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II

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Er stand vor dem Spiegel und prüfte seine morgendliche Rasur. Er wendete sein Gesicht vor dem Spiegel hin und her und er fand dabei, dass er mit seinen Anfang Fünfzig immer noch attraktiv wirkte. Die zahlreichen Fältchen um die Augen und die besonders an den Schläfen schon ergrauten kurzen Haare ließen ihn gerade erst interessant wirken, wie er fand. Hatte er nicht sogar etwas von einem George Clooney?

Er lächelte und probierte im Licht der Wandlampe ein paar Grimassen und Posen vor dem Spiegel aus. Er lächelte und betrachtete dabei seine blitzblank polierten Schneidezähne. Er liebte makellose und blitzblank polierte Schneidezähne!

Am Rand seines rechten Schneidezahnes und nur bei intensivem Hinschauen sichtbar, hatte sich eine leichte bräunliche Verfärbung gebildet, die ihn störte und die ihn zugleich n den längst überfälligen Prophylaxe-Termin beim Zahnarzt erinnerte, den er aus Bequemlichkeit immer weiter vor sich her schob.

Er hatte das teure Deodorant benutzt, welches ihm Frau und Tochter zu Weihnachten geschenkt hatten und er hatte sein weißes Hemd gebügelt und den schwarzen Anzug angezogen und die Lackschuhe poliert.

Der neue Kunde, den er akquiriert hatte, würde heute zum initialen Gespräch ihrer Zusammenarbeit ins Büro kommen. Er würde sich brüsten können, wie ein Pfau. Er würde darauf verweisen können, derjenige Mitarbeiter in der Vertriebsabteilung zu sein, der durch neuen Umsatz die Arbeitsplätze aller Kolleginnen und Kollegen sicherte. Er würde in der Frühstückspause hinüber gehen, zur Personalabteilung, wo Conny saß, deren kindlich schallendes Lachen ihn jedesmal erfreute und auf eine sonderbare Art und Weise jede Art von Last von seiner Seele nahm. Er würde sich dort auf einen der bereitstehenden Stühle setzen, wie ein Patient im Wartezimmer, während Conny ihr mitgebrachtes Frühstück verzehren, ihr schallendes Lachen erklingen lassen, ihre langen braunen Locken dabei schütteln und mit den Fußspitzen ihrer elegant übereinander geschlagenen Beine wippen würde, die stets in eleganten und sichtbar teuren Lederstiefeln steckten.

Er würde dort sitzen und sich vor Conny spreizen wie ein Pfau, wobei er ihre Anerkennung genoss, während er detailliert und übertrieben beschrieb, wie schwierig es war, diesen neuen Kunden zu gewinnen und wie hart und kompliziert allein die langwierigen Preisverhandlungen gewesen waren.

Es war also legitim, heute die gute und teure Schweizer Markenuhr anzulegen, die er sich gegönnt hatte. Es war ein Traum gewesen, diese Uhr endlich zu besitzen. Ein langjähriger und teurer Traum, den er schon als Student gehegt hatte, wobei ihm seine Frau immer wieder mitteilen musste, dass diese Uhr zu teuer sei.

Nun allerdings, da das Haus und das Ferienhaus und die beiden Autos abbezahlt waren, da die Tochter ihr Studium absolviert hatte, konnte er nicht mehr an sich halten. Es war Zeit und aus seiner Sicht nunmehr endlich auch legitim, nun die Uhr zu besitzen.

Er entsann sich seiner zahlreichen dienstlichen Flüge nach München. Dort hatte es, im Terminal B der Lufthansa, im ersten Stock, einen Verkaufsstand gegeben, an welchem diese Uhr aufwändig präsentiert wurde. Wie oft hatte er hier gestanden und die Uhr mit schmachtendem Blick betrachtet, bis die neugierige Frage einer eleganten Verkäuferin, ob sie ihm denn helfen könne, ihn ängstlich vertrieb. Er hätte sich geschämt, in seinem eleganten und scheinbar teurem Anzug, der jedoch nur ein günstiger Kauf im nächsten real-Markt gewesen war, einzugestehen müssen, dass die Uhr sein Budget überstieg.

Dieser Kauf allerdings, getätigt noch kurz vor Weihnachten und zuvor abgesprochen mit seiner Frau, war ein Kompromiss gewesen. Er hatte die Uhr gebraucht bei eBay erworben und sich über die Einwände hinweg gesetzt, sie sei zu klobig und protzig für seine vergleichsweise zierlichen Unterarme.

