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Die Ehefrau

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Der Mann, den Auguste Viktoria geheiratet hatte, besaß zur Hochzeit noch nicht seinen bekannten Schnurrbart, der später mit viel Pflege vom Hoffriseur Herrn François Haby mit den Spitzen nach oben drapiert wurde, um den sogenannten »Kaiser-Wilhelm-Aufsteiger« zu kreieren. Zweimal hatte er sich einen Vollbart stehen lassen, rasierte ihn aber auf Wunsch seiner Frau wieder ab. Wilhelm hatte einen hellen Teint, gute Zähne, blondes Jahr, welches ab dem 50. Lebensjahr ergraute. Er wog bei 1,76 Meter circa 70 Kilogramm, seine Bewegungen waren ruckartig und temperamentvoll zugleich. Gerne fuchtelte er mit dem rechten Zeigefinger vor dem Gesicht desjenigen, den er in einer Diskussion überzeugen wollte. Seine Stimme war klar, nach einer Halsoperation 1903 jedoch flach und unlebendig. Bei seiner komplizierten Geburt am 27. Januar 1859 im Kronprinzenpalais wurden Nervenstränge am linken Arm verletzt, sodass sein linker Arm kürzer und zurückgebliebener war als der rechte, dessen kräftiger Händedruck schmerzharft stark war. Besonders wenn er die Ringe an seinen Fingern mit den Steinen nach innen drehte, was er gerne machte, um Leute zu ärgern. Sein sarkastischer, schwarzer Humor sowie seine impulsiven Äußerungen und sein mangelndes Taktgefühl führten häufig zu Spannungen. Dem König von Italien etwa gab er einen Klaps auf den Po – genau wie dem Sohn des letzten Sachsenkönigs, wobei sich Wilhelm auch über die Größe des prinzlichen Gesäßes amüsierte. Seiner Schwägerin, Auguste Viktorias Schwester Karoline Mathilde, schlug er, nachdem sie sich beim Essen verschluckte, so heftig auf den Rücken, dass sie »etwas rot und erregt geworden« äußerte: »Aber ich möchte so eine Kur doch nicht öfters durchmachen.«35 Wilhelms Interessen sprangen von einem Thema zum anderen. Er meinte, alles zu kennen und machen zu können, auch wenn er dabei wenig Geschick zeigte und nie lange bei einer Sache blieb, wobei sein gutes Gedächtnis bemerkenswert war.36


Prinz Wilhelm im Jagdanzug, 1879 (Fotgrafie: Hills & Saunders, London). Seinen linken, kürzeren Arm versteckte oder kaschierte er auf Fotografien.

Nach der Hochzeit richteten sich Prinz und Prinzessin zunächst in den kalten Wohnungen des Potsdamer Schlosses ein, wo Auguste Viktoria sich mit der Etikette am Hof beschäftigte und anfing, die verschiedenen Uniformen der Regimenter zu studieren, die sie zunächst nicht unterscheiden konnte. Währenddessen wurde das Marmorpalais, ein zweistöckiges, u-förmiges und sanft rotes Gebäude mit direktem Zugang zum Heiligen See, umgebaut und mit neuen Wasserleitungen ausgestattet. Die Sparsamkeit, die Kaiser Wilhelm I. für den Umbau forderte, führte zur Unterbringung des Hofstaats außerhalb des Palais, die Herren im Kavalierhaus, die Damen im Hofdamenhaus. Beide Gebäude waren jedoch so weit vom Palais entfernt, dass sich der Hof über die langen Wege beschwerte, insbesondere bei Regen und Kälte. Einzig das Garderobenpersonal wurde direkt im Palais untergebracht.37

Auguste Viktorias Tagesablauf richtete sich vollkommen nach ihrem Mann, dessen Dienst bei der Garnison in Potsdam oft um 7 Uhr begann. Sofern sie Wilhelm nicht nachreiste, den Exerzierübungen zuschaute und mit den Soldaten sprach, begann Auguste Viktoria karitative Einrichtungen zu besuchen. In der Freizeit schipperte das Ehepaar über den Heiligen See, nur begleitet von einem Adjutanten und einer Hofdame in einem zweiten Bötchen.

