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Herr Berggren stand in der Ladentür und sprach mit Jens Larsen, der draußen mit seinem Einspännerkarren hielt. Sie sahen beide die Landstraße hinunter, wo Lone und Kirsten, in eine Staubwolke gehüllt, auf ihren Pferden davontrabten.

„So so, Kirsten ist also von Fünen zurück. Und hier verbringt sie wohl ihre Ferien“, bemerkte Jens Larsen. Er nahm seine halblange Pfeife aus dem Mund und spuckte auf die Straße. „Tja, es gibt eben immer noch Leute, die sich’s leisten können, zu faulenzen.“

„Na hör mal, in dem Alter sollen die Mädchen das Leben doch noch genießen und an anderes als nur Schule und Arbeit denken dürfen“, sagte der Kaufmann. „Sie kommen früh genug in die gleiche Tretmühle wie wir. Übrigens sind Kirsten und Lone flinke und tüchtige Mädel.“

„Gewiß, das ist wahr“, bestätigte Jens Larsen. „Wer später mal eine von denen zur Frau kriegt, der ist gut dran.“

Herr Berggren lächelte. „Mit dem Heiraten hat es ja glücklicherweise noch ’ne Weile Zeit. Aber ich bin sehr froh darüber, daß Lone in Kirsten Winge eine so gute Freundin gefunden hat. Es ist fast undenkbar, daß die beiden während ihrer Ferien mal nicht zusammen sind. Entweder ist Kirsten hier, oder Lone ist drüben bei ihr auf Ravenstrup, falls sie nicht gemeinsam im Ausland herumsausen.“

„Ja, die beiden haben schon allerhand gesehen von der großen, weiten Welt“, grunzte Jens Larsen. „Und ich mit meinen sechzig Lenzen bin nie weiter als bis nach Schweden gekommen. – War das nicht der Schimmel vom Oberst, den Kirsten ritt?“

„Allerdings. Der Oberst hat ihr erlaubt, in ihren Ferien so oft sein Pferd zu reiten, wie sie nur will.“

„Er ist doch sonst eigentlich ein knurriger alter Knabe, der Oberst, aber die Mädchen können ihn um den kleinen Finger wickeln“, meinte Jens Larsen und zog an seiner Pfeife. – „Na, wir haben doch wohl alles aufgeladen?“

„Ja, die Sachen liegen hinten im Wagen.“

„Ist schon recht, Berggren.“ Jens Larsen nahm die Zügel auf. „Dann können wir uns wohl auf den Heimweg machen. – Ach, gib mir doch eben noch ein Päckchen von dem groben Tabak, du weißt schon. Gut, daß mir das einfiel! – Du rechnest doch sicher damit, die Mädchen bis zum Ende der Sommerferien hierzubehalten“, bemerkte er, als der Kaufmann ihm den Tabak brachte.

„Ja, das tue ich allerdings“, nickte Herr Berggren. „Dieses Jahr soll sie mir niemand entführen.“

In Jens Larsens faltigen Augenwinkeln lauerte ein Lächeln. „Niemand weiß, wo der Fuchs sich herumtreibt, sagte der Mann, als er die Fuchseisen auf dem Dachfirst aufstellte.“

„Was willst du damit sagen?“

„Ach, ich meine nur, ich kann vielleicht ebensogut weissagen wie die Abelone vom Schmied, und dazu benötige ich weder Spielkarten noch Kaffeesatz.“ Jens Larsen lächelte verschmitzt.

„Ihr scheint zwei besonders kluge Leute zu sein, du und Abelone“, lachte der Kaufmann. „Und was hast du mir zu prophezeien?“

Jens Larsen hob seinen großen, gekrümmten Zeigefinger feierlich in die Höhe. „Mein lieber Berggren, du brauchst gar nicht so zu lachen! Wenn ich mich erst mal mit dem Weissagen abgebe, dann hat das auch seine Richtigkeit. Merk dir gut, was ich sage: Ehe der Vormittag noch vergangen ist, werden ein Mann und eine Frau in einem Auto kommen und dir Lone und Kirsten entführen.“ Er straffte die Zügel. „Na, dann komm, Prinz.“

„Nein, halt, warte einen Augenblick!“ rief Herr Berggren. „Was ist das für ein Unsinn, den du mir da erzählst?“

Jens Larsen drehte den Kopf und entblößte seine schwarzen Zahnstümpfe mit einem schlauen Lächeln. „Warte nur ab, ob ich nicht recht behalte!“

Kaufmann Berggren blieb noch eine Weile stehen und sah dem Fahrzeug nach, das bedächtig davonrollte. Was mochte Jens Larsen mit seinem seltsamen Gerede nur gemeint haben?

