Читать книгу Die Mutter der Macht. Ein Mensch namens Mao Tse-tung. - Ralph Ardnassak - Страница 4
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ОглавлениеNachdem Mao Tse-tung am 1. Oktober 1949 die Volksrepublik China ausgerufen und erklärt hatte, dass sich das chinesische Volk erhoben habe, hatte er das sinozentrische Prinzip wieder hergestellt und Millionen von Chinesen ihr Gesicht zurück gegeben, welches sie in den letzten hundert Jahren der Unterdrückung und Missachtung verloren hatten.
Sie waren nun keine Kulis der westlichen Mächte mehr, sondern Bürger der Volksrepublik China, die sich anschickten, Kommunisten und Genossen zu werden.
Damit war Rotchina geboren, mit seinen 1,34 Milliarden Einwohnern der bevölkerungsstärkste Staat der Erde.
Der flächengrößte Staat in Asien und nach Russland und Kanada der drittgrößte Staat der Erde, der an insgesamt 14 Nachbarländer angrenzte.
Mao gliederte das Land in 22 Provinzen, 5 autonome Gebiete, 4 regierungsunmittelbare Städte sowie 2 Sonderverwaltungszonen.
Taiwan, welches sich 1949 von China abgespalten und sich zur Republik China erklärt hatte, wurde nicht als autonom anerkannt. Stattdessen wurde versucht, im Rahmen der Ein-China-Doktrin, den sogenannten Taiwan-Konflikt mit militärischen Mitteln zu lösen.
In Bezug auf Taiwan verfolgte Mao Tse-tung ganz klare Ziele, die in der Beseitigung des Sperrgürtels der vorgelagerten Inseln als Ausgangspunkt für eine spätere Invasion Taiwans bestanden; ferner die Erprobung der militärischen Abwehrkraft der Taiwaner Chinesen und deren amerikanischer Verbündeter sowie die Schürung von Konflikten zwischen Taiwan und den Vereinigten Staaten.
Nachdem militärische Invasionsversuche immer wieder scheiterten, sah sich Mao genötigt, am 2. Oktober 1959 in einem Gespräch mit Chrustschow offiziell zu erklären:
„Wir werden nicht nur Taiwan, sondern auch die vorgelagerten Inseln nicht berühren, und zwar zehn, zwanzig, vielleicht dreißig Jahre lang nicht. […] Wir feuern zwar auf die vorgelagerten Inseln, doch wir werden nicht versuchen, sie zu befreien. […] Wir wollten nur den Vereinigten Staaten Schwierigkeiten bereiten […] und glauben, dass unsere Operation erfolgreich ist.“
(Quelle: Memorandum of Conversation of N. S. Khrushchev with Mao Zedong, Beijing, 2 October 1959. In: Cold War International History Bulletin 12/13, S. 262–270; Zitat von S. 264)
Stattdessen wurde die politische Isolierung Taiwans betrieben, welche am 25. Oktober 1971 gemäß UN-Resolution 2758 der UN-Generalversammlung zum Ausschluss des als Nationalchina bezeichneten Taiwans aus den Vereinten Nationen führte.
Ein ähnlicher Konflikt entspann sich 1949/50 zwischen China und dem bis dahin offiziell unabhängigen Tibet.
Mao ließ Tibet besetzen und einfach annektieren.
Während Mao Tse-tung außenpolitisch die Ein-China-Doktrin umzusetzen versuchte, bemühte sich seine Frau Jiang Qing verstärkt, ins politische Rampenlicht zu treten.
Sie mischte sich zunächst während der Jahre 1950 und 1951 in die Bodenreform von Ostchina und in die Reformversuche des Eherechts, welche besonders in der Umgebung von Wuhan stattfanden.
Im Jahre 1954 bemühte sie sich um eine ideologische Diskussion des 1791 erschienen Romans „Der Traum der roten Kammer“ von Cao Xueqin, der den Verfall der Pekinger Aristokratenfamilie Jia thematisiert.
Jedoch wurde sie von der Kommunistischen Partei Chinas immer wieder dazu genötigt, ihr politisches und kulturelles Engagement geheim zu halten.
1951 musste sie sogar ihre Stellung als Leiterin des Allgemeinen Büros im Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas verlassen, um wieder als Maos Sekretärin zu arbeiten. In der Folge litt sie daher unter diversen psychosomatischen Beschwerden, weswegen sie mehrere Male in der Sowjetunion behandelt werden musste.
Tatsächlich liegt Maos China jedoch im Jahre 1949 wirtschaftlich de facto am Boden.
Das Pro-Kopf-Einkommen wird gerade einmal mit etwa 54 US-Dollar ausgewiesen, womit China zu den ärmsten Ländern der Erde zählt.