Die Pflicht, als Frau des Thronfolgers schnellstmöglich einen Sohn – im Idealfall mehrere Söhne –zur Welt zu bringen, erfüllte Auguste Viktoria bereits ein Jahr nach ihrer Hochzeit mit der Geburt von Friedrich Wilhelm Victor August. In der Nacht vom 6. Mai 1882 schritt Kronprinz Friedrich, der durch ein Telegramm seines Sohnes von der baldigen Niederkunft erfuhr, vor dem Marmorpalais auf und ab und blickte dabei ständig zu den beleuchteten Fenstern im ersten Stockwerk hinauf. Im Hintergrund des Geschehens standen die Hofdamen Claire von Gersdorff und die Gräfin von Keller und beobachteten den nervösen Kronprinzen. Gegen 22 Uhr öffnete Wilhelm das Fenster und rief zu seinem Vater: »Papa, er ist da! Ein Sohn«, und bevor die draußen wartenden Hofdamen es realisierten, war der Kronprinz auch schon im Haus verschwunden. Am nächsten Morgen erfuhr Berlin durch 101 Salutschüsse von der Geburt des Erben. Kaiser Wilhelm stellte sich im Marmorpalais ein, um seinen ersten Urenkel zu sehen, der wegen unentwegtem Geschreie »ein richtiger Posaunenengel« gewesen sei.38 Die stolze Mutter schrieb an ihre Schwester, der »Herr hat meinen größten Wunsch erfüllt, in dem er mir den herzigen Kleinen schenkte«, und sie freute sich darüber, dass ihr Mann »bei Babys Bad assistiert [hat] gewiß ¾ Stunden … nachher brachte er ihn mir herein«39.

Die Taufe des Prinzen, die vom Kronprinzen überwacht und mit dem Hofpersonal geprobt wurde, fand im Juni in der Jaspis Galerie des Neuen Palais in Potsdam statt. Am Ende des Saales, der durch seine großen Spiegel und Kronleuchter geprägt war, wurde ein Altar errichtet, vor dem im Halbkreis die Taufpaten standen. Die Eltern des Kindes saßen neben dem Altar, wobei Wilhelm I. auffiel, dass die »junge Mutter […] charmant« aussah und »sich gut die ganze Zeit über« hielt. Nachdem eine Schwester des Kaisers das Kind hereintrug, nahm Wilhelm I. persönlich die Taufe vor. Nach dem Galadiner im riesigen Marmorsaal verteilten sich die Gäste auf 72 Kutschen und fuhren zum Bahnhof Wildpark (der heutige Bahnhof Potsdam Sanssouci wäre auch zu Fuß bequem erreichbar gewesen), um eine Ballettvorstellung in Berlin zu besuchen.40

Der zweite Sohn, Wilhelm Eitel Friedrich Christian Karl, wurde am 7. Juli 1883 morgens um 6 Uhr geboren, was der stolze Kronprinz in seinem Tagebuch festhielt, als »bald nach 4 Uhr ward Frauchen nach dem Marmorpal[ais] gerufen; Wilhelm aus Berlin traf 5 Minuten vor der Geburt ein. Dauer der Wehen von 1 Uhr Morgens nur. Alles verlief normal und leicht. Der Kleine ist vielleicht noch stärker als der Aelteste bei seiner Geburt war […] Ich war bald nach seinem Erscheinen eingetroffen.«41 Fast genau ein Jahr später, am 14. Juli 1884, folgte Adalbert Ferdinand Berengar Viktor, zu dessen Geburt Kaiser Wilhelm I. das Wortspiel veröffentlichte: »Die Geburt des dritten Sohnes des Sohnes meines Sohnes ist mir eine große Freude, da, wenn Gott den Kindern Leben schenkt, sie gute Stammhalter des Hauses werden können.«42 Nach drei Jahren Pause folgte am 29. Januar 1887 August Wilhelm Heinrich Günther Viktor.

Trotz der Harmonie, die bei der Geburt der Enkelkinder zwischen dem Kronprinzenpaar und dessen Sohn existierte, war die Beziehung zunehmend emotionsgeladen. Als Auguste Viktoria und Wilhelm am 12. November 1883 den Kronprinzen in Potsdam besuchten, folgte ein Abend voller politischer Diskussionen und Anschuldigungen zwischen Vater und Sohn. Als Friedrich das Paar nach Hause schicken wollte, wehrte sich Auguste Viktoria dagegen, denn »in solcher Stimmung [wollte sie] nicht fort«43.

