Читать книгу Einmal noch nach New York - Rüdiger Kaufmann - Страница 3
Aufbruch ins Abenteuer ...
Оглавление»Und? Wie sieht es aus?«
»Es tut mir wirklich leid Steve …«, Dr. Peters schluckte und holte dann tief Luft, »Ich kann leider nichts mehr für dich tun.«
Steve schaute Dr. Peters ziemlich gefasst in die Augen.
»Schon in Ordnung. Dafür sind andere verantwortlich. Sag mir wenigstens noch, wie lange ich habe.«
»Wenn wir mehr darüber wüssten. Mehr Zeit zum Forschen hätten …«
»Wie lange noch Michael?«
Michael atmete tief durch.
»Nach den derzeitigen Ergebnissen drei bis sechs Monate.«
»Alles klar … ich verstehe …«
Steve erhob sich von seinem Stuhl.
»Dann will ich dir nicht noch mehr von deiner Zeit stehlen.«
»Du weißt, du kannst mich jederzeit anrufen. Tag und Nacht. Was wirst du jetzt machen?«
Steve schaute zum Fenster hinaus und betrachte den Himmel. In der Ferne sah man ein Flugzeug, das einen Kondensstreifen hinterließ.
»Mal sehen … vielleicht fliege ich nach New York … da wollte ich schon immer mal hin.«
Er drehte sich um und ging auf Michael zu.
»Also lebe wohl.«
Steve reichte ihm zum Abschied die Hand.
»Nein, auf Wiedersehen.«
Ein verkniffenes Lächeln kam über Steves Lippen, während er unmerklich den Kopf schüttelte.
»Du weißt, dass es nicht so ist.«
Mit diesen Worten drehte er sich um und ging zur Tür hinaus. Steve betrat gedankenverloren den Bürgersteig und wäre fast von einem Fahrradfahrer überfahren worden. Der Fahrer wich aus und brüllte ihn im Vorbeifahren an.
»Du Idiot … pass gefälligst auf.«
Ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen, ging er weiter die Straße entlang zu seinem geparkten Wagen. Mitte Dezember war es wieder einmal bitterkalt, doch von Schnee gab es nicht die geringste Spur.
Mühsam quälte sich der Verkehr durch die Innenstadt. Die Geschäfte waren überfüllt mit Menschen, die noch schnell ein paar Weihnachtsgeschenke für die Lieben besorgen mussten. Steve war es keinesfalls nach Weihnachten zumute. Vor knapp 3 Jahren starb seine Frau bei einem Autounfall. An Heiligabend drängte sie ein betrunkener Fahrer von der schneebedeckten Straße. Seine Frau war auf der Stelle tot, während der Unfallfahrer nur leichte Prellungen davontrug. Steve zog sich mehrere Schnittverletzungen und Knochenbrüche zu. Von diesem Zeitpunkt an feierte er weder Weihnachten noch seinen Geburtstag.
Endlich hatte er seinen Wagen erreicht. Steve öffnete die Fahrertür, setzte sich hinein und fuhr nach Hause. Überall sah er kleine Kinder, die mit ihrem Gesicht an Schaufenstern hingen und sich die Nase platt drückten. Dabei zogen sie noch an den Ärmeln der Eltern und bettelten darum in den Laden zu gehen. Erneut schweiften seine Gedanken ab. Er wollte mit seiner Frau auch einmal Kinder haben. Dieser Wunsch ging nie in Erfüllung. Froh nach einer schier endlosen Fahrt daheim angekommen zu sein, fiel Steve auf sein Sofa. Nachdenklich starrte er das Bild seiner Frau an.
»Was soll ich nur tun, Elionore? Was hat Michael gesagt? Drei bis sechs Monate habe ich noch … Ich weiß einfach nicht weiter. Gibt es denn nichts und niemanden auf dieser Welt, der mir helfen kann?«
In dem Moment, in dem er seine letzten Worte aussprach, schlug der Wind ein Wohnzimmerfenster auf und eine Zeitung wehte hinein.
»Was ist denn hier los?«
Steve sprang vom Sofa auf und schloss das Fenster. Das Bild seiner Frau lag am Boden neben der Zeitung. Er wollte es aufheben, als ihm plötzlich etwas ins Auge fiel …
»Meinst Du wirklich ich, sollte es tun? Was habe ich schon zu verlieren. Ich danke dir mein Schatz.«
Steve gab dem Bild einen Kuss und stellte es zurück ins Regal. Am nächsten Morgen stand er mit gepackten Koffern am Flughafen. Er ging zum nächsten freien Schalter.