Etwa 70 % der chinesischen Bevölkerung sind zu diesem Zeitpunkt einfache Bauern ohne Grundbesitz, Tagelöhner oder arme Wanderarbeiter.
Nur sehr langsam kann Maos Volkswirtschaft überhaupt auf bescheidene Erfolge erweisen. Es dauert, ehe die Wirtschaft der Volkswirtschaft überhaupt wieder das Vorkriegsniveau erreicht.
Nach und nach gelingt es, zumindest die galoppierende Inflation im Lande einzudämmen.
Von 1949 bis 1952 nimmt Mao die Herausforderung an, nach Stalins Vorbild eine sogenannte große Bodenreform in China durchzuführen.
Diese besteht vor allem in der systematischen Enteignung aller kleinen, mittleren und großen Landbesitzer in den Dörfern.
Zunächst wird der enteignete Grundbesitz an arme Bauern verteilt.
Auch die industriellen Großbetriebe Chinas, die sich meist im Privatbesitz sogenannter ausländischer Investoren befinden, werden enteignet.
Nun werden die Kleinbauern von der Kommunistischen Partei Chinas dazu aufgestachelt, sich gewaltsam das Ackerland anzueignen und an ihren ehemaligen Großgrundbesitzern Rache und Vergeltung zu üben.
Ackerland zu besitzen oder auch nicht zu besitzen, war für viele chinesische Bauern die existenziellste Frage überhaupt.
Daher erachteten viele kleine Bauern die Bodenreform als längst überfällig und begrüßten die Tatsache, dass beinahe die Hälfte des Bodens von Rotchina neu verteilt wurde.
Die Kommunistische Partei Chinas verschaffte damit vor allem den verelendeten Kleinbauern endlich Zugang zum Grundbesitz.
Allerdings wurde gleichzeitig die gewaltsame Aneignung des Bodens durch die Besitzlosen gefördert. Eine Verfahrensweise, die Gewalttaten und Grausamkeiten, aber auch Akten der Willkür, Tür und Tor öffnete.
Der jahrhundertelang bei den ärmsten der Bauern aufgestaute Hass über soziale Ungerechtigkeit, fang endlich sein Ventil im sogenannten Ge Ming, dem in Chinas Geschichte besonders tief verwurzelten Umsturz korrupter Verhältnisse und schlechter Herrscher der Kaiserzeit mit Mitteln der physischen und militärischen Gewalt.
Ge Ming, das heißt gewalttätige Umkehrung der gültigen Verhältnisse, das heißt Anarchie und Auslösung einer ersten Welle ungebremster Gewalt, die sich nun über China ergießt.
Mao Tse-tung kannte die jahrhundertealte Tradition des Ge Ming mit seinen Gewaltexzessen gut und wollte ihre brachiale Dynamik nun bei der Umsetzung der ersten chinesischen Bodenreform nutzen.
Der Volkszorn sollte bis zur Weißglut aufgeheizt und angestachelt und dann im Sinne der Kommunistischen Partei Chinas genutzt werden.
Die verarmten Kleinbauern inszenierten vielerorts improvisierte Schauprozesse gegen die Grundbesitzer. Es kam zu hysterischen Hetzkampagnen, zu Tumulten und gewalttätigen Übergriffen, zur öffentlichen Demütigung von Menschen, zu Folter und Lynchmorden.
Mao Tse-tung verfolgte in China das Ziel, die alte feudalistische Gesellschaftsordnung mit Gewalt zu zerschlagen.
Um eine neue Gesellschaft mit lauter neuen Menschen zu schaffen, initiierte er dazu seit Anfang der 1950er Jahre jeweils landesweite Massenkampagnen, die die ganze Bevölkerung im Kampf gegen eine bestimmte Schicht erfassen und vereinen sollten.
Vor allem sollten jedoch diese exakt organisierten Massenkampagnen auch das Bewusstsein der sie durchführenden Volksmassen verändern und prägen.
Die Kommunistische Partei Chinas untergliederte eine solche Massenkampagne, für deren Durchführung ein exakter Zeithorizont festgesetzt wurde, in vier Etappen: Vorbereitung, Mobilisierung, Durchführung und Zusammenfassung der Ergebnisse.
Bezüglich der Bevölkerungsschicht, gegen die sich die Kampagne richten sollte, wurden die möglichen Opfer bereits im Vorfeld zahlenmäßig exakt erfasst.
Die individuelle Schuld eines Opfers war dabei unwesentlich. Es galt, eine Kollektivschuld zu sühnen, wobei der persönliche Hintergrund des einzelnen Betroffenen zurück trat.
Jedes individuelle Opfer hatte im Rahmen der Kampagne seine ihm gesellschaftlich zugewiesene Rolle zu spielen. Dazu hatte es Reue und Zerknirschung zu zeigen und sich masochistisch in sein zugedachtes Schicksal zu ergeben. Wollte sich ein Opfer verteidigen, bekam es sofort den ungebremsten sogenannten Zorn der Volksmassen zu spüren.