„Herr Berggren, Sie werden am Telefon verlangt!“ rief der Gehilfe aus dem Laden. Kopfschüttelnd verschwand der Kaufmann im Haus, und kurz darauf hatte er seine Unterhaltung mit Jens Larsen vergessen.

Als eine halbe Stunde später draußen auf der Straße ein ohrenbetäubender Lärm einsetzte, fuhr Herr Berggren von seinen Rechnungen auf. Er lief zur Tür, und da sah er, daß vor der Treppe ein antikes Auto von wahrhaft ehrwürdigern Alter vorgefahren war. Am Steuer saß ein Mann mit rotem Vollbart, der mit aller Kraft auf die Hupe drückte, und neben ihm saß eine Dame, die Trompete blies.

Einen Augenblick starrte Herr Berggren auf dieses Bild und wollte seinen Augen nicht trauen, dann lief er die Treppe hinunter.

„Jakob, alter Freund, bist du es wirklich?“ rief er. „Und Tjep! – Nein, jetzt bin ich sprachlos, das nenne ich wahrhaftig eine Überraschung! Kommt erst mal ’rein und legt ab. Kinder, das freut mich aber riesig!“

„Warte nur“, sagte Kunstmaler Jakob Langaa, ohne Berggrens Hand loszulassen, „wir werden ja sehen, ob du dich noch immer freust, wenn du gehört hast, weshalb wir gekommen sind.“

Das Lächeln auf Berggrens Gesicht verschwand. „Was soll das heißen? Es ist doch wohl kein Unglück passiert?“

„Unglück? Ach, Unsinn!“ Der Kunstmaler brach in ein schallendes Gelächter aus.

Der Kaufmann lachte mit. „Na, dann ist es ja gut. Du hast mir einen ordentlichen Schrecken eingejagt. Ihr seid also nicht nur herübergekommen, um mich zu besuchen?“

„Doch, natürlich, warum sonst?“

„Du sagtest doch aber …?“

„Ach so. Hm, da ist nur eine Kleinigkeit, nach der ich dich fragen wollte, aber das hat Zeit. Darüber brauchst du dir jetzt keine Gedanken zu machen. Jetzt könntest du uns erst mal in deine Behausung bitten, finde ich.“

„Habe ich das nicht …? Dann müßt ihr wirklich entschuldigen.“ Der Kaufmann öffnete die Wagentür und reichte Frau Langaa, die sich des Spitznamens „Tjep“ erfreute, die Hand, um ihr herauszuhelfen.

„Natürlich hast du das“, lachte Tjep, „du kennst doch Jakob.“

Berggrens Freude über den Besuch war offensichtlich. „Ich bin richtig stolz darauf, daß es mir endlich gelungen ist, euch hier herüberzulotsen“, sagte er.

„Dazu besteht gar keine Veranlassung“, brummte der Maler, „denn das hat Methusalem besorgt.“

„Methusalem?“

„Ja, dieser fahrbare Untersatz hier. Findest du etwa nicht, daß er seinen ehrwürdigen Namen mit Recht trägt?“

Herr Berggren betrachtete den Wagen und war etwas im Zweifel darüber, was er sagen sollte. „Hm, wirklich ein hübsches Auto.“

„Unsinn! Aber es fährt noch, und das ist das Wichtigste. Dagegen darfst du ruhig ein paar anerkennende Worte über Tjeps Trompete sagen, auf die ist sie nämlich mächtig stolz.“

„Sie sieht sehr flott aus.“ Der Kaufmann besah sich das sonderbare Messinginstrument von allen Seiten. „Ich verstehe zwar nicht viel von Trompeten …“

„Das wird bald anders sein. – Tjep, blas Thomas eine Nummer vor!“

„Ich wußte gar nicht, daß du musikalisch bist, Tjep“, warf Berggren ein.

