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2.Die Lehrer

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Deutschland scheint eine Lehrergemeinschaft zu sein. Auch heute noch. Wenn man ab und zu einen Trip über die Autobahnen wagt, wird das sehr deutlich, von den Beleg-Handtüchern im südlichen Ausland mal ganz abgesehen. Der Deutsche hat unbedingt recht, da spielt die Bildung absolut keine Rolle. Wahrscheinlich mangelt es den Deutschen an der Kunst des Debattierens und der Dynamik der Auseinandersetzung. Immerhin hat Deutschland eine sogenannte Streitkultur, die immer Sonntagmorgens als organisierte Veranstaltung mit O-Saft und Mineralwasser stattfindet. Auch da haben Alle recht und es gibt keine unerwünschten Meinungen, wie Max immer wieder feststellen muss.

In der Glotze läuft gerade die ätzende Mucosolvan Werbung für, oder gegen Kinderhusten mit Schleimmonstern, die Maximilians Mattscheibe voll rotzen. Wer lässt denn so etwas zu? Und warum kommen diese Anti-Werbespots überhaupt um die Mittagszeit, oder pünktlich zum Abendessen? Gesteigert noch von besonders in Szene gesetzten Abführprodukten. Klar,

Max könnte ja einfach umschalten, oder abschalten. Muss die Glotze überhaupt laufen beim Essen?

Ja doch, die Deutschen haben immer recht. Leider gibt es in Deutschland keine Debate-Clubs nach englischem Vorbild, wo man die Kunst der Auseinandersetzung spielerisch lernen kann. Der Deutsche weiß eben was recht und falsch ist, und wenn jemand etwas anderes weiß, wird er belehrt, dass er nicht recht hat. Selbst Leute, die Max für intelligent hält, tun das. Besonders gut zu beobachten ist das in der Sarrazin-Debatte. Ausländer muss man besonders lieben, sagen die einen, die anderen wollen unbedingt die deutsche Kultur erhalten. Warum ist das so, fragt sich Max. Es ist doch viel schöner wenn es ein so oder so erst gar nicht gibt. Eine Gesellschaft, die Europa mit all ihren Facetten und Farben bereichert, ist doch eher wünschenswert.

»Mich erinnert das an ein Xylophon. Da haut einer auf eines dieser Plättchen fest drauf und die anderen schallen auch ein bisschen – aber alle in der gleichen Weise« sagte der ehemalige Deutsche, jetziger US Bürger, Universaldenker und Kulturwissenschaftler, Hans Ulrich Gumbrecht in einem Interview in der Welt-Online. Max empfindet diese Debatten als blanke Zeitverschwendung, hinsichtlich seiner festen Überzeugung eines Vereinigten Europas, welches es schnell zu realisieren gilt. Dann wird auch der Euro eine sehr starke europäische Währung, die von Ostasien nicht so schnell zu erschüttern sein wird.

Viele sehen die Vereinigten Staaten Europas als eine reine Utopie. Logisch, solange es an Kleinigkeiten scheitert und besonders das deutsche Kleindenkertum und die allgemeine Rechthaberei diesem Vorhaben entgegen stehen. Naja, Max wird das sowieso nicht mehr erleben, leider. Die Amerikaner, die uns so eine Vereinigung beispielhaft vormachten, haben schließlich auch Jahre dafür gebraucht, ihre inzwischen 50 Staaten unter einen Hut zu bringen. Entstanden sind die Vereinigten Staaten von Amerika mit gerade mal 13 Kolonien, nach der Unabhängigkeit von England um 1776. Bis auf Virginia waren alle heillos überschuldet und trotzdem kam es 1778 zu einer bundesstaatlichen Verfassung. Was also ist das Problem der Deutschen, die sich angeblich als Zahlmeister Europas sehen, und ständig auf anderen herumhacken? Irgendwann wird es Geschichte sein und kaum mehr vorstellbar. Gut, da wären noch die Briten, die bis heute an ihrer Magna Carta von 1215 festhalten. Der ehemalige Freibrief für Adelige ist immer noch Grundlage der Gesetze des Vereinigten Königsreichs und besonders die Verfassung der USA bezieht sich in Teilen auf diese Gesetze. Einem Vereinigten Europa kann das allerdings nicht im Wege stehen, denkt Max. Lustig ist freilich, dass laut der Magna Carta, niemand in den Houses of Parlia- ment sterben darf. Tritt dieser Fall ein, muss der Leichnam sofort herausgeschafft werden. Warum? Weil solch eine Begebenheit ein Staatsbegräbnis nach sich ziehen würde. Noch ein Kuriosum aus dem Jahr 1872, wonach es verboten ist, betrunken auf Pferden und Kühen zu reiten. In den Vereinigten Staaten von Europa wird es wohl nur noch Hobby Monarchen geben, überlegt sich Max, was ja auch seinen Reiz haben kann. Vermutlich wird sich Europa ausdehnen wie die USA. Diese Territorialen Expansionen ermöglichten vor allem die damaligen Einwanderer aus Europa im Osten und die Hispanics im Westen. Mit Hawaii haben die USA inzwischen auch Anteile an Ozeanien. Die englische Amtssprache ist dagegen nur in30 der Vereinigten Staaten Gesetz. Also, auf was wartet Europa noch. Die einzelnen Länder behalten doch ihre Kultur und Sprache. Max kann sich ein uniformelles Europa so auch gar nicht vorstellen.

Max philosophiert über ein tolles Europa so vor sich hin, als er jäh vom Klingeln seines Telefons unterbrochen wird. Schade aber auch.

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