»Guten Morgen der Herr …«, hörte er die Dame hinter dem Schalter sagen: »Was kann ich für sie tun?«
»Ich hätte gerne ein Flugticket nach New York.«
»Hin- und Rückflug?«
»Nein, nur Hinflug. Ach ja, wenn es geht, hätte ich gerne einen Fensterplatz.«
»Ich denke das ist kein Problem.«
Einige Sekunden später kam das Ticket auch schon aus dem Drucker.
»Bitte sehr.«
Die junge Dame am Schalter gab Steve das Flugticket.
»Flug Nr. LS 542-1, Platz 21A. Sie können am Gate 5 einchecken. Der Flug geht in 2 Stunden.«
Steve bedankte sich, nahm diesen kleinen Zettel aus ihrer Hand und ging zum Gate. Nachdem er die üblichen Sicherheitskontrollen hinter sich gebracht hatte, befand er sich jetzt in der Wartehalle. Er setzte sich auf einen der Sessel und schaute aus dem Fenster. Dort konnte er die startenden und landenden Flugzeuge beobachten.
Was hatte Steve eigentlich gesehen, das ihn dazu bewog, so kurzfristig abzureisen?
Das Bild seiner Frau lag genau neben einem Artikel in der Tageszeitung. Die Überschrift lautete wie folgt. »New York ist eine Reise wert. Vor allem jetzt in der Weihnachtszeit …« War es ein Wink des Schicksals oder nur reiner Zufall? Eigentlich war es egal. Steve wusste, was er zu tun hatte.
Knapp 2 Stunden später …
Endlich konnte Steve an Bord der Maschine steigen. Schnell erreichte er seinen Platz und setzte sich hin.
»Dass so viele während der Weihnachtszeit verreisen«, dachte sich Steve.
Aber das kümmerte ihn nicht weiter. Kurze Zeit später rollte die Maschine schon zur Startbahn und hob planmäßig ab. Damit ihm die Flugzeit nicht zu lang wurde, kaufte er von der Stewardess ein Paar Kopfhörer. So konnte er sich wenigstens die Filme auch anhören, die den Flug über gebracht wurden.
Seinem Chef daheim hatte er reinen Wein eingeschenkt. Steve erzählte ihm von seiner Erkrankung, den Aussichten dies zu überleben und seinem Entschluss nach New York zu fliegen. Es gab keine Probleme und sein Chef gab ihm unbefristet Urlaub.
Während des Fluges dachte Steve über vieles nach. Darüber, ob sein Entschluss die richtige Entscheidung gewesen war. Ob er doch etwas hätte ändern können. Nein … diese Gedanken waren absurd. Die Zeitung, das Bild seiner Frau. Er sollte es tun und tat es auch. Einige Stunden und ein Nickerchen später befanden sie sich bereits im Landeanflug auf den John F. Kennedy International Airport. Ein imposanter Anblick, diese Wolkenkratzer. Mit jeder Minute, der sie sich dem Flughafen näherten, wurde Steve nervöser. Gleich sollte er in New York landen. Dem Ort, den er schon immer einmal besuchen wollte. Leider konnte seine Frau es nicht mehr miterleben.
Ein Rumpeln und Quietschen war zu hören. Sie hatten es geschafft. Der Flieger setzte sicher auf der Landebahn auf. Etliche Sicherheitskontrollen später stand Steve vor dem Flughafengelände.
Was sollte er nun zuerst machen? Ein Hotel suchen oder doch lieber die schöne Stadt bewundern? Nein, er wollte erst mal auf das Empire State Building bevor er sich ein Hotel suchte. In das erste Taxi, das hielt stieg Steve ein.
»Bitte zum Empire State Building.«
»No Problem, Sir.«
Schon ging es los …
Auch in New York lag dieses Jahr kein Schnee, obwohl es hier ebenso bitterkalt war. Überall war es weihnachtlich geschmückt. Fenster, Türen, Bäume und Geschäfte. Von einem Stau in den nächsten fuhr das Taxi in Richtung des Wolkenkratzers.
»Das ist normal hier in New York. Aber gerade jetzt in der Weihnachtszeit ist es noch schlimmer. Machen sie Urlaub?«, fragte der Taxifahrer.
»Na ja, so was in der Art«, antworte Steve während er aus dem Fenster schaute.
»Sind sie zum ersten Mal hier?«
»Ja.«
»Ich bin schon 20 Jahre Taxifahrer. Hab schon viele Touristen gefahren. Hier, das hier sind meine Frau und meine 2 Kinder.«
Der Taxifahrer zeigte auf ein Bild, welches vorn am Armaturenbrett klebte.