Tjep mußte lachen. „Das bin ich auch nicht, aber Jakob hat immer gewünscht, ich sollte ein Instrument spielen. Er selbst spielt ja Gitarre. Und schließlich habe ich nachgegeben. Aber nur unter gewissen Bedingungen. Ich wollte mir das Instrument selbst aussuchen, und so entschloß ich mich für die Trompete. Ich finde, eine Trompete hat etwas Festliches an sich, und außerdem läßt sie sich leichter im Wagen transportieren als ein Flügel.“ Sie feuchtete die Lippen an, setzte die Trompete an den Mund und brachte ein paar Töne hervor. „Was willst du denn hören?“

Der Maler machte eine ausladende Handbewegung. „Du kannst getrost verlangen, was du willst, Thomas, es läuft nämlich vorläufig doch noch alles auf dieselbe Melodie hinaus.“

„Halt deinen Mund, Jakob!“ Tjep rümpfte die Nase. „Jedenfalls kann ich ,Hänschen klein‘ und ,Horch, was kommt von draußen ’rein‘ spielen, so daß jeder es wiedererkennt. – Bitte, Thomas, du kannst wählen.“

„Dann möchte ich gern ,Hänschen klein‘ hören.“

Bei den ersten Tönen tauchte der Gehilfe in der Ladentür auf, und im Handumdrehen sahen sie sich von einer Schar grinsender Kinder umgeben, die offenbar glaubten, das alte Auto sei der Vorläufer eines herumziehenden Zirkus.

„Und jetzt ,Horch, was kommt von draußen ’rein‘“ sagte der Maler.

„Nein“, Tjep klemmte sich die Trompete unter den Arm, „jetzt möchte ich was zu essen haben, denn ich habe einen Bärenhunger. Wir haben unterwegs um alle Gastwirtschaften einen großen Bogen gemacht, weil wir einen ordentlichen Appetit mitbringen wollten, Thomas.“

Hunger hatten sie? Natürlich sollen sie zu essen bekommen, dachte Herr Berggren und wurde plötzlich geschäftig. Für diese Dinge pflegte Lone sonst zu sorgen. Er begleitete den Maler und Tjep hinaus in den Garten, wo sie sich mit einem Bier und einer Zitronenlimonade unter den Sonnenschirm setzten. Er selbst und die Haushälterin deckten den Tisch.

„Oh, hier ist ja alles, was zwei verstaubte und hungrige Reisende sich bloß wünschen können“, sagte der Maler und rieb sich erwartungsvoll die Hände. „Sag mal, wo sind Lone und Kirsten eigentlich?“

„Die Mädel machen einen Spazierritt, aber sie werden sicher bald wieder hier sein“, antwortete Herr Berggren. „Woher weißt du übrigens, daß Kirsten hier ist?“

„Tja, man hat so seine Verbindungen.“

„Ja, das scheint mir auch. Die Mädel reiten jeden Tag um diese Zeit aus. Oberst Bark ist ja so …“ Herr Berggren sah den Maler plötzlich scharf an. „Sagt mal, habt ihr mit Jens Larsen gesprochen, bevor ihr hierherkamt?“

Der Maler rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. „Oh, hm, falls der Träger dieses Namens ein alter Bauer mit einem ganz unwahrscheinlich fetten Gaul vor dem Wagen ist, dann kann ich allerdings nicht leugnen, daß wir ein paar Worte mit ihm gewechselt haben. Weißt du, Methusalem war nämlich so rücksichtsvoll, gerade vor der Schmiede, einige Kilometer von hier entfernt, stehenzubleiben, und es dauerte eine Weile, bis er sich zur Weiterfahrt überreden ließ. Dieser Jens Larsen versteht es übrigens ausgezeichnet, die Leute auszuhorchen.“

„Und dafür bist du ein sehr dankbares Opfer“, warf Tjep ein.

„Warum soll man die Wißbegierde seiner Mitmenschen nicht zufriedenstellen, wenn man nichts zu verbergen hat? Natürlich erzählte ich ihm, daß wir auf dem Wege zu dir wären.“

„Ich glaube, du hast ihm auch etwas über den Zweck unseres Besuches gesagt.“

„So? – Doch, ja, ich entsinne mich.“

Herr Berggren sah von einem zum anderen. „Mir scheint, ihr habt irgend etwas vor!“

„Öh, tja, an und für sich kann ich das nicht leugnen“, stammelte der Maler. „Weißt du, die Sache ist die, daß Tjep, daß ich – das heißt, Tjep und ich …“

