Читать книгу Und wie geht es nun weiter - Ralf Glasbrenner - Страница 4

Gedanken

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Die Digitaluhr des iPhones zeigt 2:30 Uhr an. An schlafen war wieder mal nicht zu denken. Von weiten höre ich die Kirchenglocken zweimal schlagen. Schon wieder so eine Nacht in der ich nicht zur Ruhe komme. Was beschäftigt meinen Kopf jetzt schon wieder, an was arbeitet denn mein Hirn? Da ich die Situation aus den letzten Wochen sehr gut kenne, beschließe ich mich, mein iPad in die Hand zu nehmen und die letzten Seiten meines Buches, welches ich im Moment lese, mir vorlesen zu lassen. Um meine Frau beim Schlafen nicht zu stören, lies ich das Licht aus und tastete mit meiner linken Hand unter meinem Bett nach dem iPad. Da ich beim zu Bett gehen mir noch einige Seiten des Buches vorlesen gelassen habe, war es kein großes Ding mich in der Dunkelheit zu orientieren .

In dem Buch berichtet ein Mann von einer Radtour, die er mit seinen zwei Freunden gemacht hat. Die Radtour ging vom Emsland nach Compostela bzw. Finesterre, Nordspanien, zum Teil auf dem Jakobsweg. Das Ganze war als Tagebuch gegliedert. Der Stiehl war am Anfang einfach und in kurzen Sätzen gehalten. Doch man konnte sehr schnell, Teilweise an jedem neuen Tag, eine Verbesserung des Aufbaues und Ausdruckes vom Schreibers erkennen. Es war für mich als Leser sehr angenehm, da man sich langsam mit dem Herrn in sein „Ding“ mit hineindenken konnte. Es war wie ein Kennenlernen, ein Smaltalk an der Bar. Mit jedem Schluck vom Wein und je später es wurde, desto leichter wurden die Worte gefunden, jemehr gab der Berichter von sich preis. Mir gefiel das Buch vom ersten Satz weg und der ein oder andere Rechtschreibfehler überlaß ich ohne mir darüber Gedanken zu. Das Buch hat mich so in den Bang gezogen, ich spürte die Sehnsucht und das Ungewisse in jedem einzelnen Wort des Verfassers. Doch es kam dann der Zeitpunkt, obwohl die Textpassage immer länger wurden, die Beschreibungen immer feiner, ausführlicher, die Worte ausdrucksstärker, wo mich der Autor verloren hat. Ähnliches wie beim Gespräch an der Bar. Da gibt es Typen, die können dir den ganzen Abend viele Stories erzählen, doch am Ende gleicht eine Geschichte der anderen und der Abend wird immer langweiliger. Da ich nicht zu den Lesern gehöre, welche dann das Buch aus der „Hand“ legen, wurden mir plötzlich wieder die kleinen Missgeschicke bewusst, welche immer wieder im Text zu finden waren.

Da ich solche Häufigkeiten von Rechtschreibfehlern in Publikationen nicht kannte, habe ich mir mal vorgenommen bei gegebener Zeit nachzuschauen, in welchem Verlag dieses iBook erschienen ist.

Beim Öffnen der Bibliothek im iPad, kam mir diese Sache wieder in den Sinn und ich entschied für mich, dass jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen sei, dem Thema einmal auf den Grund zu gehen. Auf der zweiten Seite vom Buch fand ich dann auch gleich die Homepage des Verlags und war begeistert von dem was ich da vorgefunden habe.

Der Internetauftritt beinhaltet ein Tool, mit dem man sehr einfach und leicht sein eigenes Buch veröffentlichen kann. Entweder in Papierform, Digital als iBook oder sogar Beides. Auch die Rechte der Schrift bleiben beim Autor. Den einzigen Haken, den ich im ersten Moment erkennen konnte, lag darin, dass sich kein Lektor dem Projekten annimmt und dies ist sicherlich auch der Grund, dass sich die kleinen Patzer in dem Bericht eingeschlichen haben. Das vorliegende Werk, hat sich durch diese Erkenntnis, auf einen Schlag wieder interessant für mich gemacht. Es erschien für mich in einem ganz neuen Blickwinkel, es steckte dadurch viel mehr Authentizität und Wärme in dem Text. Auf einmal sah ich da die Liebe in dem Buch. Einfach fantastisch. Der Bang war wieder da und noch viel stärker, als je zuvor.

Der Schreiber wollte durch seine Reise zu sich kommen und hat es durch seine Einfachheit und Liebe geschafft, auch mich wieder zu begeistern. Nun habe ich mit einem ganz anderem Wissen, dem Text gelauscht. Im Nachhinein bin ich froh, dass ich das Buch nicht aus der Hand gelegt habe. Der Autor hat es tatsächlich geschafft, auf den letzten Seiten noch einmal Spannung und Witz mit einzubringen. Zum Schluss gab es doch noch eine Versöhnung. Eine Versöhnung von mir mit dem Autor, seinem Buch und dessen Geschichte.