»Sind die Kleinen nicht süß? Haben sie auch Kinder?«
»Nein. Das Glück hatte ich nicht.«
»Wollen sie und ihre Frau denn keine Kinder haben?«
»Wie kommen sie darauf, dass ich verheiratet bin?«
»Der Ring an ihrem Finger.«
»Oh …« Steve schaute auf den goldenen Ring an seiner Hand, den er seit dem Tod seiner Frau nicht abgemacht hatte.
»Nein, meine Frau ist vor 3 Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen.«
»Sorry, das wusste ich nicht. Ich hoffe ich war nicht pietätlos.«
»Nein, ist schon gut …«
Etliche Gespräche und 2 Stunden später hielt das Taxi vor dem Empire State Building.
»Was macht das?«, fragte Steve den Taxifahrer.
»Genau 24 Dollar Sir.«
»Hier haben sie 40 Dollar. Der Rest ist für sie. Vielleicht kriegen sie ja eine Kleinigkeit für ihre Kinder.«
»Oh boy, thanks! Werde ich machen. Und wenn sie mal wieder ein Taxi brauchen, hier ist meine Karte. Einfach die Telefonnummer anrufen und nach John fragen. Wenn ich frei bin, komme ich.«
John gab Steve eine kleine Gelbe Karte mit einer langen Nummer darauf.
»Geht klar, John. Noch mal danke.«
»OK. Bye.«
»Bye.«
Steve schloss die Tür und das Taxi fädelte sich wieder in den New Yorker Verkehr ein.
Staunend schaute er sich um. Überall tummelten sich Menschen und der Anblick der riesigen Gebäude war wirklich beeindruckend. Steve nahm seinen Koffer und ging in das Empire State Building. Überwältigt von den Eindrücken stieg Steve in den Fahrstuhl und fuhr zur Plattform hoch. Auch hier oben waren nicht weniger Menschen als unten. Touristen, die New York von oben sehen wollten. Steve stellte sich an ein Gitter und betrachtete die Schönheit New Yorks.
Es war so kalt, dass man seinen Atem sehen konnte.
»Einfach wunderschön …«, fuhr es vor Begeisterung aus ihm heraus.
»Nicht wahr … das finde ich auch«, erklang eine junge, helle Stimme hinter ihm.
Unwillkürlich drehte Steve sich um und erblickte eine wunderschöne junge Dame zierlich an Gestalt. Sie war ungefähr 170 cm groß, hatte rote, kurze Haare und grüne Augen. Wie versteinert schaute er sie an.
»Hallo, geht es ihnen gut?«
Wieder zurück in der Gegenwart.
»Äh, ja Entschuldigung.«
Das Mädchen lächelte, »Na, dann bin ich aber beruhigt. Dem Akzent nach stammen sie aber nicht aus New York. Ich würde sagen sie kommen aus good old Germany.«
»Wow, genau. Woher haben sie das denn gewusst?«
Steve war wirklich überrascht.
»Ich kann hellsehen … nein, nicht wirklich?«
Das Mädchen schmunzelte und sagte, »Nein, ich habe das Adressschild auf ihrem Koffer gelesen. Aber trotzdem, mein Vater ist auch deutscher Abstammung. Er ist vor 30 Jahren ausgewandert und hat meine Mutter hier oben kennengelernt. Später haben sie dann geheiratet. Machen sie gerade Urlaub?«
»Na ja, so was in der Art.«
»Und ihre Frau? Ist sie nicht mit gekommen?«
Steve holte tief Luft.
»Wie kommen sie darauf, dass ich verheiratet bin?«
»Der Ring an Ihrem Finger.«
»Oh, ja stimmt. Das hat der Taxifahrer vorhin auch gesagt. Nein meine Frau ist vor 3 Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen.«
»Das tut mir leid.«
»Danke.«
»Wissen sie denn schon, wo sie unterkommen?«
»Noch nicht. Ich bin gerade erst angekommen und wollte unbedingt zuerst hierher. Kennen sie ein gutes Hotel?«
»Hmm. Die guten Hotels sind ziemlich teuer und die anderen durch die Weihnachtszeit ausgebucht. Ich habe eine bessere Idee. Warum kommen sie nicht mit zu mir? Ich bin allein und habe ein Gästezimmer. Ich könnte ihnen auch etwas von New York zeigen, wenn sie das möchten.«
»Sie kennen mich doch gar nicht und wollen mich mit nach Hause nehmen?«
Das Mädchen lächelte, »Ich habe eine gute Menschenkenntnis.«
Einen Moment lang überlegte Steve.
