich aus, dass es so etwas beabsichtigt, indem es allen ohne Ausnahme mit seinem Schutze beisteht, es beabsichtigt dies auch die Kinderzucht, wenn wir den Kindern nicht freien Willen lassen, bis wir in ihnen, wie in einem Staate, eine feste Verfassung eingesetzt, bis wir durch Entwicklung des Edelsten in ihnen mittels des Edelsten in uns einen ähnlichen Aufseher und Gebieter in ihrer Brust aufgestellt haben, und dann erst lassen wir ihnen ihre Freiheit.
Ja, sagte er, dieselbe Absicht liegt auch hier zutage.
Auf welche Weise denn und aus welchem Grunde könnten wir, o Glaukon, nun noch behaupten Unrechttun, Unzucht oder sonst etwas Unsittliches bringe einen Vorteil, Handlungen, durch die man an seiner Seele den größten Schaden leidet, wenn man dabei auch in einen größeren Besitz von Geld oder sonstiger Macht gelangt?
Auf keine Weise können wir es, war seine Antwort.
Ferner: Wie könnten wir behaupten, es sei ein Glück, wenn einer beim Unrechttun verborgen bliebe und keine Strafe dafür zu leiden brauche? Oder leidet der Verborgenbleibende nicht noch mehr, während bei dem, der nicht verborgen bleibt und gestraft wird, das Tierische gestillt und gezähmt, das Bessere entfesselt und die ganze Seele in die beste natürliche Verfassung gesetzt wird? Und durch den hiermit verbundenen Gewinn an besonnener Selbstbeherrschung, Gerechtigkeitssinn und Vernunft erlangt er wohl einen viel wertvolleren Vorzug als ein Körper, der Kraft, Schönheit und Gesundheit bekommt, nämlich einen in eben dem Grade wertvolleren Vorzug, als eine Seele einen Körper an Wert übertrifft?
Ja, sagte er, allerdings.
Wer vernünftig ist, wird demnach mit Anstrengung aller seiner Kräfte das Leben so einrichten, dass er erstens in Bezug auf die in den Wissenschaften liegende geistige Nahrung nur diejenigen Wissenschaften hoch ehrt, die seine Seele zu einer solchen Verfassung heranbilden, das übrige Wissen aber gering anschlägt?
Versteht sich, meinte er.
Dass er zweitens, fuhr ich fort, in Bezug auf Unterhalt und Pflege des Körpers diese nicht der tierischen und unvernünftigen Lust und Unlust anheimstellt und danach nur seine Lebensrichtung nimmt, ja, er sieht dabei nicht einmal die Gesundheit als das Hauptziel an, er wird Körperstärke, Gesundheit, Schönheit nur dann hoch anschlagen, wenn er zugleich auch an besonnener Selbstbeherrschung bei ihnen gewinnen sollte, sein Bestreben wird vielmehr dahin gehen, die Verhältnisse des Leibes in den Dienst der Seelenharmonie zu stellen.
Ja, allerdings, sagte er, wenn er ein der Harmonie Kundiger sein will.
Und drittens, sprach ich weiter, wird er es von der Vernunft der Seele sich sagen lassen hinsichtlich der Anordnung und der Verhältnismäßigkeit des Vermögens, und er wird nicht, von der Stimme der Menge verführt, die Masse seines Reichtums ins Endlose vermehren und dadurch mit endlosen Übeln sich behaften?
Nein, ich glaube nicht, dass er letzteres tut, sagte er.
Sondern, sagte ich, er wird jene vernünftige Verfassung in seinem Inneren zur Richtschnur nehmen und wohl wachsam sein, damit er in seinem Inneren keines der dortigen drei Teile in der ihm bestimmten Stellung verrücke, sei es infolge von Übermaß an Vermögen oder infolge von Mangel, und er wird also hinsichtlich des Vermögens nur erwerben und aufwenden, soweit es nach jener Richtschnur möglich ist.
Ja, gewiss, sagte er.
Was viertens Ehren anlangt, so wird er im Hinblick auf dieselbe Richtschnur manche annehmen und ohne Widerwillen genießen, von denen er nämlich mit Grund annehmen darf, dass sie die Verfassung seines Inneren vervollkommnen helfen, von welchen er dagegen Grund hat zu fürchten, dass sie den Bestand jener Seelenverfassung zerrütten können, denen wird er ausweichen im Hause wie in der Öffentlichkeit.
Demnach, sagte er, wird er sich nicht drängen um sich mit den Angelegenheiten des Staates zu befassen, falls er Rücksicht auf diese Richtschnur nehmen sollte.
Jawohl, beim Hunde, sagte ich, das wird er doch in dem für ihn geeigneten Staate, nicht jedoch in dem, in dem er geboren ist, wenn nicht ein göttliches Geschick ihn hierzu bestimmen sollte.
Ja, ich begreife, sagte er, in dem Staate nämlich, meinst du, würde er Lust und Liebe daran haben, mit dessen Gründung wir uns eben beschäftigten, den es nur in unserer Überlegung gibt, denn auf Erden ist er, glaube ich, nirgends zu finden.
Nun, sagte ich, dann ist er doch wohl jenseits von ihr als ein Muster für jeden aufgestellt, der ihn anschauen und durch seine Anschauung danach den Haushalt seines Inneren einrichten will, es liegt aber gar nichts daran, ob er irgendwo vorfindbar ist oder noch vorfindbar sein wird, denn nur mit den Angelegenheiten dieses Staates allein wird er sich befassen wollen, aber mit keinem der anderen.
Ja, selbstverständlich, bemerkte er.