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I. Voraussetzungen [900]
ОглавлениеAls Alexander im Juli 356 geboren wurde, herrschte sein Vater Philipp seit drei Jahren über Makedonien. Diese Landschaft im Norden Griechenlands galt vielen Griechen als rückständiges Randgebiet, manche hielten die Makedonen gar für Barbaren. Das gebirgige Land war von Hochtälern und wenigen, damals großteils sumpfigen Ebenen durchzogen und wenig fruchtbar. Die führende Rolle spielten Adelsclans, die die Landbevölkerung kontrollierten und die den makedonischen Königen fast wie von gleich zu gleich gegenübertraten. So war ein Thronwechsel immer wieder mit Kämpfen um die Vorherrschaft verbunden, und auch Philipp, der eigentlich der Onkel des legitimen Thronfolgers war, hatte die Herrschaft über das Land im Jahr 359 an sich gerissen, indem er die Vormundschaft für sich beanspruchte.
In jahrelangen Kriegen gelang es Philip, aus diesem rückständigen Land die stärkste Macht in Griechenland zu machen. Er eroberte griechische Städte an der makedonischen Küste und gliederte sie seinem Reich ebenso an wie das benachbarte Thessalien im Süden. Als in Griechenland ein Krieg um die Kontrolle über das Heiligtum von Delphi ausbrach, trat Philipp als dessen Beschützer auf und erwarb sich so den Respekt vieler Griechen. Auf dem Balkan gelang ihm die Eroberung reicher Goldvorkommen, aus denen er seinen Staatsschatz auffüllen konnte.
Das neue Makedonien Philipps war für viele Zeitgenossen kaum wiederzuerkennen. Philipps Hof zog viele Griechen an und wurde zu einem kulturellen Zentrum, das auch einen Philosophen wie Aristoteles anzog. Das makedonische Militär wurde neu organisiert und mit neuartigen Waffen ausgerüstet. Und Philipp setzte riesige Geldsummen ein: Zusätzlich zu dem Gold der neu eroberten Gebiete diente auch eine Verschuldung in ungeahnten Ausmaßen dazu, die Anwerbung großer Söldnertruppen, die die makedonischen Soldaten ergänzten, zu finanzieren.
Die griechischen Zeitgenossen erkannten die neue Herausforderung erst spät. Griechenland zerfiel in zahlreiche Kleinstaaten, die sogenannten Poleis. Nur mit Mühe konnten diese Poleis sich bei größeren Herausforderungen zusammenschließen; so in den Perserkriegen, als die meisten Griechen ihre Unabhängigkeit vom persischen Großkönig gemeinsam verteidigten. Als diese Gefahr im Jahr 479 mit einem griechischen Sieg gebannt war, stieg Athen im fünften Jahrhundert zur führenden Macht in Griechenland auf. Doch unterlag Athen 404 im Peloponnesischen Krieg gegen Sparta und seine Bundesgenossen. Obwohl die Spartaner sich sogar auf persische Hilfe stützen konnten, endete ihre Vorherrschaft bald.
So kämpften in Griechenland im 4. Jahrhundert wechselnde Koalitionen der wichtigsten Poleis um die Vorherrschaft; neben Athen und Sparta vor allem das mittelgriechische Theben. Diese Zersplitterung war den Zeitgenossen bewusst. So rief der athenische Schriftsteller Isokrates die Griechen zur Einheit auf und dazu, gemeinsam gegen Persien in den Krieg zu ziehen. Doch dieses Projekt eines panhellenischen Feldzuges gegen den Großkönig, von Isokrates jahrzehntelang immer wieder vertreten, stieß auf wenig Gegenliebe. Im Jahr 346 wandte Isokrates sich an Philipp von Makedonien mit dem Vorschlag, er solle die Griechen einen und gegen die Perser führen.
Dabei gab es in Athen durchaus auch Stimmen, die in der Expansion Makedoniens die eigentliche Gefahr sahen. Von Anfang an hatte Philipps Politik sich auch gegen Athenische Interessen gerichtet. Erst 340 verbündete sich der größte Teil Griechenlands gegen Philipp. Der Makedonenkönig erlitt zunächst empfindliche Rückschläge, als er erfolglos versuchte, Athen von seinen Nahrungsmittelimporten abzuschneiden. Erst im Jahr 338 gelang ihm im mittelgriechischen Chaironeia ein Sieg gegen die Griechen.
Lange galt dieser Sieg als zwangsläufige Folge eines Niederganges der griechischen Poleis.
Doch dieses Bild, das auch die moderne Forschung lange geprägt hat, muss korrigiert werden. Noch über den Tag von Chaironeia hinaus blieben die großen Griechenpoleis, blieb vor allem Athen ein wichtiger Machtfaktor. So schloss Philipp die Griechen in einem Bündnis zusammen. Offiziell war Philipp der Feldherr dieses Bündnisses; tatsächlich hatte er die Vorherrschaft errungen. Alle Griechen des Bündnisses mussten ihm persönlich Treue schwören.
Philipp bereitete nun tatsächlich einen Feldzug gegen das Perserreich vor. Der Sieg bei Chaironeia und Thronstreitigkeiten in Persien eröffneten die Möglichkeit, das eigene Reich nach Osten hin zu erweitern. Noch im Jahr 338 begannen die Vorbereitungen. Eine makedonische Armee von ungefähr 10.000 Soldaten setzte über und begann den Krieg.
Nicht nur wegen der aktuellen Thronstreitigkeiten glaubten Griechen wie Isokrates, das Perserreich befinde sich im Niedergang und werde leichte Beute sein. Besonders die griechischen Poleis Kleinasiens, die sich unter persischer Herrschaft befanden, würden sich einem Feldzug rasch anschließen. Tatsächlich aber arbeiteten viele kleinasiatische Griechen durchaus bereitwillig mit ihrem persischen Großkönig zusammen. Eine Lektion, die Alexander würde lernen müssen.
Während der Vorbereitungen auf den Feldzug fiel Philipp 336 einem Anschlag zum Opfer. Alexander trat als sein ältester Sohn die Nachfolge an – kein leichtes Erbe. Denn am Hofe Philipps, der sieben Frauen gehabt hatte, gab es auch andere Kandidaten. Alexander und seine Mutter Olympias waren in den letzten Jahren Philipps zeitweilig in Ungnade gefallen.
Mit der Unterstützung einiger enger Mitarbeiter Philipps, besonders der adligen Heerführer Antipater und Parmenion, sicherte Alexander sich die Macht und ließ seine Konkurrenten aus dem Wege räumen. Die Eile, mit der der Anschlag auf Philipp aufgeklärt und die angeblichen Hintermänner verurteilt wurden, ließ jedoch auch den Verdacht aufkommen, Alexanders Mutter Olympias oder gar der 19jährige Thronfolger selbst habe hinter dem Mord gestanden.
Die Umstände von Philipps Tod lassen sich nicht mehr klären. Klar ist, dass Alexander die Situation mit Geschick und ohne Rücksicht nutzte. In den folgenden zwei Jahren sicherte er seine Herrschaft auf Feldzügen, die ihn auf den Balkan und zweimal bis tief nach Griechenland führten. Erst bei seinem zweiten Griechenland-Feldzug im Jahr 335 konnte er seine Herrschaft endgültig sichern. Während das aufständische Theben zerstört wurde, ließ Alexander gegenüber Athen Milde walten — sicher auch, weil er dessen Flotte für den bevorstehenden Feldzug dringend brauchte.