Auch das soziale Umfeld eines solchen Opfers sollte dessen Schuld niemals anzweifeln, sondern stattdessen den Zorn der Volksmassen teilen oder ihn sogar noch anstacheln.
Mitgefühl oder gar Verständnis waren somit fehl am Platze und hätten den Ablauf einer Kampagne gestört.
Die Anfrage der Volksmassen löste in der Regel die Verurteilung des Opfers aus. Beinahe regelmäßig bestand die Verurteilung im Todesurteil über die betreffende Person. Die Bodenreform war die erste der sechs großen Massenkampagnen, welche Mao Tse-tung von
1949 bis 1952 über China rollen ließ.
Die Bodenreform war nicht nur die erste, sondern auch die tiefgreifendste Massenkampagne Maos.
Im dicht besiedelten China hatte sich durch extremes Bevölkerungswachstum die pro Kopf zur Verfügung stehende landwirtschaftliche Nutzfläche extrem verringert.
Hinzu kam die Tatsache, dass das Land ungleich und damit ungerecht verteilt war.
Einige Grundbesitzer lebten von der Verpachtung ihres Grundes und Bodens, ohne diesen noch selbst bearbeiten zu müssen. Daneben gab es reiche Bauern, die noch selbst auf ihrem Land arbeiteten, arme Bauern und Landlose ohne jeglichen Grundbesitz.
Arme Bauern und Landlose waren existenziell davon abhängig, Land von den Grundbesitzern pachten zu können, um zu überleben.
Ein Mittelbauer konnte von seinen Erträgen eher schlecht als recht leben und dies auch nur in Jahren mit guten Ernten.
Ein armer Bauer vermochte jedoch nicht, vom Ertrag seines Landes zu existieren, er musste sich von reichen Grundbesitzern Land hinzu pachten, um das Existenzminimum zu erreichen.
Die Pachtgebühr für ein einfaches Reisfeld von nur mittlerer Qualität betrug jedoch bereits
40 % seines Ertrages.
Hinzu kamen 7 % Steuern und weitere 7 %, die für den Einkauf von Saatgut und von Düngemitteln verwendet werden mussten.
Der ungebrochene Glaube der kleinen und landlosen Bauern, dass die Kommunisten nach ihrem Sieg das Ackerland Chinas völlig neu verteilen würden, ermöglichte letztendlich Maos Sieg im Lande.
Das am 30. Juni 1950 verabschiedete Bodenreformgesetz sah im Einzelnen folgendes vor: Jeder, der sein Land verpachtete, galt als Grundbesitzer und war zu enteignen; reiche Bauern und Mittelbauern, als reiche Bauern galten Personen mit 30 bis 70 Ar, als Mittelbauern hingegen galten Landwirte mit 15 bis 25 Ar Grundbesitz, durften ihr Land vorerst noch behalten.
300 Millionen Landlose und arme Bauern erhielten auf diese Weise 4.620 Millionen Ar Land zugeteilt.
Nachdem Arbeitsgruppen der Kreisparteikomitees die armen Bauern und Landlosen aufgesucht hatten, um sie aufzustacheln, gerieten vor allem die Großgrundbesitzer rasch in Gefahr. Sie wurden systematisch Schauprozessen unterzogen, die in der Regel tödlich endeten. Damit beabsichtigte Mao einerseits die Schicht der feudalen Grundbesitzer auf dem Lande vollständig zu liquidieren, andererseits sollten die armen Bauern und Landlosen diese gewaltsamen Liquidierungen mit eigenen Händen vornehmen und dadurch Selbstvertrauen und Klassenbewusstsein entwickeln, indem sie miterlebten, wie sich die Machtverhältnisse auf dem Lande umdrehten und indem sie diese mit ihren eigenen Händen schließlich selbst umdrehten.
Vor einem sogenannten Tribunal versammelten sich zum Schauprozess der angeklagte Grundbesitzer als Ortskaiser und die gesamte Bauernschaft.
Der Grundbesitzer wurde zunächst der aller schlimmsten Verbrechen angeklagt, ehe schließlich jeder Bauer einzeln vortrat, um dem Angeklagten seine Verbrechen nochmals ins Gesicht zu schreien. Dieses systematische Anschreien und Beschuldigen steigerte die Wut der Bauern immer stärker, bis es schließlich zu Tätlichkeiten gegenüber dem Angeklagten kam.
Sobald die rasende Wut ihren Höhepunkt erreicht hatte, bat üblicherweise der anwesende Tribunalrichter die versammelte Bauernschaft um einen gerechten Urteilsspruch. Beinahe in jedem Fall wurde auf diese Weise das Todesurteil ausgesprochen.