Tjep legte Messer und Gabel hin und sah ihn mitleidig an. „Und mit so was bin ich verheiratet! Nimm dich doch zusammen, Jakob, und red nicht dauernd solchen Unsinn. Oder soll ich lieber?“

„Nein, danke“, der Maler machte eine abweisende Handbewegung. „Ich werde schon sagen, was zu sagen ist.“

Herr Berggren schüttelte den Kopf. „Ich werde aus euch wahrhaftig nicht schlau.“

„Nein, das glaube ich“, bemerkte Tjep trocken. „Aus dem Unsinn, den Jakob da verzapft, kann kein Mensch schlau werden.“

Der Maler wischte sich mit der Serviette über den Mund. „Na schön, vielleicht hätte ich mich deutlicher ausdrücken sollen. Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen, will ich lieber mit dem Anfang beginnen.“

„Ein äußerst vernünftiger Standpunkt“, meinte Tjep ironisch.

„Nun“, fuhr der Maler fort, „ich habe in Kopenhagen gerade eine größere Ausstellung gehabt, auf der ich alle Bilder verkaufen konnte, restlos alle.“

„Gratuliere, alter Freund. Das freut mich wirklich!“

„Ich danke dir, doch unterbrich mich jetzt bitte nicht! Die Ausstellung an sich ist eigentlich nicht das Wichtigste, ich habe nämlich gleichzeitig ein Angebot bekommen, die neuen Räume der Zentralbank auszumalen. Das ist eine große Arbeit, und sie wird gut bezahlt, deshalb schwimmen wir ausnahmsweise mal im Geld, Tjep und ich. – He, Thomas, wo willst du hin?“

Berggren war ohne ein Wort aufgesprungen und bereits auf dem Weg zur Tür. „Du sagtest doch, ich solle dich nicht unterbrechen“, rief er über die Schulter zurück. „Da muß ich eben einen anderen Ausweg finden, um euch zu gratulieren.“

„Was nun?“ Der Maler und Tjep sahen sich an, und der Gehilfe starrte sich fast die Augen aus dem Kopf, als Herr Berggren durch den Laden und dann die Kellertreppe hinunterstürmte.

„Es gibt etwas zu feiern, Olsen“, erläuterte Herr Berggren, als er gleich darauf mit zwei staubigen, dickbauchigen Flaschen in der Hand wieder aus der Tiefe auftauchte. „Kommen Sie ins Zimmer und trinken Sie ein Glas mit, die Ladenklingel können Sie von dort aus auch hören, falls Kunden kommen sollten.“

Der Maler schlug auf den Tisch. „Champagner! Da bringt er wahrhaftig Sekt angeschleppt!“

„Ja, unter dem geht es nicht“, lachte Herr Berggren, indem er den Stahldraht von der einen Flasche entfernte und den Korken lockerte. Peng! – Da flog der Korken heraus und schlug einen Stern in eine der Fensterscheiben.

„Das ist nicht so tragisch“, sagte Herr Berggren gutgelaunt und schenkte die Gläser voll, daß der Schaum überfloß. „Prost, Jakob – Prost, Tjep, und meinen herzlichen Glückwunsch! Es gibt niemanden, dem ich mehr Glück wünsche als gerade euch beiden. Ich werde nie vergessen, wie gut ihr damals zu mir wart, als ich ernstlich in der Klemme saß. Obwohl ihr mich kaum kanntet, habt ihr mich mit zu euch an die Nordsee mitgenommen und einen neuen Menschen aus mir gemacht. Na, ich bin kein Redner, aber …“

Der Maler hatte sein Glas bis auf den Grund geleert, jetzt stellte er es auf den Tisch und wischte sich über den Bart. „Das war die beste Rede, die ich seit langem gehört habe, denn sie kam von Herzen, und übrigens ist das auch der beste Sekt, den ich je getrunken habe. Wer könnte vermuten, daß du einen solchen Göttertrunk hier draußen auf dem Lande versteckt hältst!“

„Den kauft auch nur der Graf“, erläuterte der Kaufmann, als wolle er seine Großzügigkeit entschuldigen. „Seitdem ich die Lieferung für die Grafschaft übernommen habe, muß ich auch dafür sorgen, daß ich meine Kunden zufriedenstellen kann.“