„Bahnhofsuhr!“, hatte seine Frau gespottet, die sich mit Schweizer Markenuhren und deren Wertbeständigkeit natürlich nicht einmal auskannte, aber, wie es ihre Art war, überall mitreden musste!

Es war die Omega Speedmaster Professional, die sogenannte Moonwatch, die Buzz Aldrin bei der legendären ersten Landung von Apollo 11 auf dem Mond getragen hatte. Es war einige der wenigen, von der NASA für bemannte Weltraumflüge zertifizierte Uhr. Eine Uhr mit dem konventionellen Handaufzug und dem Hesalitglas und dem traditionell schlicht gebürsteten Edelstahlgehäuse und Edelstahlarmband.

Es war die traditionelle Variante der Uhr in der großen Ausführung mit Handaufzug und dem Kronendurchmesser von mehr als 40 mm, nicht die preiswertere „Reduced-Variante“ mit Automatikwerk und lediglich 38 mm Kronendurchmesser, die auch Damen tragen konnten!

Es war ein 1994er Baujahr, welches er bei eBay für 2.250 Euro aus dem Angebot eines Kölner Juweliers erstanden hatte. Gebraucht zwar und mit minimalen Tragespuren, aber immerhin noch mit 12 Monaten Händlergarantie!

Eine Wertanlage, ein Kultobjekt und zugleich ein Attribut gemäßigten Wohlstands, das man gern bei geschäftlichen Anlässen oder bei familiären Treffen stolz präsentieren konnte!

Und auf der Rückseite der Uhr prangte ein seltsames Wesen, halb Pferd, halb Fisch. Ein Seepferdchen, dessen Kopf aus einem Wellenkamm heraus schaute und das Zeichen des Omega. Ringsum jedoch der stolze Schriftzug: FLIGHT QUALIFIED BY NASA FOR ALL MANNED SPACE MISSIONS THE FIRST WATCH WORN ON THE MOON.

Er streichelte mit selbstgefälligem Lächeln im diffusen Licht und in der morgendlichen Stille des morgendlichen Badezimmers über das kühle Edelstahl und über das glatte Hesalitglas der teuren Uhr.

Es wurde Zeit! Er löschte das Licht im Bad und füllte im Flur die Futterschüsseln ihrer beiden Katzen mit Trockenfutter auf. Die Brekkies prasselten mit leisem Klicken in de Plastikschalen und es verbreitete sich sogleich ein Geruch nach Leberwurst im Flur.

Er betrat die stille Straße vor seinem Haus, zog die schwere Haustür an ihrem bronzenen Griff hinter sich ins Schloss und betrachtete suchend die Reihe der parkenden Autos. Still lagen noch die Fassaden der Reihenhäuser. Lediglich in der Arztpraxis gegenüber verriet ein dezenter Lichtschein, der aus dem Inneren des Gebäudes kam, die frühe Anwesenheit der Putzfrau. Vermutlich war diese Putzfrau zu bedauern. Nicht nur wegen ihrer Arbeitszeiten, sondern wohl auch wegen der Höhe ihres Salärs!

Im Lichtkreis der Straßenlampen sah er ganze Heere von Mücken tanzen, während er sein Auto aufschloss.

Bis zum Flughafen würde er ungefähr vierzig Minuten benötigen. Er konnte dort noch einen Kaffee trinken und die Tageszeitung lesen, die stets kostenlos auslag. Es war der erste Flieger, der an diesem Tag in Richtung München ging und er würde erst am Abend, mit der letzten Maschine, von dort zurück kehren. Ein langer und ermüdender Tag lag also vor ihm!

Die Autobahn, die er bis zum Flughafen befuhr, verlief beinahe schnurgerade von Norden nach Süden, als müsse sie das Land auf diese Weise in eine östliche und westliche Hälfte teilen.

Trotz der frühen Stunde waren bereits verschiedene Lastkraftwagen unterwegs, die ihn mit ihren unablässigen und rücksichtslosen Überholmanövern am Vorwärtskommen behinderten.

Er dachte darüber nach, dass es sinnvoll wäre, auf Bundesautobahnen ein generelles Überholverbot für Lastkraftwagen einzuführen, um auf diese Weise die störenden und vor allem gefährlichen „Elefantenrennen“ zu beenden. Aber solche Entscheidungen waren von den Lobbyisten, die alle Politiker mehr oder minder darstellten, wohl kaum je zu erwarten. Der Profit der Speditionen zählte selbstverständlich mehr als die paar Leben der Autofahrer.