Auf diese Weise kam es bis Ende 1952 zur Exekution mehrerer Millionen Grundbesitzer auf dem Lande.
Wer jedoch überlebte, wurde als sogenannter Schwarzer durch die Sicherheitsbehörden registriert und blieb dadurch bis zum Jahre 1978 aus der chinesischen Gesellschaft ausgestoßen.
95 % der ländlichen Bevölkerung, darunter die Ärmsten der Armen, priesen die Weisheit des großen Mao Tse-tung.
Aber nicht nur das Land wird aufgeteilt, sondern auch die Produktionsmittel der reichen Grundbesitzer. So wechseln Wasserbüffel, Hühner, Schaufeln und Pflüge den Besitzer.
Mao verbot, die Stallungen, Scheunen und Häuser der Grundbesitzer einfach abzureißen, um auf diese Weise deren Ziegeln zu verteilen.
Auch die Grabstätten der chinesischen Ahnen, die buddhistischen und taoistischen Tempel, dürfen keinesfalls abgerissen werden.
Lediglich die Ländereien der Kirche und der Klöster ließ Mao als Ackerland aufteilen.
Die Mönche und Nonnen dürfen, wenn sie mögen, Bauern werden und Land, das ihnen zugewiesen wird, bewirtschaften.
Bei der Durchführung seiner Bodenreform möchte Mao nicht dogmatisch sein. Er erklärt, dass Dogmen nutzlos seien, nutzloser als die Jauche, mit der man wenigstens noch die Felder düngen könne.
Mao schickt 180.000 Stoßtruppredner in die Dörfer, um seine Ziele in Bezug auf die Bodenreform verkünden zu lassen. Es geht hierbei nicht um die mildtätige Unterstützung der armen und landlosen Bevölkerung. Es geht schlicht um die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion.
Mao Tse-tung erklärte am 23. Juni 1950 zur Bodenreform in China:
„Auf unserer Tagung wurden viele Punkte diskutiert, das zentrale Thema aber war die Frage der Umwälzung des alten Bodenbesitzsystems. Wir haben den vom ZK der KP Chinas vorgeschlagenen Entwurf des Gesetzes über die Bodenreform gebilligt und zu diesem einige nützliche Verbesserungen und Ergänzungen erarbeitet. Das ist sehr gut. Ich freue mich, dass die nach Hunderten Millionen zählende Landbevölkerung des Neuen China die Möglichkeit ihrer Befreiung errungen, dass das Land die grundlegende Voraussetzung für seine Industrialisierung geschaffen hat, und ich beglückwünsche sie dazu. Die Bauern bilden den Hauptteil der Bevölkerung Chinas, die Revolution konnte nur dank ihrer Unterstützung siegen, und die Industrialisierung des Landes ist wiederum nur mit ihrer Hilfe möglich. Deshalb muss die Arbeiterklasse den Bauern aktiv bei der Durchführung der Bodenreform helfen... Die Prüfung Krieg ist im Wesentlichen vorbei, wir alle haben sie gut bestanden, das Volk des ganzen Landes ist mit dem Ergebnis zufrieden. Nun müssen wir die Prüfung Bodenreform bestehen, und ich hoffe, das wird uns allen ebenso gut gelingen, wie dies mit dem Krieg der Fall war. Lasst uns mehr darüber nachdenken, öfter beraten, unser Denken in Einklang bringen, im Gleichschritt marschieren und eine große Einheitsfront gegen den Feudalismus bilden, dann werden wir imstande sein, die Volksmassen zu führen und ihnen zu helfen, diese Prüfung erfolgreich zu bestehen. Haben wir einmal die Prüfungen des Krieges und der Bodenreform hinter uns gebracht, dann wird uns die noch ausstehende Prüfung, die Prüfung des Sozialismus, der sozialistischen Umgestaltung im ganzen Land, leichtfallen. Jene, die zum revolutionären Krieg und zur revolutionären Umwälzung des Bodenbesitzsystems beigetragen haben und die auch in den kommenden Jahren des wirtschaftlichen Aufbaus und der kulturellen Entwicklung weitere Leistungen erbringen – für sie alle gilt: Das Volk wird sie nicht vergessen, wenn die Zeit für die Verstaatlichung der privaten Industrie und für die Sozialisierung der Landwirtschaft gekommen ist (was allerdings noch in weiter Ferne liegt), und eine glänzende Zukunft wird vor ihnen liegen.“
(Quelle: Mao Tse-tung (1978): Ein vollwertiger Revolutionär sein (23. Juni 1950), in: Mao Tse-tung: Ausgewählte Werke Band V. Peking: Verlag für fremdsprachige Literatur, S.35-39)