„Ja, dieser Knallwein ist ein edles Tröpfchen“, bestätigte der Maler. „Aber ich bin ja mit meiner Geschichte noch gar nicht fertig! Es ist nämlich so: Mit meiner Arbeit in der Bank soll ich erst in einem guten Monat anfangen, und deshalb wollten Tjep und ich uns den Luxus erlauben, eine kleine Fahrt ins Ausland, nach Paris oder Tirol, zu unternehmen.“

„Das ist keine schlechte Idee“, begeisterte sich Herr Berggren. „Wann fahrt ihr los?“

„Eigentlich hatten wir vor, so bald wie möglich loszudampfen, aber jetzt wissen wir noch nicht so recht, ob wir Lust dazu haben.“

„Ob ihr Lust dazu habt? Das verstehe ich nicht!“

„Nun, wir sind uns einig geworden: wenn wir Alten allein fahren sollen, dann bleiben wir lieber zu Hause.“

Allmählich begann Herrn Berggren ein Licht aufzugehen. Das war ja die Geschichte mit Jens Larsens mystischer Prophezeiung! „Oh, jetzt fange ich an zu begreifen, worauf du hinaus willst, Jakob. Du bist doch sonst kein Freund von langen Umschweifen.“

Der Maler zog an seinem Bart. „Nein, bestimmt nicht, aber wir hatten Angst, du könntest es uns übelnehmen, wenn … Na, kurz und gut, wir wollten dich fragen, ob wir Lone und Kirsten einladen dürfen, mitzukommen. So, jetzt ist es heraus.“

„Tja, hm“, überlegte Herr Berggren, wurde aber von Tjep unterbrochen: „Sag nur ruhig ja, Thomas, du hast die Mädel schon seit Wochen um dich gehabt, jetzt kannst du sie uns für den Rest der Ferien überlassen. Wir werden bestimmt dafür sorgen, daß sie rechtzeitig zurück sind, wenn die Schule wieder anfängt.“

„Und von Kirstens Eltern haben wir die Erlaubnis bereits bekommen“, fügte der Maler hinzu. „Wir sind nämlich auf dem Weg hierher bei ihnen vorbeigefahren. Sag schon ja, und dann ist die Sache überständen“

Herr Berggren zögerte etwas, bevor er antwortete. „Hm, ich hätte mir ja denken können, daß irgend etwas geschehen würde, wenn du auftauchst, Jakob. – Natürlich gebe ich die Mädel nur ungern her, ich hatte so sehr darauf gehofft, sie ausnahmsweise mal während der ganzen Ferien hierzubehalten. Aber andererseits gönne ich ihnen das Erlebnis von Herzen, und wenn sie mit euch zusammen sind, dann weiß ich sie wenigstens gut aufgehoben.“

„Bravo!“ rief der Maler. „Ich wußte es ja. Du bist ein prächtiger alter Bursche, der nicht erst tagelang an einer Entscheidung herumzukauen braucht. Dann ist die Sache also entschieden.“ Er schlug Herrn Berggren anerkennend auf die Schulter, und Tjep setzte die Trompete an den Mund und blies einen Tusch. Im nächsten Augenblick wurde die Tür aufgerissen, und Lone kam in ihren Reithosen hereingestürmt. „Aber Vater!“ rief sie, dann schwieg sie bestürzt und starrte, als wolle sie ihren eigenen Augen nicht trauen.

„Nanu?“ polterte der Maler. „Erkennst du uns nicht wieder, Lone?“

Da breitete sich ein frohes Lächeln auf Lones Gesicht aus. „Doch, doch. Natürlich! Ich verstehe nur nicht, was hier eigentlich los ist. Ich war so erschrocken, als ich den entsetzlichen Krach hörte.“

„Na, hör mal!“ Beleidigt legte Tjep die Trompete aus der Hand. „Mein Trompetenspiel wagst du, entsetzlichen Krach zu nennen?“

Der Maler lachte dröhnend. „Mach dir nichts draus, Tjep. Was versteht Lone schon von guter Musik? Ich verstehe deine Musik jedenfalls, Tjep! Du wirst noch eine große Künstlerin, verlaß dich drauf. Da kann der Ludwig Armstark getrost zu Hause bleiben, wenn du erst mal anfängst! Aber wo steckt denn Kirsten?“

