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1. Einführung
ОглавлениеPlutarch – oder mit seinem vollen römischen Namen: Mestrius Plutarchus – wurde zwischen 40 und 50 n. Chr. geboren und starb zwischen 119 und 125.4 Er studierte in Athen bei Ammonios, bei dem er die platonische Schule für sich entdeckte.5 Nach den Studienjahren teilte sich Plutarchs Leben zwischen öffentlichen Aufgaben und der Gelehrsamkeit, die sich in einem der reichsten Œuvres der Antike niederschlug. Doch Plutarch lebte nicht neben dem römischen Kaiserreich. Er war römischer Bürger, römischer Ritter und soll sogar die Konsularinsignien erhalten haben.6 Man weiß, daß er mancherlei Reisen unternommen hat, nach Kleinasien, nach Ägypten, nach Italien und Rom, wo er sich wenigstens zweimal aufhielt, wahrscheinlich in den Jahren 75 bis 79, und dann wiederum 92 bis 94, zudem vielleicht auch noch im Jahre 88.7 Einige Andeutungen in seinen Schriften lassen vermuten, daß er in Rom auch Vorlesungen gehalten hat.8 In reifem Alter ließ er sich im böotischen Chaironeia nieder, wo er auch einige öffentliche Ämter übernahm. Vom Jahre 90 bis zu seinem Tode übte er in Delphi, wo er auch Bürger war, das Amt des Priesters (ερεύς) aus.9 In Chaironeia schuf er eine Art Schule oder Akademie, in der sich junge Leute aus vornehmen Familien ausbilden lassen konnten.10
Doch Plutarch ist auch Grieche, und er ist stolz darauf. Er verkennt das römische Joch nicht, aber wie die anderen Mitglieder der Elite des Imperium Romanum ist er selbst auch Mitglied der römischen Aristokratie.11 Wie die Gesprächspartner, die er in seinen Schriften einführt, fühlt er sich als griechisch-römisch, wobei das Römertum die griechische Herkunft überragt. Er vereinigt so beide Kulturen und erklärt die eine durch die andere.12 Man hat viel über Plutarchs Methode und seine Lateinkenntnisse geschrieben.13 Heutzutage besteht Einigkeit darüber, daß er in der Lage war, sich die notwendigen lateinischen Quellen zu verschaffen und hinreichend der lateinischen Sprache kundig war, auch wenn er lateinische Werke gelegentlich in griechischen Übersetzungen gelesen haben mag.14
Plutarchs Œuvre ist riesig. Der sogenannte Lampriaskatalog seiner Werke, der uns in einer Handschrift des 12. Jahrhunderts erhalten ist, zählt 227 Werke auf, wovon nur 105 bis auf uns gekommen sind. Die erhaltenen Schriften lassen sich in zwei Gruppen aufteilen: Die Viten einerseits, die fast immer die Biographie eines Griechen und die eines Römers verbinden, und die Moralia andererseits, 79 an der Zahl. Die Moralia behandeln sehr verschiedene Themen, von philosophischen Problemen bis hin zu politischen und historischen Fragen. Die Römischen und die Griechischen Fragen gehören hierzu. Dem Lampriaskatalog zufolge hat Plutarch auch Barbarische Fragen geschrieben, die wir aber leider nicht kennen.
Ich übersetze Ατια ‘Ρωμαϊκά mit „Römische Fragen“ entsprechend der lateinischen Übersetzung des Titels (Quaestiones Romanae). Jacques BOULOGNE dagegen bietet in seiner Ausgabe den Titel Römische Aitiologien“;15 dies entspricht zwar dem Inhalt und dem antiken Sprachgebrauch, wirkt aber noch eigenartiger als „Römische Fragen“. Plutarch selbst zitiert seine Schrift als Περ ατίων ‘Ρωμαϊκν16 oder Ατια,17 der Lampriaskatalog nennt sie Ατιαι ‘Ρωμαϊκαί; die handschriftliche Überlieferung ihrerseits schreibt entweder Περπαραλλήλων ‘Ελληνικν κα ‘Ρωμαϊκν („Über griechische und römische Parallelen“), Προβλήματα („Fragen“) oder Κεφαλαίων καταγραφή („Register von wichtigen Fragethemen“). Mag auch Plutarchs Selbstzitat mit seinem Anspielen auf Kallimachos und Varro eher „Gründe“, „Ursprünge“ oder „Erklärungen“ als Titel nahelegen, so scheinen doch die späteren Leser das Fragenstellen als zentrales Merkmal dieser Schrift wahrgenommen zu haben. So scheint auch mir der Titel Römische Fragen etwas besser zu passen als der Titel Römische Aitiologien, da er den forschenden Charakter der Schrift deutlicher abbildet.