Insbesondere Wilhelms ehrgeizige Mutter fühlte, dass ihr der Einfluss über ihren Sohn entglitt, und ihre Schwiegertochter wurde in ihren Augen zu einer rechten Enttäuschung. Zu ihrer Hochzeit hoffte Victoria noch, dass »Dona mit am geeignetsten schien, eine ausgezeichnete Frau und Mutter zu werden. Wir schätzen und achteten ihren Vater sehr, der großes Vertrauen zu uns hatte; wir waren sehr vertraut mit ihm«44. Sie realisierte bald, dass Auguste Viktoria nicht ihr folgte, sondern willenlos ihrem Gemahl und nichts unternahm, »um den Riß zu heilen: Sie spielte die Rolle einer Sklavin, was immer er auch tun mochte«45. Befremdlich wirken die kontinuierlichen Drohgebärden und die erstaunliche Prahlerei der Kronprinzessin in Briefen an ihre Mutter:

Dann hoffte und glaubte ich, daß sie dankbar und anhänglich sein und mir Vertrauen entgegenbringen würde – in diesem Punkt sind allerdings meine Hoffnungen gänzlich enttäuscht worden! Sie hat vollkommen vergessen oder will sich nicht erinnern, oder versteht in der Tat nicht, was sie mir schuldet. Sie hat ein starkes Pflichtgefühl, aber sie scheint ihre Pflichten mir gegenüber nicht zu kennen!46

Königin Victoria, die selbst eine beachtliche Störrigkeit und familiäre Überheblichkeit an den Tag legte, übernahm die Abneigung ihrer Tochter gegenüber Wilhelm und Dona. Als diese sich 1885 gegen eine Hochzeit von Prinzessin Beatrice, Königin Victorias jüngster Tochter, mit Heinrich von Battenberg äußerten, schrieb sie:

Dein Brief … mit dem Du [Kronprinzessin Victoria] mir von der außerordentlichen Impertinenz und Unverschämtheit und, ich muß noch hinzufügen, großen Unfreundlichkeit Willys mir gegenüber und (von) dieser dummen Person Dona erzählst, zwingt mich zu sagen, daß ich weder ihm noch ihr schreiben werde. Was Dona betrifft, diese armselige, kleine, unscheinbare Prinzessin, die nur durch Deine Liebenswürdigkeit in die Stellung gekommen ist, die sie heute einnimmt – fehlen mir die Worte! … Was nun diesen albernen, pflichtvergessenen und – ich muß sagen – gefühllosen Willy betrifft, kann ich keine Geduld mehr aufbringen und würde hoffen, daß er, wie die Schotten sagen, ein gutes »skelping« (eine Tracht Prügel) und den Kopf zurechtgesetzt bekomme …47

Nachdem im Juni 1887 das fünfzigjährige Regierungsjubiläum von Königin Victoria gefeiert wurde, bei dem auch Prinz Wilhelm und seine Frau sowie deren ältester Sohn – seine erste Auslandreise – anwesend waren, verurteilte die Kronprinzessin Auguste Viktorias »hochnäsige[n] Prätensionen, [die] höchstens ein mitleidsvolles Lächeln« erweckt hätten.48

Das Verhältnis zwischen Eltern und Sohn erhielt tiefste Risse als die Öffentlichkeit Ende des Jahres von Versammlungen Wilhelms und Auguste Viktorias mit dem antisemitischen Hofprediger Alfred Stoecker, Generalfeldmarschall Alfred von Waldersee, dem Chefredakteur der konservativen Neuen Preußischen Zeitung, Wilhelm Freiherr von Hammerstein, und dem Hofmeister Auguste Viktorias, Ernst Freiherr von Mirbach, erfuhr. Eigentlich sollten für die Stadtmission Stoeckers Spenden gesammelt werden. Eine lobende Ansprache Wilhelms zu Stoeckers Werk wurde jedoch vom Reichskanzler Otto von Bismarck nicht gut aufgenommen, da der Prinz darin direkte Kritik an der »Verwahrlosung der Massen«, der »drohenden Gefahr von Seiten der Sozialdemokratie und des Anarchismus« und an der »jüdischen Presse« äußerte. Solche unbedachten Äußerungen des Prinzen hätten Bismarcks kirchlicher Konsolidierungspolitik nach dem Kulturkampf Schaden zufügen können; gleichzeitig sah Bismarck in Generalfeldmarschall Waldersee einen direkten Gegner seiner Kanzlerschaft.