„Sie kommt gleich“, lachte Lone. „Sie mußte sich ja um die Pferde kümmern, als ich davonstürzte, um zu sehen, was hier los ist.“ Sie umarmte erst Tjep und dann den Maler herzlich. „Großartig, daß Sie uns mal besuchen kommen! Aber warum haben Sie nicht vorher geschrieben? Falls wir nun gar nicht zu Hause gewesen wären?“

„Dann hätten wir eben unverrichteterdirige wieder umkehren müssen“, sagte der Maler. „Doch warum sollen wir darüber reden, wenn doch alles in bester Ordnung ist.“

Tjep schüttelte den Kopf. „Kennst du meinen durchgedrehten Ehemann wirklich nicht besser? Eins, zwei, drei, eine Zahnbürste, ein Hemd, Taschentücher und Socken in einen Koffer gepfeffert und weg, ehe ich noch recht weiß, wohin die Fahrt eigentlich gehen soll.“

Die Haustür fiel ins Schloß. „Du, Lone“, rief Kirsten vom Flur her, „ist was passiert?“

„Nein. Komm schnell mal her.“

„Ich komme gleich, ich will mir nur eben die Stiefel sauber machen. – Du, hast du das Monstrum draußen vor dem Laden gesehen? So was von einem Auto! Das stammt mindestens aus der Bronzezeit, hahaha!“ Kirsten kam lachend und schwatzend zur Tür herein, stutzte jedoch beim Anblick der Gäste. Das Blut schoß ihr in die Wangen, einen Augenblick sah sie von einem zum anderen, dann brach sie erneut in Gelächter aus. „Nicht möglich! Sind Sie es wirklich? Dann ist das wohl Ihr Auto, das draußen auf der Straße steht?“

„Ganz recht.“ Der Maler sah sie streng an. „Und da du dich dafür so sehr zu interessieren scheinst, will ich dir verraten, daß es sich um ein männliches Auto handelt.“

Kirsten sah ihn unsicher an, sie wußte nicht recht, ob das sein Ernst war oder ob er sie zum Narren halten wollte. „Ein männliches Auto? Woher wollen Sie das wissen?“

„Das sieht man ihm doch an, es prahlt nämlich nicht mit seinem Äußeren. Dafür hat es aber einen guten und zuverlässigen Charakter.“

„Ach, so ein Unsinn!“

„Einen derart respektlosen Ton sollte sich eine junge Dame einem älteren Herrn gegenüber nicht erlauben.“

„Hat sich was mit älter!“ Kirsten schüttelte ihre blonde Haarpracht und lachte laut. „Sie sind noch viel alberner als manche von meinen Kameraden!“

„Besten Dank auch“, sagte der Maler, „ich fasse das nämlich als ein Kompliment auf. Übrigens haben wir einen frischen Gruß von deinen Eltern für dich.“

„Wirklich?“

Der Maler nickte. „Doch, du kannst es ruhig glauben, aber davon erzählen wir euch später. – Thomas, spendiere den jungen Damen auch ein Glas Sekt.“

„Sekt? – Ja, was ist denn hier bloß los, daß ihr alle so übermütig seid?“ Kirsten machte große Augen.

Lone zuckte die Achseln und schüttelte den Kopf. „Mich darfst du nicht fragen.“

„Sag es ihnen doch“, schlug Tjep vor.

Der Maler sah Herrn Berggren fragend an. „Willst du, oder soll ich es tun?“

„Tu du es lieber.“

„Gut. Die Sache ist die … Nein, ich möchte euch zuerst eine Frage stellen. Wenn ihr die Wahl hättet zwischen einer Reise nach Paris und einer Reise nach Tirol, was würdet ihr dann vorziehen, Kinder?“

„Tirol natürlich.“ Die Antwort kam wie aus einem Munde, und Lone fügte hinzu: „Die Großstädte sind sich ja doch alle ähnlich.“

„Na, da kann ich dir nun nicht ganz beipflichten“, wandte der Maler ein. „Schön, die Wahl ist also getroffen: Wir fahren nach Tirol.“ – „Sie wollen nach Tirol?“ ereiferte sich Lone.

„Sie sind zu beneiden“, sagte Kirsten.

„Es freut mich, daß ihr so denkt“, lachte der Maler in seinen Bart, „ihr sollt nämlich mitkommen! – Ach, Kinder, paßt doch auf den Sekt auf! Ihr werft mich ja um.“

Lone in Tirol

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