Читать книгу Eine etwas andere Weihnachtsgeschichte - Porter Thomson - Страница 4
Was mache ich hier?
ОглавлениеAll die Jahre habe ich immer gejubelt und mir ein Loch in´s Knie gefreut, wenn es pünktlich an Heiligabend angefangen hat zu schneien. Schöner kann ein Weihnachtsfest doch gar nicht beginnen! Lautlos schneit es vor sich hin, die Straßen und Wege sind jungfräulich zart vom weißen Schnee ummantelt, welcher ein jedes mal unter meinen Schuhen knirscht während ich im Kreise meiner Familie zur Christmette gehe. Ja! Das war immer schön! Das kam natürlich viel zu selten vor, dass Schnee lag. Meistens war der 24. Dezember eher geprägt von Regen und Wind. Oder, wenn es ganz verrückt kam, herrschten an Heiligabend frühlingshafte Temperaturen, dass man Angst hatte, die Blumen könnten glauben der Winter sei schon wieder vorbei.
Aber, dass ich mich über richtig viel Schnee gefreut habe, war früher, in den glücklichen und sorglosen Tagen meiner Kindheit.
Heute schneite es, als wollte die olle Frau Holle die Feiertage raus arbeiten. Wie jedes Jahr, seitdem ich auf diesem Gutshof im Rheinland arbeite, stehe ich sogar heute, am 24. Dezember, in der Weihnachtsbaumkultur, habe die frisch geschränkte Bügelsäge geschultert und warte auf die Leute, die sich den ultimativ frischesten Baum ins Wohnzimmer stellen wollen.
Es schneit wie gesagt in dicken Flocken und ich stapfe von einem Bein auf das andere als müsste ich mal pinkeln gehen. Jedoch plagt mich ein ganz anderes Bedürfnis, eigentlich ja zwei Bedürfnisse, aber ich möchte nicht vorgreifen.
Mir ist schon jetzt, am frühen Morgen, arschkalt. Meine Füße fühlen sich an wie Eisklumpen, sind doch Gummistiefel nun wirklich keine Wärmedämmende Beschuhung. Jedoch sind sie für den Job des Weihnachtsbaumverkäufers am besten geeignet. Wenn nicht alles so pitsche patsche nass wäre, könnte ich in der Feuertonne einige Abschnitte von verkauften Bäumen verfeuern. Aber dummerweise hat die Abendschicht es versäumt Feuerholz trocken zu legen oder trockenes Feuerholz zu besorgen.
Ich friere wie ein Hund und giere nach etwas Wärme. Allenthalben hauche ich in die Hände um die beißenden Schmerzen in meinen Fingern etwas zu lindern. Wenn es nicht so schneien würde, wäre die Kälte, mit seinen minus ein oder zwei Grad, relativ erträglich. Doch diese verfluchte Nässe überall zog das letzte bisschen Wärme aus meinem eh schon unterkühlten Körper.
Erschwerend kam vielleicht noch hinzu, dass ich auch die zurückliegenden Nächte arbeitender weise durchgebracht habe. Wo ich denn auch schon bei meinem zweiten Bedürfnis wäre, welches mich plagte. Es zog mich zu meinen Schafen! Denn auf diesem Gutshof war ich, neben dem Weihnachtsbaumverkauf, auch für die kleine Schäferei, die Schweinemästerei und zur Zeit auch für die Anlieferung im Geflügelschlachthaus zuständig, wo noch heute, am 24. Dezember, die letzten 100 bestellten Weihnachtsgänse, Enten, und Puten das Zeitliche segnen mussten.
Aber jetzt im Augenblick zog es mich doch arg zu meinen Schafen, hatten diese doch vor ein paar Wochen damit begonnen die ersten Lämmer zu bekommen. Das wollte ich natürlich nur ungern versäumen. Zum einen konnte da soviel passieren und zum anderen waren gerade die Lämmer, welche um Weihnachten herum geboren wurden, die wertvollsten. Diese Lämmer waren doch schließlich die Osterlämmer! Das heißt, dass diese Lämmer, welche in diesen Tagen geboren wurden, kurz vor dem Osterfest als Milchmastlämmer beim Metzger endeten. Doch diesen Gedanken wollte ich im Moment gar nicht so nah an mich ran kommen lassen. Zuerst zählte das Leben eines jeden Lammes und einer jeden Mutter!
Doch was mache ich hier? Ich stehe hier im Wald und verkaufe Weihnachtsbäume an die nicht wirklich vorhandene Kundschaft!
Aber die Leute würden schon noch kommen, am besten solange wie der Schnee noch auf den Bäumen lag. Das ist doch so schön romantisch, nicht wahr? Jedoch in Wirklichkeit ist das natürlich ein Wahnsinn! Zum einen sieht, so dicht verschneit, wirklich jeder Besenstiel wie die Königin unter den Weihnachtsbäumen aus. Zum anderen sehe ich, der den Baum mit der romantischen Bügelsäge absägen und ihn durch die Kultur zum Bauwagen wuchten und einnetzen darf, anschließend aus wie ein Schwein!
Ich war, wie jeden Tag, seitdem die Schafe angefangen haben zu lammen, sauer, sauer darüber, dass ich hier in der Kultur meine Zeit verplempern musste, während vielleicht in diesem Augenblick eine dicke Mama ihre ein, zwei oder drei Lämmer zur Welt brachte. Wie schnell konnte da etwas passieren, wenn ich nicht dabei war! Doch jetzt im Weihnachtsgeschäft schien mein Chef wohl nur noch Eurozeichen in den Augen zu haben. Er sah nur die fünfzig oder sechzig Euro, die eine solche Nordmann-Tanne bringen konnte. Zu schnell vergaß er scheinbar, dass an diesen Lämmern auch das kommende Ostergeschäft hing.
Aber wenigstens hat mir Chef versprochen, mich in ein oder zwei Stunden mit einem der polnischen Saisonarbeiter abzulösen. Doch noch war der polnische Kollege beim Gänse schlachten!
Also war ich auch weiterhin zum nichts tun verdammt, immer in der Hoffnung, doch noch den einen oder anderen Weihnachtsbaum absägen zu können um ihn dann zu verkaufen. Nicht dass ich etwa einen neuen Tagesverkaufsrekord aufstellen wollte, der Alte war an diesem 24. Dezember dann doch nicht mehr zu toppen. Nein! Vielmehr war ich von der Hoffnung getrieben, bei der Arbeit diese unangenehme nasse Kälte ein wenig verdrängen zu können. Frierend und gelangweilt stapfte ich durch die tief verschneite Weihnachtsbaumkultur und schnitt einfach nur so, um überhaupt etwas zu tun, den einen oder anderen, höher hervorstehenden, Baumstumpf ab. Diese konnten mitunter recht unangenehme Stolperfallen darstellen. Besonders heikel war es, wenn man so einen zwei bis drei Meter langen Weihnachtsbaum auf die Schulter nahm, um ihn zum einnetzen nach vorn zur Weihnachtsbaumkanone zu bringen. Der Umstand brachte es so mit sich, dass man beim Transport manchmal nicht allzu viel sehen konnte, da überall nur grüne Tannenzweige waren. Wenn man dann einen solch fiesen Baumstumpf erwischte konnte man recht schmerzhaft stürzen, zumal einem auch keine Zeit und Möglichkeit blieb sich wenigstens ein wenig abzufangen. Schlimmstenfalls könnte noch der frisch abgesägte Baum beschädigt werden. Dann wären fünfzig bis sechzig Euro einfach so futsch. Nicht auszudenken wie mein Chef da im Dreieck hüpfen würde.