Besonders schockiert über diese Situation war Kronprinzessin Victoria, die an ihre Mutter schrieb: »Wilhelm und mehr noch Dona haben stets diese […] ›Clique‹ bevorzugt – deren Mitglieder alle heftige Bismarckisten, Konservative usw. sind. […] Die Menschen, die seit (bald) 30 Jahren zu Fritz und vor allem zu mir widerlich gewesen sind, sind genau dieselben, die Wilhelm nachlaufen, die ihn und auch Dona ganz in ihrer Tasche haben.«49 Für sie waren Bismarck und Waldersee aus einem Guss, während Hofmarschall Eduard von Liebenau vermutete, dass die »orthodoxen Ideen des Hofes der Frau Prinzessin [Auguste Viktoria] […] bekannt sind. Auf den Prinzen haben dieselben aber nur einen geringen Einfluß, da er mit den Damen kaum spricht und den Kammerherrn [Mirbach] sehr selten sieht.«50 Damit hatte er nicht ganz Recht, denn es war Auguste Viktoria, die auf die Unterstützung von Waldersee und Stoecker setzte und beide bat, »de[m] Prinzen mit Rath zur Seite zu stehen«51. Die Kritik war so groß, dass er sich von Stoecker distanzierte und ihn schließlich 1890, gegen den Willen seiner Frau, als Hof- und Domprediger entließ.52

Die Kritik an Wilhelms Anwesenheit bei der Waldersee-Versammlung wurde auch durch das Wissen um seine baldige Thronbesteigung extensiviert. Wilhelm I. war zu diesem Zeitpunkt beinahe 90 Jahre alt und eine anhaltende Heiserkeit des Kronprinzen führte nach einer Untersuchung am 12. November 1887 zur Gewissheit, dass er an Kehlkopfkrebs litt. Mehrere vorherige Versuche, den Krebs mit einem heißen Eisendraht abzutrennen, gelangen zwar, brachten aber nur kurzzeitige Linderung. Damit er nicht an der Geschwulst in seinem Hals erstickte, entschied man sich nach zähen Verhandlungen am 9. Februar 1888, einen Luftröhrenschnitt beim ihm durchzuführen. Durch den Eingriff verlor Friedrich Wilhelm seine Sprachfähigkeit. Er konnte nur noch durch eine Kanüle atmen und kommunizierte mithilfe von Zetteln. Da sich der alte Kaiser bewusst war, dass sein Sohn durch seine Erkrankung unfähig war, Regierungsgeschäfte zu übernehmen, erließ Wilhelm I. eine Order, die Prinz Wilhelm als Regent eingesetzt hätte, wenn seine Kräfte nicht mehr ausgereicht hätten. Vom Kronprinzen und seiner Frau wurde diese Übergehung mit Unmut aufgenommen.53

Im Februar 1888 zogen Auguste Viktoria und Wilhelm ins Berliner Schloss, wo Wilhelm seinen Posten als Kommandeur der 2. Garde-Infanterie-Brigade antrat. Der Kronprinz reiste zur Kur ans Mittelmeer in das italienische San Remo, von wo man die Verwandten über den Zustand des Kranken auf dem Laufendem hielt. An ein privates Familienleben gewöhnt, hoffte die Prinzessin, dass ihr Schwiegervater die Krankheit besiegen würde und »von Herzen dem Kaiser noch ein langes Leben« geschenkt sei, denn »sie fürchte Pz [Prinz] Wilhelm sei für die Stellung des Kaisers noch zu jung«54. Die Nachrichten, die sie jedoch aus San Remo erreichten, waren besorgniserregend. Der Kaiser hatte sich Anfang März eine Erkältung zugezogen und verlor zunehmend an Kraft. In der Nacht vom 8. zum 9. März 1888 bekamen Prinz und Prinzessin Wilhelm die Mitteilung, dass der Kaiser im Sterben lag. Gegen halb 9 Uhr in der Früh verstarb Wilhelm I. mit 90 Jahren, und Auguste Viktoria, nun Kronprinzessin, verließ um 10 Uhr »ganz gebrochen«, wie eine Hofdame notierte, das Palais des verstorbenen Kaisers.