Als der letzte Satz von der künstlichen Frauenstimme vorgelesen war, war an Schlafen nicht mehr zu denken. Die Uhr auf dem iPad zeigte 3:37 Uhr und meine Gedanken kamen nicht zu Ruhe. Mir fiel dann ein weitere Publikation ein, in dem ein junger Mann seine damalige Situation in einem Buch verfasst hat. Ein Arbeitskollege hat mich damals auf das Werk aufmerksam gemacht, da es ein Schulkameraden von ihm geschrieben hat. Das Buch kam nur als iBook bei Amazon/ Kindel heraus. Aus der Aufmachung her, konnte man auch bei diesem Buch erahnen, dass hier kein großes Projektteam hinter dem Verfasser stand. Da ich damals das Buch als Bettlektüre und zum Abschalten vom Alltag herangezogen habe, kann ich heute nicht mehr genau sagen, ob in dem Buch sich auch Fehler eingeschlichen haben. Ich kann mich aber noch genau daran erinnern, dass ich mich damals bei meinem Kollegen über die Aufmachung und des Entstehens des Buches genauer informiert habe und ich zu dem Entschluss kam, dass ich, wenn ich einmal die Zeit und Muße dazu finde, ich mich dazu aufraffe, auch ein kleines Werk zu veröffentlichen.

Damals habe ich darüber nachgedacht, ob ich ein Buch über meine zurückliegende Arbeitswelt oder über das Leben meiner Oma schreiben werde. Und man soll es nicht glauben, von dem zweiten Gedanken gibt es schon einige Seiten, welche ich zu Papier gebracht habe. Aber dabei blieb es zuerst einmal. Vielleicht gehe ich die Sache nochmals an. Mal schauen was noch alles so passiert in meinem Leben.

„Michel Enn und die Frage, was er denn so macht“ war der Titel von dem Buch, welches der Schulkamerad veröffentlicht hat. Auch mir wird in den letzten Wochen immer wieder die Frage gestellt „...und wie geht es nun weiter?“ Leider bin selbst gerade auf einer Antwortsuche und kann deshalb meinen Gegenübern nur mit Schulterzucken oder einer abwinken Handbewegung, meine Ungewissheit sichtlich zum Ausdruck bringen.

Ich schaute mir nochmals die Homepage des Verlags an. Las die einzelnen Seiten. Studierte was dort in geschwungenen Lettern zu lesen war und legte nach einer Weile das iPad wieder auf den Boden und die Brille aufs Sideboard. In der Zwischenzeit hat sich unser Hund im Gräbele breit gemacht und sein leichtes, gleichmäßiges Schnaufen hat mich dann wieder etwas beruhigt. Das Atmen ist wie Medizin, wenn er so bei mir liegt. Doch leider war sein Schnauben in diesem Moment zu wenig Medizin für meine Seele, weshalb ich nicht in die Schlafphase kam.

Durch die Idee mit dem Buch und der Homepage, habe ich meinem Gehirn wieder Nahrung zum Nachdenken gegeben. An Schlaf war garnicht zu denken. Ich wälzte mich in kurzer Zeit immer wieder von der Einen auf die andere Seite. Sogar unserm Hund wurde es zu dumm und er verließ freiwillig seinen eigentlichen Stammplatz. Das Ganze hat mich nun doch gefangen genommen und ich denke an die drei Jungs, die sich ihren Traum, mit dem Fahrrad nach Spanien, schon zu ihrer Arbeitszeit erfüllt und nicht aufs Rentenalter verschoben haben. Man weiß nie, ob es Morgen für das umsetzen des Traums schon zu spät ist. Auch ich hatte viele ungelegte Eier im Korb, welche ich als Rentner erleben wollte, die ich heute, in meiner jetzigen Situation, nicht mehr durchführen kann.

Mit einem Wohnmobil durch Europa fahren, als Rentner Autos für Autohäuser nach Crailsheim bringen (hat mein Vater auch schon mit Herzblut gemacht), Polterholz im Wald klein Spalten oder früh Morgens frisches Backzeug von der Backstube zu den einzelnen Niederlassungen bringen und auch noch mit 70 diesem echt schönen Beruf nachgehen, den ich bis zu meiner Krankheit ausgeführt habe, der soviel von mir abverlangt hat. Welcher mich im Kopf so frisch und flexibel hält.

Doch die Gelegenheit, ein Buch zu schreiben, ist im Augenblick so gut wie noch nie zuvor. Da meine Arbeitswelt hoffentlich noch nicht zu Ende ist, legte ich diese Idee gleich wieder zur Seite. Das Projekt „Oma“ entfachte in mir kein richtiges Feuer. Und das brauch ich, wenn ich was umsetzen möchte. In der Bibel steht irgendwo, das Jesus auch eine große Flamme und keine Kerze war, welche durch einen Windhauch erlischt.