»Na, was ist? Nehmen sie mein Angebot an?«
»Hmm … gerne …«
»Lassen sie uns gehen. Ich habe mein Auto in der Nähe geparkt.«
Gesagt getan. Steve nahm seinen Koffer und folgte der jungen Frau nach unten. Im Erdgeschoss angekommen, wendeten sich die Zwei in Richtung Ausgang und gingen hinaus.
Beeindruckt von den riesigen Wolkenkratzern und den Menschenmassen folgte Steve dem Mädchen durch die Straßen.
»Oh wie unhöflich von mir. Ich habe mich ja noch nicht einmal vorgestellt. Tamara Miller.«
»Angenehm. Steve Müller.«
»Freut mich. Darf ich Steve sagen? Wo du … sie äh …?«
Tamara schaute Steve erwartungsvoll an.
»Du ist schon in Ordnung. Wo ich jetzt bei dir wohne.«
Steve lächelte.
»Nenne mich einfach Tammy, wie meine Freunde. Da sind wir schon.«
Sie standen vor einem alten, weinroten Chevrolet.
»Steig ein. Den Koffer kannst du auf den Rücksitz stellen.«
Beide stiegen in den Wagen und schon konnte die Fahrt durch New York losgehen.
Wieder endlos lange Staus, drängelnde Autofahrer und quer über die Straße laufende Fußgänger behinderten die Heimfahrt. Dennoch irgendwann waren sie angekommen. Ein kleiner Vorort, in dem kleine, gemütliche Häuser standen. Die Vorgärten waren meist schon mit weihnachtlicher Dekoration geschmückt. Bunte Lichter, wo man nur hinsah.
»Genauso habe ich es mir immer vorgestellt.«
»Was hast du dir immer so vorgestellt, Steve?«
»Dass hier alles so schön zu Weihnachten aussieht. Einzig und allein was jetzt noch fehlt, ist Schnee …«
»Warte ab der kommt auch noch. So, da wären wir.«
Tammy bog in die Hauseinfahrt eines kleinen Häuschens ein und parkte den Wagen vor der Garage. Nachdem beide ausgestiegen waren, gingen sie gemeinsam ins Haus.
»Ich zeig dir gleich mal dein Zimmer. Komm mit.«
Tammy ging vor Steve eine kleine Treppe hinauf ins obere Stockwerk. Sie bog nach links und am Ende des Ganges zeigte sie auf eine blaue Holztür.
»Da ist dein Zimmer. Meines ist gleich nebenan und das Bad ist hier vorne hinter der grünen Tür. Mach dich doch etwas frisch, wenn du möchtest. Ich mache uns noch eine Kleinigkeit.«
»Gut. Danke.«
»Ok, ich rufe dich dann …«, mit diesen Worten ging Tammy auch gleich wieder runter in die Küche.
Irgendwie war das schon komisch. Steve kannte die junge Frau gerade mal zwei Stunden und schon befand er sich in ihrem Haus und sie machte etwas zu Essen für ihn. Es war ein angenehmes Gefühl in ihrer Nähe. Was hatte er auch schon zu verlieren. Steve hob seinen Koffer aufs Bett und schaute sich um.
»Nett hat sie es hier.«
Wenn man aus dem Fenster blickte, konnte man einen kleinen Teich erblicken, der in der Dämmerung gerade noch zu erkennen war. Ein Schwarm Enten hob gerade ab. Steve ging ins Bad und machte sich ein wenig frisch. Eine halbe Stunde später saßen beide unten im Wohnzimmer vor dem Kamin und aßen geschmierte Brote. Das Holz im Kamin knisterte vor sich hin und gab eine wohlige Wärme von sich. Ab und zu sprangen ein paar Funken heraus.
»Schön hast du es hier, Tammy. Wirklich …«
»Danke schön. Steve? Was hältst du davon, wenn ich dir morgen ein wenig von der Stadt zeige?«
Steve überlegte nicht lange, denn das wollte er auf jeden Fall.
»Eine tolle Idee. Ich freue mich schon.«
Wohl gesättigt und müde von der langen Reise fiel Steve kurz darauf in seinem frisch bezogenen Bett in einen tiefen und festen Schlaf, nicht ahnend, dass Tammy nochmals nach draußen vor die Tür gegangen war. Eine dunkle Gestalt näherte sich dem Haus von der gegenüberliegenden Straßenseite. Tammy ging auf diese Person zu und sprach mit ihr. Kurz darauf verschwand sie wieder im Haus und legte sich ebenfalls schlafen.