Der neue Kaiser Friedrich III. verließ Italien trotz gegenteiliger Ratschläge aufgrund seines Zustandes und traf am 11. März in Charlottenburg ein. Fünf Tage später wurde sein Vater dort im Mausoleum seiner Eltern, König Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise, beigesetzt. Am Gedenkgottesdienst im Berliner Dom, der durch das Läuten aller Berliner Kirchenglocken angekündigt wurde, konnte er aufgrund seines gebrechlichen Zustands nicht teilnehmen. Der Hof versank in Trauer mit der entsprechenden Anweisung vom Minister des königlichen Hauses, dass die Damen »schwarz-wollene Schlepp-Kleider mit schwarzen Handschuhen (nicht glacé) und schwarz[en], glanzlose[n] Fächern« zu tragen hätten. Kaiser Friedrich zog sich ins Neue Palais zurück, wo er nach 99 Tagen als Regent am 15. Juni 1888 verstarb. Sein ältester Sohn war nun mit 29 Jahren Wilhelm II., Deutscher Kaiser und König von Preußen. Er ließ das Neue Palais sofort abriegeln und nach belastbaren Dokumenten untersuchen. Friedrich III. wurde am 18. Juni in der Potsdamer Friedenskirche beigesetzt, deren Glocken von 10 bis 11 das Geläut aller Potsdamer Glocken anführten. Neben dem neuen Kaiser nahm auch der König von Sachsen an der Beisetzung teil.55


Eröffnung des Reichstags am 25. Juni 1888. Die schwangere Kaiserin steht unter dem Baldachin, der Kronprinz vor ihr. (Künstler: Anton von Werner)

Sieben Tage später, am 25. Juni, verlas Kaiser Wilhelm II. im Weißen Saal des Berliner Schlosses die Thronrede bei der Eröffnung des Reichstags, wo für »Ihre Majestät die Kaiserin und Königin […], welche um 11.45 Uhr [Andacht im Weißen Saale hörte], […] eine Tribüne errichtet« wurde.56 Neben der hochschwangeren und in schwarz gekleideten Auguste Viktoria standen die Fürsten der deutschen Länder und wichtige Herren aus Politik und Gesellschaft. Vor dem Podest stand Wilhelm II. und verlas die ihm vom Reichskanzler Bismarck übergebene Thronrede:

Geehrte Herren!

Mit tiefer Trauer im Herzen begrüße ich Sie und weiß, daß sie mit mir trauern. Die frische Erinnerung an die schweren Leiden meines hochseligen Herrn Vaters, die erschütternde Tatsache, daß ich drei Monate nach dem Hinscheiden weiland Seiner Majestät des Kaisers Wilhelm berufen war, den Thron zu besteigen, üben die gleiche Wirkung in den Herzen aller Deutschen […], daß ich entschlossen bin, als Kaiser und König dieselben Wege zu wandeln, auf denen mein hochseliger Herr Großvater das Vertrauen seiner Bundesgenossen, die Liebe des deutschen Volkes und die wohlwollende Anerkennung des Auslands gewonnen hat. […] Deutschland bedarf weder neuen Kriegs, Ruhms noch irgendwelcher Eroberungen, nachdem es sich die Berechtigung, als einige und unabhängige Nation zu bestehen, endgültig erkämpft hat […]. Im Vertrauen auf Gott und auf die Wahrhaftigkeit unseres Volkes hege ich die Zuversicht, daß es uns für absehbare Zeit vergönnt sein werde, in friedlicher Arbeit zu wahren und zu festigen, was unter Leitung meiner beiden in Gott ruhenden Vorgänger auf dem Throne kämpfend erstritten wurde.57

Im Dezember 1889 erklärte die neue Kaiserin einer »amtlichen Mittheilung zufolge«, dass sie »beim Gebrauch Ihres Namens allerhöchst sich nicht Augusta Victoria [,] sondern Auguste Victoria nenne«58.

Auguste Viktoria

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