Links und rechts des grauen Betonbandes der Autobahn, deren Errichtung bereits auf das Jahr 1936 zurück ging, schwiegen die Felder, glänzten fern die vielen Lichter einer Zuckerfabrik, hinter deren glänzenden Fassaden die Rüben der umliegenden Äcker zu Zucker verarbeitet wurden.

Zwei Spuren der Autobahn führten nach Norden, während zwei entgegen kommende Spuren nach Süden hin verliefen.

Er fuhr in Richtung Süden. Große blaue Hinweisschilder mit glänzender weißer Schrift spannten sich über das Betonband der Autobahn.

Das zarte Grün der tischartig ebenen Landschaft schlief noch neben der Autobahn, begrenzt vom schwarzgrau schimmernden Gestrüpp dürrer Buschreihen und Streifen von Pappeln, die sich am Horizont entlang zogen.

Das Land erwachte langsam. Achtlos fuhr er, wie andere auch, einem imaginären Ziel zustrebend, an dem schlafenden Grün, an dem in der Dämmerung schlummernden Gestrüpp und Buschwerk vorüber.

In der Ferne erstrahlten, vergleichbar einer mittleren Stadt, die unzähligen Lichter des nahen Flughafens.

Die steingraue Stahl- und Glaskonstruktion der Mall und des Abfertigungsgebäudes spannte ihre Dächer und Stahlträger über den Acker.

Eingebettet ins gigantische Spinnennetz der Zubringerstraßen und der Schienen lagen die Flughafengebäude im gleißenden Licht tausender Lampen und Neonröhren. Hier schlief man niemals.

Er steuerte das mehrstöckige Parkgebäude am Airport an und schraubte sich in den engen Kurven der Rampe bis ganz nach oben, auf die oberste Parkebene, wo er endlich, zwischen den schier endlosen Reihen der Hecks der parkenden Autos eine freie Lücke fand.

Ohne innere Anteilnahme studierte er mechanisch die Nummernschilder der parkenden Fahrzeuge, während er seinen Mantel überzog, seine Tasche aus dem Auto nahm und es abschloss.

Ein kalter Windzug wehte durch das morgendliche Parkhaus und das Aufjaulen der Triebwerke eines in der Ferne startenden Flugzeuges erinnerte ihn plötzlich daran, dass er zum Check-In gehen musste.

Er fuhr mit dem Fahrstuhl drei Etagen vom Parkdeck nach unten bis zur Abflugs-Ebene und lief neben dem Laufband die Mall entlang, um zum Check-In zu gelangen. Er hatte bereits, wie üblich, am Vorabend von zu Hause aus online eingecheckt und da er nur Handgepäck mit sich führte, konnte er sofort durch die Sicherheitskontrollen gehen und am Gate Platz nehmen und noch etwas Zeitung lesen, ehe sein Flug aufgerufen werden würde.

Er lief die Mall entlang, an deren Ende ihn eine Rolltreppe bis hinunter in die große Empfangshalle bringen würde und studierte die gewaltigen und grauen stählernen Spinnenbeine der Trägerkonstruktionen und armdicken Bolzen, die das Dach trugen und die Schaufenster der Reiseveranstalter, die entlang der Mall ihre Pauschalreisen anpriesen.

Viele Orte davon hätte er gern mit seiner Frau besucht. Und es kam ihm beinahe wie ein Sakrileg vor, dies unterlassen zu haben. So, als gäbe es nun nie wieder die Möglichkeit, mit seiner Frau reisen zu können.

In der morgendlichen Mall waren nur wenige Fluggäste unterwegs, die ihre prall gefüllten Trolleys ratternd hinter sich zerrten, als wären es müde Haustiere.

Ein Paar Polizisten kam ihm entgegen, welches sich angeregt über ein Fußballspiel unterhielt. Und ihm fiel auf, wie groß und deutlich sichtbar ihre Pistolen waren, so als handele es sich um Sheriffs im Wilden Westen, die bereits durch die pure Sichtbarkeit ihrer Schusswaffen abschrecken wollten.