Die Datierung der Römischen Fragen ist vielfach behandelt worden.18 Es mag hier genügen festzuhalten, daß diese eigenartige Schrift zu den Spätwerken des Plutarch gehört. Da er eine Äußerung über Kaiser Domitian macht, die zu dessen Lebzeiten gefährlich gewesen wäre, dürfte sie nach dessen Tod (96 n. Chr.), vielleicht im Laufe des ersten Jahrzehnts des 2. Jahrhunderts geschrieben worden sein.
Der griechische Text folgt der kritischen Edition, die John Bradford TITCHENER für die Gesamtausgabe der Moralia bei Teubner vorgelegt hat und der ich fast überall gefolgt bin. Eigens überprüft wurden allerdings die Abschnittsangaben der Frankfurter Ausgabe von 1599, die S. 263–291 den Stephanus-Text der Quaestiones Romanae nebst der lateinischen Übersetzung des Heidelberger Humanisten Wilhelm Xylander bietet und die als Referenz für alle modernen Plutarchausgaben dient.19 Da diese hierin bisweilen erheblich voneinander abweichen, wurden im vorliegenden Text erstmals nicht nur die Seiten-, sondern auch die Abschnittswechsel (A = 1. Zeile, B = 11. Zeile, C = 21. Zeile, D = 31. Zeile, E = 41. Zeile, F = 51. Zeile der jeweils 55 Zeilen umfassenden Seite) markiert. Für die Erklärungen standen die kommentierten Übersetzungen von Herbert J. ROSE, von Michèle NOUILHAN, Jean-Marie PAILLER und Pascal PAYEN sowie von Jacques BOULOGNE zur Verfügung. Der Kommentar von ROSE ist meistens von der in seiner Zeit geläufigen Ethnologie beeinflußt, die alle Bräuche als primitives, von der Natur bestimmtes Verhalten erklärt. Da diese Ethnologie schon seit langem verabschiedet ist,20 lasse ich seine Deutungen gewöhnlich beiseite, doch für die Quellen, die Zitate und die ältere Literatur sind seine Angaben noch immer ausgezeichnet. Der Kommentar von NOUILHAN, PAILLER und PAYEN ist meist knapp gehalten und erklärt die Sitten, während BOULOGNE eher die philosophische Perspektive bevorzugt.
4 PIR2, s. v. Plutarchus n° 526; RUSSEL 1973, 14–15; JONES 1971, 13.
5 JONES 1966; DERS. 1971, 14; RUSSEL 1973, 62–83.
6 Jones 1971, 29; 45; PIR2 526 s. v. Plutarchus; zur Ritterstellung s. PFLAUM 1961, 1071 (gegen 117–120 procurator in Achaea).
7 BOWERSOCK 1993, 200 (für die J. 75 und 93), 203 (für das J. 88/9).
8 Plut. de curios. 522 D (es kann unter Domitian wie auch unter Vespasian und Titus sein, JONES 1971, 23; RUSSEL 1973, 9).
9 Sein Name erscheint dort auf Inschriften wie z. B in SIG3 823; 829.
10 RUSSEL 1973, 13–14.
11 Zu diesem Thema s. JONES 1971, 46–47; DESIDERI 1998a und 1998b.
12 JONES 1971, 46; BOULOGNE 1992.
13 THILO 1853; LEO 1864; BARTH 1876; VORNFELD 1901; ROSE, 1924, 11–45; VAN DER STOCKT 1987.
14 ROSE 1924, 48; JONES 1971, 83; RUSSEL 1973, VAN DER STOCKT 1987, 290f.
15 Boulogne 2002, 91f.
16 Siehe Plut. Cam. 19, 12.
17 Siehe Plut. Rom. 15, 7.
18 ROSE 1924, 47f.; BOULOGNE 2002, 104f.
19 ΠΛΟΥΤΑΡΧΟΥ ΧΑΙΡΩΝΕΩΣ ΤΑ ΣΩΖΟΜΕΝΑ ΠΑΝΤΑ. Plutarchi Chaeronensis quae exstant omnia, cum Latina interpretatione Hermanni Cruserij, Gulielmi Xylandri, et doctorum virorum notis, et libellis variantium lectionum ex Mss. Codd. diligenter collectarum, et indicibus accuratis, Francofurti, apud Andreae Wecheli heredes, Claudius Marnium et Ioannem Aubrium, 1599, tomus secundus, continens Moralia, Gulielmo Xylandro interprete; benutzt nach dem Exemplar der Bibliotheca Palatina (Microfiche-Edition, München 1994). Zur Bedeutung der Frankfurter Ausgabe von 1599 vgl. ZIEGLER 1951, Sp. 955 und IRIGOIN 1987, CCXCVII.
20 VAHLERT 1935; DUMÉZIL 1987, 36–48.