Da ich schon über 4 Monate mit meinem jetzigen Zustand zu kämpfen hatte und die Frage wie es weiter geht bis jetzt noch nicht geklärt ist, kam mir der Einfall, dass ich doch was über meine Krankheit schreiben könnte. Einerseits vielleicht als Therapie und zum Anderen, alles einmal in Einem festzuhalten, damit ich mal Später nachschlagen kann, wie das denn war Damals. Mit dieser Einsicht kam ich zur Ruhe und döste sehr schnell von der Wachen- auf die Schlafseite.

Am Morgen, nachdem ich mit dem Hund draußen in den Feldern war, besprach ich meine Überlegung mit meiner Annette. Nach längerem Erläutern des Sachverhalts, welches ich hoffentlich konkrete rüber gebracht habe, gab sie mir grünes Licht. Auch sie ist ganz meiner Meinung und bestätigte mich an meinen Gedanken.

So ein Geschreibsel muss gut überlegt sein, kam mir dann in den Kopf, als Annette außer Haus bei der Arbeit war. Da ich zur Zeit den Hausmann abgab, machte ich mir beim Abspülen meine Gedanken, wie der Inhalt sich gliedern könnte. Bei jedem interessanten Punkt ging ich zum Esstisch, um auf der heutigen Tageszeitung die Eingebungen, stichpunktartig auf Papier zu bringen. Da ich heute noch mit dem Zug nach Heilbronn zu meiner Mutter fahre, wollte ich die Zeit im Zug nutzen die erste Sätze zu Formen. Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass ich immer mit dem ersten Satz meine Probleme hatte. Entweder war er zu sperrig, oder zu Rund, auch war ich mit dem Leserhythmus oft nicht zufrieden, weshalb ich Stunden an den ersten Wörtern herumgedoktert, gefeilt und geschliffen habe. Da das Grundgerüst und die ersten zwei Kapiteln schon fest standen, nahm ich mit großer Gewissheit mein iPad mit auf die Reise. Ich war gespannt auf das was ich mit Gottes Hilfe aufs Papier bringen würde.

Als ich dann am Gleis auf den Zug wartete, reihte ich im Kopf schon die Buchstaben zu Worte. Dieses Auflisten erwies sich als richtig schwer und es kamen die Zweifel in mir auf, ob es überhaupt Möglich sei, dass ein Legastheniker in der Lage sei, so ein Werk abzuliefern. Dann kam da was in mir hoch. Damals als ich auf die Rechtschreibschwäche hin getestet wurde, war diese „Krankheit“ noch garnicht so weit ergründet. Die Forschung war erst am Anfang, was diese Krankheit betrifft. Die zwei jungen Lehrerinnen, welche mit mir den Test durchgeführt haben, waren die ersten an meiner Schule, die so eine Weiterbildung für diese Schwäche, absolviert haben.

Meine Schwester hat auch das Gymnasium gewechselt, weil sie Schwächen in Chemie hatte. Anstatt Mathe zu studieren, hat sie ein Studium der Chemie mit Erfolg abgeschlossen. Auch sie ist ein lebendes Beispiel, dass nicht immer das Problem im Klassenzimmer sitzt, sondern darin steht.

Nun stellte ich mir vor, was wäre gewesen, wenn den zwei Frauen bei der Auswertung des Test ein Fehler unterlaufen sei, oder die Hilfsmittel zum Auswerten falsch erstellt gewesen waren. Krankheit ade und das Buch kann kommen.

Ich stieg in den wartenden Zug, nahm im vorderen Bereich des Wagons platz. Kaum sah’s ich bequem auf der gut gepolsterten Sitzreihe, hörte ich hinter mir, wie sich die Türen schlossen. Aus dem Fenster konnte ich das Fahrsignal neben den Schienen erahnen. Das Signal muss auf Grün umgesprungen sein, da der Zug sich langsam zu bewegen anfing, ohne zu rucken, nach vorne, Richtung Heilbronn.

Nach dem ich nun die optimale Sitzhaltung eingenommen hatte, legte ich das iPad auf meine Oberschenkel und manifestierte den ersten Satz auf dem digitalen Papier. Das Signal steht auf grün, die Räder befinden sich auf den Schienen, die Sache kann jetzt, mit viel geruckel, anfangen zu rollen.

Die Richtung ist bekannt, der Streckenverlauf kann sich bei jedem Wort, mit jedem Gedanken ändern. Wie in einem Maisfeld-Labyrinth. Mal befindet man sich in einer Sackgasse und muss sich mühsam zurück zur letzten Abzweigung hangeln, mal wird der Weg enger, da der Bauer diesen nicht sauber gemäht hat, der Einfall des Lichtes dadurch in diesem Bereich schwächer, der Weitblick dadurch auf ein Minimum reduziert wird. So, oder so ähnlich, stelle ich mir das Projekt vor, dass hiermit beginnt.

Und wie geht es nun weiter

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