Große Fahnen, die über der Mall aufgehängt waren, warben für eine Aufführung von Werken eines berühmten Komponisten, welcher zeitweilig in dieser Gegend gewirkt hatte: Georg Friedrich Händel starrte streng und im Halbprofil von jener Fahne auf die Mall herunter. Mit großen Augen unter schwarz-buschigen Augen und über dicken Tränensäcken. Mit großer Nase und fleischigen roten Lippen. Mit grauer gepuderter Perücke, exakt über der Mitte der hohen und glänzenden Stirn gescheitelt, deren Locken ihm bis herab auf die Schultern des eleganten Wamses fielen.

Das große bunte Portrait des berühmten Komponisten, wie es den Fluggast, welcher auf der Mall in Richtung Empfangshalle unterwegs war, mit durchdringendem Blick zu fixieren schien, war offensichtlich einem historischen Gemälde entnommen und stark vergrößert worden. Es wirkte, als sei es eigens geschaffen worden, um einen Geldschein zu zieren.

Er erreichte das Ende der Mall. In gläsernen Quadern fuhren Fahrstühle aus Edelstahl nach unten in die Empfangshalle. Er bevorzugte jedoch die Rolltreppe.

Der morgendliche Betrieb, welcher in der Empfangshalle zu dieser Zeit herrschte, war eher moderat.

Geschäftsreisende, wie er in eleganten Anzügen, lümmelten sich am Tresen des Flughafenrestaurants zwischen ihren Kaffeetassen, Frühstückstellern und Laptops. Aufgeregte Urlauber wuchteten ihre Taschen, heftig plappernd und gestikulierend, auf eine Bank aus mattem Edelstahl.

Die Gespräche der Menschen gaben in der Empfangshalle ein echoartiges Geräusch. Es vermischte sich mit dem Lärm dutzender Schritte, mit dem rhythmischen Klackern der Plastikräder der Trolleys, die über die Fliesen des Fußbodens gezogen wurden, mit den Ansagen aus den Lautsprechern, dem Lärmen der Gepäckbänder und dem leisen Quietschen der Körperscanner, mit denen während der Sicherheitskontrollen die Kleidung der Fluggäste abgetastet wurde.

Routiniert zeigte er seinen Boarding-Pass vor, legte seine Tasche auf das Transportband, löste Armbanduhr und Gürtel, zog sein Jackett aus.

„Guten Flug!“, wünschte der Beamte müde, der ihn mit dem Scanner abgetastet hatte.

Er fand, dass alle Flughäfen, die er kannte, gleich rochen. Sie rochen nach den Deodorants der Reisenden, nach dem frischen Duft ihrer Kleidung und dem teuren und meist feinen Leder ihrer Schuhe und Taschen.

Ihm kam in den Sinn, dass dies der Duft der High Society war. Der Duft, wie er auch auf den besseren und teureren Decks der RMS Titanic auf ihrer einzigen und letzten Fahrt deutlich wahrnehmbar gewesen sein musste.

Am Gate nahm er sich eine Zeitung und ärgerte sich sogleich über die frische Druckerschwärze, die an seinen Fingerkuppen haften blieb.

Er setzte sich, schlug die Beine übereinander und las geschäftig in der regionalen Zeitung. Wie andere Fluggäste auch, fixierte er jeden hinzu kommenden Reisenden, der am Gate Platz nahm, mit einem misstrauischen Blick. Taxierte Kleidung, Schuhwerk, Schmuck und Uhr und versuchte dabei, den Sinn und Zweck der Reise des jeweils neu Hinzugekommenen zu erraten.

Ein älteres Ehepaar hatte neben ihm Platz genommen, was ihn störte, als würde ihm die ganze Sitzbank allein gehören und sein Revier sei auf diese Weise in schamloser Art verletzt worden.

„Hast Du keinen Hunger?“, fragte die Frau und der Mann schüttelte stumm wie ein Fisch den Kopf.

„Wenigstens eine Banane hättest Du doch essen können!“, sagte die Frau: „Wenigstens eine Banane!“

Wieder schüttelte der Mann nur, stumm wie ein Fisch, mit dem Kopf. Er aber meinte plötzlich, den Geruch einer frischen und noch grünen Banane zu verspüren, wie er sie am meisten liebte.

Das Wasser lief ihm im Munde zusammen, während ein regelrechter Hass auf diese Frau in ihm aufstieg. Geradezu gierig war er, nachdem sie davon gesprochen hatte, plötzlich darauf, eine frische grüne Banane zu essen. Hätte sie nicht davon gesprochen, wäre er zufrieden gewesen. Nun aber, nach ihrer achtlosen Äußerung, verlangte es ihn dringend nach einer frischen Banane, so dass er sich vornahm, nach der Landung auf dem Flughafen München sofort im dortigen EDEKA-Markt frische grüne Bananen zu kaufen, die er dann in der Münchner S-Bahn verzehren konnte.

Ärgerlich vermerkte er jedoch, dass es jetzt erst 4:30 Uhr war. Gegen 5:00 Uhr würde der Flieger starten, 6:00 Uhr würde er in München sein und um 9:00 Uhr würde erst der EDEKA-Markt öffnen! Noch viereinhalb Stunden musste er demzufolge auf seine Bananen warten!

Draußen, in der morgendlichen Dämmerung, war ein Flieger aus Frankfurt am Main gelandet und rollte nun, mit der gewaltigen Nase voran, auf die gläserne Front des Flughafengebäudes zu, hinter der sich das Gate befand.

Er dachte an den bevorstehenden fünfzigminütigen Flug, auf den er sich immer wieder freute. Er dachte an die eleganten Stewardessen, die ihn schon beim Boarding begrüßen und dann bedienen würden, an ihr Lächeln und ihre stets attraktiven Körper.

Er dachte an die gleißende Sonne, die ihn oben, nach dem Durchstoßen der Wolkendecke, erwarten würde.

Dann, während er auf die Fliesen des Fußbodens starte, wurde ihm plötzlich übel. So übel, dass er plötzlich das drängende Bedürfnis verspürte, sich zu übergeben und der Schweiß lief ihm dem Rücken hinunter und trat in großen fetten Tropfen auf seiner Stirn hervor und tropfte von dort auf die frische Zeitung, die er in den Händen hielt.

Er wollte aufstehen und zur Toilette gehen, um sich dort zu übergeben und der nahende Aufruf zum Boarding verlor plötzlich vollkommen an Bedeutung, so als gehöre sein Flug in eine Welt, die bereits vollständig für ihn versunken war.

Er wollte aufstehen, aber er spürte, wie ihm die Beine versagten, während er mit Unwillen bemerkte, dass alle Anwesenden ihn fixierten. Mit Mienen, in denen sich eine seltsame Mischung aus Entsetzen, Mitleid und Neugier spiegelte.

Dann kam plötzlich der Schmerz in der Brust. Genau in der Mitte seiner Brust, von wo er, wie eine lodernde Flamme, bis in den Kopf hinauf und bis hinein in die Fingerspitzen beider Arme ausstrahlte.

Es war ein Schmerz, der größer und allmächtiger war, als das Leben selbst, das in ihm weilte und von dem er bereits voller Angst wußte, dass er nie wieder vergehen, sondern ihn vernichten würde.

Er hatte zunächst einige Sekunden lang versucht, es auf die Tatsache zu schieben, dass er vermutlich schlecht geschlafen hatte. Aber angstvoll begriff er, dass dieser Schmerz der Tod und die Vernichtung selbst war und dass er, hier in aller Öffentlichkeit und fernab von seinen Lieben, sterben würde.

Der Schmerz war jetzt stechend und reißend und so stark, dass er ungläubig vor der Macht und schieren Gewalt dieses Schmerzes erschrak. Es war, als sei ein Vulkan in seiner Brust ausgebrochen. Ein gewaltiger Vulkan, der ihn ganz und gar erstickte und verbrannte.

Wie gierige Vögel, die ihn zerreißen und zerteilen wollten, wirkten die übergroßen Nasen derjenigen Gesichter, die sich mit Fragen, die er nicht mehr verstand, jetzt über ihn beugten.

Er rang röchelnd und ängstlich um Atem, als stünde ein gewaltiger Koloss unmittelbar auf seinem schwachen und zerbrechenden Brustbein.

Sein Gesicht war grau und von Schweiß bedeckt. Da hatte er, ängstlich, zitternd und winzig vor der Größe dieses entsetzlichen Schmerzes, das Empfinden, als würde seine Brust innerlich zerrissen und der Schmerz würde zur Gigantomanie gesteigert, zu einer wütenden, hasserfüllten und kranken Stärke, die größer war, als sein Bewußtsein und als seine eigene Existenz. Dann sackte er mit einem erstickten Röcheln zur Seite.

Void State: Das letzte Geheimnis

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